Das Happiness-Projekt - Gretchen Rubin - E-Book
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Das Happiness-Projekt E-Book

Gretchen Rubin

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Beschreibung

Jedes zweite Buch verspricht Glück – aber dieses hält Wort! Gretchen Rubin hat eigentlich allen Grund glücklich zu sein: Sie hat eine liebevolle Familie, ein schönes Zuhause und ein erfolgreiches Berufsleben. Trotzdem ist sie immer wieder unzufrieden mit sich und ihrer Umwelt, weshalb sie sich fragt, was ihr zum großen Glück fehlt. Und so startet sie ihren Selbstversuch: Das Happiness Projekt! Sie studiert systematisch die Glücksforschung, macht sich einen Plan für die nächsten zwölf Monate und fängt an, mit kleinen Dingen ihren Alltag zu verändern. Für jeden Monat nimmt sich Rubin einen anderen Lebensbereich vor: vom eigenen Körper bis zur ganzen Familie, von Freundschaft und Liebe bis hin zu Geld und Beruf. So geht sie früher schlafen, packt eine ungeliebte Tätigkeit an, hört mit dem Nörgeln auf, versucht, an die Geburtstage ihrer Freunde zu denken und sogar Misserfolge zu genießen. Dieses Buch ist so einfach wie einleuchtend. Rubin liefert originelle Impulse, mit denen Sie Ihr Leben Tag für Tag ein bisschen besser machen können. Ohne Null-Diät, ohne Hau-ruck-Verfahren. Praxiserprobte Tipps statt Hokuspokus. Machen Sie Ihr Glück jeden Tag zu Ihrem persönlichen Projekt – aber in machbaren Portionen. Und noch bevor Sie sich versehen, haben Sie Ihr Leben zum Positiven verändert! Happiness ist machbar – hier ist die praktische Anleitung dazu.

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Seitenzahl: 518

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Gretchen Rubin

Das Happiness-Projekt

Oder: Wie ich ein Jahr damit verbrachte, mich um meine Freunde zu kümmern, den Kleiderschrank auszumisten, Philosophen zu lesen und überhaupt mehr Freude am Leben zu haben

Übersetzt von Antoinette Gittinger

Fischer e-books

Für meine Familie

Samuel Johnson: »In einem spanischen Sprichwort heißt es: ›Derjenige, der den Reichtum der Westindischen Inseln mit nach Hause bringt, muss den Reichtum der Westindischen Inseln in sich tragen.‹«

James Boswell, »Das Leben Samuel Johnsons«

»Wir unterschätzen keine Pflicht so sehr wie die Pflicht, glücklich zu sein.«

Robert Louis Stevenson

An alle Leser

Das »Happiness-Projekt« ist eine Methode, mit der Sie Ihr Leben verändern. Der erste Schritt ist die Vorbereitungsphase, in der Sie herausfinden, womit Sie sich gerne beschäftigen möchten und was Ihnen Freude und Befriedigung bereitet. Gleichzeitig stellen Sie aber auch fest, was bei Ihnen Schuldgefühle, Zorn, Langeweile und Gewissensbisse hervorruft. Wenn Sie sich dann darüber im Klaren sind, welche konkreten Aktivitäten Sie noch glücklicher machen werden, fassen Sie als Zweites die entsprechenden Entschlüsse. Dann folgt der interessante Teil: die Umsetzung.

Dieses Buch ist die Geschichte meines Happiness-Projekts; es berichtet von meinen Versuchen und Erfahrungen, glücklich zu werden. Ich hoffe, dass die beste Inspirationsquelle für Ihr Happiness-Projekt das Buch ist, das Sie in Ihren Händen halten. Da es die Geschichte meines Happiness-Projekts erzählt, spiegelt es natürlich meine spezielle Lebenssituation wider, meine Wertvorstellungen und Interessen. Vielleicht denken Sie: Wenn das Happiness-Projekt eines jeden Menschen einmalig ist, warum sollte ich mir dann die Mühe machen, diese Geschichte zu lesen? Während ich mich mit dem Thema Glück befasste, entdeckte ich aber etwas, das mich erstaunte: Tatsächlich lerne ich mehr von den einzigartigen Erfahrungen eines anderen Menschen als von Quellen, die allgemeine Weisheiten verbreiten oder neueste Untersuchungen zitieren. Viel wertvoller als irgendwelche Argumente sind für mich die Erfahrungswerte einzelner Personen, und das trifft selbst dann zu, wenn wir nichts gemeinsam zu haben scheinen. Ich zum Beispiel hätte nie vermutet, dass ein gewitzter Lexikograph mit Tourette-Syndrom, eine tuberkulöse Heilige um die zwanzig, ein heuchlerischer russischer Romanschriftsteller und einer der Gründerväter der USA meine hilfreichsten Leader sein würden – doch genau das war der Fall.

Ich hoffe, die Lektüre meines Happiness-Projekts motiviert Sie, Ihr eigenes anzufangen. Wann immer Sie dieses Buch lesen und egal, wo Sie sich gerade befinden: Sie sind stets am richtigen Ort, um damit zu beginnen.

Auf geht’s!

Irgendwie hatte ich immer damit gerechnet, dass ich einmal über mich hinauswachsen würde. Konkret hieß das, dass ich eines Tages damit aufhören würde, mir die Haare aufzudrehen, die ganze Zeit in Turnschuhen herumzulaufen und jeden Tag das Gleiche zu essen. Ich würde nie mehr den Geburtstag meiner Freunde vergessen, würde lernen, mit Photoshop umzugehen, und meiner Tochter verbieten, während des Frühstücks fernzusehen. Ich würde Shakespeare lesen, mehr lachen und Spaß haben, höflicher sein, häufiger ins Museum gehen und keine Angst mehr vor dem Autofahren haben.

Alles begann an einem ganz gewöhnlichen Aprilmorgen, an dem mir plötzlich die erschreckende Erkenntnis kam: Ich war drauf und dran, mein Leben zu vergeuden. Als ich durch die regennasse Scheibe des Stadtbusses blickte, in dem ich saß, sah ich, wie die Jahre dahinschwanden. Was erwarte ich denn vom Leben?, fragte ich mich. Nun … ich will einfach glücklich sein. Aber ich hatte bis zu diesem Tag noch nie darüber nachgedacht, was mich glücklich machte oder wie ich noch glücklicher werden könnte.

Dabei gab es bereits vieles, das mich hätte glücklich machen sollen. Ich war mit Jamie verheiratet, einem hochgewachsenen, attraktiven, dunkelhaarigen Mann, der Liebe meines Lebens; wir hatten zwei entzückende Töchter – die siebenjährige Eliza und die einjährige Eleanor. Nachdem ich meinen Anwaltsberuf an den Nagel gehängt hatte, arbeitete ich als Schriftstellerin und lebte in New York, meiner Lieblingsstadt. Ich hatte eine enge Beziehung zu meinen Eltern, meiner Schwester und meinen Schwiegereltern. Ich hatte Freunde, war gesund und brauchte bei meiner Haarfarbe auch noch nicht nachzuhelfen. Doch leider ließ ich trotzdem nur allzu oft meine schlechte Laune an meinem Mann oder dem Müllmann aus. Schon der geringste berufliche Rückschlag entmutigte mich. Ich verlor schließlich alte Freunde aus den Augen, fuhr zu schnell aus der Haut, litt unter Melancholie, Unsicherheit, Rastlosigkeit und unerklärlichen Schuldgefühlen.

Während mir das alles bewusst wurde, sah ich durch die verschmierte Busscheibe zwei Gestalten die Straße überqueren: eine Frau in etwa meinem Alter, die versuchte, gleichzeitig ihren Schirm hoch zu halten, einen Blick auf ihr Handy zu werfen und einen Kinderwagen zu schieben, in dem ein Kind mit einer kanariengelben Regenjacke saß. Bei diesem Anblick wurde mir schockartig klar: Das bin ja ich. Das dort drüben bin ich. Ich habe auch einen Kinderwagen, ein Handy. Einen Wecker, eine Wohnung und Nachbarn. Im Augenblick sitze ich im Stadtbus, mit dem ich immer durch den Park fahre, hin und zurück. Das ist mein Leben – aber darüber denke ich nie nach.

Ich war weder deprimiert, noch hatte ich eine Midlife-Crisis, aber ich litt am »Midlife-Unbehagen« – einem wiederkehrenden Gefühl der Unzufriedenheit, ja beinahe der Fassungslosigkeit. »Bin das wirklich ich?«, fragte ich mich, wenn ich nach der Morgenzeitung griff oder meine Mails las. »Soll das wirklich alles gewesen sein?«, fragte ich mich immer wieder und antwortete: »Ja, das ist alles.«

Aber auch wenn ich von Zeit zu Zeit unzufrieden darüber war, dass mir etwas fehlte, vergaß ich nie, wie gut das Schicksal es mit mir gemeint hatte. Wenn ich früher mitten in der Nacht aufwachte, was häufig der Fall war, wanderte ich von Raum zu Raum und betrachtete meinen schlafenden Mann, der sich in den Laken verheddert hatte, und meine Töchter, die von ihren Stofftieren umringt waren – alle waren gesund und munter. Ich hatte alles, was ich mir nur wünschen konnte, war jedoch unfähig, es wertzuschätzen. Mein ständiges Herumjammern, die häufigen Krisen und meine Unlust, mich mit meinem Wesen auseinanderzusetzen, machten es mir immer schwerer, zu begreifen, wie sehr ich vom Glück begünstigt war. Ich wollte nicht länger alles als selbstverständlich hinnehmen. Jahrelang hatten mich die Worte der Schriftstellerin Colette verfolgt: »Was für ein wunderbares Leben ich doch hatte, ich wünschte nur, ich hätte es früher erkannt.« Ich wollte nicht am Ende meines Lebens oder nach einer großen Katastrophe zurückblicken und mir sagen müssen: »Wie glücklich ich damals war! Wenn ich es doch nur erkannt hätte.«

Ich musste also darüber nachdenken. Wie konnte ich es schaffen, dankbar für jeden Tag meines Lebens zu sein? Wie konnte ich mir höhere Maßstäbe als Ehefrau, Mutter, Schriftstellerin und Freundin setzen? Wie konnte ich mich von den banalen Widrigkeiten des Alltags lösen und eine großzügigere, transzendentere Perspektive einnehmen? Ich schaffte es ja nicht mal, daran zu denken, beim Drogeriemarkt vorbeizugehen und Zahnpasta zu kaufen – die Überlegung, diese hohen Ziele in meine Alltagsroutine einbinden zu können, schien also unrealistisch zu sein.

