Das Happiness-Paradox - Frank Martela - E-Book

Das Happiness-Paradox E-Book

Frank Martela

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Beschreibung

Der Philosoph und Glücksforscher Dr. Frank Martela zeigt, dass die Jagd nach Glück oft das größte Hindernis ist, um ebenjenes tatsächlich zu finden. Mit einer einzigartigen Mischung aus persönlichen Geschichten, unterhaltsamen Anekdoten und neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen bietet er einen frischen Ansatz, das Leben zu genießen. Lassen Sie sich inspirieren von der finnischen Lebensweise, die auf anhaltender Zufriedenheit und einem tiefen Sinn im Leben basiert. Erfahren Sie, warum es wichtig ist, aufzuhören, dem Glück nachzujagen, und wie Sie beginnen können, ein erfüllteres Leben zu führen. Das Happiness-Paradox ist Ihr Leitfaden zu einem Leben voller Zufriedenheit und Sinn.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
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Seitenzahl: 273

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Das HappinessParadox

DR. FRANK MARTELA

Das HappinessParadox

Wie man Sinn und Zufriedenheit im Leben findet, ohne nach dem Glück zu suchen

Aus dem Englischen von Annika Klapper

Inhalt

EINFÜHRUNG

Sind Sie bereit, ein drittes Mal neu geboren zu werden?

Teil 1:

Abschied vom Ego

KAPITEL 1

Denken Sie nicht ständig über Ihr eigenes Glück nach

KAPITEL 2

Kümmern Sie sich nicht darum, was andere über Sie denken

KAPITEL 3

Messen Sie Ihren Gefühlen nicht zu viel Bedeutung bei

Teil 2:

Abschied von Erwartungen

KAPITEL 4

Lassen Sie Ihre Vergangenheit Vergangenheit sein

KAPITEL 5

Blenden Sie das Weltgeschehen aus

KAPITEL 6

Machen Sie sich keine Gedanken um Ihre Erfolge in der Zukunft

Einschub

KAPITEL 7

Das Zentrum der Indifferenz

Teil 3:

Beginnen Sie, Ihr eigenes Leben zu leben

KAPITEL 8

Kümmern Sie sich um sich selbst

KAPITEL 9

Kümmern Sie sich um andere

KAPITEL 10

Bemühen Sie sich um eine bessere Welt

SCHLUSSBEMERKUNG

DANKSAGUNG

ENDNOTEN

ÜBER DEN AUTOR

EINFÜHRUNGSind Sie bereit, ein drittes Mal neu geboren zu werden?

Ich war 24 Jahre alt und hatte ein traumhaftes Leben als Austauschstudent in Thailand. Zusammen mit meinen Mitstudierenden verbrachte ich die Wochenenden (die vier Tage dauerten, weil wir Freitag und Montag keine Kurse hatten) in Strandhotels, wir tranken eimerweise Energydrinks mit Wodka und tanzten bis zum Sonnenaufgang am Strand, die Nächte verbrachten wir in billigen Bungalows. Oder wir besuchten die elegantesten Nachtclubs in Bangkok, wo wir dank der Kaufkraft westlicher Gehälter das Gefühl hatten, die Welt sei – in Shakespeares Worten ausgedrückt – unsere Auster.

Die Bars waren unsere Tempel und wir die Götter – wir lebten das Traumleben, das wir bis dahin nur aus Musikvideos kannten.

Ich war jung, und natürlich gefiel mir dieser Lebensstil. Doch als ein Partywochenende auf das andere folgte, kamen mir Zweifel. Mir wurde klar, dass ich den Traum von jemand anderem lebte. Werbung, Musikvideos und Filme hatten uns diesen Lifestyle einprogrammiert. So sollte der Traum vom Leben aussehen. Doch obwohl das alles viel Spaß machte, hatte ich das Gefühl, etwas anderes zu verpassen. Ein Gefühl der Leere packte mich. Irgendwann dämmerte mir, dass ich die »öden« Seiten des Lebens vermisste, wie Lesen und Schreiben. Dass die Lebensart, die wirklich zu mir passte, mit Büchern und nicht mit Strandpartys zu tun hatte.

Also ging ich zur Universitätsbibliothek. Ich las die Klassiker der Philosophie wie Nietzsche und William James. In einem Hippie-Buchladen am Strand von Koh Phangan entdeckte ich ein abgenutztes Exemplar von Viktor Frankls Der Mensch auf der Suche nach Sinn. Damals befand ich mich in der hedonistischsten Phase meiner Jugend und beschloss kurzerhand, dass ich mich in meinem Leben mit der Frage nach dem Glück beschäftigen wollte.

Was macht unser Leben zu einem glücklichen, erfüllten und sinnvollen? Und wonach sollten wir letzten Endes streben?

Im darauffolgenden Jahrzehnt machte ich meinen Abschluss, begann meine Doktorarbeit und promovierte, fand die Frau, die ich in guten und schlechten Zeiten lieben würde, bekam drei wunderbare Kinder mit ihr und fand meinen Platz in der Forschung, indem ich die psychologischen und philosophischen Aspekte der großen Fragen des Lebens untersuchte. Darüber hinaus bereiste ich sechs Kontinente, sprach und trank Bier mit Menschen aus sämtlichen sozialen Schichten und sammelte viele Erfahrungen – das alles mit dem Ziel, ein tieferes Verständnis dafür zu erlangen, was ein glückliches Leben für uns Menschen bedeutet.

