Das Haus Zamis 128 - Logan Dee - E-Book

Das Haus Zamis 128 E-Book

Logan Dee

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Beschreibung

»Komm herein«, sagte die unscheinbare Frau, aber noch immer lag der abweisende Unterton in ihrer Stimme. Ein Widerspruch, gewiss, der mir verriet, dass sie im Moment nicht wusste, wie sie mit mir umgehen sollte. Sie ging einfach voran, wohl in der Annahme, dass ich ihr schon folgen würde. Ich nahm meinen Koffer auf, in dem meine wenigen Habseligkeiten verstaut waren, betrat das Grundstück und ging hinter ihr her den gewundenen Kiesweg entlang. Dabei spürte ich die dämonische Magie, die hier allerorten lauerte. Die zahlreichen Fallen waren perfide und grausam. Und das waren nur die, die ich im Vorbeigehen entdeckte. Es mochte noch viele andere hier geben, die nicht auf den ersten Blick auszumachen waren. Wer auch immer diese Fallen erschaffen hatte und dafür sorgte, dass ihre Magie jederzeit zuschlagen konnte, musste ein mächtiger Dämon sein. Mein Vater war ein mächtiger Dämon. »Vorsicht, dort vorne ist der Creeper!«, sagte die Frau in einem Tonfall, als würde sie auf eine Wurzel aufmerksam machen.

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Seitenzahl: 128

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

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Was bisher geschah

FAMILIENGEHEIMNISSE

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

mystery-press

Vorschau

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Impressum

Cover

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsbeginn

Impressum

Coco Zamis ist das jüngste von insgesamt sieben Kindern der Eltern Michael und Thekla Zamis, die in einer Villa im mondänen Wiener Stadtteil Hietzing leben. Schon früh spürt Coco, dass dem Einfluss und der hohen gesellschaftlichen Stellung ihrer Familie ein dunkles Geheimnis zugrundeliegt.

Die Zamis sind Teil der Schwarzen Familie, eines Zusammenschlusses von Vampiren, Werwölfen, Ghoulen und anderen unheimlichen Geschöpfen, die zumeist in Tarngestalt unter den Menschen leben. Die grausamen Rituale der Dämonen verabscheuend, versucht Coco den Menschen, die in die Fänge der Schwarzen Familie geraten, zu helfen. Ihr Vater sieht mit Entsetzen, wie sie den Ruf der Zamis-Sippe zu ruinieren droht. So lernt sie während der Ausbildung auf dem Schloss ihres Patenonkels ihre erste große Liebe Rupert Schwinger kennen. Auf einem Sabbat soll Coco zur echten Hexe geweiht werden. Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie der Dämonen, hält um Cocos Hand an, doch sie lehnt ab. Asmodi kocht vor Wut und verwandelt Rupert Schwinger in ein Ungeheuer.

In den folgenden Jahren lässt das Oberhaupt keine Gelegenheit aus, gegen die Zamis-Sippe zu intrigieren. So verlangt Asmodi von Coco, einen gewissen Dorian Hunter für ihn töten. Es gelingt Coco, Dorian zu becircen – doch anstatt den Auftrag sofort auszuführen, verliebt sie sich in ihn. Zur Strafe verwandelt Asmodi Dorian Hunter in einen seelenlosen Zombie, der fortan als Hüter des Hauses in der Villa Zamis sein Dasein fristet.

In Wien übernimmt Coco ein geheimnisvolles Café. Sie beschließt, es als neutralen Ort für Menschen und Dämonen zu etablieren. Zugleich stellt sie fest, dass sie von Dorian Hunter schwanger ist. Coco, Michael und Toth bitten Asmodi um Hilfe gegen die Todesboten, müssen dafür jedoch jeweils ein wertvolles Pfand hinterlegen. So wird Coco ihr Ungeborenes genommen. Schließlich gelingt es ihr, das Kind zu finden und es im Totenreich zu verstecken.

