Das Glück wartet gleich um die Ecke - Ursula Kollritsch - E-Book

Das Glück wartet gleich um die Ecke E-Book

Ursula Kollritsch

0,0

  • Herausgeber: adeo
  • Kategorie: Lebensstil
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2024
Beschreibung

Im Park auf einer Bank in die Sonne blinzeln. Auf der Luftmatratze im Baggersee treiben. Sich von unzähligen Büchern in der Buchhandlung faszinieren lassen. Diese und viele weitere Orte zum Glücklichsein liegen tatsächlich gar nicht weit weg! Ursula Kollritsch hat sich mit wachen Augen auf Spurensuche begeben und wundervolle Entdeckungen gemacht. Dabei geht es nicht darum, besonders extravagante Orte zu bereisen, sondern sie mitten im Alltag oder auch im Urlaub zu entdecken. In der Morgensonne, im Strandkorb, auf dem Flohmarkt, im Klostergarten, auf dem eigenen Sofa oder auf einer historischen Brücke – überall sind solche Wohlfühlorte zu finden, die zum Auftanken und Innehalten einladen. Oft braucht es nur ein bisschen Aufmerksamkeit und Wertschätzung für unsere Umgebung, um das Schöne und Lebenswerte wahrzunehmen. Diese liebevoll gestaltete Ideenfundgrube weckt die Lust, loszuziehen und allein oder mit anderen zusammen ganz besondere Momente zu erleben. Aus dem Inhalt des Buches: • Unterm Blätterdach • Im Buchladen • Straßenpoesie • In der Hängematte • Beim Bäcker • Im Tretboot • Im Kräutergarten • Im Theater

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 201

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Für Laura, Felix, Ferdi, Viviane

– und immer auch meine Jungs.

Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt – sieh sie dir an!