Als Finnland 2018 zum glücklichsten Land weltweit gekürt wurde, erkannte ich, dass sich das, was ich suchte, die ganze Zeit direkt vor meinen Augen befunden hatte. Offenbar verbarg sich das Geheimnis eines glücklichen Lebens nicht an den Stränden von Belize, man fand es wahrscheinlich auch nicht beim Bungee-Jumping in Neuseeland, in Singapur, im Silicon Valley, Winchester oder am Lehrstuhl für Psychologie der University of Rochester im US-Bundesstaat New York, wo ich ein halbes Jahr als Gastforscher verbrachte. Das Geheimnis wartete dort auf mich, wo ich begonnen hatte: zuhause. Und als ich mit dem Schreiben dieses Buches anfing, belegte Finnland zum siebten Mal in Folge den ersten Platz auf der Liste der glücklichsten Länder der Welt, was wiederum dazu führte, dass Journalist:innen aus der ganzen Welt herausfinden wollten, wie es sein kann, dass in diesem kleinen skandinavischen Land mit langen, kalten Wintern so glückliche Menschen leben. Und ich, als finnischer Glücksforscher, teilte meine Ansichten in Sachen finnischer Zufriedenheit mit zahlreichen internationalen Medien, wie der New York Times, BBC, CNN und sogar Fox News.

Unser Geheimnis? Die Menschen in Finnland machen sich nichts aus Glücklichsein. Als das Land zum glücklichsten weltweit ernannt wurde, reagierten die meisten meiner Landsleute mit Unglauben und Skepsis. Die Menschen der Nation, die für Dunkelheit, Heavy Metal, Melancholie und ewigen Winter steht, waren nicht bereit, diese Auszeichnung als die Wahrheit anzuerkennen. Doch es stimmt: Ich habe länger als ein Jahrzehnt zu diesem Thema geforscht und zahlreiche Finn:innen davon überzeugt, dass sie tatsächlich glücklich sind. Ich selbst sehe Finnland als das Land der stillen Zufriedenheit an: Die Menschen hier nehmen das Leben, so wie es ist, sie ereifern sich nicht groß darüber, was in ihrem Leben gut oder schlecht ist. Doch wenn man sie letzten Endes fragt und auf eine Antwort drängt, geben sie zu, dass sie im Grunde ziemlich zufrieden mit ihrem Leben sind. Die Kunst, das Leben so zu akzeptieren, wie es ist, lehren zahlreiche Traditionen weltweit – vom Stoizismus und Taoismus bis hin zum Buddhismus. Und die Menschen in Finnland haben sich die Weisheiten dieser Lehren zu Herzen genommen.

Doch Zufriedenheit im Hier und Jetzt ist nur die halbe Miete. Wir müssen der Zukunft voller Begeisterung entgegenblicken. Ein gesundes Leben basiert nicht auf passiver Zufriedenheit, sondern auf aktiver Teilnahme: Sie brauchen Ziele und Werte; denn wenn Sie diese verfolgen, belebt das Ihr Hier und Jetzt, Ihre Gegenwart bekommt Dynamik. Zufrieden zu sein, mit dem, was Sie haben, sollte nicht bedeuten, dass Sie sich darauf ausruhen, was Sie haben, denn das führt garantiert zu Langeweile. Wir brauchen Herausforderungen und Ziele, um zu wachsen; wir brauchen etwas, worauf wir uns freuen können. Der Trick eines glücklichen Lebens ist die Fähigkeit, diese beiden scheinbar widersprüchlichen Einstellungen gleichzeitig aufrechtzuerhalten: die bedingungslose Akzeptanz der Gegenwart und das Verfolgen von Zielen und Projekten, die in Ihren Augen wertvoll sind. So entsteht nämlich eine dynamische Form von Zufriedenheit, und genau diese dynamische Zufriedenheit stelle ich Ihnen in diesem Buch vor.

Letzten Endes geht es beim Glücklichsein nicht darum, dem Verstand einen Streich zu spielen, und auch nicht um äußere Anzeichen von Erfolg. Sondern vielmehr um eine Einstellung zum Leben. Wir können unser Leben nur mit dynamischer Zufriedenheit angehen, wenn wir zerstörerische Einstellungen und ungesunde kulturelle Normen ablegen, die uns den Weg zum Glücklichsein versperren. In den Worten von Brené Brown: Wir können über die guten Seiten des Lebens reden, »bis wir wie die Lebensweisheiten auf Grußkarten klingen«, aber solch gut gemeinte Ratschläge helfen nicht, denn »noch nie habe ich gesehen, dass derartige Anweisungen funktionieren, wenn man nicht auch über die Dinge spricht, die stören.«1 Auf unserem Weg zur bedingungslosen Akzeptanz des Lebens müssen wir uns damit auseinandersetzen, wie wir mit der Vergangenheit, mit der Zukunft, mit unseren Gefühlen sowie Rückschlägen und auch damit umgehen, was andere von uns halten. Im letzten Schritt müssen wir uns außerdem damit auseinandersetzen, was Glück an sich für uns bedeutet und wie wir unserem eigenen Glücklichsein gegenüberstehen. All diese Schritte sind notwendig, damit Sie bereit und in der Lage sind, die zwei weiter oben erwähnten Einstellungen (Akzeptanz auf der einen, Begeisterung auf der anderen Seite) gegenüber dem Leben zu vereinen.

