Das Geld war schmutzig - Richard Stark - E-Book

Das Geld war schmutzig E-Book

Richard Stark

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Beschreibung

Als Touristen getarnt, die den herbstlichen Laubwald Neuenglands bewundern, logieren Parker und seine Freundin in einer Pension in der Nähe der verlassenen Kirche, wo die bei einem Banküberfall erbeuteten Millionen versteckt sind. Aber in der Zwischenzeit ist Dalesia, einer von Parkers Kumpeln, ausgebrochen, es wimmelt in der Gegend von Polizisten, Parkers Konterfei hängt überall aus, und eine Kopfgeldjägerin möchte sich ihre Prämie verdienen. Mit einem riskanten Plan kommen sie an die Beute und ziehen vor den Augen der Polizei mit dem Geld ab, jetzt getarnt als Mitglieder einer obskuren "Erlöserkirche". Aber dann tritt eine andere Bande auf den Plan und will ihnen die Beute abnehmen. Nach "Fragen Sie den Papagei" und "Keiner rennt für immer" ist dies der nächste Thriller, der den faszinierend coolen Helden Parker in Hochform zeigt.

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Über das Buch

Viel, sehr viel Geld hat Parker bei seinem letzten Überfall zurückgelassen müssen, weil ihm die Polizei auf den Fersen war. Nun will er es holen. Als Touristen getarnt, die den herbstlichen Laubwald Neuenglands bewundern, logieren er und seine Freundin in einer Pension in der Nähe der verlassenen Kirche, wo die Millionen versteckt sind. Aber in der Zwischenzeit ist Dalesia, einer von Parkers Kumpeln, geschnappt worden und dann ausgebrochen, es wimmelt also in der Gegend von Polizisten, Parkers Konterfei hängt überall aus, und eine Kopfgeldjägerin möchte sich ihre Prämie verdienen. Es bleibt Parker nichts anderes übrig, als sich ihrer Dienste zu bedienen, und sie erweist sich als fast ebenso kaltblütig und gerissen wie sie.

Ein gewisses Hindernis bei der Wiedererlangung der Beute ist allerdings, dass Parkers zweiter Kumpel ebenfalls auf eigene Rechnung arbeitet. Das Ergebnis: Nicht nur die Polizei, sondern auch eine Gangsterbande ist hinter Parker und seinen Millionen her.

Das Tempo, der Witz, die gnadenlose Effizienz des schurkischen Helden — all das macht auch den letzten Parker-Roman des legendären Autors zum Erlebnis.

»Schlank, schnörkellos und präzise erzählt Stark, setzt also das Ideal vom bis zur Reinheit entschlackten Text so um, dass Hemingway stolz wäre.«

(Thomas Klingenmaier in der Süddeutschen Zeitung)

Richard Stark

Das Geld war schmutzig

Roman

Aus dem Amerikanischen von Rudolf Hermstein

Paul Zsolnay Verlag

Zsolnay E-Book

Teil Eins

Eins

Als der silberne Toyota Avalon den Fahrweg herab aus dem Wald und über die Eisenbahnschienen holperte, stellte Parker bei dem Infiniti den Wählhebel auf L und sprang auf den Kies hinaus. Der Infiniti ruckelte auf den Fluss zu, und der Toyota kam hinter ihm schleudernd zum Stehen. Parker hob die volle Reisetasche auf, wo er sie abgestellt hatte, und hinter ihm rollte der Infiniti mit offenen Fenstern in den Fluss. Der Wagen glitt in das graue Wasser wie ein Bär in einen Forellenbach.

Parker trug die Reisetasche auf den Armen, und Claire stieg aus dem Toyota, um die Hecktür zu öffnen. »Willst du fahren?« fragte sie.

»Nein, mir reicht’s.« Er wuchtete die Reisetasche auf den Rücksitz und nahm auf dem Beifahrersitz Platz.

Bevor Claire sich ans Steuer setzte, schaute sie zum Fluss hinunter, eine hochgewachsene, schlanke Frau mit aschblonden Haaren in einer schwarzen Hose und einem dicken dunkelroten Pullover gegen die Oktoberkälte. »Er ist weg«, sagte sie.

»Gut.«

Dann setzte sie sich in den Toyota, küsste Parker und nahm sein Gesicht in ihre schmalen Hände. »Lange her.«

»Es ist nicht ganz nach Plan gelaufen.«

»Aber du bist wieder da«, sagte sie und steuerte den Toyota über die Schienen und den Fahrweg durch den Buschwald hinauf. »Heißt einer von deinen Leuten Dalesia?«

»Nick. Den haben sie geschnappt«, sagte er.

»Er ist abgehauen.« Sie hielt an der asphaltierten Staatsstraße und bog nach rechts ab, Richtung Süden.

