Das Haus Zamis 28 - Logan Dee - E-Book

Das Haus Zamis 28 E-Book

Logan Dee

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Beschreibung

Der menschenleere Strand von Rio lag mir zu Füßen. In der Nacht, unter dem Licht des vollen Mondes, leuchtete der Sand schneeweiß, und die Wellen dahinter wirkten undurchdinglich wie schwarzes Blut.
Man hatte mich davor gewarnt, den Strand an der Copacabana nach Einbruch der Dunkelheit aufzusuchen, und die Erinnerung an die Warnung beherrschte meine Gedanken wie ein ständiges Flüstern.
Verlasse nicht das Hotel! Geh nicht allein zum Strand hinunter!
Ein zweiter Gedanke allerdings machte mir noch mehr zu schaffen.
Wie war ich hierhergekommen ...?


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Seitenzahl: 135

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah

DER SCHWARZE JAHRMARKT

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Coco Zamis ist das jüngste von insgesamt sieben Kindern der Eltern Michael und Thekla Zamis, die in einer Villa im mondänen Wiener Stadtteil Hietzing leben. Schon früh spürt Coco, dass dem Einfluss und der hohen gesellschaftlichen Stellung ihrer Familie ein dunkles Geheimnis zugrunde liegt. Die Zamis sind Teil der sogenannten Schwarzen Familie, eines Zusammenschlusses von Vampiren, Werwölfen, Ghoulen und anderen unheimlichen Geschöpfen, die zumeist in Tarngestalt unter den Menschen leben und nur im Schutz der Dunkelheit und ausschließlich, wenn sie unter sich sind, ihren finsteren Gelüsten frönen.

Der Hexer Michael Zamis wanderte einst aus Russland nach Wien ein. Die Ehe mit Thekla Zamis, einer Tochter des Teufels, ist standesgemäß, auch wenn es um Theklas magische Fähigkeiten eher schlecht bestellt ist. Umso talentierter gerieten die Kinder, allen voran der älteste Bruder Georg und – Coco, die außerhalb der Sippe allerdings eher als unscheinbares Nesthäkchen wahrgenommen wird. Zudem kann sie dem Treiben und den »Werten«, für die ihre Sippe steht, wenig abgewinnen und fühlt sich stattdessen zu den Menschen hingezogen.

Während ihrer Hexenausbildung auf dem Schloss ihres Patenonkels lernt Coco ihre erste große Liebe Rupert Schwinger kennen. Als ihr schließlich zu einem vollwertigen Mitglied der Schwarzen Familie nur noch die Hexenweihe fehlt, meldet sich zum Sabbat auch Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie, an und erhebt Anspruch auf die erste Nacht mit Coco. Als sie sich weigert, wird Rupert Schwinger in den »Hüter des Hauses« verwandelt, ein untotes Geschöpf mit einem von Würmern zerfressenen Gesicht, das fortan ohne Erinnerung an sein früheres Leben über Coco wachen soll.

Auf weitere Konsequenzen verzichtet Asmodi vorerst, als es Coco gelingt, einen seiner Herausforderer zu vernichten – durch die Beschwörung des uralten Magiers Merlin, der sich auf Cocos Seite stellt. Merlin aber ist seinerseits gefangen – im centro terrae, dem Mittelpunkt der Erde. Um ihn zu befreien, muss Coco sieben Siegel erbeuten, die sie vor dem Einfluss der Zentrumsdämonen schützen. Sie meistert diese Aufgabe – und verliert im Anschluss ihre Erinnerungen an die Reise ins centro terrae, wie Merlin es ihr prophezeit hat.

Zurück auf der Erdoberfläche, erfährt Coco, dass Asmodis Groll auf die Zamis nicht geschwunden ist. Er hat Cocos Bruder Georg auf die Teufelsinsel entführt, wo dieser von Axinum gefangengehalten wird – einem künstlichen Geschöpf, das Asmodi aus drei verschiedenen Dämonen zusammengefügt hat. Doch Asmodis Plan, Axinum auf die Zamis zu hetzen, schlägt fehl, da Axinum dem Wahnsinn verfällt und schließlich von Zakum, dem dunklen Archivar, vernichtet werden muss. Um nach der Auseinandersetzung das Gesicht zu wahren, handeln Asmodi und Michael Zamis einen Pakt aus. Coco wird als Bauernopfer nach Südamerika verbannt. Doch schon die Anreise mit dem Ziel Uruguay verläuft anders als geplant ...

