Das Gold von Amirbar - Álvaro Mutis - E-Book

Das Gold von Amirbar E-Book

Álvaro Mutis

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Beschreibung

Fernab seines schützenden und rauen Elements, des Wassers, sucht Maqroll in den Schluchten der kolumbianischen Anden nach seinem Glück. In der Mine Amirbar, benannt nach dem Stöhnen, das die Luft erzeugt, wenn sie ihre Höhlen betritt, schürft er nach Gold. Einzig in Gesellschaft des Hellsehers Eulogio und der fremdartigen Antonia stellt er sich der harten, einsamen Arbeit. Doch viel leichter als ihre Schätze gibt die Erde die Zeichen der Grausamkeit ihrer Bewohner preis. Nach und nach führt ihn seine Suche nach Gold und Liebe an einen Abgrund, den er noch Jahre später vor sich sieht.

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Seitenzahl: 226

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Über dieses Buch

In den Schluchten der kolumbianischen Anden sucht Maqroll nach seinem Glück. In der Mine Amirbar, benannt nach dem Stöhnen, das die Luft erzeugt, wenn sie ihre Höhlen betritt, schürft er nach Gold. Doch viel leichter als ihre Schätze gibt die Erde die Zeichen der Grausamkeit ihrer Bewohner preis.

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Álvaro Mutis (1923–2013) verbrachte einen Teil seiner Kindheit in Brüssel, kehrte jedoch jedes Jahr nach Kolumbien zurück. Das Land ist die Inspirationsquelle seines Schreibens. Seit 1956 lebte der Autor in Mexiko. 2001 wurde er mit dem Premio Cervantes geehrt, 2002 mit dem Neustadt-Literaturpreis.

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Peter Schwaar (*1947) studierte Germanistik und Musikwissenschaft, war Redakteur und ist seit 1987 freiberuflich tätig als Übersetzer u. a. von Tomás Eloy Martínez, Carlos Ruiz Zafón, Zoé Valdés und Adolfo Bioy Casares.

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Dieses Buch gibt es in folgenden Ausgaben: Taschenbuch, E-Book (EPUB) – Ihre Ausgabe, E-Book (Apple-Geräte), E-Book (Kindle)

Mehr Informationen, Pressestimmen und Dokumente finden Sie auch im Anhang.

Álvaro Mutis

Das Gold von Amirbar

Roman

Aus dem Spanischen von Peter Schwaar

Die Abenteuer und Irrfahrten des Gaviero Maqroll

E-Book-Ausgabe

Unionsverlag

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Impressum

Dieses E-Book enthält als Bonusmaterial im Anhang 2 Dokumente

Die Originalausgabe erschien 1990 bei Editorial Norma, Kolumbien.

Die deutsche Erstausgabe erschien 1995 im Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main.

Ein Band im Zyklus der Maqroll-Romane: Der Schnee des Admirals, Ilona kommt mit dem Regen, Ein schönes Sterben, Die letzte Fahrt des Tramp Steamer, Das Gold von Amirbar, Abdul Bashur und die Schiffe seiner Träume, Triptychon von Wasser und Land.

Originaltitel: Amirbar

© by Álvaro Mutis 1990 und seinen Erben

© by Unionsverlag, Zürich 2022

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: Luca Micheli (Unsplash)

Umschlaggestaltung: Peter Löffelholz

ISBN 978-3-293-31067-4

Diese E-Book-Ausgabe ist optimiert für EPUB-Lesegeräte

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Version vom 13.06.2022, 17:26h

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Inhaltsverzeichnis

Cover

Über dieses Buch

Titelseite

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Inhaltsverzeichnis

DAS GOLD VON AMIRBAR

Die außergewöhnlichsten Tage meines Lebens verbrachte ich in …Wie es den Gaviero in ein schmutziges …Es wurde Abend, ohne dass wir es merkten …Maqroll schwieg einen Augenblick und sagte dann …Eine Weile schwiegen wir, da wir nicht wussten …Mehrere Jahre vergingen, ohne dass ich etwas vom …Anhang — Was der Gaviero las

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Zur Erinnerung an meinen Großvater Jerónimo Jaramillo Uribe, der einmal am Coello-Fluss im DepartementTolima Gold suchte.

