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Es war Rebeccas Tante, die wir besuchen wollten. Und es war Rebecca, die mir den ganzen Weg von New Orleans vorgeschwärmt hatte, wie toll es doch an der Westküste sei und wir dort endlich einmal ein paar ruhige und entspannte Urlaubstage verbringen würden. Dabei war sie selbst noch nie hier gewesen. Allerdings musste ich zugeben, dass wir uns so etwas wie eine Auszeit verdient hatten. Nach den Ereignissen in New York und New Orleans sehnte auch ich mich geradezu danach, einfach nur mal in Ruhe gelassen zu werden. Keine Dämonen, die mir nach dem Leben trachteten. Keine Fallen, die man mir stellte. Und keine Rebecca, der ich immer wieder aus der Patsche helfen musste ... Das ist zumindest der Plan. Doch einmal mehr müssen sich Coco und ihre Freundin Rebecca der Realität stellen. Als Angehörige der Schwarzen Familie ist es ihnen nicht vergönnt, wie normale Menschen zu leben. Und sie geraten an einen unerbittlichen Feind, der die Jagd auf sie eröffnet!
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Seitenzahl: 131
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Was bisher geschah
BLACKWATER BAY
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
mystery-press
Vorschau
Impressum
Coco Zamis ist das jüngste von insgesamt sieben Kindern der Eltern Michael und Thekla Zamis, die in einer Villa im mondänen Wiener Stadtteil Hietzing leben. Schon früh spürt Coco, dass dem Einfluss und der hohen gesellschaftlichen Stellung ihrer Familie ein dunkles Geheimnis zugrundeliegt.
Die Zamis sind Teil der Schwarzen Familie, eines Zusammenschlusses von Vampiren, Werwölfen, Ghoulen und anderen unheimlichen Geschöpfen, die zumeist in Tarngestalt unter den Menschen leben. Die grausamen Rituale der Dämonen verabscheuend, versucht Coco den Menschen, die in die Fänge der Schwarzen Familie geraten, zu helfen. Ihr Vater sieht mit Entsetzen, wie sie den Ruf der Zamis-Sippe zu ruinieren droht. So lernt sie während der Ausbildung auf dem Schloss ihres Patenonkels ihre erste große Liebe Rupert Schwinger kennen. Auf einem Sabbat soll Coco zur echten Hexe geweiht werden. Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie der Dämonen, hält um Cocos Hand an, doch sie lehnt ab. Asmodi kocht vor Wut und verwandelt Rupert Schwinger in ein Ungeheuer.
In den folgenden Jahren lässt das Oberhaupt keine Gelegenheit aus, gegen die Zamis-Sippe zu intrigieren. So verlangt Asmodi von Coco, einen gewissen Dorian Hunter für ihn töten. Es gelingt Coco, Dorian zu becircen – doch anstatt den Auftrag sofort auszuführen, verliebt sie sich in ihn. Zur Strafe verwandelt Asmodi Dorian Hunter in einen seelenlosen Zombie, der fortan als Hüter des Hauses in der Villa Zamis sein Dasein fristet.
In Wien übernimmt Coco ein geheimnisvolles Café. Sie beschließt, es als neutralen Ort zu etablieren, in dem Menschen und Dämonen gleichermaßen einkehren. Zugleich stellt Coco fest, dass sie von Dorian Hunter schwanger ist. Coco, Michael und Toth bitten Asmodi um Hilfe gegen die Todesboten, müssen dafür jedoch das für sie jeweils Wertvollste als Pfand hinterlegen. So wird Coco ihr Ungeborenes genommen.
Mit Hilfe von Cocos Bruder Volkart gelingt es, die Todesboten zu besiegen. Doch Asmodi gibt den Fötus zunächst nicht wieder her. Mit Hilfe ihres neuen Liebhabers Damon Chacal gelingt es Coco schließlich, das Kind zu finden und es im Totenreich zu verstecken. Danach trennt sie sich wieder von Chacal, wird jedoch bald von Albträumen heimgesucht – als sie einen Anruf von ihrer Freundin Rebecca erhält. Diese lädt Coco nach New York ein ...