Kurt Tucholsky

Inhalt

Eine Einladung vorab …

Denn das Glück wartet oft schon an der nächsten Ecke

1 In der Morgensonne

Gold tanken für den Tag

2 Auf Reisen

Glücklich unterwegs

3 Am Meer

Am Rand der Ewigkeit

4 Auf dem Stoppelfeld

Sehnsucht nach Bullerbü

5 Unterm Regenschirm

Durchs Leben tanzen

6 Im Kino

Versinken in der Lichtspielzeit

7 Im Strandkorb

Schauspiel im Sand

8 Unterm Blätterdach

Eine Krone für jeden

9 Am Schreibtisch

Auf einer Insel aus Worten

10 Am Vogelhäuschen

Wo es piept und zwitschert

11 Bei der Lesung

Und ewig schwappt das Wasserglas

12 Unterm Sternhimmel

Funkeln, strahlen, leuchten

13 Im Freibad

Pommes, Mau-Mau und Himmelblau

14 Am Kiosk

Weiße Mäuse, „Wie geht’s“ und Magazine

15 Auf dem Liegestuhl

Selig sind, die ausruhen

16 In der Kirche

Zwischen Himmel und Erde

17 Auf dem Lieblingssessel

Zeit für eine Tasse Tee

18 Auf der Bank im Park

Einfach mal anhalten

19 Auf der Familienfeier

Ein Hoch auf das Leben

20 In den richtigen Schuhen

Das Fundament für den Tag

21 Im Buchladen

Die ganze Welt auf Papier

22 Die Zugvögel über uns

Wenn es Frühling wird

23 Im Eiscafé

La Dolce Vita

24 Im Friseursalon

Auszeit mit Grundrauschen

25 Auf der Treppe

Von oben draufschauen

26 Beim Laternenumzug

Wenn Kinderaugen leuchten

27 Unterm Weihnachtsbaum

Stille Nacht, heilige Nacht

28 Im Wald

Baden im Grün

29 Auf dem Stadtbalkon

Extrazimmer mit Aussicht

30 Bei den Nachbarn

Fußball gucken im Hof

31 Am Lagerfeuer

Im Spiegel der Nacht

32 Im Café

Schreiben wie in Paris

33 Unter der Dusche

Quelle der Inspiration

34 Im Zug

Fliegende Landschaft

35 Im Museum

Berauscht an Farben

36 Im Hotel

Alles beginnt im Foyer

37 An der Krippe

Am Anfang ist die Hoffnung

38 Im Garten

Vom Erden, Verstecken und Aufblühen

39 Im Zirkus

Die Nostalgie der Leichtigkeit

40 Unterm Dach

Geborgen im Sturm

41 Auf der Ritterburg

Zeitreise ins Mittelalter

42 Am Fluss

Verbunden mit dem Meer

43 Beim Picknick

Das Glück auf einer Decke

44 Im Gewächshaus

Ich bin dann mal in den Tropen

45 Straßenpoesie

Wo die schönen Worte wohnen

46 Unter der Kuscheldecke

Hej, Welt, bleib draußen!

47 Am Hafen

Schiffe gucken am Kai

48 Im Lieblingsrestaurant

Speisen mit dem gewissen Etwas

49 In der Hängematte

Mit Schwung ins Sommerglück

50 Auf dem Flohmarkt

Dies, das, Ananas

51 Auf der Luftmatratze

In den Sonnenuntergang schaukeln

52 Im Zelt

Spukgeschichten mit Stockbrot

53 Im Schnee

Plötzlich glitzert es hell

54 Bei der besten Freundin

Zwischen Lachkur und Ich-selbst-Sein

55 Auf der Durchreise

Vom Glück abseits der Route

56 Im Warenhaus

Alles unter einem Dach

57 Auf der Brücke

Mach mal Brückentag!

58 Vor dem Fernseher

Teil der Geschichte sein

59 Beim Bäcker

Richtig dufte

60 Auf der Kirmes

Karussell mit Zuckerwatte

61 Auf dem Berg

Und dann, meine Seele, sei weit …

62 Im Theater

Heute mal glamourös

63 Im Wind

Flieg, Drachen, flieg!

64 Im Tretboot

Wer braucht schon Mississippi-Dampfer?

65 Unter blauem Himmel

Und dann und wann ein weißer Elefant

66 Im Bauwagen

Peter Lustig lässt grüßen

67 Bei Oma und Opa

Bratkartoffeln zum Frühstück

68 Auf der Eisbahn

Einfach dahingleiten

69 Im Kräutergarten

Heilsam verbunden

70 Auf dem Weihnachtsmarkt

Glühwein, Punsch und viele Sterne

71 Am Abendbrottisch

Was war heute am schönsten?

72 Am Bahnhof

Reisen, dass die Seele mitkommt

73 In den Weinbergen

Wo die Echsen flitzen

74 In der Stadt

Sehen und gesehen werden

75 Wieder zu Hause

Willkommen bei mir

Moment noch!

Von Herzen: Danke!

Meine ganz persönlichen Orte im Alltag

Zeit, innezuhalten und aufzutanken

Eine Einladung vorab …

Denn das Glück wartet oft schon an der nächsten Ecke

„Überall ist Welt“, antwortete mein Opa stets gelassen, wenn Leute ihn fragten, warum er nicht verreise. Als Bahnbeamter hätte er viele Fahrten umsonst unternehmen können. Stattdessen saß er lieber am Stellgleis oder später auf seiner Bank im Garten, unter dem Küchenfenster, und las dicke Bücher. Vielleicht war das sein ganz persönlicher Wohlfühlorte.

Getragen von diesem schönen Gedanken suche ich ebenfalls gerne das Glück vor meiner Tür und im Alltag – und dann schreibe ich darüber und halte es so ein bisschen fest.

In Worten. Wenn ich auf Reisen gehe, öffne ich die Augen für das, was leuchtet, den einen besonderen Moment, die Verbindungen zwischen Menschen und Plätzen. Denn Menschen machen Orte, und Orte prägen umgekehrt auch Menschen. Entscheidend ist, dass wir das sehen. Es tut gut, auch mal im eigenen Leben die touristische Brille aufzusetzen und sich zu freuen: über das, was ist. Darüber, was man in diesem Augenblick spüren und erleben darf. Das Schöne, das Wärmende, das Bezaubernde, vielleicht das Unglaubliche.