Das Leben ist eine einzige Abfolge von Niederlagen. Es gibt mehr oder weniger täuschende Fassaden. Aber auch hinter den schönsten schimmert immer und immer wieder die Niederlage durch, was den Menschen jedoch nicht daran hindert zu triumphieren, denn im Grunde wird er erst vom Tod wirklich besiegt, aber auch das eigentlich nur, weil ihm der Tod jede Möglichkeit nimmt, entgegen alle Vernunft zu behaupten, er könne ihm nichts anhaben. Also hat er den Tod sogar zu seinem Verbündeten gemacht und rechnet fest damit, dass er ihm all den Ruhm gibt, den ihm das Leben vorenthalten hat.

Pierre Reverdy, »Le livre de mon bord«

… denn Frauenzimmer in den Mienen scheinet eine Sache des Teufels, und ist bewiesen, daß es keinerlei Vortheil bringet, indem man sie dort arbeiten lässet. Im Gegentheil, Eifersucht und Gewalt-Thaten, die hiemit verbunden, sind für alle von großer Gefahr.

Shamuel de Corcéga, »Wahrhafftige Geschichteder Mienen, so die Juden in den Bergen von Axurtelsonder Gewinn bearbeitheten«,Druckerei Capmany, 1776, Sóller, Mallorca

Die außergewöhnlichsten Tage meines Lebens verbrachte ich in Amirbar. In Amirbar ließ ich ein Stück meiner Seele und einen großen Teil der Energie zurück, die meine Jugend angefacht hatte. Vielleicht kam ich gelassener von dort herunter, ich weiß nicht, aber auch endgültig müde. Was danach folgte, war nur noch ein Überleben im harten täglichen Abenteuer – wenig. Nicht einmal der Ozean hat mir meine Fähigkeit, im Wachzustand zu träumen, wiedergeben können, die ich in Amirbar verlor, ohne dafür etwas zu erhalten.«

Diese Worte des Gaviero hatten mich nachdenklich gestimmt. Da er nie ein Freund solcher Vertraulichkeiten gewesen war, sondern seine Reisen immer in knappen Worten geschildert hatte, ohne daraus Schlussfolgerungen zu ziehen oder irgendeine Moral abzuleiten, machte mich die Erwähnung seiner Tage in Amirbar ganz besonders neugierig. Matt, wie er war, und erschöpft von der langen Behandlung, der er sich unterziehen musste, um die Malaria auszukurieren, die ihn zugrunde zu richten drohte, hatte der Gaviero Dinge gesagt, die einen aufschlussreichen Blick in die verborgene Welt der Niederlagen gewährten, welche er sonst immer eisern unter Verschluss hielt. Er hatte sie gesagt, als wir in Northridge bei meinem Bruder Leopoldo im Hof in der Sonne lagen, mitten im durchscheinenden, endlosen Sommer von San Fernando Valley in Kalifornien. Offenkundig gab er damit seinem Wunsch Ausdruck, Erinnerungen die Schleusen zu öffnen, die er bis jetzt aus irgendeinem Grund ängstlich für sich behalten hatte. Im Verlauf unserer Freundschaft hatten sich viele Gelegenheiten ergeben, bei denen er Episoden aus seinem Leben erzählte. Nie hatte er jedoch die Tage in Amirbar erwähnt, sodass ich damals nicht wusste, was es mit diesem Namen auf sich hatte.

In den darauf folgenden Wochen, während er wieder zu den nötigen Kräften kam, um an die peruanische Küste zu reisen, schilderte er uns tatsächlich seine Erlebnisse als Goldsucher in den Anden und das Scheitern seiner wunderlichen Projekte im Stollengewirr von Amirbar. Doch bevor ich sie für meine Leser niederschreibe, muss ich ihnen die Umstände unserer damaligen Begegnung schildern, denn sie sind für Maqrolls Wesen und Schicksal so bezeichnend, dass man sie unmöglich ausklammern kann.