»Nick ist abgehauen?«

»Ich hab auf der Herfahrt Nachrichten gehört. Es war vor zwei Stunden, in Boston. Sie haben ihn von der Staatspolizei an die Bundespolizei überstellt, wollten ihn zur Vernehmung irgendwohin in den Süden bringen. Er hat einen Marshal getötet und ist mit der Waffe entkommen.«

Parker betrachtete ihr Profil. Sie waren fast allein auf der Straße, es war noch vor sieben Uhr morgens, und Claire fuhr schnell. »Sie haben ihn gestern geschnappt«, sagte er, »und hatten ihn noch nicht vernommen?«

»So kam’s im Radio.« Sie zuckte die Achseln, den Blick auf die Straße gerichtet. »Für mich hat es sich nach einem Kompetenzgerangel angehört, zwischen der örtlichen Polizei und dem FBI, was sie natürlich nicht zugegeben haben. Die vom FBI haben gewonnen, aber den Mann haben sie verloren.«

Parker schaute auf die in sanftem Auf und Ab nach Süden führende Landstraße hinaus. Bald würden sie in New Jersey sein. »Wenn Nick noch nicht vernommen worden ist, dann wissen sie auch nicht, wo das Geld ist.«

Mit einer Kopfbewegung zu der Reisetasche auf dem Rücksitz fragte sie: »Da ist es nicht drin?«

»Nein, das ist was anderes.«

Sie lachte überrascht. »Du kommst an das Geld nicht ran, also hast du dir auf dem Rückweg anderes besorgt?«

»Es gab zuviel Rummel nach dem Raubüberfall«, sagte er. »Wir konnten es noch bunkern, aber nicht mehr wegschaffen. Jeder hat ein bisschen was eingesteckt. Nick wollte etwas davon ausgeben, aber die haben die Seriennummern.«

»Aha. So haben sie ihn also drangekriegt. Hast du auch was?«

»Nicht mehr.«

»Gut.«

Eine Zeitlang fuhren sie schweigend weiter. Er streckte seine Beine und ließ die Schultern kreisen. Er war ein großer, muskulöser Mann, der in dem Toyota eingezwängt wirkte. Er war die Nacht durchgefahren und hatte eine Stunde zuvor Claire aus einem Schnellimbiss angerufen, um sich mit ihr zu verabreden und den Infiniti loszuwerden, der zu heiß war und mit Fingerabdrücken übersät. Jetzt überholten sie einen langsam fahrenden Heizöltankwagen, und er sagte: »Ich brauche ein bisschen Schlaf, aber dann müsstest du mich nach Long Island fahren. Meine Papiere sind bei dem Schlamassel in Massachusetts unbrauchbar geworden. Ich fahr besser nicht, bis ich neue kriege.«

»Du willst nur mit jemand reden?«

»Stimmt.«

»Dann fahr ich dich.«

»Gut.«

Sie schaute auf die Straße; im Moment gab’s keinen Verkehr. »Geht’s dabei immer noch um den Raubüberfall?«

»Um unseren dritten Mann«, sagte er. »Auch er wird wissen, was es bedeutet, dass Nick auf freiem Fuß ist.«

»Dass die Polizei nicht weiß, wo das Geld ist.«

»Aber Nick weiß, wo wir sind, er könnte ihnen einen Hinweis geben. Sind wir noch Partner?« Er schüttelte den Kopf. »Leg einen Polizisten um«, sagte er, »und du spielst in einer anderen Liga. McWhitney und ich müssen uns absprechen.«

»Aber nicht per Telefon.«

Parker gähnte. »Nichts per Telefon, auf gar keinen Fall«, sagte er. »Außer Pizza.«

Zwei

Ein- oder zweimal war Claire Parkers anderer Welt zu nahe gekommen, oder diese Welt war ihr zu nahe gekommen, und das hatte sie gar nicht lustig gefunden, also hielt er sie nach Möglichkeit aus solchen Sachen raus. Aber das hier war okay; alles war schon vorbei, sie mussten nur noch ein bisschen aufräumen.

Am Spätnachmittag fuhren sie ostwärts durch New Jersey, und er erklärte ihr die Situation: »Ein Treffen ist schiefgelaufen. Ein Typ namens Harbin hat Probleme gemacht. Er war verdrahtet —«

»Polizei?«

»Und das hat er nicht überlebt. Dann kam raus, dass das FBI eine Belohnung auf ihn ausgesetzt hatte, und das hat einen Kopfgeldjäger namens Keenan auf den Plan gerufen.«

»Das hatte aber nichts mit euch in Massachusetts zu tun?«

»Nein. Es war nur einfach lästig. Keenan hat versucht, alle zu finden, die bei dem Treffen dabei waren, um auf diese Weise was über Harbin zu erfahren. Er hat sich ein paar Telefonunterlagen beschafft, Nick Dalesia hat zweimal in unserem Haus hier angerufen, und so hat er uns gefunden.«

Sie sah ihn an und schaute dann auf die Interstate 80: jede Menge Lastzüge, so dichter Verkehr in beiden Richtungen, dass man nicht oft die Spur wechselte. »Du meinst«, sagte sie, »die Polizei könnte jetzt auftauchen, aufgrund derselben Telefonunterlagen?«

»Eher unwahrscheinlich. Keenan war auf Kontakte aus. Die Polizei sucht nach Nick, und die wissen bestimmt, dass er nicht so dumm ist, bei jemand unterzukriechen, den er kennt. Die verschwenden ihre Zeit nicht mit Telefonrechnungen.«