Wenn bedingungslose Akzeptanz der Gegenwart in Kombination mit dem begeisterten Verfolgen eines Projekts, das Sie selbst ausgewählt haben, nach etwas klingt, das Sie gern in Ihrem Leben erreichen würden, dann begeben wir uns auf eine gemeinsame Reise!

Trauen Sie sich, sich zu befreien?

Was wäre, wenn ich Ihnen ein Leben anbieten würde, in dem Sie durch Reifen springen, nur weil Sie einer Karotte hinterherrennen, die Sie im Grunde gar nicht haben wollen?

In diesem Buch geht es um Befreiung, um den Abschied von falschen Bindungen, die uns lähmen und Lebensentscheidungen treffen lassen, die uns schaden. Wir hängen fest in einem Netz aus Erwartungen, Vorurteilen und Ängsten und bleiben in einer schmalen Gasse förmlich stecken. Im schlimmsten Fall ist Ihre Situation festgefahren: Sie arbeiten in einem Beruf, den Sie nicht mögen, um von dem verdienten Geld Dinge zu kaufen, die Sie nicht brauchen, nur um Menschen zu beeindrucken, die Ihnen nichts bedeuten. Dieses Buch soll Ihnen helfen, sich aus dieser Lage zu befreien.

Ich werden Ihnen weder Erfolg noch Reichtümer versprechen. Auch nicht, dass Ihre Probleme verschwinden. Setzen Sie die Ansätze des Buches in die Tat um, werden diese Auswirkungen wahrscheinlicher – somit ist dieses Buch nicht per se gegen Erfolge –, doch in erster Linie soll es Ihre Perspektive verändern, wodurch Erfolg eine angenehme, potenzielle Nebenwirkung wird, aber eben nicht das ultimative Ziel des Lebens ist.

Was ich Ihnen hingegen verspreche, ist: Perspektive. Die Fähigkeit, besser mit den Dingen umzugehen, mit denen Sie gerade umgehen müssen.

Die Fähigkeit, mit mehr Begeisterung und Dynamik das zu verfolgen, was auch immer Sie verfolgen möchten.

Und allen voran verspreche ich Ihnen Selbstwahrnehmung – die Weisheit zu erkennen, was im Leben es wert ist, verfolgt zu werden (und – ebenso wichtig – was nicht). Ziel ist es, Ihr Leben so zu lieben, wie es ist, während Sie voller Begeisterung das anstreben und verfolgen, was Sie wertschätzen.

Sie sollen kein Leben leben, in dem Sie lediglich ein Handelsgegenstand, ein Werkzeug sind, das man benötigt, um etwas anderes zu erreichen, wie Erfolg, Ruhm, eine tolle Karriere oder die Akzeptanz anderer Menschen. Ganz egal, was Sie sich als Ziel nach der Lektüre dieses Buches vornehmen, es sollte eines sein, das Sie selbst gewählt haben und das für Sie von Bedeutung ist.

Ich möchte Ihnen helfen, Ihr Leben aufmerksamer, reflektierter, freier und letzten Endes erfüllter zu gestalten.

Existenzialismus für Menschen mit Gepäck

Da es in diesem Buch um Befreiung geht, schwingt auch immer Existenzialismus in diesem Kontext mit. Existenzialismus bezeichnet die Bewegung bestimmter Philosoph:innen und Künstler:innen, welche die Menschen darauf aufmerksam machen wollten, dass sie frei sind und als Konsequenz authentischer leben sollten.2 Friedrich Nietzsche, Fjodor Dostojewski und Søren Kierkegaard gelten als die Vorreiter des Existenzialismus im 19. Jahrhundert, während Frankreich in der Nachkriegszeit das Epizentrum der Bewegung bildete, mit Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir und Albert Camus als zentrale Figuren. In Finnland war der Philosoph Esa Saarinen ganz vorn dabei, als es darum ging, die Menschen dazu zu bringen, ihr eigenes Leben in die Hand zu nehmen. Von einem jungen »Punkdoktor« in Lederhosen in den späten 1980er-Jahren wandelte er sich zu einem Universitätsprofessor in Leoprintanzügen in den 2000er-Jahren, der noch immer die Hörsäle füllt und dessen Videos hunderte, ja tausende Male auf YouTube angeschaut werden – nicht schlecht für zweistündige Mitschnitte von akademischen Vorlesungen. Als Esas ehemaliger Doktorand und Mentee ist es nun an mir, die Fackel weiterzutragen und die älteste Pflicht der Philosophie zu erfüllen: die Menschen wachzurütteln und dazu anzuleiten, selbst zu entscheiden, wie sie ihr Leben leben möchten.

Dieses Buch könnte auch Existenzialismus für Menschen mit Gepäck heißen. Während die Existenzialist:innen es als selbstverständlich erachteten, dass Menschen »in diese Welt geworfen werden … dazu verurteilt, frei zu sein«,3 wie Sartres berühmtes Zitat es beschreibt, bin ich der Meinung, dass wir tatsächlich eine Menge Gepäck mit uns herumschleppen, das unserer Freiheit im Wege steht. Ein Teil davon ist – wie viele unserer emotionalen Reaktionen – ein Resultat der Evolution, denn die Angst vor Dunkelheit und Verlassenwerden diente unserem Überleben in der Wüste. Ein Großteil dieser Last hingegen, beispielsweise Idealvorstellungen darüber, wie ein erfolgreiches, erstrebenswertes Leben aussieht, entstammt der Kultur, in der wir aufgewachsen sind. In weiten Maßen bestimmt unsere evolutionäre und kulturelle Prägung die Art und Weise, wie wir mit Situationen umgehen, welche Optionen wir in Erwägung ziehen und welche Dinge wir wertschätzen.