Wie es den Gaviero in ein schmutziges, auf dem unpersönlichsten, düstersten Abschnitt des La Brea Boulevard verlorenes Motel verschlagen haben mochte, war das Erste, was ich mich auf dem Weg fragte. Ich befand mich in Los Angeles auf Geschäftsreise und verbrachte den Tag zum großen Teil in den Burbank-Studios. Eines Abends, als ich an der Rezeption des Hotels ›Chateau-Marmont‹, wo ich immer abstieg, wenn ich geschäftlich dort war, meine Post abholte, händigte man mir auf einem fettverschmierten Blatt ohne Briefkopf eine knappe Nachricht aus: »Ich bin in der Brea 1644. Kommen Sie so schnell wie möglich. Ich brauche Sie. Maqroll.« Er hatte mit ziemlich zittriger Schrift unterzeichnet, die ich zunächst nicht wiedererkannte. Ich brachte einige Papiere auf mein Zimmer und verließ das Hotel sogleich wieder, um meinen Freund zu besuchen. Es war nicht seine Art, so dringliche Botschaften zu schicken, und sein krakeliger Namenszug ließ auf einen mehr als prekären Gesundheitszustand schließen. Die erwähnte Hausnummer gehörte einem schäbigen Motel mit enger Autoeinfahrt, die zu einer Reihe von Apartments mit grell zitronengelben Nummern führte. Vor den Zimmern mit beleuchteten Fenstern standen drei oder vier Wagen. Der Gaviero hatte vergessen, mir seine Nummer mitzuteilen, oder wollte vielleicht, dass ich zuerst mit dem Pförtner spräche, der in ein enges Kabäuschen zu Beginn der Zimmerreihe gepfercht war. Ich klopfte an die Scheibe, worauf mir ein massiger, ungekämmter Mann in braunem T-Shirt und Bermudas aufmachte, die ihm unter einem gewaltigen Bierbauch die Taille einschnürten. Er sprach ein rudimentäres Englisch, und zwar mit ausgeprägt arabischem Akzent. Von der Stirnmitte zog sich eine tiefe Narbe über die Nase bis zur Kinnwurzel. Ich nannte den Namen meines Freundes, doch statt mir die Nummer von dessen Zimmer zu geben, ließ er mich in den kleinen, übel riechenden Raum treten, der sein Büro sein musste. Ohne sich auch nur vorzustellen, kam er gleich zur Sache: »Ich habe auf Sie gewartet. Ihr Freund sagte mir, Sie kennen sich schon seit vielen Jahren. Auch ich kenne ihn seit Langem und habe ihm mehrere Gefälligkeiten zu verdanken. Aber der Besitzer dieses Motels ist ein Jude, der Argumente weder gelten lässt noch versteht. Unser Mann schuldet schon seit drei Wochen die Miete, und heute Abend kommt Michaelis einziehen. Es wäre gut, wenn Sie mir das entsprechende Geld geben könnten. In seinem Zustand möchte ich den Gaviero nicht auf die Straße schicken. Es sind insgesamt fünfundneunzig Dollar.«

Er sprach eher beunruhigt als schroff. Offensichtlich befand er sich in einer Zwickmühle. Ich gab ihm das Geld, und als er mir die Quittung ausstellte, kam seine Frau herein, eine ebenfalls große Person, die einmal sehr schön gewesen sein musste, der die außerordentliche Magerkeit und das verhärmte Gesicht aber ein geisterhaftes Aussehen gaben. Auch sie sprach mit stark nahöstlichem Akzent. Sie begrüßte mich verschwommen lächelnd und sagte in einem Französisch, das etwas flüssiger und verständlicher war als das Englisch des Pförtners, sie freue sich sehr über mein Kommen. Mein Freund benötige dringend Hilfe und Gesellschaft. Ich verabschiedete mich von ihnen und ging zum angegebenen Zimmer, das, wie sich zeigte, gleich neben der Pförtnerloge lag, aber aus irgendeinem seltsamen Grund die Nummer 9 trug.