»Aber wohin fahren wir denn jetzt?«

Parker war ausgeruht, er hatte fast den ganzen Tag geschlafen, aber das Auto war ihm trotzdem zu klein, vielleicht, weil er nicht am Steuer saß. Er streckte sich, so gut es ging, und sagte: »Keenans Partnerin, eine gewisse Sandra Loscalzo, hat uns in Massachusetts aufgestöbert, unmittelbar bevor wir die Sache durchgezogen haben. McWhitney hat sie überredet, wieder zu verschwinden. Dafür wollte er sie, sobald er wieder in Long Island war, zu Harbin führen.«

»Der schon tot ist.«

»Ja.«

»Und McWhitney lebt auf Long Island?«

»Er hat dort eine Bar. Seine Wohnung liegt dahinter.«

»Und da fahren wir hin.«

»Und wenn wir da sind, bestimmst du selbst, was du machen willst.«

Sie schaute stirnrunzelnd nach vorn, auf den Verkehr und den dämmernden Himmel im Osten. »Kann es unangenehm werden?«

»Ich glaube nicht. Wenn wir dort sind, kann ich reingehen und mit McWhitney reden, und du wartest im Auto, oder du kommst mit rein und wir trinken was, in geselliger Runde.«

»Es wird also keinerlei Ärger geben?«

»Nein. Wir müssen beschließen, was wir mit der Loscalzo machen, und wir müssen beschließen, was wir mit dem Geld machen. Im Moment veranstalten die dort einen Mordswirbel —«

»Wegen dem, was ihr gemacht habt.«

»Die nehmen jeden Fremden unter die Lupe«, sagte Parker achselzuckend. »Also müssen wir das Geld noch eine Weile da lassen, wo es ist, aber nicht zu lange, sonst finden sie entweder Nick und er erkauft sich mit dem Geld eine mildere Strafe, oder er schafft es bis zu dem Versteck und räumt es aus, weil ihm in seiner Lage nichts anderes übrigbleibt. Wer so gejagt wird, braucht sehr viel Kleingeld.«

»Du hast gesagt, sie haben die Seriennummern«, sagte sie. »Dann kann er doch nichts damit anfangen, oder?«

»Er wird eine breite Spur hinterlassen, aber das wird ihm egal sein.«

»Aber du kannst doch nichts damit anfangen.«

»Offshore«, sagte er. »Wir können es mit einem Abschlag an Leute verkaufen, die es nach Afrika oder Asien bringen. Dann kommt es nicht wieder in den Bankenkreislauf.«

»Was es alles für Möglichkeiten gibt«, sagte sie.

»Not macht erfinderisch.«

»Du hast vorhin gesagt, ihr müsst beschließen, was ihr mit dieser Wie-heißt-sie-noch macht. Der Partnerin des Kopfgeldjägers.«

»Sandra Loscalzo.«

»Warum müsst ihr nicht beschließen, was ihr mit dem Mann macht? Mit Keenan.«

»Der ist auch tot.«

»Oh.«

Der Verkehr wurde noch dichter, während sie sich der Stadt näherten. Sie schwiegen beide eine Zeitlang, dann sagte sie zu seiner Überraschung: »Ich geh mit rein.«

Drei

»Wir können da noch nicht hin«, sagte McWhitney zur Begrüßung.

Parker stand am Tresen und sagte: »Nelson McWhitney, das ist meine Freundin Claire.«

»Hallo, Freundin«, sagte McWhitney, legte zwei Untersetzer auf den Tresen und sagte: »Schnappt euch einen Hocker. Was darf’s denn sein — geht natürlich aufs Haus.«

»Für mich einen Scotch mit Soda«, sagte Claire, während sie und Parker sich auf die nächstbesten Hocker setzten.

»Ein Damendrink«, bemerkte McWhitney. »Okay. Parker?«

»Bier.«

McWhitneys Bar in Bay Shore an der Südküste von Long Island war ein schmaler, langgezogener Raum, und die dunklen Holzwände und -böden wurden hauptsächlich von Neonreklamen für Bier beleuchtet. An diesem Montagabend im Oktober um halb neun war sie fast leer, nur zwei einzelne Männer tranken am Tresen ihren Whisky aus, und eine blonde Frau in einem schwarzen Mantel saß zusammengesunken am letzten, dunklen Tisch auf der anderen Seite.

McWhitney selbst wirkte auch nicht viel munterer, vielleicht hatte auch er ein strapaziöses Wochenende hinter sich. Er war rotbärtig und rotgesichtig, ein zäher, massiger Mann mit weicher Mitte, ein aus dem Leim gegangener Footballspieler. Er machte die Drinks, brachte sie ihnen, beugte sich vor und sagte: »Die gehen in ein paar Minuten, dann mach ich den Laden dicht.«

»Was Neues von Sandra?« wollte Parker wissen.