Unterdessen erscheint in Wien eine junge Frau, die sich als Dorian Hunters Schwester Irene ausgibt. Unter dem Einfluss ihrer magischen Uhr werden Coco und die anderen Zamis immer jünger. Dahinter steckt die Hexe Mother Goose. Als ihr Haus in Flammen aufgeht, erlischt der Fluch. Außer bei Lydia, die zusehends altert. Coco reist mit ihr nach Coburg, um den Alterungsprozess mit Hilfe eines Alchimisten zu stoppen, aber das Ritual misslingt. Lydia trägt schlimme Brandwunden davon.

Indessen ist Michaels Großtante Fürstin Bredica verstorben. Die Testamentsvollstreckung findet auf ihrer Temeschburg in den Karpaten statt. Michael erinnert sich an vergangene Zeiten, als er der Fürstin seine uneheliche Tochter Juna übergeben hatte, um sie vor Theklas Rache zu schützen und zur Hexe ausbilden zu lassen. Nach einer langen Zeit des Martyriums gelingt Juna endlich die Flucht, doch ihr Leidensweg geht weiter. Frieden erhofft sie sich, als sie in der Villa Zamis Thekla gegenübersteht und ihr verrät, dass Michael ihr Vater ist ...

FAMILIENGEHEIMNISSE

von Logan Dee

Vergangenheit

»Komm herein«, sagte die unscheinbare Frau, aber noch immer lag der abweisende Unterton in ihrer Stimme. Ein Widerspruch, gewiss, der mir verriet, dass sie im Moment nicht wusste, wie sie mit mir umgehen sollte. Sie ging einfach voran, wohl in der Annahme, dass ich ihr schon folgen würde.

Ich nahm meinen Koffer auf, in dem meine wenigen Habseligkeiten verstaut waren, betrat das Grundstück und ging hinter ihr her den gewundenen Kiesweg entlang. Dabei spürte ich die dämonische Magie, die hier allerorten lauerte. Die zahlreichen Fallen waren perfide und grausam. Und das waren nur die, die ich im Vorbeigehen entdeckte. Es mochte noch viele andere hier geben, die nicht auf den ersten Blick auszumachen waren. Wer auch immer diese Fallen erschaffen hatte und dafür sorgte, dass ihre Magie jederzeit zuschlagen konnte, musste ein mächtiger Dämon sein. Mein Vater war ein mächtiger Dämon.

»Vorsicht, dort vorne ist der Creeper!«, sagte die Frau in einem Tonfall, als würde sie auf eine Wurzel aufmerksam machen.

1. Kapitel

»Was ist der Creeper?«, fragte ich neugierig.

Sie nahm sich tatsächlich die Zeit, kurz stehen zu bleiben und mir zu antworten: »Der Creeper ist einer unserer ältesten Wächter. Du erweckst ihn aus seinem Schlaf, wenn du auf ihn trittst.«

Ich schaute stirnrunzelnd auf den Weg, sah aber nur grauen Kies.

»Und – was macht er?«

»Zunächst zieht er dich wie in einem Strudel hinab, dann zermalmt er dich bei lebendigem Leibe wie in einer Malzmühle. Es dauert Stunden, bis er sein Werk vollendet hat. Und du bekommst bis zuletzt alles mit. Seine Magie bewirkt, dass du nicht vorher stirbst. Nicht bevor er als Allerletztes dein Gehirn zermalmt hat. Glaub mir, es ist ein sehr schmerzhafter Tod.«

»Ich bin Schmerzen gewohnt«, sagte ich und dachte an die Anstaltshölle. »Aber ich möchte leben. Noch möglichst lange.«

Tatsächlich stahl sich so etwas wie ein leises Lächeln auf ihre schmalen Lippen. »Nun, das möchten wir doch alle. Und du siehst noch sehr jung aus. Du hast sicherlich noch ein langes Leben vor dir. Und jetzt komm weiter.«

Schade, ich hätte mich zu gern noch eine Weile in dem Garten umgeschaut. Er war verwildert, aber auf eine geheimnisvolle, verwunschene Art. Ob mein Vater ihn hegte und pflegte? Im Geiste sah ich ihn vor mir stehen, wie er mit der Gartenschere einen Eibenbusch zuschnitt ...«

»Schau nicht zu genau hin!«, zischte Thekla. »Der Busch ist von Kinkirsi verseucht. Mein Mann hat sie von einer Reise mitgebracht. Sie vermehren sich sehr schnell.«

»Was sind Kinkirsi?«, fragte ich neugierig.

