Das Leben ist wunderbar - Frank Martela - E-Book

Das Leben ist wunderbar E-Book

Frank Martela

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Beschreibung

Generationen von Gelehrten haben sich über den Zweck des menschlichen Daseins und darüber, wie das Leben gelingen kann, Gedanken gemacht. Der Philosoph Frank Martela bietet eine einzigartige Perspektive auf die Frage nach dem Sinn des Lebens und untersucht, was unserem Dasein Bedeutung verleiht, warum wir zur Unzufriedenheit mit der Gegenwart und einer Sehnsucht nach Höherem neigen. Auf einer unterhaltsamen und humorvollen Reise durch die Geistesgeschichte - von Seneca und Aristoteles bis hin zu Woody Allen und Yuval Harari - und deren Abgleich mit der Gegenwart findet er zu einer so simplen wie sensationellen Antwort: Es geht nicht um den Sinn des Lebens sondern um den Sinn im Leben - und diesen zu generieren haben wir selbst in der Hand.

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Seitenzahl: 211

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ÜBER DAS BUCH

GENERATIONEN VON GELEHRTEN haben sich über den Zweck der menschlichen Existenz Gedanken gemacht. Was ist Glück? Was braucht es für ein gelingendes Leben? Was können wir im Leben konkret tun und wertschätzen, um unserem Dasein einen Sinn zu verleihen? Frank Martela entwickelt eine neue, ganz eigene und einzigartige Perspektive auf diese und viele weitere philosophische Fragen. Auf seiner spannenden und humorvollen Reise durch die Geistesgeschichte – von Seneca und Aristoteles bis zu Woody Allen und Yuval Noah Harari – findet er zu einer so simplen wie sensationellen Antwort: Es geht nicht um den Sinn des Lebens, sondern um den Sinn im Leben – und wir haben es selbst in der Hand, diesen Sinn zu erzeugen.

ÜBER DEN AUTOR

FRANK MARTELA, geboren 1982, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den großen Fragen der menschlichen Existenz. Er ist Professor für Philosophie an der Universität von Helsinki und Dozent für Psychologie an der Universität von Tampere und hält regelmäßig Vorträge in aller Welt. Martela lebt mit seiner Familie in Helsinki.

Alles über Frank Martela auf www.frankmartela.com und Twitter@f_Martela

Das Buch erscheint unter dem Titel A WONDERFUL LIFE. Insights on Finding a Meaningful Existence. bei HarperDesign, New YorkDer Übersetzer bedankt sich für die Förderung dieser Arbeit beim Deutschen Übersetzerfonds.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright © 2019 by Frank Martela

Copyright © 2021 der deutschen Ausgabe und der Übersetzung by Karl Blessing Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: DAS ILLUSTRAT, München, nach einem Originalentwurf von Roberto de Vicq de Cumptich

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-27460-3V001www.blessing-verlag.de

Inhalt

EINLEITUNG

Teil I: Warum wir Menschen nach Sinn suchen

1 Stehen Sie über der ABSURDITÄT des Lebens

2 Ihr Leben ist kosmisch bedeutungslos, unbeständig und willkürlich – und das ist OKAY

3 Glück ist kein brauchbares Lebensziel

4 Ihr Leben ist bereits s i n n v o l l

Teil II: Die Sinnfrage: Eine neue Perspektive

5 Die Existenzkrise als Merkmal der Modernität

6 Ein romantisches Konzept

7 Es gibt Sinn im Leben mit oder ohne Sinn des Lebens

8 Aufbau eines persönlichen Wertesystems

Teil III Wege zu einem sinnerfüllteren Leben

9 Investieren Sie in Ihre Freundschaften

10 Helfen Sie anderen, helfen Sie sich selbst

11 Werden Sie, wer Sie sind

12 Meistern Sie Ihr Potenzial

EPILOG

DANKSAGUNG

BIBLIOGRAFIE

BUCHEMPFEHLUNGEN

ANMERKUNGEN

»Wie bin ich in die Welt hineingekommen; warum hat man mich nicht vorher gefragt, warum hat man mich nicht erst bekannt gemacht mit Sitten und Gewohnheiten, sondern mich hineingestukt in Reih und Glied, als wäre ich gekauft von einem Menschenhändler? Wie bin ich Teilhaber geworden in dem großen Unternehmen, das man die Wirklichkeit nennt? Warum soll ich Teilhaber sein? Ist das nicht Sache freien Entschlusses? Und falls ich genötigt sein soll, es zu sein, wer ist denn da der verantwortliche Leiter – ich habe eine Bemerkung zu machen –? Gibt es keinen verantwortlichen Leiter? An wen soll ich mich wenden mit meiner Klage?«