 

Der Bus bewegte sich kaum von der Stelle, und trotzdem konnte ich meinen eigenen Gedanken kaum folgen. Ich muss die Sache in Angriff nehmen, sagte ich mir. Sobald ich ein bisschen Zeit habe, sollte ich ein Happiness-Projekt planen. Doch diese freie Zeit fand ich nie. Denn wenn das Leben ganz normal verläuft, ist es schwer, sich darüber bewusst zu werden, was wirklich zählt. Wenn ich ein Happiness-Projekt auf die Beine stellen wollte, musste ich mir also die Zeit dafür nehmen. Ich stellte mir vor, wie ich einen Monat lang auf einer malerischen, windgepeitschten Insel verbrachte, wo ich jeden Tag Muscheln sammeln, Aristoteles lesen und mir Notizen in ein elegantes Pergamenttagebuch machen würde. Nein, gestand ich mir ein, so funktioniert das nicht. Ich musste einen Weg finden, dieses Projekt hier und jetzt durchzuführen. Ich musste den Blickwinkel ändern, aus dem ich mir alles Vertraute betrachtete konnte.

All diese Gedanken schossen mir durch den Kopf, während ich in dem überfüllten Bus saß. Dabei wurden mir zwei Dinge klar: Ich war nicht so glücklich, wie ich sein könnte, und mein Leben würde sich nur dann ändern, wenn ich es selbst veränderte. In diesem Moment und mit dieser Erkenntnis beschloss ich, ein Jahr lang zu versuchen, glücklicher zu werden.

 

An einem Dienstagmorgen fasste ich meinen Entschluss, und am Mittwochnachmittag stapelten sich bereits die Bücher aus der Bibliothek auf meinem Schreibtisch. Ich hatte kaum Platz für sie. Mein winziges Arbeitszimmer unter dem Dach unseres Wohnhauses quoll bereits über von Materialien für die Kennedy-Biographie, an der ich gerade arbeitete. Dazwischen befanden sich Mitteilungen von Elizas Grundschullehrerin über Klassenfahrten, Kinderkrankheiten und Wohltätigkeitsbasare.

Ich konnte mich nicht einfach auf dieses Happiness-Projekt stürzen. Ich musste noch viel Vorarbeit leisten, bevor dieses Jahr beginnen konnte. Nachdem ich mich ein paar Wochen lang eingelesen und mit allen möglichen Ideen gespielt hatte, wie mein Experiment anzupacken war, rief ich meine jüngere Schwester Elizabeth an.

Auf meine zwanzig Minuten lange Rede über meine ursprünglichen Vorstellungen von Glück reagierte sie so: »Ich glaube, du merkst gar nicht, wie eigenartig du bist. – Aber«, fügte sie schnell hinzu, »auf eine positive Art.«

»Jeder Mensch ist eigenartig. Deshalb ist jedes einzelne Happiness-Projekt anders. Wir alle haben unsere persönlichen Eigenarten.«

»Vielleicht, aber ich glaube nicht, dass du merkst, wie komisch es ist, wenn du darüber sprichst.«

»Was ist denn daran so komisch?«

»Dass du das Thema Glück auf eine so verbissene, systematische Weise angehst.«

Ich verstand nicht, was sie meinte. »Meinst du meinen Versuch, Theorien wie ›Todesbetrachtungen‹ oder ›Gehen Sie’s jetzt an‹ in Aktionspunkte umzusetzen?«

»Genau«, erwiderte sie. »Ich weiß nicht einmal, was ein ›Aktionspunkt‹ ist.«

»Das ist ein Fachbegriff aus dem Managementbereich.«

»Okay, was auch immer. Ich will damit nur sagen, dass dein Happiness-Projekt mehr über dich verrät, als dir bewusst ist.«

 

Natürlich hatte sie recht. Es heißt, dass die Menschen das lehren, was sie lernen müssen. Indem ich in die Rolle des Glückslehrers schlüpfte – wenn auch nur für mich selbst –, versuchte ich, die Methode zu finden, mit der ich meine speziellen Schwächen besiegen und meine Grenzen überwinden konnte.

Es wurde Zeit, mir mehr zuzutrauen. Doch während ich über das Glück nachdachte, stieß ich immer wieder auf Paradoxe. Ich wollte mich verändern, mich gleichzeitig aber auch annehmen. Ich wollte mich weniger ernst nehmen, gleichzeitig aber auch viel ernster. Ich wollte meine Zeit sinnvoll nutzen, gleichzeitig aber auch nach Lust und Laune spazieren gehen, spielen und lesen. Ich wollte über mich nachdenken, damit ich mich vergessen könnte. Ich befand mich immer in höchster Anspannung; ich wollte Neid und Zukunftsängste überwinden, mir aber meine Energie und meinen Ehrgeiz bewahren.

Elizabeths Beobachtung brachte mich dazu, über meine Motive nachzudenken. Suchte ich nach spirituellem Wachstum und einem Leben, das sich mehr nach transzendenten Prinzipien richtete – oder war mein Happiness-Projekt lediglich der Versuch, meinen übertriebenen Perfektionismus auf alle Aspekte meines Lebens auszudehnen?

Mein Happiness-Projekt war beides. Ich wollte meinen Charakter perfektionieren, aber aufgrund meines Naturells würde dies vermutlich Tabellen, Kritikpunkte, To-do-Listen, neue Begriffe und zwanghaftes Notizenmachen mit einschließen.

 

Viele große Köpfe haben sich mit dem Thema Glück beschäftigt. Als ich mit meinen Recherchen begann, stieß ich auf Platon, Boethius, Montaigne, Bertrand Russell, Thoreau und Schopenhauer. Auch die großen Weltreligionen erklären das Wesen des Glücks. Ich erforschte also eine Bandbreite von Traditionen, von den herkömmlichen bis hin zu den esoterischen. In den letzten Jahrzehnten hat das wissenschaftliche Interesse an positiver Psychologie einen Boom erfahren, und ich las Martin Seligman, Daniel Kahneman, Daniel Gilbert, Barry Schwartz, Ed Diener, Mihaly Csikszentmihalyi und Sonja Lyubomirsky. Auch in der Populärkultur schießen die Glücksexperten mittlerweile wie Pilze aus dem Boden. Ich befasste mich also mit Oprah Winfrey, Julie Morgenstern, David Allen und vielen mehr. Einige der interessantesten Erkenntnisse über das Glück stammen von meinen Lieblingsautoren wie Leo Tolstoi, Virginia Woolf und Marilynne Robinson. Einige Romane, wie zum Beispiel Michael Frayns ›Sonnenlandung‹, Ann Patchetts ›Bel Canto‹ und Ian McEwans ›Saturday‹, schienen die sorgfältige Ausarbeitung von Glückstheorien zu sein.

In einem Moment las ich philosophische Texte und Biographien, im nächsten Psychologie Heute. Unter den Büchern auf meinem Nachttisch befanden sich auch Malcolm Gladwells ›Die Macht des Moments‹, Adam Smiths ›Theorie der ethischen Gefühle‹, Elizabeth von Arnims ›Elisabeth und ihr Garten‹, das Bändchen ›Mögen alle Wesen glücklich sein‹ vom Dalai Lama und von »FlyLady« Marla Cilley die ›Sink Reflections‹. Und bei einem Essen mit Freunden fand ich in einem Glückskeks folgende Weisheit: »Suchen Sie das Glück unter Ihrem eigenen Dach.«

Meine Lektüre zeigte mir, dass ich zwei Schlüsselfragen beantworten musste, bevor ich weitermachen konnte. Erstens: Glaubte ich überhaupt daran, dass es möglich wäre, noch glücklicher zu werden? Schließlich besagt die »Set-Point«-Theorie, dass der grundlegende Glückspegel eines Menschen nicht stark schwankt, und wenn doch, nur ganz kurz.

Mein Ergebnis: Ja, es ist möglich.

Neuesten Recherchen zufolge machen bei der Bestimmung des Glückspegels einer Person die Gene circa 50% aus, die Lebensumstände wie zum Beispiel Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Personenstand, Einkommen, Gesundheit, Beruf und Religionszugehörigkeit etwa 10 bis 20%; der Rest hängt vom Denken und Handeln eines Menschen ab. Mit anderen Worten: Die Menschen haben von Natur aus eine bestimmte Veranlagung, aber sie können durch ihr Handeln die oberste Stufe der Glücksleiter erklimmen oder auf die unterste Stufe herabfallen. Dieses Ergebnis bestätigte meine eigenen Beobachtungen. Offenkundig sind einige Menschen von Natur aus überschwänglicher oder melancholischer als andere, und zweifellos beeinflussen die Entscheidungen, wie sie ihr Leben führen, auch ihr Glück.

Die zweite Frage lautet: Was ist »Glück«?

Beim Jurastudium hatten wir ein ganzes Semester darauf verwandt, über die Bedeutung des Begriffs »Vertrag« zu diskutieren. Als ich mich in meine Glücks-Recherche stürzte, kam mir dies zugute. In der Wissenschaft bemüht man sich, Begriffe genau zu definieren. Eine positive Psychologiestudie präsentierte 15 verschiedene akademische Definitionen von Glück, aber als ich mich mit meinem Projekt befasste, schien es sich zu erübrigen, viel Energie darauf zu verwenden, die Unterschiede zwischen »positivem Affekt«, »subjektivem Wohlbefinden«, »hedonistischer Stimmung« und unzähligen anderen Begriffen zu erforschen. Ich wollte mich also nicht auf eine Frage versteifen, die mich nicht besonders interessierte. Stattdessen beschloss ich, den Worten des Richters des Obersten Gerichtshofs, Potter Stewart, zu folgen, der Obszönität wie folgt definierte: »Ich erkenne sie, wenn ich sie sehe.« Und denen von Louis Armstrong, der sagte: »Wenn man erst fragen muss, was Jazz ist, erfährt man es nie.« Und denen von A. E. Housman, der schrieb: »Ich kann die Dichtkunst genauso wenig definieren wie ein Terrier eine Ratte«, er erkenne jedoch »den Gegenstand anhand der Symptome, die er hervorruft«.