McWhitney zog mit einem Blick auf Claire die Brauen hoch. »Deine Freundin weiß Bescheid über dich und mich?«

»Immer.«

»Wie schön.« Mit einer Kopfbewegung nach hinten sagte McWhitney: »Eine ganz so gute Freundin ist Sandra nicht, aber dahinten sitzt sie und wartet auf einen Anruf.« Er hob die Stimme. »Sandra! Schauen Sie, wer vorbeigekommen ist.«

Sandra Loscalzo stand auf und kam herüber. Sie war groß und schlank, trug hohe Absätze, Jeans und einen blauen Pullover unter dem schwarzen Mantel. Sie hatte einen selbstbewussten Gang, steckte mit jedem Schritt ihr Revier ab. Ihr Glas brachte sie nicht mit. An der Theke sagte sie zu Parker: »Als ich Sie das letztemal gesehen hab, haben Sie einen falschen Polizeiwagen gefahren.«

»Der Wagen war echt«, sagte Parker. »Falsch war der Polizist. Sie waren da?«

»Am Spielfeldrand.« Es klang bewundernd, aber auch belustigt. »Ihr Jungs seid wirklich gut, aber auf eine destruktive Art.« Sie sah Claire an und fragte: »Ist er zu Hause auch destruktiv?«

»Natürlich nicht.« Claire lächelte. »Ich bin Claire. Sie sind Sandra?«

»Nacht, Nels«, rief einer der Gäste, stand auf und winkte im Hinausgehen nach hinten.

»Bis dann, Norm.«

Parker sagte zu Sandra: »Sie warten auf einen Anruf?«

Sandra schüttelte angewidert den Kopf und zeigte auf McWhitney. »Der da und Harbin«, sagte sie. »Wo hat er ihn abgelegt? In Ohio. Ich fahr natürlich nicht nach Ohio und schau mir den Typ an, also was mach ich, ich ruf meinen Mann in DC an und geb den Tip weiter, dabei weiß ich nicht mal, ob unser Nelson hier mich nicht linkt. Was, wenn Harbin doch nicht dort ist? Falsche Tips sind schlecht fürs Renommee.«

»Ich geb Ihnen keine falschen Tips«, sagte McWhitney. »Was hätte ich davon? Er ist genau da, wo ich gesagt habe.«

»Schönen Abend noch, Nels.«

»Dir auch, Jack.« McWhitney winkte, dann sagte er zu Parker: »An der Interstate 75, ungefähr auf halbem Weg zwischen Cincinnati und Dayton, ziehen sie ein neues Restaurant hoch, eine Raststätte. Da ist eine Fläche, die sie demnächst asphaltieren, für den Parkplatz, aber noch nicht gleich, erst, wenn der Rohbau ein bisschen weiter ist. Vor einem Monat war da bloß eine Aufschüttung, notdürftig planiert, jede Menge breite Reifenspuren. In ein paar Wochen werden sie die Asphaltdecke aufbringen, bevor der Boden gefriert, aber erst mal noch nicht.«

»Ich hasse es, wenn jemand so glaubwürdig wirkt«, sagte Sandra. »Wenn alles zusammenpasst wie Legosteine. So was kommt im wirklichen Leben nicht vor.«

»Aber ab und zu«, sagte McWhitney, »hat der glaubwürdige Typ die Ware.«

»Also McWhitney hat Ihnen den Tip gegeben«, sagte Parker, »und Sie haben ihn an jemand in DC weitergegeben, den Sie kennen —«

»Ja, bei den US-Marshals.«

»Und die schicken einen hin, der das nachprüfen soll? Wenn die Leiche dort ist, kriegen Sie Ihr Kopfgeld. Die rufen hier an?«

»Ja, aber nicht auf seinem Telefon, sondern auf meinem Handy.«

»Okay.«

»Die werden sich gleich melden«, sagte Sandra. Sie hatte die ganze Zeit die rechte Hand nicht aus der Manteltasche genommen. »Wenn sie Harbin gefunden haben, ist alles in Butter. Bleibt er auf der Vermisstenliste, steh ich schön blöd da.«

»Er ist dort«, sagte McWhitney.

»Allerdings auch nicht ganz mit leeren Händen«, sagte sie, »ein bisschen was hab ich dann nämlich immer noch, was ich ihnen geben kann, zum Ausgleich für die Unannehmlichkeiten. Ursprünglich hatte ich ja nur Nelson.« Sie lächelte in die Runde. »Aber jetzt ist ein Doppelpack draus geworden.«

Vier

McWhitney sagte: »Ich sperr jetzt mal zu.«

Er musste ans Ende des Tresens gehen, die Klappe hochheben und dann an den anderen vorbeigehen. Sandra trat zurück, damit er nicht hinter ihr vorbeimusste, und sagte dann zu Parker: »Komisch, dass Sie gerade jetzt vorbeikommen.«

»Wieso?«

»Na ja, zufällig sind Sie ganz in der Nähe, am selben Tag, an dem Dalesia seine Fesseln abstreift.«

McWhitney stand jetzt auf ihrer Seite des Tresens. »Sandra«, sagte er, »regen Sie sich nicht künstlich auf. Wir helfen Nick nicht. Er wird uns nicht verraten, wo er sich aufhält.«

Sandra schaute skeptisch. »Warum? Weil ihr ihn sonst ans Messer liefern würdet?«

»Würden wir nie tun«, sagte McWhitney, »und das weiß er auch. Außer so, wie Sie jetzt Harbin ans Messer liefern.«

