Das große Nuri Sardinen Kochbuch -  - E-Book

Das große Nuri Sardinen Kochbuch E-Book

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Beschreibung

Diese Dosen sind Kult! Im Atlantik vor der Küste Portos am Morgen gefangen, werden die Sardinen für die Nuri-Dosen tagesfrisch in 14 aufwendigen Arbeitsschritten noch komplett per Hand verarbeitet. Die Garantie für einzigartige Qualität und herausragenden Geschmack! Wir besuchen den Fischereihafen in Matosinhos in Portugal: In der traditionsreichen Nuri-Fabrik sehen wir den flinken Mitarbeiterinnen beim Köpfen der silbrigen Fischlein zu, beim Einlegen und Papierwickeln. Die Sardinen sind aber nicht nur pur ein Genuss: Die Omega-3-reichen kleinen Fische sind auch gut darin, sich auf Flammkuchen zu räkeln oder sich zwischen Lasagneblätter und Tomatensauce zu betten. Bevorzugte Tischgesellschaft der Nuri-Sardinen ist, wenig überraschend, ein Glas portugiesischer Wein.

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DAS GROSSENURI-SARDINENKOCHBUCH

WIE DER FISCHIN DIE DOSE UND AUS DER DOSEAUF DEN TELLER KAM

HRSG. VON JAKOB GLATZ

Mit Texten von Anna Burghardt &Rezepten von Andres Stirn

DIE DOSENSARDINE AUS HANDARBEIT

Vorwort von Jakob Glatz

DER WEG DER NURI-SARDINEN

Von Portugal in die ganze Welt

DAS WESEN DER SARDINE

Die Sardine liebt Gesellschaft

Ein guter Fang

Nur die Möwen bieten nicht mit

Für Kämpfernaturen: Der Fischeinkauf ist ein hartes Pflaster

JETZT HEISST ES HAND ANLEGEN

Die Hauptdarsteller treffen ein

Sie machen den Unterschied: die typischen Nuri-Gewürze

Wie die Sardine zur Ölsardine wird

DIE GESCHICHTE DER „FÁBRICA DE CONSERVAS PINHAIS“

Arbeit für Generationen

AUFGETISCHT

Die Nuri-Sardinen in der Küche

TAPAS

Von Kohlrabisalat bis gegrillte Frühlingszwiebeln

KALTE SPEISEN

Von Blutorangensalat bis Sellerie-Vichyssoise

WARME SPEISEN

Von Lauchtaschen bis Pizza de batata

BASICS

Von Nuri-Butter bis Portweinzwiebeln

Rezept-Register

VORWORT

Jede Dose Nuri ist ein Stück lebendige Tradition: ein seit 100 Jahren stur unveränderter Produktionsprozess, in derselben Fabrik, auf denselben Marmortischen, tagein, tagaus dasselbe Rezept.

— JAKOB GLATZ —

Mein erster Besuch in Portugal wird mir immer in Erinnerung bleiben. Es war im Herbst 2002, ich war gerade 24 Jahre alt und auf einer Geschäftsreise nach Matosinhos, um einen der wichtigsten und langjährigsten Geschäftspartner meiner Familie zu besuchen. Mein Vater war wenige Monate zuvor tödlich verunglückt und die Verantwortung für das Familienunternehmen lag nun in meiner Hand. Am Abend meiner Ankunft wollte ich mir Porto ansehen und fuhr mit dem Taxi ins Zentrum. Was ich nicht wusste: Damals galt die Altstadt als der gefährlichste Ort in Porto. Nicht etwa wegen finsterer Gestalten, die arglosen Besucher*innen auflauern und sie ausrauben würden – davon war weit und breit nichts zu sehen. Vielmehr drohten herabfallende Fassadenteile die Vorbeigehenden zu erschlagen. Ganze Straßenzüge mit jahrhundertealten Häusern waren stark heruntergekommen, nur behelfsmäßig gestützt und zugenagelt. Hier und da lagen Trümmerstücke auf der Straße, offenbar erst kürzlich abgebrochen. Der Kern dieser früher prächtigen Stadt war praktisch ausgestorben und seit Jahrzehnten dem Verfall preisgegeben: vollkommene Tristesse am Ende Europas. Ein Erbe des Langzeitdiktators Salazar, der sein Land völlig isoliert und ausgelaugt hatte.