–SØREN KIERKEGAARD,Die Wiederholung

EINLEITUNG

Wo waren Sie, als das Gefühl der Sinnlosigkeit Sie übermannte? War es, als Sie beim dritten aufgewärmten Abendessen der Woche über den Geschmack und die gesundheitlichen Auswirkungen von Ketchup sinnierten? Oder als Sie um zwei Uhr morgens, nachdem Sie eine dringende Arbeit fertiggestellt hatten, auf den Senden-Button drückten, nur um festzustellen, dass die Welt durch dieses Ihr Verdienst wahrscheinlich kein Stück besser geworden ist? Womöglich haben Sie infolge einer erschütternden Tragödie erkannt, dass Sie sich bislang keine Mühe gemacht haben, darüber nachzudenken, was Sie wirklich von Ihrem Leben erwarten. Oder vielleicht sind Sie einfach eines Morgens aufgewacht, haben in den Badezimmerspiegel geblickt und sich gefragt, ob das alles gewesen sein solle, was dieses sogenannte Leben Ihnen zu bieten habe.

Keine Sorge – Sie sind nicht allein. In diesem Buch werden Sie vielen großen Denkerinnen und Denkern sowie Philosophinnen und Philosophen begegnen, die der Bedeutungslosigkeit der Existenz ins Gesicht blickten und sie überwinden konnten, und zwar mithilfe eines erneuerten, lebensbejahenden Verständnisses von Sinn.

Als Menschen sehnen wir uns danach, dass unser Leben eine Rolle spielt, wertvoll ist und einen Sinn hat. Wir sind darauf »programmiert, nach Sinn zu suchen«, wie der Psychologe Roy Baumeister feststellt.1 Das Fehlen von Sinn sei ein ernst zu nehmendes psychologisches Defizit, das mit Depression und sogar Suizid einhergehen könne.2 Sinn sei wichtig für Motivation und Wohlbefinden sowie ganz allgemein für das Empfinden, ein lebenswertes Leben zu führen.3 Tatsächlich konnte in verschiedenen Studien nachgewiesen werden, dass Individuen, die über ein starkes Sinnempfinden verfügen, im Schnitt länger leben.4 Der renommierte Psychiater und Holocaust-Überlebende Viktor Frankl konnte sich hiervon während seiner Zeit im Konzentrationslager mit eigenen Augen überzeugen. Nur diejenigen, die sich unter solch unmenschlichen Bedingungen ein Gefühl von Sinn bewahren konnten, hatten eine Chance, das Grauen zu überleben. Frankl zitierte gerne Nietzsche: »Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie.«5

Das Problem liegt darin, dass die westliche Kultur zunehmend unfähig ist, eine ernst zu nehmende oder zufriedenstellende Antwort zu finden auf die unumgängliche Frage des »Warum«. Im Laufe der Geschichte haben die meisten Zivilisationen die Sehnsucht nach Sinn mit einem stabilen kulturellen Gerüst gestillt, welches die Antworten auf die großen Fragen des Lebens lieferte. Wenn unsere Vorfahrinnen und Vorfahren fragten: »Wie habe ich mein Leben zu führen?«, suchten sie Rat bei ihrer kulturellen Identität – den robusten, tief verwurzelten Bräuchen, Überzeugungen und Institutionen der Gesellschaft. Doch die momentan herrschende Kultur hat die alten Grundsätze von Sinn erschüttert. Während die moderne Wissenschaft eine enorme Verbesserung der materiellen Lebensgrundlagen mit sich brachte, nahm sie den Wertvorstellungen und Erklärungsmodellen der alten Welt den Wind aus den Segeln, ohne ein neues solides Fundament für menschliche Werte und Sinn bereitzustellen. Alasdair MacIntyre, der schottische Philosoph und Experte für Moralgeschichte, ist der Überzeugung, dass die Werte der modernen westlichen Welt auf den Fragmenten einer alten Weltsicht errichtet worden seien, die heute nicht mehr nachvollziehbar sei.6 Die westlichen Gesellschaften haben bestimmte Werte geerbt, aber den Kontakt zu der breiteren Weltsicht verloren, die diese stützt und rechtfertigt. Diese zunehmend säkulare und individualistische Weltsicht der westlichen Hemisphäre gewinnt derzeit rund um den Globus an Einfluss.7