DER SCHWARZE JAHRMARKT

von Logan Dee

Auf dem Gipfel des Waller, tausend Jahre zurück

Der Jüngling Roland saß zitternd auf dem grobgeschnitzten Holzstuhl und sah dem hageren Greis zu, wie er einige geheimnisvolle Gläschen aus seinem weitgeschnittenen Gewand holte und vor ihm auf den Tisch stellte. Roland schauderte, als er darin abgeschnittene Krähenfüße, Augäpfel von Tieren und andere widerwärtige Dinge erblickte.

»Was tut Ihr da, ehrenwerter Baphomet?«

Der Hagere antwortete nicht, und Roland ließ seinen neugierigen Blick über die Einrichtung der Hütte schweifen, die vor ihm noch kein Sterblicher zu Gesicht bekommen hatte. Das Heim des Hexers Baphomet blieb den Sterblichen verschlossen, und es erschien Roland wie eine große Ehre, dass der berühmte Magier ausgerechnet ihn zu sich gerufen hatte.

»Wollt Ihr mir eines Eurer Zauberkunststücke beibringen?«, fragte Roland. Er wurde langsam nervös, als der Hagere immer noch nicht antwortete.

1. Kapitel

Der Mann, der sich Baphomet nannte und dessen Haut voller Runzeln war wie die eines vertrockneten Pfirsichs, zog die Lade eines mächtigen Schranks auf und nahm ein Buch heraus, das etwa eine Elle in der Breite und zwei Ellen in der Länge maß. Es besaß einen kostbaren Ledereinband und zwei goldene Schnallen, die seine Buchdeckel verschlossen.

Baphomet legte das Buch auf den Tisch und blickte Roland durchdringend an, so dass dem Jungen ganz furchtsam ums Herz wurde.

Dieser Baphomet war ihm auf einmal unheimlich, und er wünschte sich, die Einladung nicht angenommen zu haben.

Dabei wusste er tief im Innern, dass es eigentlich gar keine Einladung gewesen war.

Er sah das Gesicht seines Vaters vor sich, der ihm schon früh von Baphomet erzählt hatte.

»Er ist ein mächtiger Hexer«, hatte er gesagt, »und wenn er dich um etwas bittet, dann hüte dich davor, ihm die Erfüllung seiner Bitte zu verweigern.«

Deswegen war er hier, doch jetzt wünschte er sich plötzlich, er hätte den Ratschlag seines Vaters nicht beherzigt.

»Wie alt bist du, Roland?«, fragte Baphomet mit einer Stimme, die wie das Rascheln welker Blätter klang.

»Siebzehn.«

»Dann bist du bereits ein starker Mann. Bist du auch mutig, Roland?«

Roland nickte zögernd.

»Du wirst Zeuge eines einmaligen Ereignisses werden. Dieses Buch ist der Schlüssel ... ja ...« Er kicherte.

»Der Schlüssel ... wozu?«, fragte Roland, als Baphomet nicht weitersprach.

»Ich bin alt«, sagte Baphomet. »Ich habe schon viele Jahrhunderte gelebt, und ich werde auch noch leben, wenn deine Eltern längst zu Asche zerfallen sind. Aber auch ich kann sterben.«

Baphomet murmelte etwas Unverständliches. Es klang wie der Stoßseufzer eines alten Mannes, aber Roland hatte nicht das Gefühl, dass der Mann vor ihm kraftlos war. Im Gegenteil, das schwächliche Äußere Baphomets, der fast kahle Schädel, die pergamentartig dünne Haut, die sich über seine knochigen Glieder spannte, schienen nur Täuschung zu sein. Eine Fassade, die über die Macht des Hexers hinwegtäuschte.

Roland wartete ehrfürchtig, dass Baphomet weitersprach.