Wir alle kennen das: Manchmal sind die Tage richtig schwer, dann ist es, als wäre der Himmel nicht mehr blau, als hätte jemand einen grauen Filter davorgeschoben oder der Blick darauf bliebe ausgerechnet für uns versperrt. Doch ist es nicht gerade dann gut, eine Decke zu haben, unter die wir uns kuscheln können, ein Café um die Ecke, in dem der Cappuccino mit Schaumherz serviert wird, an einer Bahnstation warten zu müssen, auf der die Messingtreppe wie Gold in der Sonne glänzt und jemand an die triste Betonwand gesprayt hat:

Hier gehts zum Glück!

Brauchen wir in herausfordernden Zeiten die schönen Momente nicht umso mehr? Und strahlen sie vielleicht heller, weil wir auch die anderen Tage kennen und erlebt haben? „Wo Licht ist, ist auch Schatten“, wird oft betont. Das stimmt. – Aber erzählt der Schatten nicht umgekehrt auch von der sicheren Existenz des Lichts? Er lässt keinen Zweifel daran, dass es immer noch da ist. Ja, dass das Licht sogar zuerst da war.

Glück ist kein unerreichbarer Ausnahmezustand, auf den es ein Leben lang hinzuarbeiten gilt. Wir müssen nicht dafür kämpfen, nichts dafür leisten. Wir brauchen es uns nicht zu verdienen. Überall gibt es Schönes und Gutes zu entdecken und zu genießen, nicht nur in der Ferne. Man kann die eigenen Glücksorte finden, wahrnehmen und erleben – und immer wieder bewusst besuchen. Orte, an denen wir Luft holen, Kraft tanken, uns freuen, uns lebendig fühlen, staunen oder einfach nur dasitzen. Das kann auf der Bank im Park sein, im Strandkorb, mitten im Wald oder in einer Bildergalerie alter Meister. Im vollen Nahverkehrszug ebenso wie unter einem kunterbunten Regenschirm in der Fußgängerzone.

„Alles in der Welt ist für den da, der es sieht.“ Diesen Satz habe ich mal auf einem Kalenderblatt gelesen und notiert. Und es gibt wirklich viel Schönes, Sehens- und Bemerkenswertes zu entdecken – mitten im Leben, auch ohne prallgefülltes Portemonnaie. Einfach so zwischendurch ist es da, auf einmal taucht es auf, vielleicht an einem anstrengenden Tag, hinter einem vollen Schreibtisch, auf dem Weg zu einem Termin oder zwischen endlosen To-do-Listen. Es findet seinen Weg zu uns wie die Sonnenstrahlen, die am Morgen durch die Ritzen der Jalousien fallen.

Wie wäre es also, etwas Alltagsglück zu tanken? Für eine Stunde oder nur ein paar Minuten? Das Glück kann überall sein, schon vor oder hinter der nächsten Ecke. Am besten einfach dazusetzen und durchatmen … Denn Atmen, das ist schon mal ein richtig guter Anfang. Das wissen wir alle vom ersten Moment an.

Dieses Buch ist eine herzliche Einladung. Komm mit auf eine Entdeckungsreise durch den Alltag – auf den Berg, in die Eisdiele oder leg dich mal wieder auf eine Wiese zum Wolkenbildermalen. Lass die Gedanken schweifen und die Erinnerungen aufleuchten. Und nimm diese Stationen gern als Anregung, deine eigenen Wohlfühlorte zu entdecken.

„Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt – sieh sie dir an!“, sagt Kurt Tucholsky. – Dann mal los.