Der idealistischen modernen Weltsicht zufolge hat man die Freiheit, über seinen eigenen Lebenssinn zu bestimmen und seinen einzigartigen Weg zu beschreiten, und zwar auf Grundlage selbst gewählter Werte. Doch statt eines Gefühls von Befreiung empfindet man nichts als Leere. Wir arbeiten härter, smarter und effizienter als frühere Generationen, können aber immer schlechter erklären, warum wir uns so ins Zeug legen. Welchen Zweck hat die ganze Schufterei? Wir sind bereitwillig in die »Geschäftigkeitsfalle« getappt, die der Autor Tim Kreiner so eloquent beschreibt: »Geschäftigkeit dient als eine Art existenzielle Rückversicherung, als Schutz gegen die Leere; mein Leben kann gar nicht lächerlich, trivial oder sinnlos sein, wenn ich so beschäftigt bin, vollkommen ausgebucht, zu jeder Stunde des Tages ausgelastet.«8 Wir tun, was wir können, um dieses Gefühl von Geschäftigkeit und Dringlichkeit aufrechtzuerhalten, um Langeweile zu verhindern und um nicht mit unseren Gedanken allein zu sein. Wir Menschen scheinen bereitwillig allen erdenklichen Zielen nachzugehen, die uns von Autoritäten gesetzt werden, nur um nicht darüber nachdenken zu müssen, was wir wirklich mit unserem Leben anfangen wollen. Das erklärt die Verschrobenheit der modernen Existenz, die der Philosoph Iddo Landau hervorhob: »Viele denken an einem einzigen Abend intensiver darüber nach, welches Restaurant sie besuchen oder welchen Film sie sehen sollten, als sie zeit ihres Lebens darüber nachdenken, was ihrem Leben mehr Sinn verleihen würde.«9

Um ein selbst gewähltes Leben zu führen und unser eigenes Schiff zu steuern, bedarf es einer klaren Vorstellung davon, in welche Richtung wir wollen. Dafür brauchen wir Kernwerte, die uns dabei helfen, durch die Herausforderungen des Lebens zu manövrieren. Und dafür – um über unsere Lebensentscheidungen nachzudenken, sie zu hinterfragen und uns existenziellen Zweifeln zu stellen, die möglicherweise unter der Oberfläche der eigenen Existenz lauern – müssen wir uns ausreichend Zeit nehmen. Es gibt eine lange Tradition von Denkern – von Lew Tolstoi und Thomas Carlyle über Simone de Beauvoir und Søren Kierkegaard hin zu Alan W. Watts –, die erkannten, dass eine Befreiung von Zwängen und ein solideres Verständnis vom Sinn des eigenen Lebens nur dann zu erlangen ist, wenn man sich der Absurdität des Lebens stellt und die Bedeutungslosigkeit der Existenz akzeptiert. Dieses Buch bietet eine neue Herangehensweise, über Sinnhaftigkeit nachzudenken, die unser geteiltes Menschsein anspricht, damit wir, unabhängig von unserer Kultur, Religion und anderen Faktoren der Herkunft, zu einem sinnerfüllteren Leben finden.