In der Tür steckte kein Schlüssel. Nachdem ich angeklopft hatte, befahl eine dumpfe Stimme: »Kommen Sie herein, es ist nicht abgeschlossen.«

Da lag Maqroll der Gaviero auf einem Bett mit verblichenen rosa Laken, auf denen große dunkle Schweißflecken zu sehen waren. Er zitterte heftig. In seinen geweiteten glänzenden Augen lag ein verzweifelter Ausdruck von Todesnähe. Der mehrwöchige grau melierte Borstenbart trug das Seine dazu bei, ihn unendlich hilflos aussehen zu lassen. Die Zimmereinrichtung mit verblassten Reproduktionen weiblicher Akte und dem unvermeidlichen Spiegel gegenüber dem Bett, über einem mit staubigen, ebenfalls rosa Rüschen geschmückten Toilettentisch, gab dem Gaviero an diesem Ort etwas Rührendes und zugleich Groteskes. Mit einer Handbewegung hieß er mich auf dem einzigen Stuhl mit Armlehne Platz nehmen, der mit schmierigem, geblümtem Kretonne undefinierbarer Farbe bezogen war. Ich rückte ihn zum Kopfende des Bettes und setzte mich in der Hoffnung, der Fieberanfall, der eine klare Artikulation unmöglich machte, würde etwas nachlassen. Vom Nachttisch nahm er ein Fläschchen mit Tabletten und schob sich zwei davon in den Mund. Er schluckte sie mit etwas Wasser, das er sich äußerst mühevoll aus einem Krug vom selben Tisch einschenkte. Seine Hände zitterten so sehr, dass sich die Hälfte des Wassers über die Laken ergoss. Ich machte Anstalten, ihm zu helfen, aber mit dem Anflug eines Lächelns winkte er ab. Als er zu sprechen versuchte, klapperten seine Zähne. Schweigend warteten wir ein Weile, bis das Medikament zu wirken begann. Es verstrich eine Viertelstunde oder mehr, und allmählich verebbte das Zittern. Als er sprechen konnte, klang seine Stimme sicherer.

»Das ist ein sehr starkes Mittel, das mich fast noch mehr betäubt als das Fieber«, erklärte er. »Deshalb nehme ich es nicht so oft, wie ich eigentlich sollte. Ich komme von Vancouver und wollte vor der Weiterreise in den Süden ein paar Tage hier bleiben, um Josip aufzusuchen und ihn zu überreden, dass er mich bei einer Unternehmung begleitet, die ich in Peru vorhabe.«

Bevor ich fragen konnte, wer Josip sei, fuhr der Gaviero fort: »Josip ist der Geschäftsführer dieses Motels. Wir haben zusammen mehrere Reisen auf dem Mittelmeer gemacht, ich habe Ihnen früher schon davon erzählt. Er wurde als Sohn georgischer Eltern im Irak geboren. Vom Söldner in Indochina bis zum Zuhälter in Marseille ist er so ziemlich alles gewesen. Er hat einen schwierigen, aber noblen Charakter und ist ein guter Freund. Vermutlich hat er Sie um das Geld angepumpt, das ich schuldig bin. Es ist ihm nichts anderes übrig geblieben. Aber er ist ein sehr vertrauenswürdiger Mensch, mit dem man sich bestens amüsieren kann. Bei einem Schluck Wein löst sich seine Zunge, und man kann stundenlang seinen Geschichten zuhören. Dann aber hat mich ein Fieberanfall erwischt, der mich nun schon seit anderthalb Monaten ans Bett fesselt. Ich habe immer das Mittel bei mir, um das Fieber unter Kontrolle zu bringen, aber diesmal war ich unvorsichtig, und da liege ich nun. Dieses Sumpffieber habe ich in Rangun aufgelesen, und zwar vor so langer Zeit, dass ich manchmal denke, das ist einem andern passiert. In Rangun bei einem Teakholzgeschäft, zusammen mit englischen Teilhabern, die betrügerischer waren als ein falscher Derwisch. Bei diesem ganzen Aufwand sprang kein Heller für mich raus. Dafür handelte ich mir dieses Fieber und einige bemerkenswerte erotische Theorien ein, bei einer Witwe, die ein unsicheres Weihrauchunternehmen für religiöse Zeremonien in Kuala Lumpur führte. Das werd ich Ihnen eines Tages erzählen – es lohnt sich. Ein Arzt in Belfast verschrieb mir diese Chinintabletten. Sie sind zwar wirkungsvoll, verursachen mir aber unerträgliche Kopfschmerzen und dauernde Übelkeit. Mit diesem Mittel habe ich dem Fieber immer ausweichen können, aber diesmal hat es das Spiel gewonnen.«