Viele wundervolle, inspirierende, stärkende Glücksmomente und viel Freude mit den persönlichen Impulsen in diesem Buch

wünscht

Usch Kollritsch

1 In der Morgensonne

Gold tanken für den Tag

Früh am Morgen heißen die ersten Sonnenstrahlen uns willkommen und wir sie. Es ist, als kämen sie pur und ungefiltert bei uns an, ohne vom Stress, all den Anforderungen und Problemen des Tages aufgehalten zu werden. Nichts lenkt sie ab um diese Zeit. Wir öffnen die Fenster und Türen, und schon sind sie da, sie finden uns. Ohne Umwege. Knüpfen eine erste Verbindung vom Himmel auf die Erde. Wenn wir möchten, führen sie uns durch den Tag. Das alte Wort „Verheißung“ fällt mir ein. Ich schlage im Wörterbuch nach und finde als Erklärung: „ernsthafte, feierliche Ankündigung von etwas Bedeutsamem“. Feierlich – das passt doch. Dieser Tag ist ein Fest. Jeder Tag kann das sein, im Kleinen, im Großen, im Besonderen. Und was könnte das Bedeutsame sein, das sich so unbeirrt seinen Weg bahnt? Licht, Helligkeit, Wärme? Ein Anruf, ein Lächeln, eine neue Idee, eine Freude?

An vielen Orten sind mir Sonnenstrahlen am Morgen schon begegnet: Beim Aufwachen dringen sie durch die kleinsten Ritzen der Rollläden. Im Wald finden sie ihren Weg durch Baumkronen und Blätterdächer; im Bus, auf dem Weg zur Arbeit, wärmen sie plötzlich eine Schulter und die Hälfte des Gesichts, zum Anlehnen schön. Oder auch in einer Kirche. Auf einmal brechen sie durch die Geschichten erzählenden Fenster und fluten den Boden mit bunten Farben. Mutig malen sie neue Bilder auf die jahrhundertealten Steine. Einfach, weil sie es können.

Im Osten geht die Sonne auf … Bei mir ist das in der Nähe der Haustür, dort erhellt sie den Flur und lässt die Bambusblätter aus dem Garten der Nachbarin an der Wand tanzen. Wie gut, dass sie sie irgendwann gepflanzt hat.

Es gibt Vormittage, da sitze ich erschöpft und voller Zweifel an meinem Schreibtisch. Jeder kennt das. Diese Tage, an denen man mit Fragen um alles und nichts beginnt. Warum mache ich das hier eigentlich? Was kann ich überhaupt? Warum lebe ich nicht wie andere? Die Gedanken fahren Karussell und springen zwischen Leere und Vergleichen hin und her. Bis sich auf einmal die Sonnenstrahlen zwischen den Häusern gegenüber an den Dächern vorbeischieben – über die Straße, vorüber am Apfelbaum im Garten, der so früh im Jahr noch keine Blätter hat, durch die Fensterscheibe direkt in mein Gesicht. Dann schließe ich die Augen und halte einen Moment inne. Es fühlt sich an, als scheine die Sonne in diesem Moment für mich, als sehe sie mich, als schicke mir jemand eine Botschaft von über den Wolken, um zu sagen: Du bist nicht allein, das Leben ist schön.

Frühmorgens ist alles möglich. Der Tag liegt vor uns wie ein weißes Blatt Papier, noch kennt niemand die Worte und Sätze, die bis zum Abend geschrieben werden. Er ist eine Bühne, die noch keiner bespielt hat. Allein die Strahler tun ihren Job. Spot an. Das Gold einfangen, bewahren, mitnehmen. Alles auf Start. Neuer Tag, neues Glück.

Vielleicht sollten wir es der Morgensonne gleichtun? Mit all unserer Kraft das machen, was wir am besten können: leuchten. Damit es heute hell wird und warm.

2 Auf Reisen

Glücklich unterwegs

Übers Reisen zu schreiben – was für eine große Aufgabe! Wo soll ich bloß anfangen? Worauf den Schwerpunkt setzen? Seit Tagen lese ich, hole Bücher aus dem Regal, in denen ich hoffe, etwas finden zu können, das mich weiterbringen kann. Ich blättere in Magazinen, gucke mir Reisedokus an. Alles, um einen Startpunkt zu haben, ein Thema, einen guten ersten Satz. Nichts!