Doch die schwangere Rebecca steht unter dem Einfluss der dämonischen Vanderbuilds. Als Coco bei der Voodoo-Priesterin Mama Wédo um Hilfe ersucht, fährt diese in Rebecca ... Coco kann nicht verhindern, dass das Kind im Dakota Building zur Welt kommt. Es entpuppt sich als missgestalteter Dämon mit gewaltigen Kräften. Coco hilft Mama Wédo, die von ihr verhassten Vanderbuilds und das Dämonenkind zu töten. Dafür gibt Mama Wédo Rebeccas Körper wieder frei. Auf einer Reise durch die USA wollen sich Coco und Rebecca von den Strapazen erholen. Zudem hat Rebecca eine Einladung ihrer verschollen geglaubten Tante Elvira erreicht ...
BLACKWATER BAY
von Logan Dee
»Bist du dir auch wirklich ganz sicher, dass wir hier richtig sind?«, fragte ich zweifelnd.
Die Küstenstraße entlang des Pazifiks führte weiter geradeaus. Nur ein schmaler, steiler Pfad schlängelte sich links noch weiter hinunter zur Küste.
»Woher soll ich das wissen? Schließlich war ich auch noch nie hier«, antwortete Rebecca trotzig.
»Immerhin warst du es, die nach Blackwater Bay wollte, um deine Tante Elvira zu besuchen«, erinnerte ich sie.
Bevor der Zickenkrieg weiter ausartete, fuhr ich unser Wohnmobil an den Straßenrand. Seit zwei Monaten waren wir nun schon unterwegs und kreuz und quer durch die USA gefahren. Den schicken Lamborghini hatten wir bereits nach einer Woche gegen das weitaus geräumigere Wohnmobil eingetauscht. Und Rebecca hatte die Zeit genutzt, ihre vernichtete Fledermausarmee mit neuen Rekruten aufzubauen.
»Was hast du jetzt vor? Willst du hier übernachten? Mitten in der Pampa?«
»Nein, aber ich glaube, wir müssen den Pfad da runterfahren!«
Allerdings hatte ich keine Lust, im Nirgendwo zu landen und das Wohnmobil hinterher nicht mehr gewendet zu bekommen.
Ich stieg aus, lief über die Straße, und erklomm auf der anderen Seite einen Straßendamm. Von dort oben hatte ich einen fantastischen Ausblick auf den Pazifik, dessen weiße Schaumkronen in der Abendsonne glitzerten. Von einer Stadt war jedoch weit und breit nichts zu sehen. Noch nicht einmal von einem Städtchen. Nur eine Ansammlung von wenigen Hütten, die in der Ferne ihr Dasein fristeten.
»Das muss es sein!«, jubelte Rebecca.
Fast lautlos war sie mir gefolgt und stand nun an meiner Seite.
»Was? Du hast mir was von einer kleinen, blühenden Hafenstadt erzählt ...«
»Ja, aber Tante Elvira wohnt etwas außerhalb. In einem der Häuser dort unten.«
»Du meinst Hütten.«
»Jedenfalls sind wir endlich am Ziel.«
»Sofern wir eine Möglichkeit finden, wie wir das Wohnmobil da runterkriegen. Ich kann zwar zaubern, aber keine Wunder vollbringen.«
»Wir lassen ihn einfach hier stehen und gehen zu Fuß weiter«, sagte Rebecca und begann bereits, den Damm auf der anderen Seite hinunterzusteigen.
Wohl oder übel folgte ich ihr. Ich war auf dieser Exkursion im wahrsten Sinne des Wortes nur Mitläufer. Es war Rebeccas Tante, die wir besuchen wollten. Und es war Rebecca, die mir den ganzen Weg von New Orleans vorgeschwärmt hatte, wie toll es doch an der Westküste sei und wir dort endlich einmal ein paar ruhige und entspannte Urlaubstage verbringen würden. Dabei war sie selbst noch nie hier gewesen. Vielleicht hatte ihre Tante ihr den Floh ins Ohr gesetzt.
Allerdings musste ich zugeben, dass wir uns so etwas wie eine Auszeit verdient hatten. Nach den Ereignissen in New York und New Orleans sehnte auch ich mich geradezu danach, einfach nur mal in Ruhe gelassen zu werden. Keine Dämonen, die mir nach dem Leben trachteten. Keine Fallen, die man mir stellte. Und keine Rebecca, der ich immer wieder aus der Patsche helfen musste.