Aristoteles erklärte das Glück als das summum bonum, das höchste Gut. Die Menschen streben nach Dingen wie Macht, Reichtum oder dem Verlust von zehn Kilo Übergewicht, weil sie glauben, das führe zum Glück, aber ihr eigentliches Ziel ist das Glück selbst. Blaise Pascal stellte fest: »Ausnahmslos alle Menschen suchen das Glück. Auch wenn sie sich unterschiedlicher Mittel bedienen, streben sie alle dieses Ziel an.« Eine Studie ergab, dass Menschen auf der ganzen Welt auf die Frage, was sie sich am meisten vom Leben wünschten – und am meisten für ihre Kinder –, antworteten: Glück. Selbst diejenigen, die sich nicht im Klaren sind, was es bedeutet, »glücklich« zu sein, räumen ein, dass die meisten Menschen entsprechend ihrer ureigenen Definition »glücklicher« sein könnten.

Ich weiß es, wenn ich glücklich bin. Das genügte für meine Zwecke.

Bei der Suche nach der Definition von Glück gelangte ich zu einer weiteren wichtigen Schlussfolgerung: Das Gegenteil von Glücklichsein ist Unglücklichsein und nicht Depression. Depression, ein ernster Zustand, der sofortige Aufmerksamkeit erfordert, nimmt neben dem Glück und dem Unglück einen eigenen Platz ein. Es hätte aber den Rahmen meines Happiness-Projekts gesprengt, auch noch die Ursachen und Heilmittel für Depressionen zu erforschen. Aber auch wenn ich nicht unter Depressionen litt und nicht vorhatte, mich bei meinem Projekt mit diesem Thema zu beschäftigen, blieb noch viel zu erforschen.

Nachdem ich also zu dem Schluss gekommen war, dass es möglich wäre, meinen Glückspegel nach oben zu treiben, und dass ich wusste, was es bedeutete, »glücklich« zu sein, musste ich herausfinden, wie sich das bewerkstelligen ließ.

Konnte ich ein verblüffend neues Geheimnis über das Glück lüften? Vermutlich nicht. Seit Jahrtausenden denken die Menschen über das Glück nach, und die brillantesten Köpfe der Geschichte haben bereits ihre großen Wahrheiten über das Glück kundgetan. Alles Wichtige wurde bereits gesagt. (Selbst dieser Ausspruch ist nicht neu, denn es war Alfred North Whitehead, der kundtat: »Alles Wichtige wurde bereits gesagt.«) Die Gesetze des Glücks sind genauso festgelegt wie die Gesetze der Chemie.

Auch wenn ich diese Gesetze nicht mehr erfinden konnte, musste ich mich mit ihnen befassen – mir zuliebe. Das ist vergleichbar mit einer Diät. Wir alle kennen ihr Geheimnis – gesünder essen, weniger essen, mehr Bewegung –, doch die Herausforderung liegt in der Umsetzung. Daher musste ich ein Schema konzipieren, bei dem die Theorie von Glück in die Praxis umgesetzt werden konnte.

 

Benjamin Franklin, einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten, gehört zu den Schutzheiligen der Selbstverwirklichung. In seiner Autobiographie beschreibt er, wie er als Teil eines »kühnen und mühsamen Projekts, zur moralischen Perfektion zu gelangen«, seinen Tugendkatalog entworfen habe. Er listete darin 13 Tugenden auf, die er pflegen wollte – Zurückhaltung, Schweigen, Ordnung, Entschlossenheit, Genügsamkeit, Fleiß, Aufrichtigkeit, Gerechtigkeit, Mäßigung, Reinlichkeit, Beschaulichkeit, Keuschheit und Demut –, und stellte aus ihnen einen Katalog zusammen, der für alle Wochentage galt. Tag für Tag nahm Franklin dann eine Bewertung seiner Anstrengungen vor, sich an diese 13 Vorsätze zu halten.

Die moderne Forschung hebt die Weisheit seines Tugendkatalogs wieder hervor. Die Menschen machen anscheinend viel eher Fortschritte, wenn ihre Ziele in konkrete, überschaubare Handlungen unterteilt sind und mit einer strukturierten Verantwortlichkeit und positiven Verstärkung einhergehen. Laut einer modernen Theorie der Gehirnforschung hat das Unbewusste einen entscheidenden Anteil an der Bildung von Urteilen, Motiven und Gefühlen, die außerhalb unserer Wahrnehmung oder unserer Bewusstseinskontrolle liegen. Ein Faktor, der die Arbeit des Unbewussten beeinflusst, ist die »Zugänglichkeit« von Informationen oder die Leichtigkeit, mit der sie ins Bewusstsein gelangen. Informationen, die vor kurzem abgerufen oder in der Vergangenheit häufig benutzt wurden, lassen sich leichter hervorholen und sind deshalb aktiv. »Zugänglichkeit« bedeutete für mich, dass ich bestimmte Ziele und Ideen viel besser im Gedächtnis behalten könnte, wenn ich sie mir immer wieder in Erinnerung riefe.

Inspiriert durch die neuesten Forschungsergebnisse und durch Ben Franklins Methode, entwarf ich meine eigene Version seines Punktekatalogs – eine Art Kalendertabelle, in die ich all meine Vorsätze eintragen und mir täglich für jeden eine gute oder schlechte Zensur geben konnte.

Nachdem ich meine Blankotabelle konzipiert hatte, benötigte ich jedoch viel Zeit, um festzulegen, welche Vorsätze aufgelistet werden sollten. Franklins 13 Tugenden entsprachen nicht der Art von Veränderung, die ich anstrebte. »Reinlicher zu werden« war kein besonderes Anliegen von mir (obwohl ich meine Zahnseide wirklich intensiver benutzen könnte). Was sollte ich also tun, um glücklicher zu werden?

Zuerst musste ich überlegen, auf welchen Gebieten ich tätig werden wollte. Dann musste ich glücksfördernde Vorsätze fassen, die konkret und messbar waren. Von Seneca bis Martin Seligman waren sich alle darin einig, dass die Freundschaft ein Schlüssel zum Glück ist, und natürlich wollte ich meine Beziehungen vertiefen. Das Problem war nur, wie ich die Veränderungen, die ich anstrebte, erreichen konnte. Ich wollte ganz konkret sein, damit ich genau wusste, was ich von mir selbst erwartete.

Als ich über mögliche Schritte nachdachte, wurde mir wieder bewusst, wie sehr sich mein Happiness-Projekt von dem anderer Menschen unterscheiden würde. Franklins oberste Prioritäten schlossen »Mäßigung« (»Iss nicht bis zum Stumpfsinn, trink nicht bis zum Abheben«) und »Schweigen« (weniger »schwafeln, witzeln und spaßen«) mit ein. Andere entschließen sich vielleicht, ins Fitnessstudio zu gehen, das Rauchen aufzugeben, ihr Sexleben zu beleben, Schwimmen zu lernen oder ein Ehrenamt zu übernehmen – diese speziellen Vorsätze brauchte ich nicht zu fassen. Ich hatte meine ureigenen Prioritäten. Meine Liste enthielt sicherlich viele Punkte, die andere Personen weglassen würden. Dagegen ließ ich bestimmt viele Punkte weg, die andere wiederum aufgenommen hätten. Eine Freundin fragte mich zum Beispiel: »Willst du nicht eine Therapie machen?«

»Nein«, erwiderte ich überrascht. »Warum? Meinst du, ich hätte eine nötig?«

»Absolut. Es ist unerlässlich. Wenn du die Grundursachen deines Verhaltens erforschen möchtest, musst du eine Therapie machen«, erklärte sie. »Willst du denn nicht wissen, warum du so bist, wie du bist, und warum du dein Leben verändern willst?«

Ich grübelte eine Weile über diese Fragen nach und kam dann zu dem Schluss: nun, eigentlich nicht wirklich. Bedeutete das jetzt, dass ich oberflächlich war? Ich kannte viele Leute, für die ihre Therapie von unschätzbarem Wert gewesen war, aber die Probleme, die ich angehen wollte, standen mir klar vor Augen, und ich wollte zu diesem Zeitpunkt alleine herausfinden, wie ich vorgehen müsste.

Ich wollte mich jeden Monat auf ein anderes Thema konzentrieren, und zwölf Monate im Jahr bedeuteten, dass zwölf Rubriken gefüllt werden mussten. Meine Recherchen hatten mich gelehrt, dass soziale Bindungen das wichtigste Element des Glücks darstellen. Also beschloss ich, die Themen »Ehe«, »Elternschaft« und »Freunde« anzugehen. Ich hatte auch gelernt, dass mein Glück zum großen Teil von meiner eigenen Perspektive abhing. Also erweiterte ich meine Liste um »Ewigkeit« und »Einstellung«. Arbeit war für mein Glück von großer Bedeutung, ebenso Muße, also fügte ich die Punkte »Arbeit«, »Freizeit« und »Leidenschaft« hinzu. Was sonst wollte ich behandeln? »Energie« schien ein Grundbestandteil für den Erfolg des gesamten Projekts zu sein. Auch »Geld« war ein Thema, mit dem ich mich beschäftigen wollte. Um einige der Erkenntnisse, die ich im Laufe meiner Recherchen gewonnen hatte, zu erforschen, setzte ich »Achtsamkeit« auf die Liste. Der Dezember würde ein Monat sein, in dem ich versuchen würde, mich genau an all meine Vorsätze zu halten – womit ich meine zwölf Kategorien beisammen hatte.