Und so fahre ich, schreibe ich jetzt einfach mal los, um zu sehen, was kommt, was auf mich wartet. Vielleicht machen wir ja genau das viel zu selten: einfach mal anfangen, losfahren, uns hinausziehen und treiben lassen. Schauen, ob es Rückenwind oder Gegenwind gibt, uns hineinfallen lassen oder bei Windstille ruhig werden und abwarten. Bis es weitergeht. Es gibt ihn nämlich, diesen Zauber der ersten Male, wenn wir etwas tun, was wir noch nie getan haben. Es kann doch auch gut gehen!

„Ich setzte meinen Fuß in die Luft und sie trug“, schreibt Hilde Domin und sagt alles mit diesen wenigen so berührenden Worten. Es geht darum, zu vertrauen, etwas zu wagen, Schritte ins Unbekannte zu machen.

Einen Ort zu besuchen, an dem man noch nie war, schärft das Bewusstsein, den Entdeckergeist. Alles kann wichtig sein: die unbekannte Blüte, nach der wir uns bücken, und die App befragen, um welche Pflanze es sich dabei handelt, die Zufallsbekanntschaft in der Bahn und, ja, das Wetter. Lass uns gern über das Wetter reden, warum auch nicht? Immerhin ist es in jedem Augenblick da, unausweichlich, es umgibt uns jederzeit, ist für alle gleich. Wenn das nicht verbindet. Der Dalai Lama rät, einmal im Jahr einen Ort zu besuchen, an dem man noch nie gewesen ist. Ich stelle mir vor, wie er dabei lächelt. Lächelnde Gesichter sind wichtig auf einer Reise. Die Menschen, mit denen wir uns auf den Weg machen, und die, denen wir zufällig begegnen. Die uns begleiten und die uns kurz zulächeln. Aus manchen Bekanntschaften werden sogar Freunde. Wenn jemand aus dem Urlaub zurückkommt, fragen wir: „Na, wo warst du?“ Wir könnten doch auch fragen: Was hast du erlebt? Wer ist dir begegnet? Worüber hast du dich gefreut – und was war für dich am allerschönsten? Im Japanischen gibt es so treffende Begriffe wie Furusato. Man könnte ihn, wenn man es sich leicht macht, mit Heimat übersetzen. Gemeint ist allerdings ein Ort, nach dem sich das Herz sehnt. Dies kann sowohl Landschaften, Essen als auch Menschen betreffen.

Albert Einstein wiederum kannte nur zwei Arten, auf die Welt zu blicken: entweder so, als sei nichts auf der Welt ein Wunder, oder so, als ob alles ein Wunder sei.

Genau das hat sich dieses Buch zur Aufgabe gemacht, Wunder zu sehen und aufzuzeigen. Das Leben ist eine Reise, das Lesen auch und das Schreiben sowieso. Alles, was wir tun und was wir nicht tun, wo wir stehen bleiben, anhalten und innehalten oder weitergehen, ist von Bedeutung. Bei allem Verständnis für den Wunsch nach einem fixen Reiseplan, nach all-inclusive mit Liegestuhl am Pool – jeder Aufbruch ist eine Individualreise. Menschen, die zur selben Zeit im selben Hotel waren und dieselben Touren gebucht haben, können dennoch völlig Unterschiedliches erlebt haben und berichten.

„Wo auch immer du hingehst, dort bist du“, weiß Konfuzius.

Früher gehörte es zum Reisen dazu, von unterwegs seitenweise Korrespondenzen zu schreiben. Zugleich auch der Versuch, das Erlebte festzuhalten, die Erfahrungen zu filtern und für sich und die Adressaten einzuordnen. Aus den ausufernden Beschreibungen des 19. Jahrhunderts, als die Menschen lange brauchten für kurze Strecken mit der Kutsche oder ewige Zeit für weite Entfernungen mit dem Schiff, sind irgendwann obligatorische Ansichtskarten geworden: „Wetter schön, Essen gut. Viele Grüße aus Rimini“ – die feiere ich nach wie vor – und die heutigen WhatsApp-Nachrichten und Social-Media-Posts mit Fotostory mag ich auch.

