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Tante Elvira ging uns nur noch auf die Nerven. Sie stellte unverschämte Ansprüche, gab sich bösartig und gemein und benahm sich selbst ihrer Nichte Rebecca gegenüber wie das Monster, das sie war. »Es ist nicht mehr weit bis zum Bates Motel«, versuchte meine Freundin sie zu beruhigen. »Ich weiß jetzt schon, dass es mir dort schlecht gehen wird. Die Bates-Kette hat in Dämonenkreisen einen äußerst schlechten Ruf. Es gibt zu viele Streitigkeiten«, widersprach Tante Elvira »Die Probleme wurden unter dem neuen Management beigelegt, Tante. Selbst die Menschen, die sich in Bates Motel verirren, müssen in Ruhe gelassen werden. Alle dämonischen Gäste verpflichten sich zur Einhaltung der Regeln. Hält man sich nicht dran, nun, dann wird man bestraft ....«
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Seitenzahl: 137
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Was bisher geschah
GEFANGEN HINTER DEN SPIEGELN
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
mystery-press
Vorschau
Impressum
Coco Zamis ist das jüngste von insgesamt sieben Kindern der Eltern Michael und Thekla Zamis, die in einer Villa im mondänen Wiener Stadtteil Hietzing leben. Schon früh spürt Coco, dass dem Einfluss und der hohen gesellschaftlichen Stellung ihrer Familie ein dunkles Geheimnis zugrundeliegt.
Die Zamis sind Teil der Schwarzen Familie, eines Zusammenschlusses von Vampiren, Werwölfen, Ghoulen und anderen unheimlichen Geschöpfen, die zumeist in Tarngestalt unter den Menschen leben. Die grausamen Rituale der Dämonen verabscheuend, versucht Coco den Menschen, die in die Fänge der Schwarzen Familie geraten, zu helfen. Ihr Vater sieht mit Entsetzen, wie sie den Ruf der Zamis-Sippe zu ruinieren droht. So lernt sie während der Ausbildung auf dem Schloss ihres Patenonkels ihre erste große Liebe Rupert Schwinger kennen. Auf einem Sabbat soll Coco zur echten Hexe geweiht werden. Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie der Dämonen, hält um Cocos Hand an, doch sie lehnt ab. Asmodi kocht vor Wut und verwandelt Rupert Schwinger in ein Ungeheuer.
In den folgenden Jahren lässt das Oberhaupt keine Gelegenheit aus, gegen die Zamis-Sippe zu intrigieren. So verlangt Asmodi von Coco, einen gewissen Dorian Hunter für ihn töten. Es gelingt Coco, Dorian zu becircen – doch anstatt den Auftrag sofort auszuführen, verliebt sie sich in ihn. Zur Strafe verwandelt Asmodi Dorian Hunter in einen seelenlosen Zombie, der fortan als Hüter des Hauses in der Villa Zamis sein Dasein fristet.
In Wien übernimmt Coco ein geheimnisvolles Café. Sie beschließt, es als neutralen Ort zu etablieren, in dem Menschen und Dämonen gleichermaßen einkehren. Zugleich stellt Coco fest, dass sie von Dorian Hunter schwanger ist. Coco, Michael und Toth bitten Asmodi um Hilfe gegen die Todesboten, müssen dafür jedoch das für sie jeweils Wertvollste als Pfand hinterlegen. So wird Coco ihr Ungeborenes genommen.
Mit Hilfe von Cocos Bruder Volkart gelingt es, die Todesboten zu besiegen. Doch Asmodi gibt den Fötus zunächst nicht wieder her. Mit Hilfe ihres neuen Liebhabers Damon Chacal gelingt es Coco schließlich, das Kind zu finden und es im Totenreich zu verstecken. Danach trennt sie sich wieder von Chacal, wird jedoch bald von Albträumen heimgesucht – als sie einen Anruf von ihrer Freundin Rebecca erhält. Diese lädt Coco nach New York ein ... Doch die schwangere Rebecca steht unter dem Einfluss der dämonischen Vanderbuilds. Coco kann nicht verhindern, dass das Kind im Dakota Building zur Welt kommt. Es entpuppt sich als missgestalteter Dämon mit gewaltigen Kräften. Coco kann das Dämonenkind mit Hilfe einer Voodoo-Queen töten. Zur Erholung von den Strapazen reisen Coco und Rebecca in ihrem Wohnmobil mit Rebeccas Tante Elvira durch die USA. Doch dort erwartet sie neues Ungemach.