Doch welches Thema sollte ich als Erstes behandeln? Was war das wichtigste Element beim Glücklichsein? Das war mir noch nicht klar, doch ich beschloss, mich zu Beginn mit »Energie« zu beschäftigen. Ein hoher Energiepegel würde mir auf alle Fälle dabei helfen, meine übrigen Vorsätze besser einzuhalten.

 

Gerade noch rechtzeitig zum 1. Januar, an dem ich mein Projekt ins Rollen bringen wollte, vervollständigte ich meine Liste mit Dutzenden von Vorsätzen, die ich im Lauf des Jahres umsetzen wollte. Im ersten Monat würde ich lediglich die Vorsätze für Januar in Angriff nehmen. Im Februar würde ich die Vorsätze für Januar um die nächsten erweitern. Im Dezember würde ich bewerten, wie viel die Vorsätze des ganzen Jahres gebracht hatten.

Als ich mich bemühte, meine Vorsätze zu bestimmen, zeichneten sich einige allumfassende Prinzipien ab. Diese Prinzipien herauszukristallisieren erwies sich als viel mühsamer, als ich vermutet hatte. Doch nach vielem Addieren und Subtrahieren ergaben sich folgende Zwölf Gebote:

Zwölf Gebote

Sei du selbst.

Lass es fließen.

Handle so, wie du dich fühlen möchtest.

Tu es jetzt.

Sei höflich und fair.

Genieße den Prozess.

Sei großzügig zu dir selbst.

Identifiziere das Problem.

Werde lockerer.

Tu, was getan werden sollte.

Sei nicht berechnend.

Es existiert nur Liebe.

 

Diese Zwölf Gebote, so sagte ich voraus, würden mir helfen, meinen Vorsätzen treu zu bleiben.

Ich erstellte eine noch schrägere Liste über meine Geheimnisse, die ich als Erwachsene erkannt hatte. Beim Älterwerden hatte ich diese Lektionen mit einiger Mühe gelernt. Ich kann mir zum Beispiel nicht erklären, weshalb ich Jahre brauchte, um zu begreifen, dass rezeptfreie Medikamente tatsächlich gegen Kopfweh halfen, doch so war es.

Geheimnisse des Erwachsenseins

Die anderen bemerken deine Fehler seltener, als du denkst.

Es ist in Ordnung, um Hilfe zu bitten.

Die meisten Entscheidungen erfordern keine umfangreichen Recherchen.

Tu Gutes, dann fühlst du dich gut.

Es ist wichtig, zu jedem nett zu sein.

Nimm einen Pullover mit.

Wenn du jeden Tag ein bisschen was tust, kannst du viel erreichen.

Seife und Wasser entfernen die meisten Flecken.

Wenn man den Computer mehrmals ein- und ausschaltet, ist die Störung in vielen Fällen behoben.

Wenn du nichts mehr findest, räum auf.

Du kannst wählen, was du tust; du kannst aber nicht wählen, was du gern tust.

Glück vermittelt dir nicht immer ein Glücksgefühl.

Es ist wichtiger, was du täglich tust, als was du ab und zu tust.

Du brauchst nicht in allem gut zu sein.

Wenn du keinen Misserfolg erleidest, bemühst du dich nicht intensiv genug.

Rezeptfreie Medikamente sind sehr wirksam.

Lass nicht zu, dass das Vollkommene der Feind des Guten ist.

Was anderen Spaß macht, muss dir nicht zwangsläufig auch Spaß machen – und umgekehrt.

Die Brautpaare haben es tatsächlich lieber, dass du ein Geschenk aus der Geschenkliste auswählst.

Du kannst das Wesen deiner Kinder nicht grundlegend ändern, indem du an ihnen herumnörgelst oder sie bei etlichen Kursen anmeldest.

Ohne Einlage keine Rendite.

 

Es machte mir Spaß, mich mit meinen Zwölf Geboten und meinen Geheimnissen des Erwachsenseins zu beschäftigen, doch im Mittelpunkt meines Happiness-Projekts stand nach wie vor meine Liste mit Vorsätzen, die die Veränderungen aufzeigten, die ich in meinem Leben vornehmen wollte. Als ich in Ruhe über diese Vorsätze nachdachte, war ich überrascht, wie unspektakulär sie waren. Zum Beispiel die für Januar: »Geh früher schlafen« und »Pack eine unangenehme Aufgabe an« klangen nicht gerade dramatisch, plastisch oder besonders ambitioniert.

Die radikalen Happiness-Projekte anderer Menschen wie die von Henry David Thoreau, der nach Walden Pond zog, oder Elizabeth Gilbert, die nach Italien, Indien und Indonesien reiste, amüsierten mich. Der Neuanfang, das totale Engagement, der Sprung ins Ungewisse – ich fand ihre Suche sehr aufschlussreich, und ihre Loslösung von Alltagssorgen versetzte mir einen besonderen Kick.

Aber mein Projekt ließ sich damit nicht vergleichen. Ich war keineswegs abenteuerlustig und hatte nicht vor, eine derartig ungewöhnliche Veränderung vorzunehmen. Was gut war, denn selbst wenn ich gewollt hätte, hätte ich es nicht tun können. Ich hatte eine Familie und Verpflichtungen, die es kaum zuließen, dass ich auch nur ein Wochenende wegfuhr, geschweige denn ein ganzes Jahr.

Noch wichtiger: Ich wollte mein derzeitiges Leben nicht aufgeben. Ich wollte mein Leben verändern, ohne es von Grund auf zu verändern. Anders gesagt: Ich wollte einfach in meiner eigenen Küche glücklicher sein. Ich wusste, ich würde das Glück nicht an einem entfernten Ort unter ungewöhnlichen Umständen finden; es war genau hier, genau jetzt – wie in dem faszinierenden Märchenspiel ›Der blaue Vogel‹, in dem zwei Kinder ein Jahr lang durch die Welt irren und den blauen Vogel des Glücks suchen, um dann, als sie endlich nach Hause zurückkehren, festzustellen, dass der Vogel bereits dort auf sie wartet.

 

Eine Menge Leute stritten mit mir über mein Happiness-Projekt, angefangen bei meinem Mann.

»Ich kapiere es wirklich nicht«, sagte Jamie, als er auf dem Boden lag und seine täglichen Rücken- und Knieübungen machte. »Du bist doch eigentlich ziemlich glücklich, oder? Wenn du wirklich unglücklich wärst, ergäbe das Ganze mehr Sinn, aber das bist du nicht.« Nach einer Weile fuhr er fort: »Du bist doch nicht etwa unglücklich, oder?«

»Ich bin glücklich«, versicherte ich ihm. »Tatsächlich«, fügte ich hinzu und freute mich über die Gelegenheit, mit meinen neu gewonnenen Erkenntnissen zu prahlen, »sind die meisten Leute recht glücklich. In einer Studie von 2006 bezeichneten sich 84% der Amerikaner als ›sehr glücklich‹ oder ›ziemlich glücklich‹, und in einer Umfrage in 45 Ländern gaben die Befragten im Durchschnitt auf einer Skala von 1 bis 10 eine 7 und bei einer Skala von 1 bis 100 eine 75 an. Ich habe in diesem Zusammenhang einen Glückstest entdeckt. Bei einer Skala von 1 bis 5 habe ich 3,92 erreicht.«

»Wenn du ziemlich glücklich bist, warum dann dieses Happiness-Projekt?«

»Ich bin glücklich – aber ich bin nicht so glücklich, wie ich es sein sollte. Ich habe ein so gutes Leben; ich möchte es mehr schätzen – und ihm gerechter werden.« Es war nicht leicht, es zu erklären. »Ich jammere zu viel, ärgere mich mehr, als ich sollte. Ich sollte dankbarer sein. Ich glaube, wenn ich glücklicher wäre, würde ich mich besser benehmen.«

»Glaubst du wirklich, dass irgendwas davon einen Unterschied machen wird?«, wollte er wissen und deutete auf den Papierausdruck meiner ersten Vorsätze.

»Haha«, prustete er laut los, »daran zweifle ich nicht.«

Kurz danach stieß ich auf einer Cocktailparty auf noch mehr Skepsis. Der übliche höfliche Smalltalk verwandelte sich in eine Unterhaltung, die eher der Verteidigung einer Dissertation an der philosophischen Fakultät glich, als ein langjähriger Bekannter ganz unverblümt über die Idee meines Happiness-Projekts spottete.

»Es geht bei deinem Projekt darum, herauszufinden, ob du noch glücklicher sein kannst? Und du steckst wirklich nicht in einer Depression?«

»Keineswegs«, erwiderte ich und versuchte, intelligent auszusehen, als ich ein Glas Wein, eine Serviette und eine ausgefallene Version eines Würstchens im Schlafrock jonglierte.

»Nichts für ungut, aber was ist das Problem? Ich glaube nicht, dass es sehr interessant ist, zu untersuchen, wie ein gewöhnlicher Mensch glücklicher werden kann.«

Ich war unsicher, was ich antworten sollte. Konnte ich ihm sagen, dass eines der Geheimnisse des Erwachsenseins darin bestand, nie einen Satz mit den Worten »Nichts für ungut« zu beginnen?

»Und überhaupt«, beharrte er, »bist du kein gewöhnlicher Mensch. Du bist sehr gebildet, eine Vollzeit-Schriftstellerin, lebst an der Upper East Side, und dein Mann hat einen Bombenjob. Was hast du jemandem im Mittelwesten zu sagen?«

»Ich komme aus dem Mittelwesten«, erwiderte ich kleinlaut.

Er machte eine abwertende Geste. »Ich glaube einfach, dass du keine Erkenntnisse gewinnen wirst, die für andere nützlich sein könnten.«

»Also, ich glaube inzwischen«, meinte ich, »dass die Menschen viel voneinander lernen können.«

»Ich glaube, du wirst feststellen, dass sich deine Erfahrung nicht gut übertragen lässt.«

»Ich werde mir die größte Mühe geben«, erwiderte ich. Dann wandte ich mich ab, um jemand anderen zu suchen, mit dem ich reden konnte.