Meine Freundin war regelrecht aufgeblüht, und mit jeder Meile, die wir uns dem Ziel näherten, wurde sie wieder ganz die alte Rebecca. Und kein fremdbestimmter Trauerkloß. Vielleicht war sie auch nur eine Meisterin im Verdrängen.
Sie sprang vor mir her, als gelte es, ein Wettrennen zu gewinnen.
Rechts und links des Pfades erhoben sich Dünen. Der Pfad verengte sich noch mehr und wurde steiniger. Es war eine richtige Entscheidung gewesen, das Wohnmobil oben auf der Straße zu lassen.
Nach einer Weile ging die Schotterpiste immer mehr in Sand über, und schließlich hatten wir den menschenleeren Strand erreicht, den die untergehende Sonne blutrot färbte.
»Ist das nicht herrlich hier!«, jubelte Rebecca, zog sich die Schuhe aus und lief barfuß weiter. Ich warf alle Skepsis über Bord und ließ mich von ihrer guten Laune anstecken.
Die Häuser waren noch gut einen Kilometer weit entfernt. Vom Strand aus waren sie gut zu sehen, weil sie auf den Dünen standen.
Wir liefen am Wasser entlang, während es allmählich zu dunkeln begann. Vielleicht auch deshalb hatte Rebecca so gute Laune. Die Nacht war nun mal ihre bevorzugte Tageszeit.
Nach zwanzig Minuten hatten wir unser Ziel fast erreicht. Wir mussten nur noch einen Sandpfad bergauf erklimmen, dann standen wir vor Tante Elviras Haus.
Es war aus Holz erbaut und winzig. Der weiße Anstrich blätterte an allen Stellen ab. Die Fensterläden waren geschlossen. Einer schlug plötzlich auf und mit lautem Knall wieder zu.
Unwillkürlich war ich zusammengezuckt. Rebecca lachte. »Das war Tante Rebeccas Willkommensgruß. Schließlich ist sie eine Hexe, genau wie du.«
»Das war, glaube ich, nur der Wind«, antwortete ich. »Ich glaube kaum, dass in dieser Bruchbude noch jemand haust.«
»Ja, du hast recht. Irgendwie sieht es recht unbewohnt aus.«
Ein leichter Wind kam auf und brachte mehrere Glockenspiele zum Klingen, die auf der Veranda hingen. Ihr disharmonischer Klang löste eine Gänsehaut bei mir aus. Das waren keine normalen Windspiele. Ich spürte die schwarzmagischen Schwingungen, die davon ausgingen. Auch Rebecca schlug fröstelnd die Arme zusammen.
»Vielleicht ist Tante Elvira ja auch verreist. Die Glockenspiele verschrecken jedenfalls jeden möglichen Einbrecher.«
Während unserer Fahrt von New Orleans hierher hatte Rebecca mehrmals versucht, mit ihrer Tante Kontakt aufzunehmen, um unsere Ankunft anzukündigen. Sogar ein altmodisches Telegramm hatte sie versendet und ihre Handynummer darauf angegeben, aber keine Antwort darauf erhalten. Außerdem hatte sie eine ihrer Fledermäuse vorausgeschickt, aber das Geschöpf war seit einigen Tagen verschollen. Rebecca hatte keinen Kontakt mehr zu ihm.
Ich hatte unterdessen die Veranda betreten und schaute mich um. Dabei hütete ich mich, den merkwürdigen Windspielen zu nahe zu kommen. Offensichtlich hatte die Hexe sie aus Gräten, Federn, Knochen, Haifischzähnen und anderen seltsamen Dingen arrangiert. Zwischen ihnen hingen die seltsamen Glöckchen. Sie waren kunstvoll geschmiedet und hatten die Formen von Katzen, Eseln und äußerst merkwürdigen Tieren.
Rebecca huschte an mir vorbei zur Tür. Dabei achtete auch sie darauf, den Windspielen nicht zu nahe zu kommen.
Eine Klingel gab es nicht, also pochte sie an die Tür. »Tante Elvira? Ich bin's, Rebecca!«
Da sich nichts tat, drückte sie die Klinge herunter. Die Tür war abgeschlossen.
»Soll ich es mal versuchen?«, fragte ich. Schließlich war es eine meiner leichtesten Übungen, Türschlösser zu knacken.