Wenn wir dieses Gepäck ignorieren, werden wir uns niemals befreien können. Deshalb betont dieses Buch den Aspekt des Verlernens.

Man kann sein Leben befreit leben, wenn man Zufriedenheit mit Begeisterung kombiniert.

Um Meister Yoda aus Star Wars zu zitieren: »Vergessen musst du das, was du früher hast gelernt.«4 Deshalb beschäftigen sich die ersten sechs Kapitel mit den Dingen, mit denen wir aufhören sollten, bevor wir uns jenen Dingen widmen, mit denen wir beginnen wollen. Sobald wir uns von falschen Ansprüchen befreit haben, wird es uns recht leichtfallen, das Richtige zu tun.

In diesem Buch geht es nicht um Erfolg

Was, wenn Sie alles – Zeit mit Familie und Freunden, Hobbys, ja sogar Ihre Gesundheit – aufgegeben haben, um erfolgreich zu sein? Nur um festzustellen, dass das alles eine Illusion war und das Leben mit dem größten Erfolg nicht besser ist. Das mag vielen von uns bekannt vorkommen. Diese Annahme ist tief verankert in Menschen, die bedingungslos nach Erfolg streben, ohne darüber nachzudenken, was »Erfolg« eigentlich für sie persönlich bedeutet.

Die Menschheit verdient kein Kompliment dafür, dass die Verlage bei der Bewerbung eines Ratgebers empfehlen, das Wort Erfolg in den Buchtitel mit aufzunehmen. Die meisten Käufer:innen von Ratgebern interessieren sich nämlich nicht dafür, etwas über sich selbst zu lernen oder darüber, wie sie zu einem besseren Menschen werden. Sondern sie interessieren sich für Erfolg. Und mit Erfolg meinen sie, dass sie schneller rennen wollen als der Typ von nebenan, und das in einem Kopf-an-Kopf-Rennen, an dem sie nicht einmal freiwillig teilnehmen.

Das Streben nach Erfolg bedeutet nichts anderes, als dass wir unser Leben, das vollkommen in Ordnung ist, verschwenden!

Streben Sie nach Erfolg, dann zeugt es davon, dass Sie nicht wissen, was Sie vom Leben wollen. Sie wissen nicht, was Ihnen im Leben wichtig ist und was es wert ist, dass Sie danach streben. Sie haben nichts gefunden, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Und genau deswegen haben Sie sich mit der zweitbesten Option zufriedengegeben: andere zu beeindrucken, indem Sie mehr machen oder besitzen – bessere Noten, mehr Geld, ein größeres Haus, eine teurere Uhr oder ein wertvolleres Kleid. Diese Lebensart, andere ständig übertrumpfen zu wollen, ist reine Energieverschwendung. Sie haben die Möglichkeit erhalten, ein einzigartiges Leben zu leben, doch Sie schmeißen es weg, indem Sie sinnlose Wettbewerbe bestreiten, da Sie sich niemals die Zeit genommen haben, darüber nachzudenken, was Sie von Ihrem Leben eigentlich erwarten. Mich stimmt es traurig, wenn ich sehe, wie viele Menschen im Hamsterrad des Erfolgs gefangen sind, ohne sich die Zeit zu nehmen, darüber nachzudenken, welche Ziele es wirklich wert sind, verfolgt zu werden.

Ein Comicstreifen, der mich jahrelang beschäftigt hat, zeigt zwei Männer, die eine schwere Last hinter sich herziehen. Ein Dritter kommt dazu und bietet an, Rollen unter ihren Karren zu montieren, aber sie sagen »Entschuldigung, wir sind zu beschäftigt …« So fühle ich mich manchmal, wenn ich meinen Kurs Art of Living an der Aalto-Universität in Helsinki unterrichte. Da es sich um einen Wahlkurs handelt, befinden sich die meisten Teilnehmenden bereits auf dem richtigen Weg zu einer besseren Lebensart. Diejenigen, die ihn eigentlich dringend bräuchten, die mit Scheuklappen durch ihr Leben rennen, verpassen die Lektionen des Kurses. Sie lesen die Kursbeschreibung und sehen lediglich, dass der Kurs sie nicht von A nach B bringt. Was sie allerdings nicht sehen, ist, dass der Kurs ihnen helfen würde, bessere »Bs« zu finden. Erst wenn sie später in einer tiefen Lebenskrise stecken und innehalten, erkennen sie, wie wichtig es ist, ein derartig eng ausgerichtetes Leben zu überdenken.

In diesem Buch werden Sie keine optimierten Strategien finden, um von A nach B zu gelangen. Auf dem Buchmarkt gibt es schon viel zu viele Erfolgsratgeber. Wäre es nicht schlauer, erst einmal zu bestimmen, welche Ziele für Sie selbst wichtig und wertvoll sind? Der Management-Guru Peter Drucker, der als Pionier der modernden Managementlehre gilt, stellte treffend fest: »Es gibt nichts Nutzloseres, als etwas hocheffizient zu tun, was gar nicht getan werden muss.«5 In diesem Buch geht es nicht darum, wie Sie Ihre Effizienz verbessern, sondern darum, was Sie in Ihrem Leben anstreben sollten und was nicht. Dieses Buch wird Ihnen nicht zeigen, wie Sie etwas richtig machen, sondern wie Sie das Richtige machen.