Aber vielleicht schreibe ich diesen Sommer mal wieder einen Brief an einen Lieblingsmenschen, mit Füller auf Papier. Darin erzähle ich, was ich gesehen, gehört, gerochen und gefühlt habe unterwegs, ihm und irgendwie auch mir – damit gebe ich diesem Sommer eine Bedeutung. Und dann stecke ich etwas Lavendel ins Kuvert. Egal, ob aus der Provence oder vom Stadtbalkon. Hauptsache aus dem Herzen. Machst du mit?

Gute Reise!

3 Am Meer

Am Rand der Ewigkeit

Jeder hat sein Meer. Viele lieben die raue Nordsee mit Watt und den Sandstränden der Inseln, andere zerklüftete Buchten in Cornwall, die Alabasterküste der Normandie, den Charme der Badeorte am Mittelmeer oder den stürmischen Atlantik. Das Meer ist und bleibt ein uralter Sehnsuchtsort der Menschen. In vielerlei Weisen wurde es beschrieben, fotografiert, besungen. Von Ernest Hemingway bis Benoîte Groult, von Hans Albers bis Lamer. Nicht zufällig zog es die impressionistischen Maler um Claude Monet hinaus an die Küste, sobald die Farbtuben to go erfunden worden waren. Anfang des 19. Jahrhunderts war das.

In ihrem Gedicht Auf einer Insel schreibt Rose Ausländer von einem Meer ohne Namen. Mein Meer hat einen und einen Ort: Es ist die Ostsee in Ahrenshoop, einem kleinen Künstlerdorf. Auf der Halbinsel Darß, mit der offenen See auf der einen und den Boddenlandschaften auf der anderen Seite. Und ich wette, für jeden, der schon einmal am Meer war, gibt es, wenn er wieder dorthin zurückkehrt, diesen einen Moment des Wiedersehens. Den Augenblick, wenn sich in die große Vorfreude eine tiefe Ruhe mischt … Bei mir geschieht dies an genau dieser Stelle, wo mein Sohn beim ersten Aufenthalt in Ahrenshoop mit einem vom Wind aufgeplusterten Handtuch den Strand entlangrannte, selig vor Glück, fliegen zu können. Auch Albert Einstein lag hier bereits wie ein Krokodil am Strand herum und ließ die Welt draußen einfach machen.

Das kann man wirklich bestens, auf der schmalen Halbinsel zwischen den verwunschenen Boddenlandschaften und dem weiten Meer. Die Fischerkaten mit den bunt bemalten Türen, typisch für Fischland-Darß-Zingst, sind nur die Vorhut für mein ganz persönliches Meeresglück.

Wenn ich gegenüber dem Café Namenlos – es heißt wirklich so – am Strandabschnitt sieben den sandigen Weg durch die Dünen hochgehe, bin ich immer ein bisschen aufgeregt. Dann, oben angekommen, öffnet sich mehr und mehr der Blick auf das endlos scheinende Wasser. Erleichterung breitet sich in mir aus und Freude: „Hallo! Du bist noch da.“ – Rauschend und schäumend, fröhlich und wild, manchmal still, mich teilnahmslos begrüßend. Wie es sich für eine Naturgewalt gehört. Hier, am Rande der Ewigkeit, geht es nicht um den Einzelnen. Den Horizont wie das Ende der Welt vor Augen, bin ich auf einmal sicher, dass sie dort hinten weitergeht. Die Schriftstellerin Sylvia Plath überlegt sogar, ob ihr Bild, das sie vom Meer ihrer Kindheit hat, ihre schärfste Erinnerung überhaupt ist. So, als hole die frühe Welt Atem … Alles scheint eins, weit und ewig. Die Wellen geben den Takt an. Ihre Melodie ist es, nach der hier alles tanzt. Der Wind, ich und der kleine Junge mit dem flatternden Frotteetuch im nassen Sand.

Vor der Abreise gehe ich wieder dorthin. Oben auf der Düne drehe ich mich noch einmal um, am höchsten Punkt. Atme die frische Luft ein, unbemerkt nicke ich den Möwen zu, die auf den Buhnen sitzen.

„Auf Wiedersehen“, denke ich. „Bis zum nächsten Mal.“

Während die Ostsee, die feine, unbeirrt weiterrauscht.