»Die Welt ist voller dunkler Geschöpfe, die sich in der Schwarzen Familie der Dämonen zusammengeschlossen haben. Diese Dämonen gilt es zu beherrschen. Und du, Roland, wirst mir dabei helfen!«

»Ich verstehe nicht, was Ihr meint, Herr ...«

Baphomet schlug die erste Seite des Buches auf. Sie war leer. »Dieses Buch wird deinen Namen tragen. Du bist der Erste, dessen Geschichte ich darin eintragen werde.«

»Meine Geschichte?«

»Jeder Mensch hat eine Geschichte, und jeder Mensch kann gezwungen werden, sie preiszugeben.« Den letzten Satz hatte er in einem bedrohlichen Ton gesprochen.

Roland wartete vergeblich darauf, dass der Hexer sich erklärte. Atemlos sah er zu, wie Baphomet die Gläser vor ihm auf das aufgeschlagene Buch entleerte. Dann streute er ein übel riechendes Pulver darüber, dessen fein mehlige Konsistenz die Luft über dem Tisch in eine stinkende grüne Wolke hüllte. Roland hielt sich die Hände vor den Mund, um den Hustenreiz zurückzuhalten.

Der Hexer sprach einige Worte in einer Sprache, die Roland nicht verstand. Er schrie auf, als urplötzlich eine Stichflamme aus dem Buch hervorschoss und die Krähenfüße, Froschaugen und Fuchsohren verschlang. Der Gestank von verbranntem Fleisch erfüllte den Raum.

Als sich der Qualm verzogen hatte, blickte Roland mit aufgerissenen Augen auf das Buch, das unversehrt auf dem Tisch lag. Aber es wirkte jetzt anders, unheimlicher, als hätte Baphomet eine geheimnisvolle Initiation vollzogen.

Rolands Kopf fuhr herum, als er im Augenwinkel die Gestalt eines Mannes wahrnahm. Ein Muskelprotz mit breitem Oberkörper und finsterem Blick. Roland hätte schwören können, dass der Fremde eben noch nicht dagewesen war.

»Das ist Alessandro. Er ist der Schutzdämon des Buches.«

Schutzdämon? Roland spürte, wie sich sein Atem beschleunigte.

Der Hexer nahm einen Federkiel in die knochige Hand und machte über einer freien Stelle des Tisches eine Bewegung, als ob er ihn in ein Fass Tinte tauchte.

Roland zuckte zusammen. Er hatte einen Stich am linken Handgelenk verspürt. Als er nach der Stelle tastete, klebte plötzlich Blut an seiner Hand.

»Walte deines Amtes, Alessandro!«

Und der Riese kam auf Roland zu. Sein Gesicht wirkte plötzlich nicht mehr menschlich, sondern hatte sich in eine abstoßende Fratze verwandelt. Aus seinen Fingern wuchsen messerscharfe Krallen, die er mit einem Schlag in Rolands Kehle bohrte.

Baphomet senkte den Federkiel auf das leere Blatt und schrieb Rolands Namen in das Buch, während dieser sterbend vor ihm zu Boden sank.

»Dies ist das Buch der Toten«, sagte der Hexer raschelnd. »Es wird meine TABULA TENEBRARUM werden, meine Tafel der Finsternis, und mir helfen, meine finstersten Ziele zu erfüllen ....«

Die Welt verschwamm vor Rolands Augen. Mit dem Blut strömte auch das Leben aus seinem Körper. Er spürte den Schmerz kaum. Seine Glieder wurden taub. Das Buch der Toten, hämmerte es in seinem Kopf. Baphomet hat dich benutzt. Er braucht dein Blut und deinen Körper für seine grässlichen Pläne!

»Ja, das ist es«, vernahm er Baphomets raschelnde Stimme wie aus weiter Ferne. »Ich höre deine Geschichte. Ich kann sie fühlen.«

Verschwommen sah Roland, wie der Federkiel über das Papier huschte. Gleichzeitig wurde er immer schwächer. Das Leben rann aus seinem Körper.

»Ich will ... nicht sterben ...«, röchelte er kaum hörbar. Blasen aus Blut und Speichel zerplatzten auf seinen Lippen.