»Bitte gern.« Rebecca trat zur Seite. Ich berührte die Klinke und wirkte einen Entsiegelungszauber. Die Tür schwang von allein auf. Muffige, abgestandene Luft schlug mir entgegen. Ein paar Kakerlaken suchten schnell das Weite.
Ich zögerte, über die Schwelle zu treten. Rebecca wollte an mir vorbei, aber ich hielt sie auf.
»Warte noch einen Moment«, sagte ich.
»Warum? Hast du Angst?«
»Nein, aber ich will auf Nummer sicher gehen, dass uns keine böse Überraschung erwartet.«
Im nächsten Moment ertönte aus dem Innern ein Fauchen. Ein schwarzer Schatten sprang mit gebleckten Zähnen und ausgefahrenen Klauen auf uns zu. Mitten in der Luft verharrte er plötzlich, als würde er von unsichtbaren Händen gehalten.
Es war eine Katze! Offensichtlich hatte sie an uns vorbei ins Freie flüchten wollen. Blitze zuckten auf das arme Tier ein. Es kreischte, als es förmlich gebraten wurde.
Rasch wirkte ich einen Gegenzauber. Die Blitze fielen in sich zusammen. Die Katze fiel zu Boden und flüchtete humpelnd ins Freie. Ich konnte nur hoffen, dass sie nicht zu sehr verletzt war.
»Ein Glück, da hast du den richtigen Riecher gehabt«, sagte Rebecca. »Offensichtlich hat Tante Elvira dafür gesorgt, dass hier niemand einbricht.«
»Das war eine magische Falle. Allerdings hätte sie jeden bei lebendigem Leib geröstet, der versucht hätte, hier einzutreten.« Es roch noch immer nach verbranntem Katzenfell.
»Ja, Tante Elvira scheint ziemlich schräg zu sein.«
Ich war mir noch immer nicht im Klaren, was ich davon halten sollte. Natürlich sicherte jeder Dämon sein Refugium ab. Auch in der Villa meiner Eltern war ich mit magischen Fallen aufgewachsen, und noch immer galt die Villa als der gesichertste Ort in Wien. Trotzdem gab es Grenzen. Fallen waren in der Regel nur für die bestimmt, die sehr wohl wussten, auf was sie sich einließen, wenn sie versuchten einzudringen. In diesem Fall war es jedoch so, dass es jeden hätte treffen können.
Da ich nach wie vor schwieg, schaute mich Rebecca zweifelnd an. »Was meinst du, können wir es wagen?«
»Ich glaube schon. Ich habe die magische Falle zerstört. Aber es würde mich nicht wundern, wenn es im Haus noch weitere gibt.«
Vorsichtig trat ich ein. Da die Fensterläden geschlossen waren, entzündete ich ein Hexenlicht. Die bläuliche Flamme tanzte vor mir her. Ich befand mich in einer Art Wunderkammer. Es handelte sich zweifelsohne um die Werkstatt einer Hexe. Überall standen Flaschen und Gefäße mit stinkenden Flüssigkeiten, duftenden Salben, seltsamen Kräutern und sonstigen Ingredienzien wie Hahnenfüße, Fledermausflügel oder Haarbüschel herum. Für alles, was man zum Hexen brauchte, schien Tante Elvira ein Mittelchen zu haben. Und das geeignete Werkzeug stand auch parat: Tiegel, Stövchen, Messer ... In einem Regal standen etliche Zauberbücher. Einige Titel kannte ich noch aus meiner eigenen Lehrzeit auf Schloss Behemoth.
Aber auch für die aktuelle Klatschpresse schien sich Tante Elvira zu interessieren. Stapelweise lagen Magazine herum, die sich mit der Glamourwelt der Reichen und Schönen beschäftigte. Man merkte, dass Hollywood nicht weit entfernt lag.
Auch hatte ich noch in keinem Hexenhaushalt ein solches Sammelsurium an Glaskugeln gesehen. Es gab sie in allen Größen und Farben.
»Puh, stinkt das hier! Ich lüfte hier erst mal tüchtig durch!«, sagte Rebecca und ging auf ein Fenster zu.
»Nicht!«, schrie ich, aber es war zu spät. Sie tappte in eine weitere magische Falle – und war von einer Sekunde zur anderen nicht mehr zu sehen. Sie war verschwunden! Hatte sich vor meinen Augen in Luft aufgelöst.
»Rebecca!« Ich rief nach ihr, machte aber nicht den Fehler, der Falle zu nahe zu kommen.