4 Auf dem Stoppelfeld

Sehnsucht nach Bullerbü

Ich weiß nicht, seit wann ich sie habe. Aber ich weiß noch genau, wann ich mich wieder daran erinnerte – an die Stoppelackerliebe.

Wir waren auf dem Heimweg aus dem Sommerurlaub. Bei einem kurzen Stopp auf einer Landstraße irgendwo im Nirgendwo rannten unsere Kinder auf einmal lachend und schreiend einen gelben Stoppelacker hoch, der bis zum Horizont reichte. Sie wollten partout nicht wieder ins Auto zurück. Also hockten mein Mann und ich uns an den Wegrand und schauten den Jungen staunend hinterher. Wie sie am höchsten Punkt vor Freude und piksenden Ähren kreischend verschwanden und wieder auftauchten. „Das ist es“, sagte ich damals: „Der perfekte Urlaub. Das ist Bullerbü.“ Was sich da vor unseren Augen abspielte, war der Inbegriff von Freiheit, das Bild vom idealen Sommertag.

Den Moment leben, das ist etwas, das Kinder viel besser können als Erwachsene: versinken in einem Feld, verschwinden hinter eine Kuppe, einfach laufen und lachen. Lachen und laufen. Weil es gerade schön ist und warm und golden.

Astrid Lindgren hat die Sehnsucht nach dem einfachen Leben auf dem Land in ihren wundervollen Kinderbüchern festgehalten. Eigentlich ist dort gar nicht viel los. Die Sonne scheint, der See glitzert, die Ferien sind da. Raum für gemeinsame Zeit tut sich auf. Dann sitzt man auf dem Dach, kocht Marmelade, lernt schwimmen, sammelt Beeren und Pilze. Creating memories, Erinnerungen schaffen, wie es heute heißt. Oder CoverMeinSunshine – „Hülle mich in Sonnenschein“ – in dem passenden Sommerhit der Sängerin Pink.

Meine Stoppelackerliebe ist auch so eine sonnige Erinnerung. Wenn ich im Sommer ein Feld sehe, auf dem die Strohballen liegen, dann denke ich nicht an den Jürgen-Drews-Hit Ein Bett im Kornfeld, sondern an die Heuernten im August. Heiße, trockene, sonnige Tage waren das, als ich klein war. Alle Männer im Dorf, auch mein Vater, halfen den Bauern der Umgebung, die Heuballen auf den langsam übers Feld fahrenden Wagen zu gabeln. Ganz selbstverständlich war das. Und was für eine unglaubliche Plackerei! Wir Kinder liefen hinterher und sammelten die Reste auf. Überall an uns klebten die piksenden Ähren. Klingt ein bisschen nach einem uralten Heimatfilm, war aber so auf dem Land in den Achtzigern. Am Abend durften wir auf dem voll beladenen Anhänger sitzen und zurück zum Bauernhof fahren, wo es ein improvisiertes Fest gab und wir auf dem Heuboden Verstecken spielten. Bis es dunkel wurde.

Meine persönliche Bullerbü-Szene vom Stoppelacker oben hat sich ebenfalls in die Erinnerung eingebrannt, seitdem schaue ich anders nach Ferienzielen und Sommerorten. Ich überlege vorab, wo wir uns so erholen können, den Ort finden, an dem wir alle einfach nur sein können. Ohne Stress, ohne Erwartungen, wo jeder tun und lassen kann, was er will. Das ist im Übrigen oft ein zentraler Grund dafür, warum Kinder so gerne ihre Großeltern besuchen. Weil sie dort nichts müssen, einfach Zeit haben und verbringen. Keine Schule, keine Termine, keine Verabredungen, und irgendwann fragt Oma: „Möchte noch jemand Bratkartoffeln?“ – Essen kann übrigens auch so ein Verbundenheitszauber sein. Aber das ist ein anderes Thema.