Ich möchte Ihnen dabei helfen, ein sinnerfüllteres Leben zu führen. Nachdem ich gut zehn Jahre zur Philosophie, Psychologie und Geschichte des Lebenssinns geforscht habe, erkannte ich, dass es gar nicht so schwierig ist herauszufinden, was dem Leben Sinn gibt. Vermutlich können Sie bereits sehr viel Sinn in Ihrem Leben erkennen, wenn Sie bereit sind, sich diesem zu öffnen, ihn zu sehen und zu empfinden. Der Grund, warum sich die Frage nach dem Sinn des Lebens oft wie ein unlösbares und darum quälendes Rätsel anfühlt, liegt darin, dass wir – als kulturelle Identität – uns dieser Frage weiterhin mittels alter Modelle nähern, die wir nicht mehr verstehen. Wenn Sie Ihre Denkweise ändern, werden Sie sehen, dass Sie die Antworten, nach denen Sie suchen, aus Ihrem alltäglichen Leben schöpfen können. Dieses Buch erklärt, warum Menschen überhaupt nach Sinn suchen; es geht dem historischen Irrtum auf den Grund, der die existenzielle Beklemmung der Moderne bewirkt hat, und zeigt leicht zugängliche Pfade auf, die zu einer sinnstiftenden Existenz führen. Manche der Erkenntnisse mögen seltsam erscheinen, andere offensichtlich, und wieder andere haben Sie vielleicht bereits für sich entdeckt. Doch in der Summe zielen sie darauf ab, ein solides und festes Fundament zu schaffen, auf dem Sie eine erfüllende, lebensbejahende und sinnvollere Existenz errichten können.

Sie sind nicht aus freien Stücken geboren. Niemand hat Sie gefragt, ob Sie mitmachen wollen. Niemand hat Ihnen eine Bedienungsanleitung in die Hand gedrückt, und doch sind Sie hier, in die Welt geschleudert, wo Sie handeln müssen, um etwas Sinnvolles anzustellen mit der begrenzten Zeit, die Sie zur Verfügung haben.10 Und Sie sollten sich beeilen, ehe es zu spät ist. Denn, wie sagt doch Edward Nortons Figur, der Erzähler aus dem Film Fight Club: »Das ist dein Leben, und es endet jede Minute aufs Neue.«

Stehen Sie über der ABSURDITÄT des Lebens

»Manchmal stürzen die Kulissen ein. Aufstehen, Straßenbahn, vier Stunden Büro oder Fabrik, Essen, Straßenbahn, vier Stunden Arbeit, Essen, Schlafen, Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag, immer derselbe Rhythmus – das ist meist ein bequemer Weg. Eines Tages aber erhebt sich das ›Warum‹, und mit diesem Überdruss, in den sich Erstaunen mischt, fängt alles an.«

–ALBERT CAMUS,Der Mythos des Sisyphos

Das Leben ist absurd, und das ist in Ordnung. Niemand hat dies treffender in Worte gefasst als Albert Camus in Der Mythos des Sisyphos.11 Der Titel des Buches, ein Klassiker der existenzialistischen Literatur, geht zurück auf die Legende von Sisyphos, einer antiken griechischen Figur, die den Göttern trotzt und dafür eine ewige Strafe erhält: Sisyphos ist bis in alle Ewigkeit dazu verdammt, einen Felsblock einen Berg hinaufzuwälzen, nur um ihn, fast am Gipfel angelangt, wieder hinunterrollen zu sehen und wieder von vorne beginnen zu müssen. Für Camus war Sisyphos ein Held des Absurden, ein Phil Connors der griechischen Mythologie. Phil Connors ist der Wettermann des pennsylvanischen Lokalfernsehens in dem Film Und täglich grüßt das Murmeltier. Er versucht alles, einschließlich Suizid, um aus der Monotonie seiner profanen Existenz auszubrechen. Doch Connors wird jeden Morgen in der immer gleichen Stadt von dem immer gleichen Lied im Radio geweckt, dazu verdammt, immerfort dem sinnlosen Lauf seines Lebens zu folgen. Er sagt: »Ich war mal auf den Jungferninseln, da habe ich ein Mädchen kennengelernt. Wir haben Hummer gegessen und Piña colada getrunken. Und bei Sonnenuntergang haben wir uns geliebt wie die Seeotter. Das war gar kein schlechter Tag. Warum erlebe ich nicht diesen Tag wieder und wieder und wieder?« Wer von uns kann dieses Gefühl nicht nachempfinden? Selbst an guten Tagen fühlt sich unser Leben oft an wie eine Endlosschleife.