»Buschdämonen aus Obervolta. Sie treiben Menschen wie Dämonen in die Besessenheit. Du scheinst mir noch sehr unerfahren, behauptest aber, eine Dämonin zu sein. Warst du jemals auf einer Hexenschule?«

»Oh ja«, seufzte ich. »Die Fürstin Bredica auf der Temeschburg hat mich unterrichtet.«

Thekla Zamis runzelte die Stirn. »So, so, die Fürstin Bredica. Nun gut, ich hoffe, du wirst mir gleich ausführlich erzählen, wer du eigentlich genau bist.«

Eigentlich hatte ich gedacht, dass ich schon alles erzählt hätte. Wer ich war. Warum ich hier war. Gut, ich war sozusagen mit der Tür ins Haus gefallen, aber meine Flucht hierher war nicht von langer Hand geplant gewesen, sondern rein impulsiv erfolgt. Ich wusste einfach, wo ich hingehörte. Wer mir Schutz geben würde.

Mein Vater Michael.

Während wir weiter den gewundenen Weg auf das Haus zugingen, war ich mir nicht sicher, ob es nicht doch ein Fehler gewesen war, mich der Frau anzuvertrauen. Vielleicht hätte ich besser vor dem Gartentor herumlungern sollen, bis mein Vater aufgetaucht wäre.

Egal, jetzt war ich hier. Und außerdem glaubte ich, in der Stimme der Frau allmählich einen weniger abweisenden Ton herauszuhören. Ich folgte ihr weiter ins Haus, und als ich die Villa Zamis betrat, hatte ich sofort das Gefühl, angekommen zu sein. Ich sog den Duft ein, der in dem Haus herrschte. Jedes Haus hat einen anderen Duft, und dieser erinnerte mich auf seine Art an ein edles Parfüm. Zunächst roch ich all die oberflächlichen Dinge, die in diesem Haus stattfanden: Ich roch ihre Bewohner, ihre Besucher, die Zimmer, von denen die meisten kaum Geheimnisse bargen. Ich roch ihn, meinen Vater, das altmodische Aftershave, das er benutzte, aber auch den Duft seines Körpers ...

Die Herznote, wenn man es so nennen will, war ganz anderer Natur: Hier schmeckte ich bereits die Magie, die in sämtlichen Räumen allgegenwärtig war. Es war eine böse, eine schwarze Magie, und doch fühlte ich mich von ihr angezogen. Ich konnte nun mal nicht aus meiner Haut. Je tiefer ich den Duft inhalierte, desto nachhaltiger wurde er – und desto mehr eröffnete sich mir. Ich roch die Kellerräume, in denen die geheimen Zeremonien abgehalten wurden, die Diener, die nur zu besonderen Anlässen oder Familienfehden zum Leben erweckt wurden. Als Letztes erspürte ich die Basisnote: Gier, Machtstreben, Leidenschaft, Grausamkeit, Hunger nach – allem. Es war so heftig, dass ich davor zurückzuckte.

»Was schnüffelst du wie ein verängstigtes Kaninchen? Setz dich endlich!«

Thekla Zamis riss mich aus meinen Gedanken. Wir hatten die geräumige Küche erreicht, in deren Ecken und Winkeln Schatten zu hausen schienen, die dort irgendwie nicht hingehörten. Aber vielleicht sah ich nur Gespenster ...

Ich setzte mich auf eine Eckbank. Es roch nach Kaffee und Kakao, und für einen Moment stellte ich mir vor, jeden Morgen und zu allen Mahlzeiten hier Platz nehmen zu dürfen. Teil der Familie zu sein. Hatten die beiden Kinder? Töchter und Söhne? Dann wären es meine Halbgeschwister.

»Willst du eine Limonade?«, fragte Thekla.

Ich nickte. Erst jetzt spürte ich den Durst. Mein Hals war trocken, als hätte ich seit Tagen nichts getrunken. Und noch immer glaubte ich den beißenden Rauch in den Lungen zu schmecken, der bei dem Brand im Pfarrhaus entstanden war.