Sie schüttelte den Kopf. »Ihr wart ein Team.«

»Sind wir aber nicht mehr.«

»Wenn die ihn wieder einfangen«, sagte Parker, »hat er für ein Tauschgeschäft nur noch das Geld anzubieten und uns.«

»Na ja, eher mich als dich«, sagte McWhitney. »Er kennt meinen Laden hier.«

»Ich glaube«, sagte Claire vorsichtig, »er kennt unsere Telefonnummer.«

Sandra sah sie mit einem dünnen Lächeln an. »Er kennt Ihre Telefonnummer? Er hat sie sogar schon benutzt. Roy Keenan und ich haben die Nummer gesehen. Nick Dalesia hatte nie viele Telefonkumpels. Ms. Willis fiel auf.«

Claire zuckte die Achseln. »Ich hab den Mann nie gesehen«, sagte sie. »Ich hab eigentlich überhaupt keine Verbindung zu ihm. Ich hab jemand gesucht, der mir meine Einfahrt asphaltiert. Irgend jemand, ich hab vergessen, wer, hat gesagt, er würde Mr. Dalesia bitten, mich anzurufen. Ich hab zweimal mit ihm geredet, fand aber, dass er unzuverlässig klang.«

»Schön und gut«, sagte Sandra. »Aber nur, solange Nick nicht aussagt, dass es anders gelaufen ist.«

»Unsere Rede«, sagte McWhitney. Er hatte sich auf den Hocker neben Parker gesetzt, so dass sie jetzt zu dritt Sandra gegenübersaßen, die mit der rechten Hand in der Tasche an der hohen Kleiderablage lehnte.

»Gut«, sagte Sandra. »Aber solange wir hier warten, könnten wir doch noch eine andere Sache klären. Für den Fall, dass die Harbin-Geschichte tatsächlich klappt, meine ich.«

»Was denn für eine andere Sache?« wollte McWhitney wissen.

»Ihr habt oben in Neuengland eine Menge Geld abgegriffen«, sagte Sandra, »aber dann musstet ihr es zurücklassen. Das ist erst drei Tage her, also könnt ihr noch nicht zurück.« Zu Parker gewandt sagte sie: »Aber Dalesia könnte es riskieren, und deshalb sind Sie zu McWhitney gekommen. Ihr müsst das Geld vor eurem Freund retten, ohne den Bullen in die Arme zu laufen.«

»Nick hat jetzt sicher andere Sorgen«, sagte Parker.

»Ich würde sagen, euer Nick hat Geld jetzt bitter nötig«, sagte Sandra.

McWhitney sagte: »Das soll doch hoffentlich nicht heißen, dass wir Ihnen sagen sollen, wo es ist, damit Sie es holen und uns bringen können?«

Sandra machte mit der linken Hand eine wegwerfende Geste. »Warum nicht? Eine einzelne Frau kann da rein und wieder raus, und dann habt ihr immerhin etwas statt gar nichts.«

»Falls Sie wiederkommen«, sagte McWhitney.

»Nein, wir bleiben besser bei unserem Plan«, sagte Parker. »Falls Sie doch nicht rein- und rauskommen, falls die Sie mit dem Geld erwischen, werden sie wissen wollen, wer Ihnen gesagt hat, wo das Geld war. Welchen Grund hätten Sie dann, es ihnen nicht zu sagen?«

Sandra überlegte, dann nickte sie. »Zugegeben, so kann man es auch sehen«, sagte sie. »Also gut, war nur ein Angebot.«

»Leute, ich kann euch hier nichts zu essen machen«, sagte McWhitney. »Was meinen Sie, wie lange wir noch warten müssen?«

»Bis die mich anrufen«, sagte Sandra.

»Rufen Sie sie doch an«, schlug Parker vor.

Sandra gefiel das gar nicht. »Wozu? Die tun, was zu tun ist, und dann rufen sie mich an.«

»Rufen Sie sie an«, beharrte Parker. »Sagen Sie ihnen, sie sollen sich beeilen, weil Ihr Tipgeber nervös wird, er hätte Angst, dass man ihn reinlegen will.«

»Die werden sich nicht drängen lassen —« Ein leises, kurzes, fast tonloses Klingeln war zu hören. »Na endlich«, sagte sie und wirkte plötzlich erleichtert; offenbar war auch sie besorgt gewesen und hatte es sich nur nicht anmerken lassen. Sie ließ die rechte Hand in der Manteltasche, während sie mit der linken das Handy aus der anderen Tasche zog. Mitten im zweiten Klingeln drückte sie mit dem Daumen auf die Taste und sagte: »Keenan. Natürlich bin ich es, das ist Roys Geschäftstelefon. Wie steht’s?«

Parker beobachtete McWhitney. Wirkte er angespannt? Hatte er der Kopfgeldjägerin die Wahrheit gesagt?