Selbstverständlich sind Sie als Autor/in Ihres Lebens zutiefst davon eingenommen. Und doch kann es sein, dass Sie bisweilen von dem Gedanken überrascht werden, dass Ihr Leben aus Sicht des Universums winzig und zufällig und darüber hinaus ziemlich unbedeutend ist. Diese Diskrepanz zwischen dem Gefühl, dass Ihr Leben äußerst wertvoll ist, und dem Wissen, nicht in der Lage zu sein, dieses Gefühl zu rechtfertigen, macht das Konzept der Absurdität aus. Der Philosoph Todd May bezeichnet es als »die Konfrontation von unserem Bedürfnis nach Sinn mit dem Unwillen des Universums, uns diesen bereitzustellen«.12 Es ist das Dilemma, das entsteht, wenn man nicht mehr in der Lage ist auszudrücken, warum das eigene Handeln oder Leben von Wert ist. Dazu kommt es, wenn man den Kontakt zu einem Gerüst verliert – persönlich, familiär, gesellschaftlich –, das einem vermittelt, was wirklich wertvoll ist.

In der westlichen Welt tritt genau dieses Phänomen zunehmend auf. In Gewohnheiten des Herzens, einer zeitlosen Analyse der amerikanischen Gesellschaft, beschreibt der Soziologe Robert Bellah, wie sehr die moralische Landschaft im heutigen Amerika zu Präferenzen eigennütziger Individuen abgeflacht sei, sodass die ultimativen Ziele eines guten Lebens im Grunde eine »Frage der persönlichen Wahl«13 geworden seien. Die Menschen fühlten sich nicht länger geleitet von einem soliden kulturellen Gerüst. Statt zu wissen, wie man zu leben habe, fühle man sich verpflichtet, selbst darüber zu entscheiden. Oder wie Jean-Paul Sartre es formuliert, es »ist alles erlaubt, wenn Gott nicht existiert«.14

2007 wurden bei einer weltweiten Gallup-Umfrage mehr als 140 000 Menschen aus 132 verschiedenen Ländern befragt. Eine der zahlreichen Fragen, die gestellt wurden, lautete: »Hat Ihr Leben Ihrer Meinung nach Sinn oder Bedeutung?« Im Rahmen großer internationaler Studien zu Glücksempfinden oder Lebenszufriedenheit erhalten Wissenschaftler wieder und wieder die gleichen Ergebnisse: Bürger reicher Nationen – gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Kopf – sind tendenziell glücklicher als Bürger armer Nationen.15 Doch das Gegenteil traf zu, als Forscher das Sinnempfinden der Befragten untersuchten: Während 91 Prozent der weltweit Befragten einen Sinn in ihrem Leben sahen, neigten Menschen aus reichen Ländern wie Großbritannien, Dänemark, Frankreich und Japan am stärksten zu der Angabe, dass es ihrem Leben an Sinn oder Bedeutung mangele, wohingegen in armen Ländern wie Laos, Senegal und Sierra Leone im Prinzip alle Befragten angaben, dass ihr Leben über Sinn verfüge.16 Die reicheren Länder, in denen ein Mangel an Sinn häufiger beklagt wurde, verzeichneten auch höhere Selbstmordraten.

Für die meisten von uns ist existenzielles Unbehagen wie eine Welle, die schnell, aber spürbar über uns hinwegrollt und dabei den Eindruck bzw. das Gefühl hinterlässt, dass das Leben womöglich nicht das hält, was es verspricht – und schon klingelt wieder der Wecker. Ein neuer Tag, und das Sich-Abstrampeln geht von vorne los. Schließlich ist da ein Felsbrocken, der ordentlich angeschoben werden will. Aber es gibt einen anderen Weg. Es ist möglich, eine Sicht auf die Welt zu konstruieren, die der Herausforderung des Absurden widersteht; eine Sicht, die nicht nur kompatibel ist mit dem, was die moderne Wissenschaft uns über das Universum und die Position des Menschen darin lehrt, sondern auch Raum lässt für gerechtfertigten Wert, Sinnhaftigkeit und nachhaltige Zufriedenheit. Doch werfen wir zunächst einen Blick auf das Konzept des Absurden, um besser verstehen zu können, wie es die Illusion einer großen kosmischen Sinnhaftigkeit ruiniert. Nur so können wir echte Schritte in Richtung persönlicher Befreiung machen.