Ich sagte, vor allem andern müssten wir einen Arzt holen. Das Fieber hatte ihn so geschwächt, dass Organe wie das Herz oder die Leber angegriffen sein konnten. Er nahm den Vorschlag nicht sehr begeistert auf. Ärzte, meinte er, weckten sein Misstrauen und machten alles nur noch komplizierter. Ich beharrte jedoch darauf, am nächsten Tag einen mitzubringen. Brummend willigte er ein. Eine Weile plauderten wir noch über alte Erinnerungen und Leute, mit denen wir beide verkehrt hatten. Als ich ihm für seine dringendsten Ausgaben etwas Geld geben wollte, sagte er: »Nein, geben Sie mir nichts. Geben Sie es besser Halina, Josips Frau. Sie bringt mir das Essen und alles andere, was ich brauche. Wenn Sie es hier lassen, wird es mir nur gestohlen. Das ist ein einziges Kommen und Gehen von Huren und Schwulen, und da ich die Tür offen lassen muss, weil mir das Eingeschlossensein Angst macht, wenn mich das Fieber überfallt, spazieren sie einfach herein und lassen alles Mögliche mitgehen. So sind mir Kleider, Schuhe und Dokumente weggekommen. Den Pass und das Geld für die Schiffsüberfahrt nach Matarani hat das Pförtnerehepaar. Dort sind sie in Sicherheit. Ein paar Frauen, die kommen und bei mir bleiben, haben als Entgelt für ihre Dienste irgendetwas eingesteckt, und was mir noch bleibt, nehmen Schatten mit, die sich um mich drehen, wenn das Fieber kommt.«

Ich versuchte ihn mit den Worten zu beruhigen, von jetzt an würde ich schon dafür sorgen, dass man ihn nicht mehr beraube. Aber das Wichtigste war, die Diagnose eines Arztes zu haben, um zu erfahren, wie es um ihn stand und was zu unternehmen war, um ihn aus dieser Lage zu befreien. Er bedankte sich mit einem Lächeln, das trotz des neuerlichen Zitterns auf seinen Lippen herzlich sein sollte. Es war bereits nach Mitternacht, als ich ihn zurückließ, im Halbschlaf und auf schweißnassen Laken. In der Pförtnerloge aßen Josip und seine Frau zu Abend, und ich sagte ihnen, am nächsten Tag würde ich mit einem Arzt wiederkommen. Für alle Fälle gab ich ihnen die Telefonnummer des Hotels und ein paar Dollar für eventuelle Auslagen. Sie sagten mir, der Gaviero nehme sehr wenig zu sich und weigere sich, viele der Gerichte auch nur zu kosten, die die Frau für ihn koche. Wenn sie Maqroll erwähnten, schwang ein zärtlicher, ergebener Ton mit, noch offenkundiger bei der Frau, die mit einem unverständlichen Diminutiv von ihm sprach; es klang so ähnlich wie ›ruminchi‹, Christchen, aber ich mochte nicht in sie dringen. Ich spürte, dass ich damit in einen intimen Bereich eingedrungen wäre, in dem ich nichts zu suchen hatte.