So entmutigend dieser Kerl auch gewesen war, den eigentlichen Punkt, der mir Sorgen bereitete, hatte er nicht berührt: War es übertrieben egozentrisch, so viel Mühe auf mein eigenes Glück zu verwenden?

Über diese Frage grübelte ich lange nach. Schließlich schlug ich mich auf die Seite der alten Philosophen und der modernen Wissenschaftler, die argumentieren, dass es ein erstrebenswertes Ziel sei, daran zu arbeiten, glücklicher zu sein. Aristoteles sagte: »Glück ist der Sinn und Zweck des Lebens, das ganze Streben und Ziel des menschlichen Seins.« Epikur schrieb: »Wir müssen uns in den Dingen üben, die Glück bringen, denn wenn das Glück vorhanden ist, haben wir alles, und wenn es fehlt, sind all unsere Handlungen darauf ausgerichtet, es zu erreichen.« Moderne Forschungen zeigen auf, dass glückliche Menschen selbstloser, produktiver, hilfsbereiter, liebenswürdiger, kreativer, belastbarer, stärker an anderen interessiert, freundlicher und gesünder sind. Glückliche Menschen sind bessere Freunde, Kollegen und Bürger. Ich wollte einer dieser Menschen sein.

Ich wusste, dass es zweifellos leichter für mich war, gut zu sein, wenn ich glücklich war. Ich war geduldiger, versöhnlicher, energiegeladener, unbeschwerter und großzügiger. Es würde also nicht allein mich glücklicher machen, wenn ich an meinem Glück arbeitete, sondern auch die Menschen um mich herum.

Und ich nahm – auch wenn ich es nicht sofort erkannt hatte – mein Happiness-Projekt in Angriff, weil ich vorbereitet sein wollte. Ich war ein sehr glücklicher Mensch, doch das Blatt würde sich wenden. Eines Nachts würde dann mein Telefon läuten, und ich hatte schon eine Vorstellung von dem Anruf, der mich dann erwarten könnte. Deshalb bestand eines meiner Ziele für das Happiness-Projekt darin, mich gegen das Unglück zu wappnen – Selbstdisziplin und mentale Einstellung zu trainieren, um mit einer schwierigen Situation fertig zu werden, wenn sie eintrat. Jetzt, wo alles glattlief, war genau der richtige Zeitpunkt, endlich damit anzufangen, Sport zu treiben, nicht mehr herumzunörgeln und unsere Digitalfotos zu sortieren. Ich wollte nicht erst eine Krise erleben müssen, um mein Leben neu zu gestalten.

1 JANUAR

Tanken Sie Energie

Vitalität

Gehen Sie früher schlafen.

Treiben Sie mehr Sport.

Befreien Sie sich von Ballast und machen Sie klar Schiff.

Packen Sie eine unangenehme Aufgabe an.

Seien Sie energiegeladener.

Genau wie 44 Prozent der Amerikaner fasse auch ich Vorsätze fürs neue Jahr – und halte mich gewöhnlich nicht lange an sie. Wie so oft hatte ich beschlossen, mehr Sport zu treiben, mich gesünder zu ernähren und meine E-Mails zu beantworten. Doch dieses Jahr fasste ich meine Vorsätze im Rahmen meines Happiness-Projekts, und ich hoffte, dass ich dadurch bessere Chancen haben würde, mich an sie zu halten. Um das neue Jahr und mein Happiness-Projekt anzugehen, beschloss ich, mich darauf zu konzentrieren, mehr Energie zu tanken. Mehr Vitalität würde es mir bestimmt erleichtern, mich in den nächsten Monaten an all meine Happiness-Projekt-Vorsätze zu halten.

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass man Energie tankt, wenn man glücklich ist. Gleichzeitig hat man es, wenn man mehr Energie besitzt, leichter, sich in Aktivitäten zu stürzen, die das Glück fördern – wie zum Beispiel Kontakte zu pflegen oder Sport zu treiben. Wie Studien zeigen, steigt auch das Selbstwertgefühl, wenn man energiegeladen ist. Fühlt man sich hingegen müde, erscheint einem alles mühsam. Eine Tätigkeit, die man gewöhnlich als angenehm empfindet, wie zum Beispiel das Dekorieren der Wohnung an einem Feiertag, kommt einem anstrengend vor, und eine anspruchsvollere Aufgabe wie das Erlernen eines neuen Softwareprogramms überfordert einen völlig.

Ich weiß, wenn ich energiegeladen bin, fällt es mir viel leichter, mich auf eine bestimmte Weise zu verhalten, die mich glücklich macht. Dann nehme ich mir die Zeit, den Großeltern in einer E-Mail von der Untersuchung der Kinder beim Kinderarzt zu berichten. Ich schimpfe nicht, wenn Eliza ihr Milchglas auf den Teppich fallen lässt, kurz bevor wir uns auf den Weg in die Schule machen. Ich besitze die Ausdauer, herauszufinden, weshalb mein Computerbildschirm eingefroren ist. Und ich nehme mir die Zeit, mein Geschirr in den Geschirrspüler zu räumen.

Ich beschloss, sowohl den physischen als auch den mentalen Aspekt von Energie in Angriff zu nehmen.

Um meine physische Energie aufzubauen, musste ich dafür sorgen, dass ich genug Schlaf und Bewegung bekam. Obwohl ich bereits wusste, dass Schlaf und Bewegung für die Gesundheit unerlässlich sind, war ich überrascht, zu erfahren, dass das Glück – das einem als komplexes, erhabenes und unerreichbares Ziel erscheinen mag – durch diese einfachen Gewohnheiten stark beeinflusst wird.

Um meine mentale Energie zu erhöhen, musste ich meine Wohnung und mein Büro aufräumen, die bedrückend unordentlich und überfüllt waren. Ich hoffte, dass die äußere Ordnung inneren Frieden bescheren würde. Noch wichtiger war: Ich musste metaphorischen Ballast abwerfen; ich wollte Aufgaben von meiner To-do-Liste streichen und fügte einen letzten Vorsatz hinzu, der das Mentale mit dem Physischen verband. Studien sagen: Wenn Sie handeln, als würden Sie sich energiegeladen fühlen, können Sie energiegeladener werden. Ich war skeptisch, aber es schien einen Versuch wert zu sein.

Gehen Sie früher schlafen

Eine extravagante Freundin mit dem Hang zu stark verallgemeinernden Aussprüchen hatte mir erklärt: »Schlaf ist der neue Sex.« Und tatsächlich: Vor kurzem war ich auf einer Dinnerparty, bei der jeder der Gäste ausführlich das beste Nickerchen, das er je gehabt hatte, beschrieb, und zwar lasziv genau. Alle stöhnten voller Bewunderung.

Millionen von Menschen schaffen es nicht, die als ideal empfohlenen sieben bis acht Stunden Schlaf pro Nacht zu bekommen. Eine Studie zeigte auf, dass enge Geschäftstermine und ein schlechter nächtlicher Schlaf zu den wichtigsten Faktoren gehören, die die Stimmung des Menschen negativ beeinflussen. Eine weitere Studie belegte, dass eine Extra-Stunde Schlaf pro Nacht mehr zum täglichen Glücksempfinden eines Menschen beitragen würde als eine Lohnerhöhung von 60000 $. Der Durchschnittserwachsene schläft jedoch nur 6,9 Stunden unter der Woche und 7,9 Stunden am Wochenende – 20 Prozent weniger als um 1900. Obwohl sich die Menschen daran gewöhnen, müde zu sein, beeinträchtigt Schlafmangel das Gedächtnis, schwächt das Immunsystem, verlangsamt den Stoffwechsel und kann sogar laut gewissen Studien zur Gewichtszunahme führen.

Mein neuer, wenn auch nicht gerade überraschender Entschluss, mehr Schlaf zu bekommen, bestand darin, das Licht auszumachen. Nur allzu häufig blieb ich auf, um zu lesen, E-Mails zu beantworten, fernzusehen oder Rechnungen zu begleichen, statt zu Bett zu gehen.

Als ich nur wenige Tage nach Beginn meines Happiness-Projekts mehr oder weniger auf Elizas violetter Bettdecke einschlief, nachdem ich sie zu Bett gebracht hatte, zögerte ich kurz, als Jamie vorschlug, dass wir uns unsere neueste DVD »Der Dialog« anschauen könnten. Ich liebe Filme und verbringe gerne Zeit mit Jamie. Halb zehn war eigentlich noch viel zu früh, um ins Bett zu gehen. Aus Erfahrung wusste ich, dass ich aufbleiben würde, wenn ich erst mal vor dem Fernseher saß. Andererseits war ich todmüde.

Warum scheint es häufig anstrengender zu sein, ins Bett zu gehen, als aufzubleiben? Es liegt an der Trägheit, nehme ich an. Und an all den Dingen, die man vorher noch erledigen muss: Kontaktlinsen herausnehmen, Zähne putzen und Katzenwäsche machen. Doch ich hatte meinen Vorsatz gefasst, also steuerte ich entschlossen mein Bett an. Ich schlief acht Stunden durch und wachte bereits um 5.30 Uhr auf, eine Stunde früher als sonst. Also konnte ich mich nicht nur darüber freuen, gut geschlafen zu haben, sondern hatte jetzt auch die Chance, eine Menge wegzuschaffen, solange meine Familie noch im Bett war.

Ich bin eine echte Besserwisserin und freute mich deshalb, als mich meine Schwester ausnahmsweise anrief und über Schlaflosigkeit klagte. Denn auch wenn Elizabeth fünf Jahre jünger ist als ich, bin ich im Allgemeinen immer diejenige von uns beiden, die die andere um Rat fragt.