Ihr Leben ist kosmisch bedeutungslos, unbeständig und willkürlich – und das ist OKAY

»Die Entdeckungen unseres Jahrhunderts – undenkbar groß und unvorstellbar klein, geologisch grenzenlose Zeitspannen, als es uns noch nicht gab, unzählige Galaxien, deren subatomisches Verhalten undefinierbar scheint, eine Art irrer Mathematik im Herzen der Materie – haben uns mehr geprägt, als uns bewusst ist.«

– JOHN UPDIKE,Critical Essay on Evolution

Das Absurde bezeichnet also den Umstand, dass das Universum uns nicht die Art von Sinnhaftigkeit bereitstellt, nach der wir suchen. Ein Gedankengang kann recht unschuldig beginnen, ehe er zu tief bohrt oder den Vorhang der Existenz beiseitereißt – und plötzlich stehen wir der Absurdität des Lebens von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Typischerweise gibt es drei Wege, auf denen wir mit dem Absurden zusammenstoßen können: Das Leben erscheint plötzlich (1) bedeutungslos, (2) unbeständig, oder (3) alle damit verbundenen Werte und Ziele erscheinen willkürlich.17 Sehen wir uns diese drei Reiter des Absurden etwas genauer an, denn ein beherzter Blick in den Abgrund ist nötig, um den Weg auf die andere Seite zu finden.

ÜBER BEDEUTUNGSLOSIGKEIT

Nehmen wir an, das Alter des Universums – gute vierzehn Milliarden Jahre – entspräche vierundzwanzig Stunden, dann wäre es fünfzehn Sekunden vor Mitternacht zu dem Zeitpunkt, an dem die Evolution unserer Spezies beginnt. Ihr Leben wäre vorüber im Bruchteil einer Sekunde. Die Frage, was aus Sicht des Universums sinnvoll ist, kann aufregend sein, um nicht zu sagen existenziell aufwühlend: Wie bitte sollen wir herausfinden, welchen Wert der Kosmos – alle Planeten und Galaxien mitsamt ihren zahllosen Sternen und eindrucksvollen Sonnensystemen – einer bestimmten Sache beimisst, ganz zu schweigen von unserem Leben. Der amerikanische Astrophysiker und Kosmologe Neil deGrasse Tyson beschreibt es so: »Das Universum ist nicht dazu verpflichtet, einen Sinn zu ergeben.«18 Ein amüsanter Gedanke, entspräche er nicht der Wahrheit.

»Sehen Sie sich diesen Punkt noch einmal an. Hier leben wir, hier sind wir zu Hause und mit uns alle Menschen, die wir kennen und lieben, auf diesem Staubkörnchen, das im Sonnenlicht tanzt.«

– CARL SAGAN, 1994, über die letzte Aufnahme der Erde, die von der Sonde Voyager 1 gemacht wurde, bevor sie unser Sonnensystem verließ.

Es war nicht immer so: Unsere Vorfahrinnen und Vorfahren glaubten, die Erde sei das Zentrum von allem. Der Mensch stand im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit Gottes und umgekehrt. In den Schöpfungsmythen der meisten Kulturen kommt dem Menschen im kosmischen Spiel eine zentrale Rolle zu. Der Fluch, im 21. Jahrhundert zu leben, mit einem Bewusstsein für Astrophysik, Kosmologie und andere Wissenschaften, besteht darin, dass wir zu viel wissen. Wir verfügen über hartes, faktenbasiertes Wissen über kosmische Proportionen und die enormen Zeitspannen, die unserer Existenz vorausgegangen sind, was unweigerlich zu einem Schluss führt, den der Philosoph Thomas Nagel wie folgt formuliert: »Wir sind winzige Staubkörnchen in den unendlichen Weiten des Alls.«19