Draußen hörte ich jemanden aufschreien. Ich lief zurück zur Eingangstür und sah Rebecca. Sie stand zehn Meter vom Haus entfernt und hielt sich das linke Knie. Ihre Jeans wies an der Stelle einen Riss auf.
Ich war froh, dass offensichtlich nicht viel passiert war, und lief zu ihr hin.
»Wie kommst du hierher?«, fragte ich. »Du hast dich vor meinen Augen in Luft aufgelöst.«
Rebecca war noch völlig verwirrt. Ihre Haare waren zerzaust. »Etwas hat mich gepackt, und im nächsten Moment lag ich hier draußen auf dem Boden. Außerdem hat mich was gebissen.« Sie zeigte auf das Knie. Es blutete, aber es schien keine schlimme Wunde zu sein.
»Wahrscheinlich bist du in eine Teleportationsfalle getappt. Sei froh, dass du nicht irgendwo auf der anderen Seite der Welt herausgekommen bist.«
»Ich habe jedenfalls die Nase voll«, sagte sie bockig. »Am besten, wir kommen morgen noch einmal wieder.«
»Eine gute Idee.« Ich wies auf eine der anderen Hütten, die in einigem Abstand erbaut worden waren. »Vielleicht kann uns ja einer ihrer Nachbarn sagen, was mit deiner Tante los ist.«
Wir klingelten an dem nächststehenden Haus. Es war wie die anderen ebenfalls aus Holz gefertigt. Allerdings war der mintfarbene Anstrich noch frischer, und alles wirkte etwas gepflegter.
Es öffnete uns ein grauhaariger Herr, der mir unverhohlen auf die Brüste starrte, während er unfreundlich fragte: »Was wollen Sie?« Der Mann trug ein fleckiges T-Shirt mit einem verwaschenen Grateful-Dead-Aufdruck, blaue Shorts und Sandalen. Hinter ihm in der Tür fletschte ein Labrador die Zähne.
Rebecca stellte uns vor und sagte: »Ich wollte eigentlich meine Tante besuchen, sie scheint aber nicht da zu sein.«
»Die ist nie da«, knurrte er.
»Oh, wo ist sie denn dann?«, fragte Rebecca, immer noch höflich.
»Keine Ahnung, aber ich bin froh, dass die Alte weg ist. Die war verrückt.«
Mich irritierte, dass er in der Vergangenheit von ihr sprach, und versuchte ihn zu hypnotisieren. Es misslang. Da war eine Sperre, die ich nicht durchbrechen konnte.
»In welche Hinsicht verrückt?«, fragte Rebecca nun. Ich spürte ihre aufsteigende Wut.
»Plemplem. Total irre. Sie sprach mit ihrem Kater und anderen Tieren, badete bei Vollmond nackt im Meer und solche Sachen. Außerdem hatten wir Streit.«
»Kann ich mir gar nicht vorstellen bei einem Charmebolzen wie Ihnen.«
Ich zupfte Rebecca am Arm. »Komm, ich glaube, das bringt nicht viel.«
Aber Rebecca gab nicht auf. »Wieso hatten Sie mit meiner Tante Streit?«
»Ihre Katze ist ständig auf Lemmie losgegangen. Das Höllenviech hat meinem Hund einige Male ganz schön zugesetzt.« Lemmie war wohl der Labrador. »Ich habe ihr gesagt, sie soll das Monster einschläfern! Zum Glück ist es mit ihr verschwunden.«
»Es tut mir leid um Ihren Hund«, sagte Rebecca und sah an ihm vorbei.
Der Hund knurrte erneut.
»Ruhig, Tyson! Die Damen hauen gleich ab.«
»Tyson? Ich dachte, Ihr Hund heißt Lemmie?«, hakte ich nach.
Als er mir mit erstauntem Blick in die Augen sah, versuchte ich erneut, ihn zu hypnotisieren. Ohne Erfolg. Immer mehr hatte ich das Gefühl, dass hier was nichts stimmte.
»Lemmie ist vor fünfzehn Jahren gestorben. Ihre verrückte Tante ist aber schon zwanzig Jahre weg.«
Das war ein Schock. Also stand das Haus seitdem leer.
»Und mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen.«
»Na gut, dann versuchen wir es bei Ihren Nachbarn«, sagte Rebecca trotzig.