Am nächsten Tag wurde mir in den Studios die Telefonnummer eines Arztes gegeben, der während der Dreharbeiten Dienst tat. Ich setzte mich mit ihm in Verbindung, und es stellte sich heraus, dass er Uruguayer war. Durchs Telefon vermittelte seine Stimme eine gelassene Autorität, die mir großes Vertrauen einflößte. Wir vereinbarten, dass er gegen Abend bei meinem Hotel vorbeikommen und wir gemeinsam den Gaviero aufsuchen würden. Pünktlich um sechs trafen wir uns in der Halle; er wollte gerade auf mein Zimmer anrufen, und ich war heruntergekommen, um auf ihn zu warten. Er war ein mittelgroßer Mann mit heiterem Gesicht, dessen ausdrucksvolle Augen von buschigen Brauen beinahe zugedeckt wurden; sie waren ebenso tiefschwarz wie der dichte Schnurrbart, der ihm das Aussehen eines Zarzuelabanditen gab. Wir machten uns zum La Brea Boulevard auf, und unterwegs erzählte ich ihm einiges über das Vorleben des Gaviero. Ich schilderte ihm unsere alte Freundschaft, seine Bestimmung zu rastlosem Wanderleben und einige seiner auffälligsten Charaktereigenschaften. Der Arzt sagte, solche Tropenkrankheiten seien seit Jahren recht einfach zu heilen; wenn aber der Patient nicht aufpasse und die Behandlung unterbreche, weil er sich vom Übel schon frei wähne, würden sie chronisch und griffen ernstlich Milz und Leber an und könnten schließlich zu schweren Herzschädigungen führen. Wir betraten das Motel, und der Arzt verzog befremdet das Gesicht, obwohl ich ihn schon auf die Umstände vorbereitet hatte, in denen mein Freund lebte. Als das Pförtnerehepaar zur Begrüßung herauskam, überraschte ihn dessen Erscheinung vollends. Er gab aber keinen Kommentar ab, und wir gingen ins Zimmer von Maqroll, der unter leichten Zuckungen und stoßweise atmend schlief. Dann öffnete er die Augen und grüßte geistesabwesend.

Mit ergebener Geduld, bei ihm ziemlich unüblich, fügte er sich in die Untersuchung und hörte sich die Empfehlungen über die zu befolgende Behandlung mit höflichem, aber skeptischem Lächeln an. Nach den Worten des Arztes hätten die neuen Medikamente in kurzer Zeit eine wohltuende Wirkung. Freilich würde er in ein Krankenhaus gehen müssen, um sich regelmäßig und unter Kontrolle behandeln zu lassen, was am jetzigen Ort nicht möglich war. Während der Fieberanfälle war er stundenlang bewusstlos oder lag im Halbschlaf, sodass er die Mittel nicht zur vorgeschriebenen Zeit einnehmen konnte. Alledem stimmte der Gaviero widerstandslos zu. Sein einziger Einwand betraf die finanzielle Seite – er besaß nicht einen Centavo und sah keine Möglichkeit, unter solchen Bedingungen ins Krankenhaus zu gehen. Ich erklärte ihm, ich würde das übernehmen, und wir könnten später abrechnen. Er zuckte die Schultern und bedankte sich, in eine hypothetische, aber deswegen nicht weniger schmerzliche Ferne starrend. Ich fuhr mit dem Arzt zum Hotel zurück, wo er seinen Wagen stehen gelassen hatte. Während wir den endlosen, langweiligen Santa Monica Boulevard zurücklegten, verharrte der Uruguayer in einem Schweigen, das diskret sein sollte, aber deutlich zum Ausdruck brachte, dass er Mühe hatte, meine verantwortungsvolle Funktion in den von mir betreuten südamerikanischen Ländern mit der Freundschaft eines Mannes in Einklang zu bringen, der der Welt der großen Hollywood-Filmgesellschaften denkbar fern stand. Schließlich konnte er sich, auch ein wenig mit meiner Hilfe, zu der Frage durchringen, wo ich diesen merkwürdigen Mann denn kennen gelernt habe, dessen Namen er kaum mit einer ihm bekannten Nationalität in Verbindung bringen könne. Ich antwortete, wir hätten auf einer meiner regelmäßigen Reisen durch die Antillen auf einem Esso-Tanker Freundschaft geschlossen, als ich für diese Gesellschaft arbeitete. Maqroll war Pumpenmeister, und unsere Beziehung begann, als ich ihn in einem seiner freien Augenblicke in eine gelehrte Abhandlung über den spanischen Erbfolgekrieg vertieft sah. Wir gingen gleich in medias res, da es sich um ein Thema handelte, das auch mich interessiert, und waren uns einig darüber, dass Ludwig XIV. den von den Österreichern verwaist gelassenen Thron mit unbestreitbarem Recht für seinen Enkel gefordert hatte. Auf späteren Reisen trafen wir uns erneut, und wir gewöhnten uns daran, einander an den unerwartetsten Orten der Welt zu begegnen, je nachdem, wie es unsere jeweilige Tätigkeit gerade erlaubte.