Baphomet ließ ein höhnisches Kichern hören. »Du wirst mir zu Diensten sein. Ein Name in der TABULA TENEBRARUM und ein Soldat in meiner Armee der Toten.«

Roland stürzte vom Stuhl. Der Dämon Alessandro starrte mitleidlos auf ihn herab. Von seinen Klauen tropfte immer noch das Blut.

Baphomet kümmerte sich nicht um den Leichnam. Er vollendete den Eintrag in der TABULA und säuberte den Federkiel anschließend penibel mit einem Tuch.

»Der Anfang ist getan. Sei mir zu Diensten, Roland, als der erste meiner Diener.«

Das Wesen, das einmal der Junge Roland gewesen war, erhob sich.

Es hatte sich auf schreckliche Weise verändert. Die Haut war noch runzliger geworden als die Baphomets. Kurze, schlohweiße Haare standen wirr vom Kopf ab. Die glanzlosen Augen lagen tief in den Höhlen.

Aus dem kräftigen Jüngling war eine abgemagerte, vertrocknete Gestalt geworden, die aussah, als wäre sie soeben dem Grab entstiegen.

»Ich gehorche dir, Baphomet«, sagte der Leichnam mit krächzender Stimme. »Ich gehorche dir für alle Zeiten ...«

Der Strand von Rio lag mir zu Füßen. In der Nacht, unter dem Licht des vollen Mondes, war sein Sand wirklich schneeweiß. Wie ein Leichentuch, dachte ich fröstelnd. Die Wellen waren tiefschwarz und wirkten wie schwarzes Blut. Der Strand war menschenleer. Weder Touristen hielten sich um diese Zeit hier auf noch irgendwelches lichtscheue Gesindel.

Man hatte mich davor gewarnt, den berühmten Strand an der Copacabana nach Einbruch der Dunkelheit aufzusuchen. Ich wusste zwar nicht, wer mir den Rat gegeben hatte, aber er beherrschte meine Gedanken wie ein ständiges Flüstern.

Geh nicht! Verlasse nicht das Hotel! Geh nicht allein zum Strand hinunter!

»Eine schöne Frau wie Sie sollte sich nicht alleine dort hinaus begeben«, hatte mich Manuel, der Portier, beschworen. »Zu viele Gefahren.«

»Ich werde schon auf mich aufpassen«, hatte ich erwidert. »Außerdem will ich nur ein wenig am Strand spazieren gehen.«

»Am Strand?« Er hatte mich angeschaut, als wäre ich von allen guten Geistern verlassen. »Seit wann wollen Sie nicht mehr in unserem Hotel bleiben? Ich muss Desmonian anrufen. Er wird ...«

»Was ist dagegen einzuwenden, dass ich mir ein wenig die Füße vertrete?« Ich wusste selbst nicht, warum es mich hinauszog. In meinem Kopf drehte sich alles. Ich erinnerte mich kaum, wie ich in dieses Hotel gekommen war. Was machte ich überhaupt hier? Allein der sehnliche Wunsch, den Strand zu besichtigen, trieb mich vorwärts.

Manuel presste die Lippen zusammen, als hätte er sich die Zunge verbrannt.

Ich sah die Angst in seinen Augen. Aber sie galt nicht mir oder den Worten, die er sich verkniff. Sein Blick ging an mir vorbei. Fast hätte ich den Fehler gemacht, mich umzudrehen. Aber dann hatte ich mich wieder in der Gewalt.

»Vielen Dank für Ihre Warnung«, sagte ich freundlich und wandte mich um. Ich sah nur ein paar Kinder, die die Hotelhalle betreten hatten. Normalerweise wagten sie es nicht, die Hotels selbst zu betreten, sondern lungerten vor den Ausgängen herum, um die Hotelgäste anzubetteln. Diese Kinder hingegen schienen sehr selbstsicher zu sein. Und niemand der Hotelangestellten machte Anstalten, sie zu verscheuchen.

Eines der Kinder sah mich an. Es war ein Junge. Er war größer als die anderen, und ich schätzte ihn auf vierzehn oder fünfzehn, während die anderen weitaus jünger waren. Während die anderen Kinder ausschwärmten und mit dreisten Gebärden die anderen Gäste in der Halle um Geld anbettelten, kam der Junge langsam auf mich zu.