Mit gedämpfter Stimmung von diesen ersten Eindrücken fuhr ich zeitig am nächsten Tag nach Matosinhos, einem Vorort von Porto. Im südlichen Teil dieser Stadt, mit heute immerhin fast 300.000 Einwohner*innen, direkt hinter dem zweitgrößten Hafen des Landes, wurde ab Anfang des 20. Jahrhunderts die Ansiedlung von Industrie auf dem Reißbrett geplant und ebenso umgesetzt. Damals ging es in erster Linie um die stark wachsende Ölsardinenindustrie. Die rechtwinkelig angeordneten Straßen von Matosinhos Sul beherbergten nach dem Zweiten Weltkrieg über 50 Fischfabriken; heute sind nur noch zwei davon übrig. Auf den breiten und schnurgeraden Straßen begleiteten links und rechts die Ruinen dutzender ehemaliger Fabriken meinen Weg. Durch die Fensteröffnungen konnte ich auf eingestürzte Dachstühle und Trümmerhaufen sehen. Aus vielen dieser Gerippe wuchsen Bäume durch Fenster und über Fassadenkanten hinweg.

Plötzlich tauchte, inmitten dieser Weltuntergangsszenerie wie unberührt vom Verfall ringsum, die „Conserveria Pinhais“ auf. Das Fabrikgebäude war patiniert, aber nicht schäbig, alt, aber nicht heruntergekommen. Wie eine elegante Dame fortgeschrittenen Alters, die durch alle Widrigkeiten des Lebens hindurch Haltung bewahrt. Der Bau bescheiden ornamentiert aus einer Zeit, in der sich nicht alles um Funktionalität und Effizienz drehte, sondern auch eine äußere Ästhetik Platz finden durfte, die die Qualität des Produktes und der Verarbeitung zeigte.

Kaum war ich ausgestiegen, wurde ich empfangen und durch die prächtig verflieste Eingangshalle über die breite, geschwungene Stiege hinauf ins holzvertäfelte Büro gebracht. Dort wartete ich im Besprechungsraum auf den damaligen Haupteigentümer und Geschäftsführer – Senhor António Pinhal. Nach einigen Minuten betrat ein hagerer 83-jähriger Herr das Zimmer. Trotz seiner kleinen Gestalt von 150 cm strahlte er eine beeindruckende Präsenz und Autorität aus. Er leitete damals bereits seit 55 Jahren die Geschicke des Unternehmens und tat dies bis zu seinem Tod sieben Jahre später.

Da Senhor Pinhal kein Englisch sprach, unterhielten wir uns, so gut es ging, auf Französisch, wobei er alle paar Minuten mit bebender Stimme betonte, dass bei ihnen Qualität über allem stehe: „La qualité, la qualité, la qualité, Monsieur Glatz!“ Er erklärte mir, dass die Qualität der Grund sei, warum sein Unternehmen auf moderne Maschinen verzichte und stattdessen alles noch per Hand hergestellt werde wie anno 1920 – und warum die Firma, anders als die anderen 50 Ölsardinenfabriken, noch am Leben sei. Eine Fabriksführung und ein Mittagessen später war es um mich geschehen. Nachdem ich erleben durfte, wie an diesem einzigartigen Ort, in dieser unumstößlichen Tradition die in gelbes Papier eingewickelten Sardinendosen mit dem geschwungenen Schriftzug entstehen, hatte ich mein Herz an „NURI“ verloren.

Aber was macht die Marke weltweit so beliebt? Manche sagen, Nuri ist Kult. Für andere ist es einfach diese gelbe Sardinendose, die sie schon seit ihrer Kindheit kennen. Eines dieser Lebensmittel, die immer bei den Eltern oder Großeltern auf Lager waren und irgendwie zur Kücheneinrichtung gehören. In Österreich kennt so gut wie jede*r Nuri, die handgemachte Ölsardine aus Portugal.

Menschen aller Altersgruppen und sozialer Herkunft können sich auf ihren Geschmack einigen. Vom Bauarbeiter bis zur Museumsdirektorin ist sie bei vielen zur ständigen Bewohnerin des Küchenregals geworden. Auf Curaçao wird die jährliche Anlandung eines Containers mit Nuri-Dosen sogar wie ein Volksfest gefeiert, inklusive Radiodurchsagen und Veranstaltungen auf der ganzen Insel.