»Ich kann überhaupt nicht schlafen«, sagte sie. »Ich verzichte bereits auf Kaffee, aber es hilft nichts. Was kann ich sonst noch tun?«

»Vieles«, erwiderte ich, bereit, alle Tipps herunterzuleiern, auf die ich während meiner Recherche gestoßen war. »Erledige kurz vor dem Schlafengehen keine Arbeiten, die anstrengendes Denken erfordern. Sorg dafür, dass dein Schlafzimmer kühl ist. Mach ein paar Lockerungsübungen. Und – auch das ist wichtig, da Licht den Biorhythmus des Körpers durcheinanderbringt – sorg für gedämpftes Licht zur Schlafenszeit, zum Beispiel auch schon, wenn du im Bad bist. Achte auch darauf, dass dein Schlafzimmer richtig dunkel ist, wenn das Licht aus ist, wie in einem Hotelzimmer.«

»Glaubst du wirklich, das macht einen Unterschied?«, hakte sie nach.

»Alle Studien belegen, dass es so ist.«

Ich hatte all diese Schritte selbst erprobt und fand den letzten – das Schlafzimmer dunkel zu halten – erstaunlich schwierig.

»Was machst du denn da?«, hatte Jamie mich eines Nachts gefragt, als er mich dabei ertappte, wie ich verschiedene Gegenstände im Raum umstellte.

»Ich versuche, all die Gegenstände, die Licht abstrahlen, abzudecken«, erklärte ich. »Ich habe gelesen, dass sogar das schwache Licht eines Digitalweckers den Schlafzyklus stören kann, und hier drin sieht es aus wie im Labor eines irren Wissenschaftlers. Unsere BlackBerrys, der Computer, der Fernseher – alles blinkt oder schimmert in leuchtendem Grün.«

»Aha«, war alles, was er sagte, doch er half mir, ein paar Dinge auf dem Nachttisch so zu arrangieren, dass die Lichtquellen verhängt wurden. Diese Veränderungen schienen das Einschlafen tatsächlich zu erleichtern. Trotzdem hatte ich häufig schlaflose Nächte, wenn auch aus anderen Gründen: Ich wachte mitten in der Nacht auf – seltsamerweise oft um 3.18 Uhr – und konnte nicht wieder einschlafen. Für solche Nächte hatte ich ein paar andere Tricks parat. Ich atmete langsam und tief, bis ich nicht mehr konnte. Oder wenn mir alle möglichen Gedanken für eine To-do-Liste durch den Kopf gingen, schrieb ich alles nieder. Es ist auch erwiesen, dass eine zu geringe Blutversorgung der Extremitäten Schlaflosigkeit bewirken kann. Wenn also meine Füße kalt waren, zog ich Wollsocken an. Auch wenn das altmodisch sein mochte, es schien zu helfen.

Zwei meiner wirkungsvollsten Einschlafmethoden waren meine eigene Erfindung. Erstens versuchte ich, mich lange vor dem Schlafengehen fürs Bett fertigzumachen. Manchmal blieb ich nämlich deshalb so lange auf, weil ich – wie gesagt – zu müde war, meine Kontaktlinsen herauszunehmen – und die Brille aufzusetzen war so, als breite man die Decke über den Papageienkäfig. Außerdem redete ich mir ein, wenn ich mitten in der Nacht aufwachte: »Ich muss in zwei Minuten aufstehen.« Dann stellte ich mir vor, dass ich den Wecker zum Schweigen brachte und in zwei Minuten mit meiner Morgenroutine beginnen müsste. Häufig erschien mir diese Aussicht so ermüdend, dass ich wieder einschlief. Aber manchmal gab ich mich auch geschlagen und nahm eine Schlaftablette.

Nachdem ich ungefähr eine Woche lang mehr geschlafen hatte, spürte ich bereits einen Unterschied. Ich war morgens energiegeladener und fröhlicher im Umgang mit den Kindern. Nachmittags verspürte ich nicht das schmerzliche, unerfüllte Verlangen, ein Nickerchen zu machen. Morgens aus dem Bett zu kommen stellte von da an keine Tortur mehr dar. Es ist nämlich sehr viel angenehmer, ganz von selbst aufzuwachen, als durch einen schrillen Wecker aus dem Schlaf gerissen zu werden.

Trotz all dieser Vorteile sträubte ich mich nach wie vor dagegen, ins Bett zu gehen, sobald ich schläfrig wurde. Die letzten Stunden des Tages waren nämlich kostbar – wenn die Arbeit getan, Jamie zu Hause war, meine Töchter schliefen und ich etwas freie Zeit für mich selbst zur Verfügung hatte. Lediglich meine Liste mit Vorsätzen hielt mich davon ab, die meisten Abende bis Mitternacht aufzubleiben.

Treiben Sie mehr Sport

Es gibt verblüffend viele Beweise dafür, dass Bewegung gut ist. Menschen, die Sport treiben, sind unter anderem gesünder, denken klarer, schlafen besser und werden nicht so schnell dement. Regelmäßiger Sport treibt den Energiepegel hoch. Einige Menschen glauben zwar, Sport mache müde, doch Tatsache ist, dass es die Energie fördert, vor allem bei Menschen mit sitzenden Tätigkeiten – von denen es viele gibt. Eine kürzlich durchgeführte Untersuchung zeigte auf, dass 25 Prozent der Amerikaner keinerlei Sport treiben. Dauerhaft müde Personen, die drei Tage pro Woche 20 Minuten Sport trieben, und das sechs Wochen lang, waren energiegeladener.

Auch wenn Sie all diese Vorteile kennen, kann es Ihnen schwerfallen, sich von einer Couchpotato in einen Fitnessfreak zu verwandeln. Vor vielen Jahren war es mir tatsächlich gelungen, meine Faulheit zu überwinden und regelmäßig zu trainieren, doch es war nicht leicht gewesen. Von jeher war es mein größtes Vergnügen, im Bett zu liegen, zu lesen und dabei noch einen Snack zu mir zu nehmen.

Der Sinneswandel kam so zustande: Als ich auf der Highschool war, wollte ich mein Zimmer umgestalten und die stilisierte Blumentapete ersetzen, die meiner Ansicht nach für ein Erstsemester nicht mondän genug war. Ich schrieb meinen Eltern einen langen Brief, in dem ich ihnen meine Argumente darlegte. Mein Vater dachte über sie nach und meinte: »Gut, wir tapezieren dein Zimmer neu. Aber als Gegenleistung musst du viermal in der Woche 20 Minuten lang etwas Bestimmtes tun.«

»Was denn?«, fragte ich misstrauisch.

»Friss oder stirb. Es sind 20 Minuten. Das kann doch wohl nicht so schwer sein?«

»Okay, einverstanden«, stimmte ich zu. »Was muss ich also tun?«

Er antwortete: »Joggen.«

Mein Vater, ein begeisterter Läufer, schrieb mir nie vor, wie weit ich zu laufen hatte und wie schnell. Er kontrollierte nicht einmal, ob ich tatsächlich 20 Minuten gelaufen war. Er wollte lediglich, dass ich meine Laufschuhe anzog und die Tür hinter mir schloss. Der Deal mit meinem Vater sorgte dafür, dass ich mich auf regelmäßiges Joggen einließ, und sobald ich damit angefangen hatte, stellte ich fest, dass es mir nichts ausmachte, mich zu bewegen. Ich mochte nur keinen Sport.

Der Deal meines Vaters hätte sehr wohl ins Auge gehen können. Die extrinsische Motivation treibt den Menschen zum Handeln, um Belohnungen zu erhalten oder Bestrafungen zu entgehen. Die intrinsische Motivation bewirkt ein Handeln, das der eigenen Zufriedenheit dient. Studien zeigen auf: Wenn man Menschen für etwas belohnt, das sie getan haben, hören sie häufig auf, es mit Freude zu tun. Wenn sie dafür bezahlt werden, artet es in »Arbeit« aus. Eltern werden zum Beispiel davor gewarnt, ihre Kinder fürs Lesen zu belohnen – sie bringen den Kindern bei, wegen der Belohnung zu lesen, nicht aus Vergnügen. Da mein Vater mir einen äußeren Anreiz bot, riskierte er, den Wunsch, aus eigenem Antrieb zu trainieren, zu unterminieren. In meinem Fall bot er einen äußeren Anreiz, der meine eigene Motivationskraft freisetzte.

Seit mein Zimmer neu tapeziert war, jogge ich regelmäßig. Ich setze mich nie unter Druck, doch ich schaffe es trotzdem mehrmals pro Woche, den Fuß vor die Tür zu setzen. Viel später war ich lange Zeit der Meinung gewesen, dass ich Krafttraining machen sollte. Gewichtheben führt zum Aufbau von Muskelmasse, stärkt die Knochen, macht fit und – ich gestehe, das ist am Wichtigsten für mich – verbessert die Figur. Wer mit Gewichten trainiert, bekommt mehr Muskeln und setzt bei zunehmendem Alter weniger fett an. Im Lauf der Jahre habe ich ein paar Mal halbherzig versucht, Gewichte zu stemmen, habe es aber nie durchgehalten. Jetzt, da ich entschlossen war, »besser zu trainieren«, war es Zeit, die Sache ernsthaft anzugehen.

Es gibt einen passenden buddhistischen Ausspruch, den ich voll und ganz unterschreiben kann: »Wenn der Schüler bereit ist, tritt der Lehrer in Erscheinung.« Ein paar Tage nachdem ich meinen Vorsatz, »besser zu trainieren«, gefasst hatte, traf ich mich mit einer Freundin auf einen Kaffee. Sie erwähnte, dass sie in einem Fitnessstudio in meiner Nachbarschaft mit einem umfangreichen Krafttrainings-Programm begonnen hatte.

»Die Vorstellung, mit einem Trainer zu arbeiten, gefällt mir gar nicht«, wandte ich ein. »Ich würde mich befangen fühlen, und zudem ist es teuer. Ich will es selber machen.«

»Versuch’s«, drängte mich meine Freundin. »Ich versichere dir, es wird dir gefallen. Es ist eine supereffiziente Art zu trainieren. Das gesamte Training dauert nur zwanzig Minuten. Und« – sie legte eine dramatische Pause ein – »du schwitzt nicht. Du trainierst, ohne nachher unter die Dusche zu müssen.« Dies war ein starkes Argument.