Unterdessen erscheint in Wien eine junge Frau, die sich Georg gegenüber als Dorian Hunters Schwester ausgibt und Coco zu sprechen wünscht. Georg schwant nichts Gutes ...
GEFANGEN HINTER DEN SPIEGELN
von Michael M. Thurner
Die Geschichte des Dämons namens Carthe begann im Jahr 463 vor Christus.
Nicht jedes Mitglied seiner Zunft wusste, wann er geboren worden war. Carthe jedoch hatte stets Gefallen an den Geschichten der Menschen gefunden. War er doch selbst einmal einer gewesen und hatte er doch selbst dazu beigetragen, dass sie sich so entwickelte, wie die Dämonen es vorgehabt hatten.
463 vor Christus war ein gutes Jahr gewesen im Tal der Gurina. Die Ernte ausgezeichnet, die Kühe, Pferde und Schafe von ungewöhnlicher Gebärlust. Das Gemüse gedieh im dunklen, saftigen Boden.
Durchziehende Kriegertruppen ließen sich von den Bewaffneten abschrecken, die entlang der Grenzen des Oppidums Patrouille gingen. Auch Carthe verrichtete seinen Dienst an der Allgemeinheit, wenngleich er es nicht gerne tat. Er war kein kräftiger Mann – aber er war zäh.
Zäh wie Carthe. So sagte man talauf und talab in der Gurina und vergaß darüber, seine eigentlichen Stärken zu rühmen.
Denn er hatte einen klugen Kopf wie niemand sonst in der Stadt oder dem umgebenden Land. Er wusste die Schriftzeichen der Römer zu lesen und ihre Werkzeuge für die Zwecke seines Volkes nützlich zu machen.
Als die Tage kürzer wurden und erster Schnee die Gipfel der Berge tünchte, gebar ihm sein Weib Neltha ein Kind. Es war kräftig, es war von sonnigem Gemüt. Und es hatte Augen, wie Carthe sie niemals zuvor gesehen hatte. Blassblau mit winzigen roten Einschlüssen.
Noch am Tag der Geburt des Kinds starb Neltha. Ausgezehrt und blutleer blieb sie auf ihrem Bettlager zurück, während das Balg nach Nahrung krächzte.
»Ein Leben für ein Leben«, sagte Carthe mit zittriger Stimme und breitete das Totentuch über dem Leichnam seiner Geliebten aus.
Freunde und Bekannte strömten herbei, um ihr den letzten Gruß mitzugeben. Die Totenfrauen legten Lederbahnen in der tiefen Grube aus, um sein Weib daraufzubetten. Sie würde in Richtung der untergehenden Sonne blicken, dort wo das wandernde Gelbe den Erdboden berührte und brennend in den Schlünden der Unterwelt versank, um am nächsten Tag an anderer Stelle erneut aufzutauchen.
Murna, die seine liebste Tochter war, klammerte sich an Carthes Bein fest und starrte mit großen Augen in die Grube. Auf die tote Mutter, die den Ritualen ihres Stammes unterzogen wurde.
Sie spreizten Nelthas Beine und legten eine bronzene Schnabelkanne dazwischen ab, als Zeichen nie versiegender Fruchtbarkeit. Dann die Gemmen, dann die Oberarmreifen, dann die Fingerringe.
Einige von Carthes Kindern weinten. Die Großen blieben tapfer, die Kleinen starrten auf den Leichnam der Mutter und verstanden nicht. Jenen in der Mitte rannen die Tränen in Sturzbächen die Wangen hinab. So auch Murna, seinem Augenstern.
Die ersten Totenfrauen warfen sich mit ihren Körpern über den Leichnam. Sie begannen zu schluchzen und zu singen. Sie verwendeten Worte aus einer alten, kaum mehr verstandenen Sprache.
Carthe ertrug dies alles nicht mehr. Er torkelte davon, mit tränennassen Augen. Er wollte nicht zusehen, wie sie die Geliebte verscharrten. Wie sie für immer aus seinem Blickfeld verschwand.
Er lief, so weit ihn die Beine trugen. Die alten, ausgetretenen Wege des Viehs entlang, hügelan, hinein in den Wald, der die Gurina begrenzte. Bis er nicht mehr weiterkonnte und erschöpft zu Boden sank, zu Füßen des Steinernen Baums, der seine hageren Äste bereits auf den Boden hatte sinken lassen, noch bevor sein Volk die Siedlung Idunum errichtet hatte.