Für manche bedeutet Nuri eine Lebensart. Das Portugiesische, das sich schon in der Verpackung ausdrückt. Diese reich verzierte, seit 100 Jahren annähernd unveränderte, freundlich-gelbe Vorderseite, die einen anlacht wie die mit Azulejos verzierten Hausfassaden Portos. Sie weckt eine Saudade, eine Sehnsucht, ein Heimweh nach einer Zeit, in der vieles noch einfacher, langsamer, vielleicht besser war. Mit jeder Dose Nuri wird auch ein Stück Vergangenheit, lebendige Tradition konserviert. Ein seit 100 Jahren stur unveränderter Produktionsprozess, in derselben Fabrik, auf denselben Marmortischen, tagein, tagaus dasselbe Rezept. Ein Fels in der Brandung der sich ständig wandelnden Welt der Lebensmittelartikel, das stolze Gegenteil von Innovation – semper idem.

Meine Familie ist mit der Marke Nuri, der Conserveria Pinhais und der Familie Pinhal seit drei Generationen verbunden. Die vielen Jahrzehnte der engen Zusammenarbeit und Partnerschaft ermöglichten uns auch, das Unternehmen in Matosinhos vor dem drohenden Ende zu bewahren und die Geschichte der Fabrik fortzuschreiben. Nach dem 100-Jahre-Jubiläum der Fabrik im Jahr 2020 und der Eröffnung unseres „Nuri-Museums“, in dem die Besucher*innen durch die Produktionshalle geführt werden und der Entstehung unserer Produkte live zusehen können, haben wir uns nun entschieden, ein Kochbuch herauszugeben. Das Große Nuri-Sardinen-Kochbuch richtet sich sowohl an eingefleischte Nuri-Fans, bei denen Nuri zu Hause einen fixen Platz im Regal hat, als auch an Kochbegeisterte aller Könnensstufen, die wissen wollen, welche Qualitäten die kleinen Fischchen in der Küche entfalten können. Wir wollen zeigen, welche Vielzahl an Möglichkeiten Nuri in der Küche bietet, und Rezepte präsentieren, die durch Nuri ganz neue Geschmacksrichtungen erhalten.

Es wird immer ein kleiner Glücksmoment bleiben, an einem Sonntagabend nach Hause zu kommen und eine Dose Nuri mit einer Scheibe gutem Brot und einem Glas Wein zu genießen. Doch Nuri-Sardinen können noch viel mehr, sie eignen sich für eine große Bandbreite an kalten und warmen Speisen. Ihre komplexe Geschmacksdichte ist eine ideale Voraussetzung, sie als Würze und delikate Aufwertung für viele lang bekannte Gerichte zu verwenden. Unschlagbar gut kommen Nuri-Mayonnaise oder Nuri-Butter an. Diverse Tapas, kalte Speisen und köstliche Salate empfehle ich ebenso zu probieren wie die Nuri-Quiche oder das mit Nuri angereicherte Beef-Tatar. Bei unseren warmen Hauptspeisen auf Basis einer guten Portion Nuri finden Sie schnelle Pastagerichte ebenso wie ein „Frango-Nuri“ und die verblüffend schnelle Nuri-Fischsuppe – eines meiner absoluten Lieblingsrezepte!

Wer ein Kochbuch einer einzelnen Lebensmittelmarke widmen will, braucht jedenfalls zweierlei: das Selbstverständnis des Produzenten und Herausgebers sowie das Vertrauen der Leser*innen, dass Marke und Produkt sich weder in Machart noch in Qualität ändern werden. Dass Buch und Rezepte also nicht in wenigen Jahren ihre Grundlage verloren haben werden. Diese Überzeugung ist bei mir fest verankert – und ich bin überzeugt, auch bei allen, die die Marke kennen und lieben. Unser Anspruch ist, dass dieses Buch wie auch unsere Sardinen-Manufaktur langfristig Bestand hat und das in den Rezepten enthaltene handwerkliche Wissen auf diese Weise weiterleben wird. Auch Nuri-Sardinen sind ein Handwerksprodukt und kein industriell hergestelltes Lebensmittel, wie wir sie aus den hocheffizienten und -automatisierten Werken der großen Hersteller kennen. Bei Nuri handelt es sich um ein Stück konservierte Kulturtechnik, die Ihnen mittels dieses Buches mindestens so viel Genuss bereiten soll wie pur aus der Dose.