»Aber«, fragte ich skeptisch, »wie kann es sein, dass ein gutes Training lediglich zwanzig Minuten dauert und man dabei noch nicht einmal schwitzt?«

»Du hebst Gewichte, bis du an die Grenze deiner Kraft gelangst. Du machst nicht viele Wiederholungen und absolvierst lediglich einen Satz. Glaub mir, es funktioniert. Ich liebe es.«

 

Daniel Gilbert führt in seinem Werk »Ins Glück stolpern: Suche dein Glück nicht, dann findet es dich von selbst« an, dass die effektivste Art und Weise zu beurteilen, ob eine bestimmte Handlungsweise Sie in Zukunft glücklich machen wird, darin besteht, die Menschen, die gerade so handeln, zu fragen, ob sie glücklich sind, und davon auszugehen, dass Sie genauso wie sie empfinden werden. Laut seiner Theorie war die Tatsache, dass meine Freundin von diesem Fitnesstraining schwärmte, ein recht guter Indikator, dass ich ebenfalls begeistert sein würde. Ich erinnerte mich daran, dass eines meiner Geheimnisse des Erwachsenseins lautete: »Die meisten Entscheidungen bedürfen keiner ausgiebigen Recherche.«

Ich vereinbarte einen Termin für den nächsten Tag, und als ich das Studio verließ, war ich eine Bekehrte. Mein Trainer war großartig und die Atmosphäre im Fitnessstudio angenehmer als in den meisten anderen – keine Musik, keine Spiegel, keine Menschenmenge und kein Warten. Auf dem Weg nach draußen buchte ich mit meiner Kreditkarte die erforderlichen 24 Sitzungen, um die Ermäßigung zu erhalten, und innerhalb eines Monats hatte ich Jamie und meine Schwiegermutter Judy dazu überredet, ebenfalls dieses Fitnessstudio zu besuchen. Der einzige Nachteil: Es war teuer.

»Es ist ein Vermögen für zwanzig Minuten Training«, bemerkte ich.

»Hättest du denn lieber ein längeres Training für dein Geld?«, fragte Jamie. »Wir geben mehr Geld dafür aus, ein kürzeres Training zu bekommen.« Gut argumentiert.

Ich wollte nicht nur das Krafttraining intensivieren, sondern auch wieder mehr walken. Studien zeigen, dass wiederholtes Walken die körperliche Entspannung fördert und zum Stressabbau beiträgt. Selbst ein schneller zehnminütiger Spaziergang bewirkt einen sofortigen Energieschub und hebt die Stimmung – Bewegung ist tatsächlich auch eine effiziente Art und Weise, Angst abzubauen. Ich habe ebenfalls gelesen, dass man, um seine Gesundheit zu erhalten, täglich mindestens 10000 Schritte gehen sollte – eine Zahl, die angeblich die meisten Menschen auch davor bewahrt, an Gewicht zuzulegen.

Da ich in New York lebe, hatte ich eigentlich das Gefühl, jeden Tag zig Meilen zurückzulegen. Aber tat ich das wirklich? Ich kaufte für 20 $ einen Schrittzähler. Ich trug ihn eine Woche lang an meinem Gürtel und stellte fest, dass ich an den Tagen, an denen ich viel auf den Füßen war – wenn ich zum Beispiel Eliza zu Fuß zur Schule brachte und ins Fitnessstudio ging – leicht 10000 Schritte zurücklegte. An den Tagen, an denen ich überwiegend zu Hause war, schaffte ich kaum 3000. Nach und nach entwickelte ich ein stärkeres Bewusstsein für meine Alltagsgewohnheiten. Allein die Tatsache, einen Schrittzähler zu besitzen, bewog mich, mehr zu Fuß zu erledigen. Denn eine meiner schlechtesten Eigenschaften ist mein unersättliches Bedürfnis nach Anerkennung; ich lechze ständig nach Lob. In jenem besonderen Fall hatte diese an sich negative Eigenschaft aber einen Vorteil: Da der Schrittzähler registrierte, wenn ich mich besonders angestrengt hatte, war ich motivierter, noch mehr zu Fuß zu gehen. Eines Morgens wollte ich zum Beispiel mit der U-Bahn zu meinem Zahnarzt fahren. Als ich zur Tür hinausging, überlegte ich jedoch: »Wenn ich den Weg zu Fuß zurücklege, benötige ich genauso viel Zeit, und ich erhalte zusätzlich eine Belohnung für die zurückgelegten Schritte!« Außerdem, denke ich, profitierte ich vom »Hawthorne-Effekt«, der besagt, dass die Leistung des Menschen steigt, wie Studien gezeigt haben, wenn ihm mehr Aufmerksamkeit und Beachtung zuteil wird. In diesem Fall war ich das Versuchskaninchen meines eigenen Experiments.

Das Gehen hatte noch einen weiteren Vorteil: Es half mir beim Denken. Nietzsche schrieb: »Alle wahrhaft großen Gedanken entstehen beim Gehen«, und seine Beobachtung wird von der Wissenschaft untermauert: Durch Bewegung ausgelöste Gehirnchemikalien helfen dem Menschen, klar zu denken. Allein der Gang ins Freie begünstigt das Denken und fördert die Energiezufuhr. Lichtentzug ist einer der Gründe, weshalb Menschen sich müde fühlen; nur fünf Minuten Tageslicht kurbeln bereits die Produktion von Serotonin und Dopamin an, Gehirnchemikalien, die als Stimmungsaufheller fungieren. Früher hatte ich viele Male voller Schuldgefühle meinen Schreibtisch verlassen, um eine Pause zu machen. Doch während ich einen Rundgang um den Block machte, hatte ich nützliche Erkenntnisse gewonnen, die mir ansonsten entgangen wären.

Befreien Sie sich von Ballast und machen Sie klar Schiff

Unordnung im Haushalt raubte mir ständig Energie. In dem Moment, in dem ich die Wohnung betrat, hatte ich das Gefühl, ich müsste sofort Kleidungsstücke in den Wäschekorb stopfen und herumliegende Spielsachen einsammeln. Doch ich war bei meinem Kampf gegen das Chaos nicht allein. Als Zeichen dafür, dass die Menschen wirklich nicht wissen, wohin mit ihren Sachen, hat sich landesweit die Zahl der Aufbewahrmöglichkeiten in einem Jahrzehnt praktisch verdoppelt. Eine Untersuchung ergab, dass die Beseitigung von überflüssigen Sachen in der Durchschnittsfamilie die Hausarbeit um 40 Prozent verringern würde.

Es schien etwas kleinkariert zu sein, den ersten Monat meines Happiness-Projekts dazu zu nutzen, das Chaos in Angriff zu nehmen. Als ob die höchste Priorität in meinem Leben darin bestünde, meine Sockenschublade aufzuräumen! Doch ich sehnte mich nach einem Leben voller Ordnung und Heiterkeit – was, ins wirkliche Leben übertragen, bedeutete, dass die Mäntel im Schrank hingen und immer genügend Küchenpapierrollen vorrätig waren.

Ich fühlte mich auch erschlagen von dem unsichtbaren, aber im Grunde noch nervigeren psychischen Müll, dass heißt von all den unerledigten Aufgaben. Ich besaß eine lange Liste mit vernachlässigten Aufgaben, die Schuldgefühle in mir erweckten, wann immer ich an sie dachte, und die mich letztendlich lähmten. Ich musste auch den Schutt in meinem Kopf beseitigen.

Ich beschloss, die augenscheinliche Unordnung zuerst in Angriff zu nehmen, und machte dabei eine überraschende Entdeckung: Die Psychologen und die Sozialwissenschaftler, die nach dem Glück forschen, erwähnen mit keinem Wort die Unordnung. Sie erwähnen sie nie bei ihren Beschreibungen der Faktoren, die zum Glücksgefühl beitragen, oder in ihren Strategielisten zur Förderung des Glücks. Auch die Philosophen ignorieren sie, obwohl Samuel Johnson, der zu allem eine Meinung hatte, bemerkte: »Kein Geld wird besser verwendet als das, das für die häusliche Zufriedenheit aufgewendet wird.«

Doch als ich mich der Populärkultur zuwandte, entdeckte ich jede Menge Diskussionen über die Beseitigung von Unordnung. Was auch immer die Glücksforscher erforschen mögen, die Durchschnittsmenschen sind davon überzeugt, dass die Beseitigung von Unordnung ihr Glück fördert – und sie wenden Geld für die häusliche Zufriedenheit auf, indem sie die Zeitschrift »Real Simple« kaufen, einen Blog über Beseitigung von Unordnung lesen, einen Lagerraum mieten und als Amateure Feng Shui praktizieren. Offensichtlich glauben außer mir noch andere Menschen, dass ihre äußere Umgebung ihr spirituelles Glück beeinflusst.

Ich schritt in unserer Wohnung auf und ab, um einzuschätzen, vor welche Herausforderung mich diese Aktion, die Unordnung zu beseitigen, stellen würde. Als ich genau hinschaute, war ich erstaunt, wie viel unnützes Zeug sich angesammelt hatte, ohne dass ich es bemerkt hatte. Unsere Wohnung war hell und freundlich, aber über allem lag ein Hauch von Unordnung.

Als ich zum Beispiel das große Schlafzimmer betrachtete, war ich bestürzt. Das weiche Grün der Wände und das Rosen-Blätter-Muster des Bettes und der Vorhänge wirkten einladend, aber auf dem Couchtisch und in der Ecke auf dem Boden stapelten sich Papiere. Überall türmten sich Bücher. CDs, DVDs, Kabel, Ladegeräte, Münzen, Kragenstützen, Visitenkarten und Gebrauchsanleitungen waren wie Konfetti über den Raum verteilt. Gegenstände, die entsorgt werden mussten, Gegenstände, die eigentlich keinen Platz hatten, unidentifizierte herumliegende Dinge – sie alle mussten weggeräumt, weggeworfen oder weggegeben werden.