Zu wenige Bücher beschäftigen sich mit den Zielen, die man im Leben verfolgen sollte – oder mit der Frage, wie man die richtigen Dinge bestimmt, nach denen man streben möchte. Letzteres verlangt nach stärkerer Selbstbetrachtung, danach, unsere Annahmen zu hinterfragen und auf unser Innerstes zu hören. Aus Einfachheit (und um diesen Aspekt von Selbsthilfe abzugrenzen) nennen wir ihn Selbstsuche. Diese Form der Suche hilft Ihnen dabei, die für Sie wichtigen Ziele, Werte und Lebenseinstellungen zu bestimmen. Die Geschichte dieser Suche reicht weit zurück – die (westlichen) Wurzeln liegen im Alten Griechenland und Rom, wo Philosophen wie Sokrates, Aristoteles, Epikur, Seneca und Epiktet quasi die Stars ihrer Zeit waren und unzählige Fans jeden Alters um sich herum versammelten. Wir können uns diese Selbstsuche auch als Teilbereich der Selbsthilfe vorstellen, als Ergänzung all der Erfolgsratgeber, welche die Buchregale füllen. Die Selbstbetrachtungen des römischen Kaisers Marcus Aurelius sind ein Selbsthilfebuch – sogar recht wörtlich, denn offenbar handelt es sich um Ratschläge, die er für sich selbst aufgeschrieben hat. Mein Buch reiht sich in eben diese hehre Tradition der Suche nach dem Selbst ein, wobei sich meine Ratschläge allerdings auf die neuesten Erkenntnisse der Verhaltens- und Sozialforschung stützen.6

Somit geht es in diesem Buch um Selbstsuche mit einer wissenschaftlichen Basis, um Existenzialismus für Menschen mit Gepäck, wobei meine Auffassung von jenem Gepäck auf den neuesten Forschungsergebnissen der Psychologie basiert. Nutzen Sie dieses Buch dazu, Ihr Wertesystem neu auszurichten. Um die Grenzen Ihrer aktuellen Weltanschauungen, die Sie gefangen halten, zu hinterfragen. Um kraftspendende und kostbare Ziele für Ihr Leben zu finden. Und lesen Sie danach ein Buch mit den besten Strategien, um diese zu erreichen.

Die Chance, ein drittes Mal neu geboren zu werden

Lassen Sie mich Ihnen ein letztes Mal und auf andere Weise beschreiben, worum es in diesem Buch geht. Der Auftrag dieses Buches ist es, Ihnen die Möglichkeit zu geben, ein drittes Mal neu geboren zu werden.7

Das erste Mal ist die körperliche Geburt – wenn ein Baby aus dem Mutterleib herauskommt und zum ersten Mal eigenständig atmet. Das zweite Mal ist die kulturelle Geburt – jene ersten Jahre, während derer man die Sprache seiner Eltern erlernt. Gleichzeitig verinnerlicht man ihre Werte, Vorurteile, Tabus, Normen und Lebensziele. Kurz gesagt: Die Weltanschauung unserer Eltern wird zu unserer Weltanschauung. Sobald wir keine Kleinkinder mehr sind, die in erster Linie essen, wachsen und verdauen, entwickeln wir uns zu einem eigenen, kultivierten, denkfähigen Wesen, das sein Verhalten an dem Weltbild seiner Umgebung orientiert. Dies ist die zweite Geburt.

Die dritte Geburt dauert am längsten, und jeder Mensch erreicht diese Geburt nur bis zu einem gewissen Grad. Manche durchleben diese Geburt nie. Es handelt sich um die Geburt eines Individuums: Sie werden sich Ihres inneren Lebens und Ihrer inneren Werte bewusst, und Sie sind mutig genug, um Ihre Handlungen von diesen bestimmen zu lassen.

Immanuel Kant, einer der wichtigsten westlichen Philosophen der Moderne, beschreibt dies als den

»Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.«8

Zu leicht ordnen wir unseren Willen dem Willen anderer unter, denn es mangelt uns an Entschlossenheit, eigene Wege zu gehen.

In seinem bahnbrechenden Essay »Was ist Aufklärung?« aus dem Jahr 1784 stellt Kant ein Motto für die Bewegung der Aufklärung vor, die damals durch Europa ging: »Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!«9 Mit harschen Worten verurteilt Kant die »Faulheit und Feigheit«, die dazu führten, dass viele Menschen wie »Hausvieh« lebten, das sich davor fürchtet, einen einzigen Schritt zu tun »außer dem Gängelwagen, darin sie sie einsperrten.«10 Selbst extrem erfolgreiche Menschen sind bloß erfolgreiches Hausvieh, wenn sie nicht selbst die Bedingungen des Erfolgs bestimmt haben und nicht ihrem Herzen folgen. Wie Löwen, welche die Peitsche fürchten, springen sie auf Kommando durch Ringe. Kants Appell war ein Schlachtruf für die Freiheit des Geistes: die Fähigkeit, in allen Belangen unseren eigenen Verstand zu gebrauchen, für unsere eigenen Lebensentscheidungen einzustehen und unseren eigenen Lebensweg zu finden.

Im Geiste der Aufklärung ist das Ziel dieses Buches, Ihnen zu helfen, der Mensch zu werden, der Sie sind. Sie haben einen Geist, aber haben Sie ein Selbst? Und ist dieses Selbst etwas, das Sie eigenmächtig bestimmt haben?