In den vergangenen zwanzig Jahren seit meinem ersten Besuch in der Fabrik hat sich viel getan. Das Zentrum von Porto ist fast vollkommen renoviert und voll von Tourist*innen, Geschäften und kleinen Cafés. Die Ruinen von Matosinhos Sul sind Parks gewichen oder wurden renoviert und in Wohnhäuser und Hotels verwandelt. Die kleine Vorstadt mit eigenem Strand hat sich mittlerweile zu einer der beliebtesten Wohngegenden in der Region gemausert. Auch die Nuri-Fabrik wurde komplett renoviert und hat ihre Türen für Besucher*innen aus aller Welt geöffnet, die den knapp 100 Damen und deutlich weniger Herren zusehen, die hier jeden Tag die besten Sardinen der Welt zubereiten.

Der Weg der Nuri-Sardinen

VON PORTUGAL IN DIE GANZE WELT

Wer hätte wohl in der Zwischenkriegszeit gedacht, dass es dereinst Nuri-Fanartikel geben würde?

Mit dem Ölsardinenfieber kann man sich nur allzu leicht anstecken. Den Wiener Unternehmer Konrad Glatz erwischte diese so gut wie unheilbare Liebeskrankheit in der Zwischenkriegszeit des 20. Jahrhunderts, auf einer Reise durch Portugal: dieses erwartungsfrohe Ritual des Dosenöffnens, die beruhigende Ordnung der einträchtig nebeneinanderliegenden Fischchen, der vollmundige Geschmack, die Mürbheit des saftigen Fleisches voller gesunder Fette … Konrad Glatz wurde das Ölsardinenfieber nicht mehr los und beschloss ganz selbstlos, seinerseits möglichst viele Landsleute damit zu infizieren. So kam es, dass die Firma Friedrich Glatz OHG, 1892 in Wien als „Handel mit Mahlprodukten“ gegründet, seit den 1950er-Jahren Nuri-Dosen nach Österreich brachte und noch immer bringt. Die Ölsardinen in der auffallenden Verpackung mit dem kultigen Schriftzug (originellerweise samt Anführungszeichen, die den kurzen Markennamen flankieren) galten hier seit ihrer Markteinführung immer als etwas Besonderes.

Sowohl Österreich als auch Portugal waren 1960 neben einigen anderen Ländern unter den Gründungsmitgliedern der Europäischen Freihandelsassoziation. Zu Portugal gehörten in diesem Jahr noch zahlreiche Kolonien, darunter Macau (aktuell eine chinesische Sonderverwaltungszone), die heutigen afrikanischen Staaten Mosambik und Angola sowie Goa, mittlerweile ein indischer Bundesstaat. In einer Sonderbeilage der österreichischen Tageszeitung Die Presse über den „Handelspartner Portugal“ von 1960 begrüßt kein Geringerer als der damalige Bundeskanzler Julius Raab die verstärkten Bande zwischen den beiden Staaten in wirtschaftlicher Hinsicht. Explizit erwähnt Raab die Genussmittel des Partnerlandes Portugal. In derselben Ausgabe findet sich auch eine Anzeige von Nuri, die mit „Die köstliche Spezialität!“ und „Scharf gewürzt!“ sowie dem Herkunftsort Matosinhos wirbt. Damals wie heute ist die portugiesische Provenienz zentraler Teil der Markenidentität von Nuri.

Der Erfolg von Nuri währte Jahrzehnte, bevor der Produzent der Ölsardinen, die Firma Pinhais im Konservenviertel von Matosinhos, wegen des Fangverbotes in Portugal 2015 in eine schwere Krise geriet. Nicht nur die Geschäftsführung, sondern auch zahlreiche ortsansässige Familien bangten um ihre Arbeitsplätze. Einige leben bereits seit Generationen von der Arbeit in der Konservenfabrik – Mütter und Töchter hantieren mit Schwanzflossen, Gewürzen, Öl und Dosen, Väter und Söhne werken am Dampfkessel und an den Grillgittern … Viele der rund 120 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (der Großteil sind Frauen) haben schon im Teenageralter begonnen und bleiben Pinhais bis zur Pensionierung treu.

Zahlreiche Handgriffe sind notwendig, damit die Sardinen in die Dosen kommen.

Zum 100. Geburtstag der Konservenfabrik gönnte sich Nuri einen Shop in Wien.

2016 erwarb der Wiener Unternehmer Jakob Glatz die Firma Pinhais mit ihrem denkmalgeschützten Fabrikgebäude. Und sorgte somit für den Fortbestand der Dosensardinentradition.