Als ich die umfangreiche Arbeit betrachtete, die vor mir lag, beschwor ich mein Zehntes Gebot: »Tu, was getan werden muss.« Dieses Gebot vereinigte in einem Prinzip alle möglichen Ratschläge, die meine Mutter mir im Lauf der Jahre erteilt hatte. Denn generell fühle ich mich von umfangreichen Aufgaben schnell überfordert und verspüre dann oft den Drang, mir das Leben zu erleichtern, indem ich den einfachsten Weg wähle. Zum Beispiel sind wir vor kurzem umgezogen. Vorher geriet ich bei dem Gedanken, was alles erledigt werden musste, in Panik. An welche Umzugsgesellschaft sollten wir uns wenden? Wo konnten wir Umzugskisten kaufen? Wie würden unsere Möbel in den winzigen Aufzug unseres neuen Wohnblocks passen? Ich war wie gelähmt. In der für sie typisch sachlichen, gelassenen Art erinnerte meine Mutter mich daran, dass ich das tun sollte, was zu tun war.

»Es wird gar nicht so schlimm werden«, sagte sie beruhigend, als ich sie anrief, um von ihr ein paar aufmunternde Worte zu hören. »Stell eine Liste auf, erledige jeden Tag ein paar Dinge und bleib ruhig.« Egal, ob ich mein Juraexamen ablegte, Dankeskarten schrieb, ein Kind bekam, unsere Teppiche reinigte oder eine Unzahl von Fußnoten überprüfte, als ich meine Biographie über Winston Churchill schrieb: Meine Mutter gab mir immer das Gefühl, dass es nichts gab, was ich nicht schaffen konnte, wenn ich tat, was getan werden musste – eines nach dem anderen.

Meine Einschätzung unserer Wohnung ergab, dass das unnütze Zeug in verschiedene Kategorien eingeteilt werden konnte. Da war zuerst der nostalgische Krimskrams, der aus Erinnerungsstücken meiner Kindheit und Jugend bestand. Im Geiste notierte ich mir, dass ich die riesige Schachtel mit Unterlagen zu einem Seminarvortrag, den ich vor Jahren an der Uni gehalten hatte, nicht mehr aufzubewahren brauchte.

Als Zweites kam der Krimskrams, den man unnötigerweise aufbewahrt, Dinge, die ich behielt, weil sie nützlich waren – auch wenn ich sie gar nie benutzte. Oder warum nur bewahrte ich dreiundzwanzig Glasvasen auf?

Eine Art Unordnung, die ich in den Wohnungen anderer entdeckte, die mich selbst jedoch nicht betraf, war die Ansammlung von Schnäppchenkäufen, also Unordnung, die durch den Erwerb unnötiger Dinge entstand, die man kaufte, weil sie zu einem Schleuderpreis angeboten wurden. Ich persönlich litt unter dem Gratisgeschenk-Krimskrams – den Geschenken, Erbstücken und Werbegeschenken, die wir nicht benötigten. Vor kurzem erwähnte meine Schwiegermutter, dass sie eine ihrer Tischlampen loswerden wolle, und sie fragte, ob wir sie haben wollten.

»Aber ja«, erwiderte ich automatisch, »es ist eine hübsche Lampe.« Doch ein paar Tage später dachte ich noch mal darüber nach. Der Lampenschirm passte nicht, auch die Farbe nicht, und wir hatten eigentlich wirklich keinen Platz dafür. Später schickte ich ihr eine E-Mail: »Wir brauchen die Lampe doch nicht, aber trotzdem vielen Dank.« In letzter Sekunde hatte ich vermieden, dass unsere Gratis-Geschenke-Unordnung noch wuchs.

Ich hatte auch ein Problem mit Dingen, an die ich mich klammerte. Ich benutzte sie, wusste aber, dass ich es nicht sollte: zum Beispiel mein grauenhaftes grünes Sweatshirt (ich hatte es vor über zehn Jahren im Secondhandladen gekauft), meine acht Jahre alte Unterwäsche mit Löchern und den ausgefransten Rändern. Diese Art von Zeug brachte meine Mutter um den Verstand.

»Warum willst du das tragen?«, fragte sie mich. Sie selbst war immer tadellos gekleidet, während es mir schwerfiel, nicht immer verbeulte Yogahosen und schäbige weiße T-Shirts zu tragen.

Besonders bedrückte mich die Gute-Absicht-Unordnung – Dinge, die ich besaß, aber bei denen ich nur vorhatte, sie zu benutzen: die Leimpistole, mit der ich nie zurechtkam, das silberne Vorlegebesteck, das wir seit der Hochzeit nicht mehr benutzt hatten, und meine beigen Pumps mit den superhohen Absätzen.

Die Kehrseite der Gute-Absicht-Unordnung ist der überholte Krimskrams. In einer Schublade entdeckte ich einen riesigen Stapel von Plastik-Foto-Schachteln. Ich habe sie jahrelang benutzt, doch obwohl ich heute richtige Bilderrahmen bevorzuge, hatte ich mich von der Plastikversion nicht trennen können.

Am unangenehmsten fand ich den gekauften, aberbereuten Krimskrams. Dinge, an denen ich festhielt, bis sie sich durch das Aufbewahren in einem Schrank oder auf einem Regal »abgenutzt« hatten, statt zuzugeben, dass ich einen Fehlkauf getätigt hatte. Zum Beispiel die Segeltuchtasche, die ich vor zwei Jahren gekauft und nur einmal benutzt hatte, oder die unpraktische weiße Hose.

 

Nachdem ich den Zustand unserer Wohnung eingeschätzt hatte, begab ich mich umgehend zum Zentrum meiner Unordnung: zu meinem eigenen Schrank. Noch nie war ich begabt darin, meine Kleidungsstücke ordnungsgemäß zusammenzufalten. Also türmten sich die Shirts und Pullover kreuz und quer im Schrank. Zu viele Kleidungsstücke hingen auf der Kleiderstange, also musste ich mir erst einen Weg durch die Masse an Kleidung bahnen, um alles herausnehmen zu können. Teile von Socken und T-Shirts quollen aus den Schubladen, die ich mit Gewalt zugedrückt hatte. Ich würde hier anfangen, Ordnung in mein Chaos zu bringen. Ich konnte mich voll und ganz darauf konzentrieren, da Jamie an diesem Tag mit den Mädchen seine Eltern besuchte. Sobald sich die Aufzugstür hinter ihnen geschlossen hatte, stürzte ich mich in die Arbeit.

Ich hatte gelesen, ich sollte mir eine extra Kleiderstange und Aufbewahrungsboxen, die unters Bett passen, oder Bügel zulegen, die vier paar Hosen auf einmal fassen. Doch für mich gab es nur eine einzige effiziente Beseitigung der Unordnung: Müllsäcke. Ich stellte einen für die Kleidungsstücke bereit, die weggegeben werden, und einen für die, die weggeworfen werden sollten, und machte mich ans Aussortieren.

Zuerst entledigte ich mich der Kleidungsstücke, die niemand mehr tragen sollte. Goodbye, ihr sackartigen Yogahosen. Dann griff ich nach den Dingen, von denen ich wusste, dass ich sie nicht mehr tragen würde. Goodbye, grauer Pullover, der kaum mehr meinen Bauchnabel bedeckte.

Dann wurde das Aussortieren schwieriger. Ich mochte diese braune Hose, hatte aber keine Ahnung, welche Schuhe ich dazu tragen sollte. Ich mochte jenes Kleid, wusste aber nicht, wann ich es tragen sollte. Ich zwang mich, mir die Zeit zu nehmen, mir jedes Kleidungsstück getragen vorzustellen. Wenn dies nicht funktionierte, sortierte ich es aus. Ich fing an, meine eigenen Tricks zu bemerken. Wenn ich zu mir sagte: »Das würde ich tragen«, meinte ich damit, dass ich es in Wahrheit nicht tragen würde. »Ich habe es getragen«, bedeutete, dass ich das Kleidungsstück gerade zweimal in fünf Jahren getragen hatte. »Dies könnte ich tragen«, bedeutete, dass ich es nie getragen hatte und nie tragen würde.

Als ich mit dem Schrank fertig war, ging ich nochmals alles durch. Anschließend hatte ich vier Müllsäcke voller Kleidungsstücke und konnte große Teile der Hinterwand meines Schranks erkennen. Ich war nicht mehr erschöpft, sondern hocherfreut. Ich würde jetzt nicht länger mit meinen Fehlern konfrontiert werden! Ich musste nicht mehr vergeblich nach einer bestimmten weißen Bluse suchen!

Nachdem ich ein bisschen Platz geschaffen hatte, wollte ich noch mehr davon. Ich versuchte jeden Trick, der mir einfiel. Warum hatte ich an dreißig Extra-Bügeln festgehalten? Ich behielt nur noch ein paar, was mir unerwartet viel Raum verschaffte. Ich sortierte ein paar Einkaufstaschen aus, die ich jahrelang aus irgendeinem unerklärlichen Grund aufbewahrt hatte. Eigentlich hatte ich mich nur mit den Kleidungsstücken beschäftigen wollen, die auf den Bügeln hingen. Aber da ich voller Energie war, machte ich mich auch über meine Socken- und T-Shirt-Schubladen her. Ich leerte jede Schublade und legte lediglich die Socken oder Shirts zurück, die ich auch wirklich trug.

Ich freute mich wie eine Schneekönigin, als ich meinen geräumigen Schrank betrachtete. So viel Platz stand mir nun zur Verfügung. Und ich hatte keine Schuldgefühle mehr. Am nächsten Tag plante ich einen weiteren Treffer.

»Heute Abend unternehmen wir etwas total Lustiges«, verkündete ich Jamie mit heller Stimme, als er sich im Fernsehen die Sportnachrichten anschaute.

»Und was?«, fragte er, sofort misstrauisch geworden. In der Hand hielt er die Fernbedienung betont auffallend.

»Wir sortieren unseren Schrank und unsere Schubladen aus.«

»Oh. Na ja, okay«, erwiderte er zustimmend. Seine Reaktion hätte mich eigentlich nicht überraschen dürfen, denn Jamie liebt Ordnung. Er schaltete den Fernseher aus.

»Aber wir werden nicht viel aussortieren«, warnte er mich. »Die meisten Sachen trage ich nämlich regelmäßig.«

»Ja, natürlich«, erwiderte ich honigsüß. Wir werden dann schon weitersehen, dachte ich bei mir.