»Mutter Baum!«, klagte Carthe und klammerte sich an einer der dürren Luftwurzeln fest, »gib sie mir zurück! Es ist nicht gerecht! Nimm mich statt Neltha, nimm mein Opfer an! Niemand wird jemals wieder ein derartiges Geschöpf zu sehen bekommen. Eine Frau, die ihren Platz an meiner Seite kennt. Eine Mutter, die voll Liebe für ihre Brut sorgt. Eine Geliebte, die mich zur Raserei bringt, auch jetzt noch, nach fünfzehn Jahren des Beisammenseins. Ich flehe dich an: Gib sie mir zurück!«
Ein Windstoß fuhr durch den Wipfel des Steinernen Baumes, Holz knarrte. Für einige Augenblicke beschleunigte Carthes Herzschlag, und er meinte, Hoffnung schöpfen zu dürfen.
Doch es geschah nichts.
So sehr er auch flehte und bettelte und wimmerte – die Götter zeigten kein Erbarmen, und Mutter Baum erst recht nicht.
Fäulnisgestank weckte ihn. Es war dunkel geworden, das Moos rings um ihn hingegen leuchtete in wundersamen Farben.
Carthe erhob sich, mit einem Mal munter, zog das kerbige Messer aus der Lederscheide und sah sich aufmerksam um. Er spürte, dass hier etwas ganz und gar nicht in Ordnung war.
»Dein Leid erschüttert mich«, hörte er eine tiefe, brummige Stimme sagen.
Carthe drehte sich um. Suchte den Mann, der zu dieser Stimme gehörte. Doch da war nichts und niemand. Bloß Bäume, die unverrückt fest dastanden, stille Wächter über das Land.
»Was mit deiner Frau geschehen ist, hat mich gerührt und auf deine Spur gebracht. Ich habe deinen Schmerz tief drin in mir gespürt. Armer Mann. Armer Mensch ...«
Jetzt sah er ihn. Oder es. Ein absurd dünnes Wesen, das sich gegen den Steinernen Baum gelehnt hatte und sich langsam von ihm löste.
»Es ist Brauch und Sitte, sich mit Namen vorzustellen«, sagte Carthe und trat einen Halbschritt zurück. So, dass er mit beiden Füßen festen Halt fand. »Was willst du von mir, Fremder?«
»Wie ich es bereits sagte, Carthe: Ich konnte dein Wehklagen spüren. Du hast mich herbeigerufen.«
»Bleib stehen!« Seine Finger waren schweißnass, er packte den Dolch fester. Der andere hatte tiefe, dunkle Augen, die ihm Angst machten. »Woher kennst du meinen Namen?«
»Jedermann im Tal kennt Carthe, den Mann mit den goldenen Händen. Der jedes Werkzeug erneuern kann, der das Metall schmiedet und das Holz schneidet, der das Leder gerbt und den Boden zum Erblühen bringt. Jemand, der sogar das Geheimnis des Glanzes kennt und den Weibern damit Freude bereitet.« Der Fremde grinste und entblößte lange, spitze Zähne, wie sie einige Völker des Sonnenaufgangs trugen. »Aber wenn dich ein Name beruhigt: Ich bin Asama.« Das Lächeln wurde breiter, die Stimme noch tiefer. »Asama Da, der Dämon.«
Er wandte sich um, atmete aus – und brachte die Steinerne Eiche zum Stürzen.
Die Wurzeln des Baumes waren völlig welk. Weißer Schleim legte sich darüber und fraß das uralte Wesen auf. Carthe konnte dabei zusehen, wie der Steinerne Baum weniger und weniger wurde, bis nur noch ein verkohltes Stück übrig blieb, kaum einen Arm lang.
Der Name Asama Da rührte etwas in Carthes Brust. Es machte, dass er ein Gefühl des Rollens spürte, der Tiefe, der Dunkelheit. Sein Gegenüber, so wusste er augenblicklich, sagte die Wahrheit.