Thekla stellte mir ein Glas mit Limonade hin. Sie selbst hatte sich einen Kaffee eingeschüttet. Ich trank das Glas in einem leer. »Das schmeckt herrlich«, sagte ich.

»Ich habe sie selbst zubereitet. Aus Tollkirschen, die im Garten wachsen.«

Ich schluckte: »Sind die nicht giftig?«

»Kleine Närrin! Natürlich sind sie giftig. Erst trocknen deine Schleimhäute aus, dann kannst du kaum mehr schlucken, bekommst aber noch mehr Durst, viel mehr Durst ... Du glaubst, dass vor deinen Augen alles verschwimmt, dein Herz klopft wie rasend, du brichst in Schweiß aus, dir wird heiß, immer heißer, alles dreht sich um dich, du willst dich bewegen und taumelst umher. Vielleicht tobst du herum, schreist. Schließlich bekommst du kaum mehr Luft, du hechelst und keuchst, schließlich wird es schwarz um dich. Du stirbst ...«

»Aber ich spüre gar nichts«, sagte ich, nachdem ich ängstlich in mich hineingehorcht hatte.

»Dummerchen. Das alles passiert nur, wenn du ein Mensch bist. Du aber bist eine Dämonin, das hast du mir doch erzählt. Und ich spüre es. Du erzählst also die Wahrheit. Zumindest in diesem Punkt.«

»Ist das – ist das eine Art Test, ob ich nicht lüge?«

Diesmal lächelte Thekla wirklich, allerdings lag eine gehörige Portion Verachtung darin. »Natürlich habe ich gleich gefühlt, dass du zu uns gehörst. Besitzt du die Gabe, einen anderen Dämon zu erkennen, denn gar nicht?«

»N–nein.«

»Dann bist du wahrscheinlich noch nicht geweiht worden. Erst nach der Hexenweihe gehörst du vollständig zur Schwarzen Familie. Und jetzt erzähl mir, weshalb du gekommen bist!«

Es klang wie eine eher freundliche Aufforderung. Aber ich empfand es als Befehl. Mehr noch, sie unterlegte ihre Worte mit einer latenten Magie, die sich wie ein unsichtbares Netz um meine Stirn legte und sanften, aber beharrlichen Druck ausübte.

Also erzählte ich. Alles. Von Anfang an.

»Mein Name ist Juna. Juna Zadrazil ...«

Als ich geendet hatte, waren zwei Stunden vergangen. Zwei Stunden, in denen mein bisheriges Leben wie ein Bilderbogen noch einmal an mir vorübergezogen war. Zwei Stunden, in denen Thekla Zamis mir fast ein wenig teilnahmslos zugehört hatte. Nur wenn die Sprache auf meinen Vater gekommen war, war ihr Blick schärfer geworden, und ihre Lippen hatten einen fast verbitterten Zug angenommen. Und auch nur, wenn es um ihren Ehemann ging, stellte sie ab und zu eine Zwischenfrage: »Du sagst wirklich die Wahrheit? Irrst du dich nicht? Bist du dir sicher, dass er es war?«

Schließlich, als ich schwieg, schwieg auch sie zunächst. Ich erkannte an den Falten auf ihrer Stirn, dass sie angestrengt nachdachte. Während ich mir immer unsicherer wurde, wie sie reagieren würde. Würde sie mich aus der Villa werfen? Sich auf mich stürzen und versuchen mir die Augen auszukratzen oder mich zu töten? Oder würde sie aufstehen, auf mich zukommen, mich in die Arme nehmen und flüstern: »Willkommen daheim!«

Bei dem letzten Gedanken machte mein schwarzes Herz einen Sprung. Ich würde eine Familie haben, eine richtige Familie. Und ich würde ihren Schutz genießen und alles tun, um geliebt zu werden ...

Aber nichts von allem geschah. Thekla Zamis sprang plötzlich auf und sagte schneidend: »Nimm deinen Koffer. Wir müssen fort.«

»Aber wohin? Ich fühle mich wohl hier!«, widersprach ich verwirrt.