Plötzlich strahlte Sandra, keine Spur von Nervosität mehr, und ihre rechte Hand kam leer aus der Manteltasche. »Super. Ich war mir sicher, dass meine Quelle zuverlässig ist, aber man weiß ja nie. Dann komme ich morgen ins New Yorker Büro, meinen Scheck abholen? Gut, Mittwoch. Oh, Roy ist irgendwo hier in der Nähe.«

McWhitney horchte auf, doch dann entspannte er sich wieder, als Sandra ins Telefon sagte: »Schönen Gruß an Linda. Danke, der geht’s gut. Ich ruf zurück.« Sie beendete das Gespräch, steckte das Handy ein und sagte zu McWhitney: »Alles bestens. Es ist Harbin, und er ist da, wo Sie gesagt haben.«

»Na, sehen Sie.« Nachdem die Sache ausgestanden war, wirkte McWhitney auf einmal müde. »Jetzt muss ich euch leider rauswerfen.«

Sie gingen die Theke entlang zur Tür, und Sandra sagte: »Wenn Sie irgendwo noch andere Sachen gebunkert haben, Sie wissen schon, Sachen von einigem Wert, rufen Sie mich an.«

»Ich hätte was ganz anderes tun sollen«, sagte McWhitney, während er die Tür aufschloss. »Ich hätte Finderlohn beantragen sollen.«

Sandra lachte und ging zu ihrem Auto, und McWhitney schloss die Tür. Sie konnten das Klicken hören.

Fünf

Claires Haus lag an einem See mitten in der nördlichen Hälfte von New Jersey, überwiegend umgeben von Ferienhäusern, von denen nur etwa jedes fünfte ganzjährig bewohnt war. In mehreren dieser Häuser gab es hohle Wände, Kriechräume und unbenutzte Dachkammern, in denen Parker seine Vorräte versteckte.

Zwei Tage nach der nächtlichen Fahrt nach Long Island verstaute er endlich die Reisetasche, die er aus Upstate New York mitgebracht hatte, dann fuhr er Claires Toyota zum Tanken und bezahlte mit Bargeld aus der Reisetasche, Geld, von dem niemand die Seriennummern hatte. Er wollte schon in Claires Einfahrt einbiegen, als er durch die Bäume einen anderen Wagen vorm Haus stehen sah, schwarz oder dunkelgrau. Er fuhr bis zur nächsten Einfahrt weiter und hielt vor dem Nachbarhaus, das für den Winter mit Brettern vernagelt war.

Er kannte dieses Haus wahrscheinlich besser als die Eigentümer und wusste sogar, wo der Schlüssel lag, den die meisten Leute bei längerer Abwesenheit irgendwo in der Nähe der Haustür versteckten, wo ihn Handwerker und auch sonst jeder finden konnte. Diesmal brauchte er den Schlüssel nicht. Er ging seitlich um das Haus herum, bis er zu einer breiten Veranda kam, die auf den See blickte. Sie war im Sommer mit Fliegenfenstern versehen, die jetzt unter der Veranda verstaut waren.

Parker ging an der Veranda vorbei, über den Fahrweg zwischen den beiden Häusern, der für Versorgungsfahrzeuge freigehalten wurde, und weiter zu der Ecke von Claires Haus mit den wenigsten Fenstern. Von dort aus ging er auf der Seeseite noch ein Stückchen weiter und konnte so, ohne die Veranda zu betreten, durch ein Fenster hineinschauen. Claire saß auf dem Sofa und sprach mit zwei Männern, die ihr gegenüber in Sesseln saßen. Er konnte die Männer nicht gut sehen, aber es herrschte keine Spannung im Raum. Claire redete ganz unbefangen, gestikulierte, lächelte.

Parker wandte sich ab und ging zum Nachbarhaus zurück, stieg auf die Veranda, setzte sich in einen hölzernen Adirondack-Stuhl und wartete.

Fünf Minuten. Zwei Männer in dunklen Mänteln und Filzhüten kamen aus Claires Haus, und Claire blieb in der Tür stehen und sprach mit ihnen. Die Männer bewegten sich synchron, offenbar eher aus Gewohnheit als mit Absicht. Mit den Hüten sahen sie aus wie FBI-Agenten in Fünfziger-Jahre-Filmen, nur dass in Fünfziger-Jahre-Filmen nicht einer von ihnen ein Schwarzer gewesen wäre.

Die Männer tippten sich beide an die Hutkrempe. Claire sagte noch etwas, locker und unbeschwert, und schloss die Tür, als die Männer sich in ihren neutralen Dienstwagen setzten, der Weiße ans Steuer, und losfuhren.