»Du kannst mir nichts anhaben«, sagte Carthe. »Die Götter beschützen mich.«
Der Dämon lachte dröhnend, so, wie es Verrückte tun – und brach dann abrupt ab. »Haben die Götter dich vor dem Verlust deines Weibs bewahrt, du Narr? Beschützen sie dich vor den Unbilden der Herbststürme, der harten Winter, des Frühjahrs mit Eis und Schnee? Wie viele Kinder, Sieche und Alte haben in der Gurina das letzte Jahr nicht überlebt? Dreißig von nicht einmal dreihundert!«
»Die Götter geben, die Götter nehmen.«
Asama Da lächelte verschlagen. »Ich aber, Carthe, ich gebe bloß. Ich verlange nichts von meinen Gefolgsleuten. Ich erhoffe mir lediglich Geschenke und ein wenig Achtung.«
»Ich glaube, du bist ein Wildgänger, der durch die Wälder irrt und der seine Sinne nicht mehr beisammenhalten kann.«
»Deine Zunge lügt, Mensch. Doch dein Körper sagt die Wahrheit. Du zitterst vor Ehrfurcht. Und du möchtest wissen, warum ich dich hier aufsuche.«
Carthe schwieg. Er überlegte. Wie weit war es bis zum nächsten Anwesen? Was, wenn er um Hilfe schrie? Denn ganz allein, so ahnte er, würde er gegen dieses schreckliche Geschöpf nichts ausrichten können.
»Ich verstehe deine Furcht«, meinte Asama Da, als könnte er in seinen Kopf hineinblicken und erkennen, was er im Geheimen dachte. »Aber ich bin als Freund gekommen. Ich möchte dir zurückgeben, wonach du dich am meisten sehnst.«
»Mir fehlt es an nichts. Also verschwinde, Dämon!«
Der Dolch in seiner Rechten fühlte sich mit einem Mal warm, dann heiß an. Erschrocken ließ Carthe die Waffe fallen. Die Klinge zerschmolz vor seinen Augen.
»Zeig gefälligst ein wenig Respekt!«, grollte Asama Da. »Ich bin hier, um dir einen Freundschaftsdienst zu erweisen!«
»Ich sage dir noch einmal: Mir fehlt es an nichts.«
»Ach ja? Und was, wenn ich deine Frau Neltha zurückbringen könnte?«
»Sie ist tot!«, schrie Carthe voll Zorn. Er wollte sich auf den dürren Mann stürzen, ihn zu Boden reißen und ihn für all den Frevel, den er beging, verprügeln.
Doch er konnte nicht. Er war an seinen moosigen Platz gebannt.
»Einem Asama Da ist vieles möglich. Leben und Tod verwischen mitunter. Es gibt Möglichkeiten, Wesen wie dich in die eine oder andere Richtung zu schicken.«
»Wie willst du das anstellen?«
»Das tut nichts zur Sache.« Asama Da lächelte knapp. »Aber sag mir, ob ich dir diesen bescheidenen Gefallen tun soll.«
»Ich weiß nicht viel über Dämonen. Nur das eine: Sie tun niemals etwas ohne Bezahlung. Sie sind gute Geschäftemacher. Wie Händler auf ihren Karren, die weit umher kommen, Waren tauschen und jeden Ort reicher verlassen als den vorherigen.«
»Ich bin hier, um dir einen Gefallen zu tun, Carthe. Ist es nicht dein sehnlichster Wunsch, deine Frau nochmals in die Arme nehmen zu dürfen? Sie zu liebkosen, zu streicheln?«
Carthe schwieg.
»Ich biete dir das alles an.«
»Zu welchem Preis, Dämon?«
»Es ist bloß eine Kleinigkeit, die ich mir von dir erwünsche.« Asama Da blickte auf seine langen, stark gekrümmten Fingernägel. »Du müsstest dich bereit erklären, nach deinem eigenen Tod für eine Weile mit mir auf Wanderschaft zu gehen.«
»Nach meinem Tod?!«
»Wie ich bereits sagte: Der Unterschied zwischen dem Sein und dem Nichtsein ist äußerst gering. Ich würde dafür sorgen, dass du als mein Begleiter eine neue Form des Lebens kennenlernen würdest.«
»Warum willst du das, Asama Da?«
»Es ist mir langweilig auf meinen Reisen. Ein Begleiter wie du könnte mir durchaus Freude bereiten. Zumal ich in dir etwas entdecke, das dir bislang selbst verborgen geblieben ist.«
»Und was soll das sein, Dämon?«
Asama Da trat auf ihn zu. Carthe war mit einem Mal stockstarr. Selbst sein Atem kam nun schwerfällig, sein Magen rebellierte.
Der Dämon berührte ihn in der Nähe des Herzens. Es war, als würde er ihm einen Stich versetzen, dessen Wunde niemals mehr wieder verheilen konnte.