»Ich hätte nie gedacht, dass er ein Mann von so ausgeprägt intellektuellem Interesse ist«, meinte der Arzt mit einer gewissen berufsbedingten Behutsamkeit.

»Ich würde es nicht so nennen. Allein das Wort ›intellektuell‹ dürfte den Gaviero enorm erschrecken. Er ist ein Mann von tiefer, sehr ehrlicher Wissbegier und mit einer ganz persönlichen Vorliebe für die Vergangenheit, was mit einer guten literarischen Bildung einhergeht, die er sich außerhalb der Welt aneignete, in der sich die so genannten Intellektuellen normalerweise bewegen.«

Der Arzt, der sich noch nicht von der Begegnung mit diesem Mann erholt hatte, wirkte nicht sehr überzeugt. Knapp und oberflächlich erzählte ich ihm einige Anekdoten aus dem Leben meines Freundes, die ihn jedoch in keiner Weise zu beruhigen vermochten. Als wir beim Hotel waren, gab er mir die Adresse des Krankenhauses, wo der Gaviero behandelt werden konnte, und verabschiedete sich leicht reserviert.

Am nächsten Tag holte ich Maqroll in einem Krankenwagen ab. Er konnte kaum stehen. Josip und seine Frau erkundigten sich ängstlich, mit unbeholfenen Fragen und schüchternen Einwänden, was mit ihrem Gast geschehen würde. Maqroll beruhigte sie mit den Worten, es sei nicht ihre Schuld, dass er von hier weggehen müsse, sondern handle sich darum, eine sehr strenge Therapie zu befolgen, und deshalb sei es unerlässlich, dass er sich ins Krankenhaus begebe. Ich hinterließ ihnen die Adresse, damit sie ihn besuchen konnten. Als die Trage in den Krankenwagen geschoben wurde, klammerte sich Halina mit plötzlicher Sorge an meinen Arm und sagte: »S’il s’agit de le soigner, ça va. Mais vous êtes responsable si ça ne marche pas. C’est un ami comme il n’y en a pas d’autres.«

Ich beruhigte sie, so gut ich konnte, und bekräftigte noch einmal, ich sei ein ebenso alter und guter Freund von ihm wie sie, es gebe keinen Grund zur Angst, und alles werde gut gehen; bestimmt würden wir uns im Krankenhaus sehen. Zwei dicke Tränen kullerten ihr übers Gesicht, das noch immer das Gleichmaß und Aussehen mediterranen Stolzes zeigte. Als wir den La Brea Boulevard hinauffuhren, um den Freeway nach San Fernando Valley einzuschlagen, wo das Krankenhaus lag, bahnte sich die Sirene der Ambulanz einen Weg durch den Verkehr. Maqroll schaute mich belustigt und zugleich befremdet an und erklärte, da ihn seine Freunde vom Motel so oft die absurdesten Schwierigkeiten hatten überleben sehen, hätten sie sich von ihm allmählich eine Vorstellung gemacht, die die Vermutung der Unsterblichkeit nicht ganz ausschließe. Zuschauen zu müssen, wie er in einem Krankenwagen Richtung Klinik davonfahre, bringe dieses für ihr Weiterleben offenbar notwendige Bild jäh ins Wanken.

»Oft dient man als Garant gegen den Tod, dabei haftet er einem in Wirklichkeit an den Rippen, und man tut so, als wisse man nichts von ihm«, sagte er und nahm damit eine seiner fixen Ideen wieder auf.