»Er darf dich hier nicht antreffen. Er darf dich nicht sehen, hörst du?«

Ich wusste, dass sie von meinem Vater sprach. »Aber warum denn nicht? Er ist doch mein ...«

»Schweig!« Ihr Befehl war so kalt wie ein Eisblock. »Deine Mutter war ein Flittchen, und du bist nur ein Hurenkind, ein Wechselbalg. Du hast hier nichts verloren.«

Für einen Moment streckte sich ihre Gestalt, wuchs zu einem hohen, krummen Schatten heran, der bis zur Zimmerdecke reichte. Die Hände schienen sich in Klauen zu verwandeln, und die Fingernägel streckten sich in die Länge, wurden zu langen Krallen, die nach mir packen wollten. Gleichzeitig verengte sich die Küche, so als ob sich die Wände zusammenschoben. Die Schatten, die ich zuvor in den Ecken gewähnt hatte, waren nun sichtbar, mehr noch, sie formten sich zu grässlichen Kreaturen, die nur auf den Befehl Theklas warteten, um über mich herzufallen.

Ich war drauf und dran, mich unsichtbar zu wünschen, aber in der nächsten Sekunde war der Spuk bereits wieder verschwunden.

»Wohin wollen Sie mich denn bringen?«, fragte ich eingeschüchtert.

»Dorthin, wo er dich nicht finden wird!«

»Bitte, bitte nicht wieder in die Vergangenheit!«, flehte ich.

»Hab keine Sorge. Der Ort, zu dem ich dich bringe, liegt im Hier und Heute. Es wird dir dort nicht gefallen, aber noch kannst du wählen, kleine Juna: Willst du lieber sterben?«

»Nein.«

»Dann ist es gut. Warte hier in der Küche. Ich packe nur ein paar Reisesachen, dann fahren wir los.«

»Aber wohin?«

»Das erfährst du, wenn wir angekommen sind.«

Sagte es und ließ mich allein dasitzen.

Das ist es also gewesen, dachte ich verbittert. Noch an der Gartenpforte war ich überzeugt gewesen, so etwas wie einen Plan für mein zukünftiges Leben zu haben. Einen Plan, der mich endlich in die Lage versetzen würde, selbst über mein Leben zu bestimmen. Doch der Traum war bereits schneller ausgeträumt, als ich befürchtet hatte.

Kurz flammte der Gedanke in mir auf, meinen Koffer zu schnappen, aufzuspringen und zu fliehen. Aber mein Instinkt sagte mir, dass ich nicht sehr weit kommen würde. Das Haus selbst und der Garten waren voller Fallen. Und Thekla Zamis würde mir kaum die Zeit geben, die Fallen in Ruhe zu erkunden und zu umgehen.

So oder so hatte sie mich in der Hand.

»Wo sind wir?«, fragte ich, als der Zug in den Bahnhof einfuhr.

»In Graustedt, deinem zukünftigen Wohnort. Pack deinen Koffer und steig schnell aus. Der Zug hält hier nur eine Minute.«

»Und Sie? Kommen Sie denn nicht mit?«

Wieder zeigte sich auf ihren schmalen Lippen die Andeutung eines Lächelns, das so typisch an ihr war. »Nein, Juna. Diese Stadt ist nur für deinesgleichen bestimmt. Und nun spute dich!«

Widerwillig zog ich meinen Koffer aus dem Gepäcknetz und verließ das Erste-Klasse-Abteil ohne einen Gruß. Ich wusste nicht, was mich erwartete, aber ich erwartete nichts Gutes. Diese Frau, das wusste ich zumindest, war eine Teufelin. Wie hatte ich nur einen Moment denken können, dass sie mir wohlgesonnen war?

Ich ging an den anderen Abteilen vorbei, in denen nur vereinzelt Personen saßen. Sie alle starrten völlig teilnahmslos vor sich hin, als stünden sie unter Hypnose oder dämonischem Einfluss.

Zögernd stieg ich aus dem Zug auf den Bahnsteig. Rechts und links verließen vereinzelt weitere Fahrgäste den Zug. Vielleicht ein Dutzend. So wie ich das sah, war ich zumindest die Jüngste.