5 Unterm Regenschirm

Durchs Leben tanzen

Mit dem Regenschirm ist das so eine Sache: Bleibt es trocken, nervt er in der Tasche. Regnet es, liegt er zu Hause. Das kennt jeder. Doch eigentlich könnte man sich an den bunten Farbtupfern im Alltag und ihrem Dienst erfreuen, schützen sie doch innerhalb von Sekunden vorm Nasswerden. Das mobile Dach gibt es in unzähligen Mustern und Motivwelten. Ob mit Blumen, Tieren, Stadtpanorama, Kirchenkuppel oder transparent zum Durchgucken – in jedem Fall ist es ein praktischer Lebensverschönerer. Aufspannen, einrasten, trocken bleiben. Zack! Gute Laune auf Knopfdruck.

„Im Leben geht es nicht darum, zu warten, bis der Sturm vorbeigezogen ist. Es geht darum, zu lernen, im Regen zu tanzen“, wird die US-amerikanische Musikerin Vivian Greene häufig zitiert. Und wo ließe es sich ausgelassener tanzen als durch Pfützen mit einem stabilen Schirm im Duett?! Einer hat uns für alle Zeiten vorgemacht, wie das geht: der berühmteste Schlechtwettertänzer Gene Kelly in dem Spielfilm Ein Amerikaner in Paris. Auch wenn er zu Singing in the Rain den Schirm meist geschlossen hält, weil er so verliebt und glücklich ist, dass ihm die Nässe gar nichts anhaben kann. Auch eine Option.

Das hilfreiche Accessoire gab es übrigens bereits vor 4000 Jahren. In Asien hatte es sich in einer Version aus Bambus und Ölpapier etabliert, zum Schutz der Haut gegen die Sonne sowie als Statussymbol. Schließlich erreichte das Utensil über Griechenland und Italien den europäischen Kontinent. Anfang des 18. Jahrhunderts erfand der Pariser Kaufmann Jean Marius schließlich eine zusammenklappbare, Wasser abweisende Variante. Als Jonas Hanway um 1750 erstmals mit dem Ding durch London flanierte, soll er verhöhnt und mit Müll beworfen worden sein. Doch da es dort bekanntlich „Katzen und Hunde“ regnet, war der Siegeszug des „Umbrella“ vorprogrammiert.

Wer in die Geschichte dieses besonderen Wohlfühlortes eintauchen möchte, ist richtig in den Regenschirmmuseen in Sonthofen oder Weimar. Und ganze Regenschirmstraßen, leuchtend überdacht mit bunten Schirmen – wie es sie inzwischen weltweit gibt –, zaubern sicher jedem Spaziergänger ein Lächeln ins Gesicht. Allen voran die Kunstinstallation im portugiesischen Águeda.

6 Im Kino

Versinken in der Lichtspielzeit

Mein erster Kinofilm war Eliot, das Schmunzelmonster. Ich ging mit meiner Mutter ins Kino, vermutlich in die Nachmittagsvorstellung. Wir saßen ganz vorne und starrten, den Kopf im Nacken, nach oben. Diesem ersten Kinoerlebnis sollten viele weitere folgen. Filme, in die ich mehrmals gehen sollte wie Zurück in die Zukunft, Love Storys, in denen ich Händchen hielt und knutschte, danke, Dirty Dancing! – und solche, die mein Leben veränderten wie Der Club der toten Dichter. Alle diese Blockbuster hatten eines gemeinsam: Während ich in ihre Welt eintauchte – und nach neunzig Minuten wieder auf –, saß ich in einem roten Klappsessel, wahlweise mit Weingummi, Chips oder Eiskonfekt auf den Knien. Aus dieser sicheren Position heraus ließ es sich überallhin reisen. Mit Star Wars sogar bis in die Weiten des Alls.

Am Kino mag ich wirklich alles: die kleinen Kassenhäuschen am Eingang, die dunklen Gänge zu den Sälen, den Geruch nach Popcorn, das Plüschige im Innenraum und diese besondere Mischung aus Gemeinschaftserlebnis und Intimität. Exakt diese Erwartung wird jedes Mal erfüllt.

Wie mag es wohl den ersten Kinobesuchern ergangen sein, die am 28. Dezember 1895 Eintritt zahlten, um im Grand Café