Die Behandlung, der Maqroll in dem Krankenhaus mit biblischem Namen und strenger Quäkerordnung unterzogen wurde, zeigte raschen Erfolg. Die Fieberanfälle wurden immer seltener, und bald konnte der Gaviero den Rollstuhl verlassen, um langsam auf den Alleen des aseptischen Gartens spazieren zu gehen, dessen Blumen aus Plastik schienen, genauso wie die Orangenbäume mit ihrer Last unwahrscheinlich gelber Früchte. Ich besuchte ihn immer gegen Ende des Tages, wenn meine Aufgaben in den Studios erledigt waren, sowie an den Samstag- und Sonntagnachmittagen. Manchmal traf ich dort auf den Pförtner und seine Frau. Ihr Misstrauen gegen mich war einer etwas plötzlichen, rührenden Herzlichkeit gewichen. Die Erholung des Gaviero hatte sie beruhigt, wie auch einige Erklärungen, die er ihnen offenbar hinsichtlich unserer Beziehung gegeben hatte.

Als ich ihn an einem Samstagvormittag besuchte, stellte ich fest, dass er seine wenigen Habseligkeiten in eine Handtasche gepackt hatte, wie sie die Fluggesellschaften abgeben; man sah ihr an, dass sie weit mühseligere Reisen als solche im Flugzeug überstanden hatte. Maqroll erwartete mich auf einem Stuhl sitzend, und alles an ihm zeigte eine ganz außergewöhnliche Ungeduld und Unruhe. Noch bevor ich ihn fragen konnte, was los sei, sprudelte er hervor: »Heute Morgen in aller Frühe hat der Doktor angerufen, um meine Entlassung zu genehmigen. Gestern führten wir ein langes Gespräch, und er kam zu dem Schluss, dass mir die unpersönliche Trauerfeieratmosphäre dieser Einrichtung mehr schadet als das Fieber. Sie wissen ja, Kliniken sind nie meine Lieblingsorte gewesen. Weder während meiner Zeit als Aufseher in Bahía noch im Hospital de los Soberbios konnte ich dieses Gefühl von Todesvorzimmer je loswerden, das solche Häuser vermitteln, und seien sie noch so prächtig und ein halbes Luxushotel wie das hier. Also gehe ich. Sie sagten mir, Sie würden heute kommen, und ich bin bereit, ins Motel zurückzukehren oder wohin auch immer, wo es keine Ärzte und Krankenschwestern gibt.«

Maqrolls Entschluss, das Krankenhaus zu verlassen, überraschte mich nicht. Schon seit einiger Zeit hatte ich gemerkt, dass ihn seine Umgebung abstieß und dass er den Wunsch hatte, allem den Rücken zu kehren, sobald er halbwegs wiederhergestellt wäre. Trotzdem wollte ich ganz sicher sein und beschloss, mit dem Arzt zu sprechen, um seine Meinung im Detail zu erfahren. Vom Zimmer aus telefonierte ich mit ihm, und er sagte mir, er denke tatsächlich, mein Freund könne die Klinik verlassen, jedoch sei es ratsam, dass er sich in einem vertrauten, ruhigen Milieu erhole, einem ganz anderen Milieu als dem des Motels, aus dem wir ihn gerade noch rechtzeitig errettet hätten. So teilte ich es dem Gaviero mit und schlug ihm vor, ein paar Tage im Haus meines Bruders zu verbringen, im bevorzugten Klima von San Fernando Valley, nahe der Universität von Northridge mit ihren ausgedehnten Orangenpflanzungen und stillen weißen Häusern. Etwas widerwillig stimmte er zu. Er wolle nicht in einem fremden Haus zur Last fallen, seine Anwesenheit würde die Routine des Hausherrn und seiner Familie durchbrechen, die er überdies gar nicht kenne. Ich beruhigte ihn, indem ich ihm erklärte, sie würden erfreut sein, ihn bei sich aufzunehmen, denn sie hätten keine Kinder und seien es gewohnt, mit Freunden zu verkehren, die ein so besonderes, bewegtes Dasein führten wie er.