Als wegen des knappen Sardinenbestands vor der Küste Portugals sogar das Fortbestehen der Fabrik plötzlich gefährdet war, war die Angst vor der Zukunft in der Belegschaft groß. Jakob Glatz, die vierte Generation der schon erwähnten Wiener Unternehmerfamilie, ließ das nicht kalt. Schließlich bestanden schon seit Jahrzehnten enge und sehr persönliche Geschäftsbeziehungen zu den Menschen in der Manufaktur in Portugal. Im Jahr 2016 erwarb Jakob Glatz ziemlich kurz entschlossen die gesamte Firma Pinhais inklusive des denkmalgeschützten Fabrikgebäudes, einen der wenigen noch verbliebenen Ölsardinenproduzenten in diesem einst so emsigen Hafenstädtchen. Er stellte damit sicher, dass die geschichtsträchtigen Hallen nicht in die Hände von Immobilieninvestoren gerieten, sondern das Ölsardinen-Handwerk in der Avenida Menéres weiterbesteht.

Der neue Eigentümer aus Wien nahm lediglich einige verbessernde Eingriffe in die Physiognomie der über ein Jahrhundert alten Fabrik vor. Das Entree mit seiner schwungvollen Treppe samt gedrechseltem Geländer blieb ebenso erhalten wie die heute erfrischend kurios wirkende Bestellluke im Erdgeschoß. Jakob Glatz hat in der Produktionshalle einige wenige modernisierende Schritte gesetzt, da, wo sie sinnvoll waren und jedenfalls den Mitarbeiterstamm nicht dezimierten. Eines der wichtigsten Argumente für den Erwerb der gesamten Fabrik war ja gerade gewesen, den Faktor Handarbeit zu bewahren.

Das Einzige, was automatisiert wurde, war der Transport der Fische von den Fülltischen zur Dosen-Schließmaschine. Früher wurden die mit Sardinen bestückten Dosen kunstvoll gestapelt und extraruhigen Schrittes hinübergetragen (manche Mitarbeiterinnen wirkten dabei wie Hebammen, die hochkonzentriert ein Neugeborenes hielten). Heute schickt man die Dosen per Förderband zur nächsten Station, wo sie mit Öl aufgefüllt und verschlossen werden. Schließlich merken nicht einmal die sensibelsten Verkostungsgaumen dem Endprodukt an, auf welche Weise es in der Fabrik von A nach B transportiert wurde. Und man kann damit mehr Mitarbeiterinnen für das Befüllen der Dosen einsetzen.

Den 100. Geburtstag der Fábrica de Conservas Pinhais im Jahr 2020 beging Nuri feierlich, die Marke schenkte sich selbst einen Shop in Wien: In der Herrengasse eröffnete ein kleines Nuri-Hauptquartier, von Atelier Karasinski fesch mit portugiesischen Fliesen, Marmor und Holz ausgestattet, als Verweis auf die Materialien in der historischen Konservenfabrik am Atlantik. In den Regalen warten neben den klassischen Nuri-Dosen mit Sardinen spezielle Sorten wie Schildmakrelen in scharfer Tomatensauce, außerdem kann man sich als Hardcore-Fan ein gelbes Logo-Outfit von Socken bis Regenschirm gönnen.

Die vielfältigen Gesichter der Dosen aus der Fábrica de Conservas Pinhais.

Und wie man den portugiesischen Fischlein stilvoll beim Aussteigen aus ihrem Reisegefährt hilft, zeigt die Sammlung an Vintage-Sardinenhebern aus verschiedenen Dekaden: Man stochert nicht unbeholfen in der Dose herum, sondern hievt die Sardinenkörper kultiviert mit dem breiten „Schiff“ (so der Fachterminus der Tischkulturexpert*innen) der unterschiedlich gestalteten Spezialgabeln ans Tageslicht.

Um Ölsardinenfans, Besucher*innen aus Portugal selbst und solchen aus dem Ausland noch mehr Einblicke in das Fischkonservengenre bieten zu können, hat Jakob Glatz das lange Zeit kaum genutzte Obergeschoß der Fábrica de Conservas Pinhais umbauen lassen. Im Oktober 2021 wurden hier die neuen Büros und ein Café eröffnet – es war die größte Investition seit der Errichtung in den 1920er-Jahren. Wo einst unter anderem der Lorbeer in Streifen geschnitten wurde (wie auf Seite 55 zu lesen)