Parker ging wieder zu dem Toyota, fuhr zu Claire hinüber und drückte auf den Knopf der Fernbedienung für das Garagentor. Als er aus der Garage kam, stand Claire in der Küche und machte Kaffee. »Willst du auch welchen?«

»Ja. FBI?«

»Ja. Ich hab ihnen meine Asphaltgeschichte erzählt und gesagt, ich würde versuchen, mich zu erinnern, wer mir diesen Mr. Dalesia empfohlen hat, aber es wär schon eine ganze Weile her.«

Er setzte sich an den Küchentisch. »Und die haben es geschluckt?«

»Sie waren schwer beeindruckt von dem Haus, dem See, der attraktiven Frau und der Sonne.«

»Sie haben dir ihre Karte dagelassen, und das war’s?«

»Sieht so aus. Sie sagten, sie würden mich vielleicht anrufen, wenn sie noch Fragen hätten, und ich hab gesagt, dass ich vielleicht schon bald in Urlaub fahre. Ich wär mir aber nicht sicher.« Sie stellte Parker den Kaffee auf den Tisch und fragte: »Soll ich?«

»Ja. Wir fahren zusammen.«

Erstaunt setzte sie sich ihm gegenüber. »Weißt du auch schon, wohin?«

»Letzte Woche in Massachusetts war die Rede von etwas, was man Laubgucken nennt.«

Noch erstaunter, sagte sie: »Laubgucken? Ach so, wegen dem bunten Herbstlaub.«

»Genau.«

»Es gibt also Leute, die extra nach Neuengland fahren, um sich das Herbstlaub anzuschauen.« Sie überlegte. »Und die nennt man Laubgucker?«

»So hab ich’s gehört, ja.«

Sie schaute aus dem Küchenfenster zum See hinüber. Die meisten Bäume hier waren Nadelbäume, aber es waren auch ein paar darunter, die sich im Herbst verfärbten; hier unten wäre das erst in einem Monat der Fall, und es wäre nicht so spektakulär wie in Neuengland. »Klingt irgendwie albern«, sagte sie. »Laubgucker. Richtig verreisen, bloß um sich Blätter anzuschauen. Eigentlich ist das wirklich albern.«

»Wir wären nicht die einzigen.«

Sie sah ihn an. »Dir geht’s doch nur darum, in der Nähe von deinem Geld zu sein.«

»Ich will wissen, was sich dort tut. Du musst fahren, und du musst die Rechnung in unserem Quartier bezahlen, weil ich keinen Ausweis habe. Und wenn ich ein Laubgucker bin, bin ich kein Bankräuber.«

»Wenn du mit mir zusammen bist, bist du ein Laubgucker.«

»Stimmt.«

»Wärst du allein, würde dir kein Mensch den Laubgucker abnehmen«, sagte sie und lächelte. Dann erstarb ihr Lächeln.

Er spürte, dass eine dunkle Erinnerung in ihr hochkam, und sagte: »Da oben ist alles gelaufen. Fix und fertig. Es wird nichts passieren, außer dass wir uns Bäume ansehen und eine Kirche.«

»Eine Kirche.«

Er stand auf. »Ich hol mal eine Karte. Ich zeig dir, welche Gegend ich meine. Dann kannst du uns eine Unterkunft suchen —«

»Eine Frühstückspension.«

»Richtig. Wir bleiben eine Woche.« Er wies mit dem Kinn auf das Wandtelefon und sagte: »Dann kannst du auf deinen Anrufbeantworter sprechen, dass du für eine Woche in Urlaub bist, und die Adresse der Pension angeben.«

»Weil das, was da oben passieren wird, schon passiert ist.«

»Stimmt genau«, sagte er.

Sechs

»Sind Sie wegen des Raubüberfalls hier?«

Die Pension nannte sich Bosky Rounds, und auf den Bildern im Internet hatte sie wie ein Quartier für Hänsel und Gretel ausgesehen. Tief herabgezogenes Dach, cremefarben gestrichene Wände, altmodische Sprossenfenster mit breiten, dunkelgrünen hölzernen Läden und ein Sonnengott-Türklopfer an der Haustür. Das war die Masche des Bosky Rounds, obwohl die Besitzerin es nicht so genannt hätte: Es wurden Wanderkarten zur Verfügung gestellt für diejenigen Laubgucker, die ihr Hobby ernst nahmen. Es war die rustikalste und unverdächtigste Unterkunft, die Claire gefunden hatte, und Parker hatte gemeint, für ihre Zwecke sei sie ideal.

Und das erste, was Mrs. Bartlett, die Besitzerin, eine nette, mütterliche Frau mit einer rüschenbesetzten Schürze und einem schwachen Duft nach Apfelkuchen, zu ihnen sagte, war: »Sind Sie wegen des Raubüberfalls hier?«

»Raubüberfall?« Claire brachte es fertig, zugleich erschrocken und besorgt dreinzuschauen. »Was für ein Raubüberfall? Sind Sie überfallen worden?«

»Aber nein, doch nicht ich, meine Liebe.« Mrs. Bartlett kicherte kehlig. »Das lief doch ständig im Fernsehen. Keine zehn Kilometer von hier, letzte Woche, morgen vor einer Woche, da hat eine ganze Bande die gepanzerten Geldtransporter der Bank mit Bazookas angegriffen.«

»Bazookas!« Claire griff sich an die Kehle, dann beugte sie sich vor, als hielte sie es für möglich, dass diese nette alte Dame ihr etwas vorflunkerte. »Ist denn dabei nicht das ganze Geld verbrannt?«

»Das dürfen Sie mich nicht fragen, Kindchen, ich weiß nur, dass sie alles in die Luft gejagt haben. Wie in einem Kriegsfilm, hat mein Cousin gesagt.«