»Da drin«, sagte er, »steckt etwas ungeheuer Reizvolles. Ein Kern, so schwarz wie die finsterste Nacht. Ein Klumpen, der nach Befreiung schreit. Ich fühle dein schlechtes Ich, Carthe, das darauf drängt, seiner Bestimmung nachzukommen. Du hast so viel abgrundtief Böses in dir ...«
»Schluss jetzt!«, schrie er. »Das ist eine Lüge! Ich ...«
»Ach, du weißt es selbst nicht!« Asama Da lächelte. »Jetzt verstehe ich erst!«
Er umkreiste ihn, betätschelte Carthe da und dort, als wollte er ihn wie einen Ochsen vor dem Kauf begutachten.
»Es sind der Jähzorn und eine dunkle Leidenschaft, lieber Freund, die dich ab und zu im Griff haben. Du vergisst diese Zeiten, da du dich wandelst. Du schiebst sie beiseite. Du möchtest niemals dran erinnert werden.«
Asama Da blieb wieder vor ihm stehen. Die Zähne, glänzend weiß, bleckten ihn an.
»Du selbst hast deine Frau Neltha gemordet. Hast sie mit deinen eigenen Händen erstickt. Weil sie nach der Geburt vor Schmerzen greinte. Und weil sie dir ein weiteres Kind gebar, das insgesamt zwölfte. Obwohl du sie seit einem Jahr nicht mehr angerührt hattest.«
Vage Erinnerungen kehrten zurück. Wie Schatten, die mit dem Lauf der Sonne vorwärtsgetrieben wurden.
Carthe fühlte sich aus dem Bann des Dämons befreit. Er stürzte kraftlos zu Boden. Die Beine wollten ihn nicht mehr tragen, nun, da er allmählich erkannte, dass Asama Da recht hatte.
»Ich ... ich war das nicht!«, sagte er ungläubig. »Das muss ein anderer gewesen sein.«
»Ein anderer, der in dir drin wohnt«, sagte der Dämon mit sanfter Stimme. »Der ab und zu befreit werden muss. Damit er dich nicht auffrisst.«
Vieles ergab mit einem Mal Sinn. Warum ihn die Kinder fürchteten. Warum die Bewohner der Gurina seine handwerklichen Begabungen zwar hoch schätzten, ihn aber niemals zu sich nach Hause einluden.
Warum Jahreswechsel für Jahreswechsel Vieh von den Weiden verschwand – und Menschen ebenso.
»Siehst du, kleiner Mensch?« Asama Da tätschelte seinen Kopf. »Und glaube mir – es ist gar nicht so schlimm, was du da angestellt hast. Es gibt Kreise, die dich für deine Taten loben und hochleben lassen würden. Meine Kreise, zum Beispiel.« Die Stimme des Dämons wurde wieder grollend und drängend. »Du fühlst Gewissensbisse, nicht wahr? Und du möchtest wirklich, dass deine Neltha zu dir zurückkehrt. Damit du Wiedergutmachung betreiben kannst.«
»Ja«, sagte Carthe tonlos.
»Dann haben wir einen Handel?«
»Ja, wir haben einen Handel.«
»Gut.« Der Dämon lachte zufrieden. »Wir werden mit dem Totenhäher, der deine Frau mit sich genommen hat, einen Handel abschließen. Und du wirst mir diesen Gefallen zurückbezahlen, sobald das Ende deines Lebens gekommen ist.«
»Wie lange muss ich dich begleiten, Dämon?«
»Bis du es satthast, Carthe. Sobald du keine Lust mehr an meiner Art des Lebens hast, bist du frei, endgültig zu sterben.«
Tief in der Nacht kehrten sie in die Gurina zurück. In der Nähe des befestigten Dorfes flackerten einige Fackellichter unruhig im aufkommenden Wind. Die Katen der Nachbarn waren abgedunkelt. Aus einem der Strohhäuser drangen Gelächter und der Schrei einer Frau.
»Meine Kinder ...«
»Mach dir um sie keine Sorgen«, unterbrach ihn Asama Da, bevor er den Satz zu Ende bringen konnte. »Manche sind alt genug, um sich um die Jüngeren zu kümmern. Während du verschwunden warst, ist das Leben weitergegangen.«
»Woher willst du das wissen, Dämon?«
»Ihr seid berechenbar, ihr Menschen.«
Sie folgten dem Nachtgestirn. Frisch aufgeschüttetes Erdreich und ein unbearbeiteter Stein markierten jene Stelle, an der man Neltha begraben hatte.
»Du weißt, was du zu tun hast?«, fragte Asama Da.