ÜBER UNBESTÄNDIGKEIT

»Wer schon einmal etwas verloren hat, von dem er glaubte, er würde es nie verlieren, weiß am Ende, daß ihm nichts gehört.«

– PAULO COELHO,Elf Minuten

Als vergängliches Wesen bewohnen Sie einen Körper, der altert, krank wird, am Ende stirbt und sich zersetzt. Doch nicht nur der Tod fällt in den Bereich der Unbeständigkeit. Das Leben an sich – unser physisches, emotionales und intellektuelles Wohlbefinden – ist zeitlich begrenzt. Alles verändert und verwandelt sich von einem Moment zum nächsten. Buddhisten sind sich der Idee der Unbeständigkeit, anicca, besonders bewusst und sehen darin eine der drei Eigenschaften der Existenz, wonach alles Leben vergänglich ist, sich in ständigem Fluss befindet und schließlich auflöst. Man muss allerdings kein Buddhist sein, um mit Gedanken über Unbeständigkeit zu ringen. Sie sind das Wurmloch des Absurden; es ist verführerisch, den Schluss zu ziehen, dass nichts die Reise wert ist, wenn die Reise selbst ein Ende hat.

ÜBER WILLKÜR

»Sei gerecht, und wenn du nicht gerecht sein kannst, lass Willkür walten.«

– WILLIAM S. BURROUGHS,Naked Lunch

Die Beliebigkeit des Lebens kreist um die Idee, dass es unseren Zielen, Vorhaben und Werten an endgültiger Rechtfertigung fehlt.20 Wir nehmen einige Prinzipien und Werte sehr ernst – so ernst, dass wir uns in unseren Entscheidungen und Taten von ihnen leiten lassen. Aber sind diese großen Werte letztlich gerechtfertigt oder nichts als Präferenzen, denen wir uns willkürlich verschrieben haben? Sosehr wir uns auch wünschen, unsere Werte mögen auf irgendeine Weise im Universum begründet sein, wird immer deutlicher, dass das Universum als solches keine Werte kennt und keine Meinung zu unseren Werten hat. Einsteins Relativitätstheorie sagt nichts darüber aus, warum etwas Bedeutung oder Wert haben sollte. Das physikalische Universum ist gleichgültig.

Das Leben, eine sonderbare Zusammensetzung von Materie, die in der Lage ist, sich selbst zu reproduzieren, betrat an irgendeinem Punkt der Geschichte des Universums willkürlich die kosmische Bühne. Aber es brachte keine objektiven Werte hervor. Werte sind eine inhärent menschliche Erfindung, und das Einzige, was menschliche Werte von tierischen Vorlieben unterscheidet, ist im Grunde, dass unsere Werte reflektierter sind und in Sprache ausgedrückt werden können. Wenn wir Tinte auf Papier betrachten, sehen wir automatisch Buchstaben und Wörter. Aber Tinte ist nichts als Tinte. Die Buchstaben existieren nur in unserem Verstand, durch unsere Interpretation. Genauso verhält es sich mit unseren Werten. Es gibt nichts hinter den Werten an sich. Sie existieren, weil wir und die Menschen um uns herum sie als solche begreifen.

Immer mehr Menschen betrachten Ziele und Werte als etwas, das jeder frei wählen kann. Dies ist jedoch eine besorgniserregende Entwicklung, denn sobald alle Ziele und Werte individuelle Angelegenheiten sind, gibt es nichts, das letztlich wertvoller ist als alles andere. Wenn unser Handeln einer permanenten und endgültigen Rechtfertigung bedarf, haben wir als Gesellschaft offenbar den Kontakt dazu verloren.