Ich möchte Ihnen helfen, dieses Selbst aufzubauen, genauer zu wissen, wer Sie sind und was Ihnen wichtig ist.

In den Worten des Autors Bill Deresiewicz: Ich möchte Ihnen helfen, herauszufinden, »nicht nur, wer Sie sich wünschen zu sein, sondern wer Sie bereits sind, unter all den Dingen, die andere Ihnen eingeredet haben.«11 Deresiewicz erklärt, dass jeder von uns mit einem Verstand geboren wird, aber erst durch den »Akt der Introspektion, der Selbstbetrachtung, des Etablierens einer Kommunikation zwischen Verstand und Herz, dem Verstand und der Erfahrung« zu »einem Individuum, einem einzigartigen Wesen – einer Seele« wird.12

Ich möchte Ihnen helfen, für einen Augenblick aus dem Hamsterrad auszubrechen, um zu erkennen, was für ein wahnsinniges Wettrennen da stattfindet und welche Möglichkeiten außerhalb des Wettrennens auf Sie warten. Nehmen Sie sich Zeit, einmal durchzuatmen und abzuschalten, um herauszufinden, »was es wert ist, gewollt zu werden.«13

Die Ziele dieses Buches lassen sich in zwei Schritten zusammenfassen:

Schritt 1: Machen Sie sich frei von sämtlichen unnötigen Erwartungen und Ängsten. Das ist die Aufgabe von Teil 1: Abschied vom Ego sowieTeil 2: Abschied von Erwartungen.

Schritt 2: Wenn Sie sich davon befreit haben, verfolgen Sie die Ziele, die Ihnen im Leben wichtig sind. Dieser Aspekt wird aufgegriffen in Teil 3: Beginnen Sie, Ihr eigenes Leben zu leben.

Die Quintessenz des Rezepts für ein glückliches Leben steckt in diesen zwei Schritten und enthält all das Wissen, das ich über die Jahre erlangt habe, rund um die Frage, wie man sein Leben leben sollte; ich habe psychologische Studien durchgeführt, die Klassiker von Aristoteles über Marcus Aurelius bis zu Lao Tsu und Konfuzius gelesen und – das Wichtigste – ich bin durch Finnland getrampt, habe Rockfestivals besucht und auf meinen Reisen viele Legenden getroffen. Sie werden lesen, wie mir eine Kellerparty mit Philosophiestudierenden die Augen öffnete, und davon, was passierte, als ich einst in der abgelegenen Stadt Kajaani in eine Karaokebar spazierte, und Sie werden erfahren, was mein Großvater in den Schützengräben im Zweiten Weltkrieg während der Invasion der Sowjetunion lernte. Ich werde Ihnen die verlässlichsten Wegweiser, die ich finden konnte, an die Hand geben, damit Sie mit solidem Kurs auf Ihr Ziel eines glücklichen Lebens zusteuern können.

Hier stehen wir nun also, in genau diesem Augenblick. Sie sind bis hierhin gekommen, mit den Worten von Deresiewicz ausgedrückt, »geprägt durch alle Denkarten und Gefühle, welche die Welt Ihnen seit Ihrer Geburt eingeträufelt hat: all die Mythen, Geschichten, Glaubenssätze, Annahmen, Werte, die heiligen Worte.«14

Während Ihr derzeitiges Weltbild Sie dorthin gebracht hat, wo Sie sich jetzt sind, halten Teile dieses Weltbildes Sie zurück, wie ein unsichtbarer Käfig, der Sie in Ihren Träumen und Entscheidungen hemmt.

Ich möchte Ihnen helfen, sich von diesen Beschränkungen zu befreien, damit Sie in der Lage sind, die Ziele und Werte zu bestimmen, die Ihnen wirklich wichtig sind und die Sie mit Herz und Seele realisieren möchten.

Doch bevor wir feststellen können, was diese bedeutenden Dinge in Ihrem Leben sind, müssen wir ein paar Hindernisse aus dem Weg räumen. Denn oft ist das Problem nicht, dass wir nicht wissen, was uns im Leben wichtig ist, sondern dass uns tief eingeprägte, falsche kulturelle Vorstellungen zurückhalten. Deshalb werden Sie in den folgenden Kapiteln üben, Dinge zu verlernen, indem Sie aufhören, sich um Sachen zu sorgen, um die Sie sich nicht sorgen sollten: die Meinungen anderer, Ihre Vergangenheit, Ihre Zukunft und ja, sogar Ihr eigenes Streben nach Glück. Denn, auch wenn diese Vorstellungen Sie fest im Griff haben, sind sie vollkommen unwichtig. Sie müssen Akzeptanz lernen, um den Raum für Begeisterung zu schaffen. Letzten Endes erreichen Sie nur so – wenn Sie das Leben annehmen und es gleichzeitig voller Begeisterung leben – einen Zustand, in dem Sie sowohl zufrieden mit der Gegenwart sind, als auch ausreichend Energie haben, um eine bessere Zukunft für Sie selbst und die Menschen um Sie herum anzustreben.

Teil

1

Abschied vom Ego

KAPITEL1Denken Sie nicht ständig über Ihr eigenes Glück nach

Sie wollen glücklich sein? Besser nicht. Ich sage nicht, dass Sie nicht glücklich sein sollen. Sondern, dass Sie nicht danach streben sollten. Es ist vollkommen okay, glücklich zu sein, wenn sich die Gelegenheit bietet. Ich selbst war schon glücklich. Doch Glück ist ein ziemlich schlechtes Lebensziel.