»War er dabei?«

»Nein, aber er ist gleich rübergefahren, als er es in seinen Radios gehört hat.« Zu Parker sagte sie: »Er hat nämlich ganz viele verschiedene Radios, wissen Sie.« Und dann fragte sie wieder Claire: »Und Sie haben wirklich nichts davon gehört?«

»Ach, wissen Sie«, sagte Claire mit einem Lachen und einem Achselzucken, »wir New Yorker sind schrecklich provinziell. Wenn es nicht im Central Park passiert, wissen wir gar nichts darüber.« Sie gab Mrs. Bartlett ihre Kreditkarte. »Wissen Sie was? Wir gehen erst mal aufs Zimmer und packen aus, und dann erzählen Sie uns alles.«

»Mit Vergnügen«, sagte Mrs. Bartlett. »Und Sie sind das Ehepaar Willis«, fügte sie mit einem Blick auf die Kreditkarte hinzu.

»Claire und Henry«, sagte Claire.

Mrs. Bartlett steckte die Karte in ihre Schürzentasche. »Ich gebe Ihnen Zimmer drei im ersten Stock. Unser schönstes.«

»Wunderbar.«

»Ihre Kreditkarte bekommen Sie wieder, wenn Sie runterkommen.« Sie wandte sich an Parker. »Und Sie möchten Tee?«

»Ja, gern. Danke.«

Es war ein großes Zimmer mit zwei großen, hellen Sprossenfenstern, Volants an allen Möbeln und einem abgetretenen Perserteppich. Sie verstauten ihre Sachen in der hohen Kommode und dem wuchtigen Kleiderschrank — Wandschrank gab es keinen —, und Parker trat ans Fenster und schaute hinaus. Gleich hinter dem Haus fingen die Bäume an — rot, gelb, orange und grün. »Ich muss auf die Karte schauen«, sagte er. »Feststellen, wo wir hier sind.«

»Du meinst, wie weit es zum Schauplatz des Überfalls ist«, sagte Claire und lachte. »Keine Sorge, Mrs. Bartlett wird dir alles lang und breit erzählen. Meinst du, du hältst das durch?«

»Kann jedenfalls nicht schaden«, sagte Parker, »wenn ich weiß, was da nach Meinung der Einheimischen gelaufen ist.«

»Na schön. Aber pass auf.«

Er sah sie an. »Wieso?«

»Wenn sie irgendwas Falsches sagt«, sagte Claire, »korrigier sie nicht.«

Bei Tee und Butterplätzchen unten im Aufenthaltsraum lieferte Mr. Bartlett ihnen eine erschöpfende und überwiegend korrekte Beschreibung dessen, was sich am Freitag abend oben im Wald abgespielt hatte. Wie sich herausstellte, sagte sie, wollten zwei örtliche Banken fusionieren, deshalb sei das ganze Geld aus der einen in die andere Bank gebracht worden. Natürlich sei davon kein Sterbenswörtchen nach außen gedrungen, alles sei unter strengster Geheimhaltung abgewickelt worden, niemand sollte etwas davon erfahren, aber wie sich herausstellte, habe irgendwer doch Bescheid gewusst, weil nämlich genau an dieser Kreuzung hier — sie zeigte es ihnen auf der County-Landkarte —, wo diese beiden Landstraßen zusammenträfen, wie aus dem Nichts auf einmal wer weiß wie viele Gangster mit Bazookas aufgetaucht seien und die gepanzerten Wagen in die Luft gesprengt hätten — es seien vier gepanzerte Transporter gewesen, mit den ganzen Unterlagen der Bank drin, zusätzlich zu dem Geld —, und dann seien die Gangster mit dem Panzerwagen, in dem das Geld war, davongefahren, und als die Polizei den Wagen später gefunden habe, sei das ganze Geld weg gewesen.

»Woher wussten die denn«, fragte Parker, »in welchem Transporter das Geld war?«

»Tja«, sagte Mrs. Bartlett und beugte sich zu ihnen vor, als wollte sie ihnen ein Geheimnis anvertrauen, »das ist ja der Skandal. Die Frau des Bankbesitzers, Mrs. Langen, die hat mit den Gangstern unter einer Decke gesteckt!«

»Mit den Gangstern unter einer Decke?« fragte Claire. »Die Bankiersfrau? Nein, Mrs. Bartlett!«

»Doch, im Ernst«, versicherte Mrs. Bartlett. »Scheinbar hat sie sich mit einem gefeuerten Wachmann in der Bank ihres Mannes eingelassen. Er musste ins Gefängnis, wegen Diebstahl oder so, und kaum ist er wieder draußen, machen die beiden weiter, wo sie aufgehört haben, und ehe man sich’s versieht, berauben sie die Bank ihres Ehemanns!«

»Aber sie sind doch bestimmt erwischt worden«, sagte Parker.

»Ja, sicher, natürlich, die beiden hat die Polizei sofort verhaftet«, sagte Mrs. Bartlett. »Die werden für ihre Verbrechen büßen, keine Sorge. Aber die Gangster eben nicht, also die Kerle, die das Geld tatsächlich geraubt haben.«

»Die Leute mit den Bazookas«, sagte Parker, denn die schwedischen Panzerfäuste Carl Gustaf waren keine Bazookas gewesen.