ES GIBT KEINEN WEG ZURÜCK

Die Vorstellung, dass wir bedeutungslose, unbeständige und willkürliche Wesen sind, die auf einem fahlen blauen Punkt durch das Universum treiben, wirkt ziemlich düster. Auch wenn Sie sich vermutlich nicht täglich den Kopf über das Absurde zerbrechen, kann man sagen, dass die Auseinandersetzung damit einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Lew Tolstoi schrieb in Meine Beichte: »[M]an kann nicht aufhören zu wissen, was man weiß.«21 Ist man sich erst einmal der Möglichkeit bewusst geworden, dass das menschliche Leben keinen inhärenten kosmischen Wert besitzt, wird man das nie wieder ganz vergessen. Und weil es keinen Weg zurück gibt, kann es nur vorwärtsgehen. Glücklicherweise gibt es einen Weg, trotz dieses Wissens motiviert, kreativ und fröhlich zu sein. Dieses Buch zeigt die Mittel auf, die Ihnen zur Verfügung stehen, um hier und jetzt ein sinnerfüllteres Leben zu beginnen.

Statt sich der Situation zu stellen, entscheiden sich die meisten Menschen für eine Behelfslösung und geben sich äußerst raffinierten Methoden der Ablenkung hin. Ganze Industriezweige sind dieser Quelle entsprungen: Will man sich nicht mit dem Absurden auseinandersetzen, gibt es Millionen von Möglichkeiten, sich ablenken und unterhalten zu lassen und die Wirklichkeit auszublenden – von Selfies über Facebook bis hin zu Streaming und Shopping. Entsprechend äußert sich das nagende Bewusstsein, dass das Leben aus kosmischer Sicht sinnlos sein könnte, meist nicht als explizite Verneinung jeglicher Sinnhaftigkeit, sondern eher als ein vages Gefühl von Unwohlsein, Widerstand und Unsicherheit im Hinblick auf das eigene Leben sowie auf persönliche Ziele und Werte. Solange im Leben alles gut läuft, kann es einem gelingen, die eigenen existenziellen Zweifel zu unterdrücken. Aber sobald etwas in die Brüche geht – Beziehungen, Gesundheit oder Karriere – und wir enorm profitieren würden von einem stabilen, tragenden Gerüst, das unserem Leiden Sinn verleiht, werden wir uns der Instabilität und Trübheit der eigenen Werte besonders bewusst. Deshalb ist Ablenkung keine gute Langzeitstrategie, wenn es um existenzielle Fragen geht.

Von den vielen Ablenkungen, die unsere Kultur hervorgebracht hat, um die Leere zu füllen, ist die gängigste vermutlich die beständige obsessive Suche nach Glück. Aber das Streben nach Glück beinhaltet ein Paradox, wie wir im nächsten Kapitel sehen werden.

Glück ist kein brauchbares Lebensziel

»Bloß diejenigen sind glücklich, dachte ich, welche ihren Sinn auf irgendetwas anderes als auf das eigene Glück gesetzt haben – auf das Glück anderer zum Beispiel, auf die Veredlung der Menschheit, ja sogar auf irgendeine Kunst oder Beschäftigung, die nicht als Mittel, sondern um ihrer selbst willen nach einem idealen Ziele strebten. Während man so auf etwas anderes abhebt, findet man das Glück unterwegs.«

– JOHN STUART MILL,Autobiographie

Da wir den Kontakt zu den großen Erzählungen verloren haben, mit denen unsere Vorfahrinnen und Vorfahren einst ihr Verlangen nach Sinn stillten, haben wir die menschliche Existenz psychologisiert und auf ein einfaches Modell der Schmerzvermeidung und Lustmaximierung reduziert. Glück hat den Raum gefüllt, der zuvor von transzendenten Werten als einzig erstrebenswertes Lebensziel besetzt war. So hat sich Glück zu einem der beliebtesten Lebensziele der modernen westlichen Kultur entwickelt. Es ist auch ein lukratives Geschäft: Wurden im Jahr 2000 nur fünfzig Bücher zu dem Thema veröffentlicht, so ist die Zahl acht Jahre später auf knapp viertausend angewachsen.22 Inzwischen stellen fortschrittliche Unternehmen »Chief Happiness Officers« ein, die sich um das Wohl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern sollen, und Produkte wie Softdrinks oder Parfums werden als abgefülltes Glücksversprechen vermarktet.

Selbst Regierungen schenken dem Thema zunehmend Beachtung. Der World Happiness Report