In den vergangenen Dekaden hat sich in der westlichen Welt eine wahre Glücksobsession eingestellt. Die Suche nach Glück wurde zu einer eigenen Industrie, mit jährlichen Ausgaben für mentales Wohlbefinden in Höhe von 130 US-Dollar.15 Konzerne wie Amazon, Google und SAP stellen sogenannte »Chief Happiness Officers« ein, und die Vereinigten Arabischen Emirate haben sogar seit 2016 ein Ministerium für Glück. Zeitungen und YouTube-Influencer:innen versprechen »fünf Tricks zum Glücklichsein«, während Werbekampagnen uns glückliche Gesichter zeigen, die uns auffordern, ein »Happy Meal« zu kaufen oder »Happiness« auszupacken! Und selbst westliche Kinderbücher weisen im Vergleich zu ostasiatischen Kinderbüchern deutlich mehr freudige Gesichter mit breitem Lächeln auf, wodurch Kinder das Gefühl erhalten, ständig glücklich sein zu müssen.16

»Good vibes only« klingt vielleicht nach einem harmlosen Slogan, aber in Wahrheit handelt es sich dabei nur um eine andere Art, uns vorzuschreiben, wie wir uns fühlen sollen. Der Slogan setzt uns unter Druck, alle negativen und traurigen Gefühle vor anderen zu verbergen. Toxische Positivität hoch drei.

All das hat dazu geführt, dass Glücklichsein inzwischen eine kulturelle Norm und ein selbstverständliches Lebensziel ist.17 Wollen wir nicht alle glücklich sein? Sollten wir nicht nach mehr Glück und Zufriedenheit in unserem Leben streben? Glück ist zur Heiligen Kuh unseres Zeitalters geworden, und wir alle sind bereit, unzählige Opfer zu bringen, um diesem lächelnden Götzenbild zu gefallen.

Glücklichsein hat zweifelsohne viele Vorteile. Positive Gefühle befreien unseren Geist und beflügeln unsere Fantasie.18 Mit anderen zu lachen oder zu lächeln, sorgt für zwischenmenschliche Verbindungen.19 Und Glücklichsein verbessert womöglich auch unsere Gesundheit.20 Abgesehen davon – und das brauche ich im Grunde gar nicht erwähnen – fühlt es sich gut an, wenn wir glücklich sind.

Doch während Glücklichsein gut für uns ist, kann das Streben nach Glück uns tatsächlich schaden.

Die Diktatur der toxischen Positivität, die sämtliche negativen Gefühle verbietet, ist schädlich. Professor Adam Grant hat den Stand der Wissenschaft wie folgt zusammengefasst: »Es gibt gute Gründe für die Annahme, dass die Suche nach Glück ins Unglück führt.«21

Lassen Sie sich nicht von falschen Prophet:innen reinlegen. Geben Sie nicht die guten Dinge im Leben für die vergebliche Hoffnung, glücklicher zu werden, auf – das kann sehr gefährlich sein. Hier liefere ich Ihnen vier Gründe, warum Sie nicht nach Glück streben sollten.

1. Sie suchen Glück an den falschen Orten

Wenn Sie an ein glückliches Leben denken, welche Bilder sehen Sie dann vor sich? Womöglich denken Sie an Yachten und Champagner, an teure Urlaubsresorts mit Infinity-Pools und an jene inszenierten und gefilterten Fotos eines Luxuslebens auf Instagram. Kurzum: Sie assoziieren Reichtum mit Glück.

Das ist keineswegs überraschend, schließlich haben die Unternehmen, welche diese Produkte verkaufen, Milliarden für Werbekampagnen ausgegeben, die Glück mit materiellen Werten gleichsetzen – mit dem Ziel, dass wir vergessen, dass viele zentrale Glücksquellen kein Geld kosten: zum Beispiel die Umarmung eines lieben Menschen, den Sie lange Zeit nicht gesehen haben, mit Ihren Kindern im Park zu spielen oder mit Ihrer Familie eine Wanderung durch den nahegelegenen Wald zu machen. Unternehmen wir etwas mit den Menschen, die uns etwas bedeuten, dann ist das normalerweise der beste Weg, um glücklich zu sein – und das muss keineswegs Geld kosten. Die glücklichsten Momente sind jene, in denen wir uns der jeweiligen Erfahrung so sehr hingeben, dass wir nicht einmal mehr daran denken, ein Foto zu machen.

Das ist auch schon das erste Problem unserer Suche nach dem Glück. Denn diese veranlasst uns dazu, einem engen kulturellen Skript zu folgen, das auf materialistische Ziele ausgelegt ist. Wir wollen ein größeres Haus, ein größeres Auto, die neuesten elektronischen Gadgets oder Urlaub unter Palmen. Professorin Jean Twenge, Expertin für Generationsunterschiede, ist angesichts des umgreifenden Materialismus alarmiert: »Im Vergleich zu früheren Generationen scheint es, als würden die aktuellen Schulabsolventen und Schulabsolventinnen in erster Linie nach Geld und schönen Dingen streben und eher nicht bereit sein, hart zu arbeiten, um diese zu verdienen.«22

Wenn Sie wie diese 62 Prozent Schulabsolvent:innen ticken, die meinen, es sei wichtig, viel Geld zu haben,23 dann muss ich Ihnen leider Folgendes sagen: Mit diesem Ziel befinden Sie sich nicht auf dem Weg ins Glück. Viele Studien haben gezeigt, dass Menschen, die nach dem Dreiergespann aus Geld, Ruhm und gutem Aussehen streben, weniger glücklich sind als jene Menschen, die in ihrem Leben wertvollere Ziele gefunden haben (dazu später mehr).24 Geld ist natürlich ein nützliches Werkzeug, das uns helfen kann, viele wichtige Ziele im Leben zu erreichen, und es kann uns zudem ein Gefühl von Komfort und Sicherheit geben; wenn Sie jedoch Geld zu Ihrem Lebensziel erklären, dann zäumen Sie das Pferd von hinten auf. Als Aufwärmübung spielen Pianist:innen Tonleitern. Das mag eintönig sein, ist aber nötig, um irgendwann in der Lage zu sein, Beethovens Sonaten und andere Meisterwerke zu spielen. Geld als Ziel im Leben zu haben, ist so, als wäre Ihr einziges Ziel, Tonleitern spielen zu können: Das ist eintönig, und Sie verpassen die Dinge, die Ihrem Leben Schönheit verleihen.

2. Der Versuch, maximales Glück zu erreichen, schmälert es ironischerweise

Stellen Sie sich vor, Sie sehen ein kurzes Video, in dem eine berühmte Eiskunstläuferin eine Goldmedaille gewinnt. Das Publikum jubelt, und die Eisläuferin freut sich gemeinsam mit ihrer Trainerin. Würde es Sie glücklich machen, einen solchen Mitschnitt zu schauen? Wahrscheinlich schon, denn diese Art Video löst bei den Betrachtenden positive Gefühle aus. Doch hier kommt die Crux: Bevor Wissenschaftler:innen den Film im Rahmen einer Studie den Teilnehmenden zeigten, baten sie die Hälfte von ihnen, folgende Aussage zu lesen: »Glück fühlt sich nicht nur gut an, sondern es bringt auch wichtige Vorteile mit sich: Je glücklicher Menschen sind, desto wahrscheinlicher werden sie erfolgreich, gesund und beliebt.«25

So gemein! Tatsächlich brachten die Wissenschaftler:innen die Menschen auf diese Weise dazu, Glück mehr Bedeutung beizumessen, mit dem Ziel, zu sehen, inwieweit dies ihre Gefühle beeinflusst, nachdem sie das Video angeschaut haben. Sie fanden heraus, dass es sie tatsächlich beeinflusste, denn all diejenigen, die im Vorhinein die Aussage gelesen hatten, waren nach dem Video nicht so glücklich wie die anderen Teilnehmenden. Anders ausgedrückt: Glück mit Bedeutung aufzuladen, sorgte dafür, dass sie weniger Glück empfanden. Der Grund: Sie gaben an, von ihren eigenen Gefühlen enttäuscht zu sein. Vielleicht lächelten sie leicht, als sie die begeisterte Eiskunstläuferin sahen, aber sie hätten gern mehr Glücksgefühle aufgrund des Films empfunden, und genau das sorgte bei ihnen für Frustration.

Deshalb ist das Streben nach Glück so gefährlich. Studien zeigen, dass Menschen, die Glück mehr Bedeutung beimessen, im Schnitt weniger glücklich sind als solche, die nicht so viel über das Glücklichsein nachdenken.26

Die Opfer unserer modernen Glücksobsession sind so sehr damit beschäftigt, ihre Freude zu optimieren, dass sie nicht mehr zur Ruhe kommen und zufrieden sein können.

Der Autor Eric Weiner nennt diese Menschen »hedonistic floaters« (hedonistisch Treibende), denn ihr »ewiges Streben nach Glück« nimmt ihnen die Fähigkeit, sich einer Sache vollkommen zu widmen, sei es nun Ehe oder Karriere.27 Es gibt Menschen, die zehn Jahre in einem Haus leben, es aber nicht Zuhause nennen können, weil sie neurotisch den Wohnungsmarkt im Auge behalten, auf der Suche nach besseren Optionen. Leider stellt sich ein beständiges Glücksgefühl jedoch meistens erst ein, wenn man langfristige Verpflichtungen oder Bindungen eingeht, wenn man in der Lage ist, zu entspannen und den Moment zu genießen – genau die Dinge, die wir durch unsere Glücksobsession verpassen.

3. Wenn Sie sich ausschließlich auf Ihr Glück konzentrieren, werden Sie egoistisch und einsam

Einmal habe ich einen Mann gesehen, der ein T-Shirt mit folgender Aufschrift trug: »Heute bin ich glücklich, also halt den Mund und lass mich in Ruhe.« Dieser Satz fasst geschickt zusammen, was so gefährlich an unserer Auffassung von Glück ist – die westliche Vorstellung von Glück ist so ichbezogen, dass wir uns schnell ausschließlich auf uns selbst konzentrieren. Robert Ringer erklärt in seinem 1977 erschienen Bestseller Looking out for number one, wie man beginnen sollte, wenn man Nummer 1 werden will:

»Glauben Sie daran, dass Sie moralisch berechtigt sind, so zu handeln, dass Sie das größtmögliche Glück und den kleinstmöglichen Schmerz erfahren«.28

Die Tatsache, dass sich dieser Motivationsratgeber zwei Millionen Mal in den USA verkaufte, zeigt, wie reizvoll das Anpreisen von Eigeninteresse und dem Streben nach dem »größtmöglichen Glück« für einen selbst ist.29