In seinen Augen lag ein Glanz, der mich frösteln ließ. Er hatte etwas von Irrsinn. Dennoch dachte ich nicht daran, mich von ihm einschüchtern zu lassen.

»Hat die Lady vielleicht ein paar Dollar für einen hungrigen Sohn An'hanga'baras?«

Ich betrachtete ihn genauer. Er sah nicht so aus, als würde er Hunger leiden. Er wirkte trotz seiner schmächtigen Figur durchtrainiert und muskulös. Ich überlegte, ob er versuchen würde, mich anzugreifen, wenn ich nicht auf seine dreiste Forderung einging.

Andererseits hielt ich es für wenig ratsam, so kurz nach meiner Ankunft in Rio die Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.

Ich wühlte in meinem Portemonnaie und warf dem Jungen ein paar Münzen zu. Eine davon fing er geschickt auf, die anderen kullerten über den Boden. Er selbst verzog keine Miene, während ein paar andere Kinder rasch herbeihuschten und die Münzen vom Boden klaubten.

»Vielen Dank, Lady«, sagte er mit einem kalten Grinsen. »Die Kinder An'hanga'baras werden es Ihnen danken.«

Sagte es und wandte sich dem Ausgang zu.

Seine Bande schloss sich ihm an, und wenige Sekunden später waren sie allesamt verschwunden. Wie ein Spuk.

Ich scheuchte die Gedanken fort und gab mich ganz der Stimmung der nächtlichen Copacabana hin. Es erschien mir wie ein Wunder, dass niemand außer mir dieses Vergnügen teilte. Es war eine milde, laue Nacht. Ich ließ mich auf dem feinkörnigen Sand nieder und knöpfte meine Bluse auf. Danach zog ich meinen Rock aus, so dass ich nur noch meinen Tanga trug. Der volle Mond stand am Himmel, und ich spürte ein verlockendes Kribbeln auf meiner Haut. Ein leichtes Zittern ging durch meinen Körper. In diesem Moment spürte ich, dass Hexenblut durch meine Adern floss. Vielleicht war es nicht so schwarz, wie es meine Familie gerne hätte. Ich galt als Versagerin und viel zu sehr den Menschen zugetan. Und dennoch konnte ich nicht immer mein schwarzes Erbe verleugnen.

Das Leuchten des Mondes übte ein fast nicht mehr zu ertragendes Verlangen in mir aus – ohne dass ich zu sagen vermochte, welcher Art dieses Verlangen war. Geschweige denn, wie ich es stillen konnte.

Ich entschied mich für das Nächstliegende. Ich lief auf das Wasser zu und stürzte mich in die Fluten. Die hohen Wellen brachen über mir zusammen, und für einige Momente versank ich ganz darin. Unter Wasser öffnete ich die Augen. Seltsamerweise war um mich herum nicht alles dunkel. Das Mondlicht bahnte sich durch die Wasseroberfläche seinen Weg und erfüllte alles mit einem silberflirrenden Glanz.

Rasch machte ich ein paar Schwimmzüge, um wieder an die Oberfläche zu gelangen. Vom Meer aus sah der Strand der Copacabana noch paradiesischer aus. Ich gab mich ganz diesem Anblick hin, als auch schon der nächste hohe Brecher über mir hinwegrauschte.

Es war seltsam, aber das salzige Nass schien mir neue Kräfte zu verleihen. Seit ich mit dem Flieger in Rio gelandet war, herrschte in meinem Bewusstsein eine eigentümliche Dumpfheit. Es fiel mir schwer, mehr als zwei zusammenhängende Gedanken zu Ende zu bringen. Es war, als hätte sich eine Glaskuppel über mich gesenkt. Erst jetzt wurde mir bewusst, wie eigenartig dies war.

Ich schwamm noch weiter hinaus, und mit jedem Meter fühlte ich mich befreiter.

Und plötzlich fiel mir sogar wieder ein, warum ich in Rio war.

Dankend lehnte ich ab, als mir die Stewardess einen Drink anbot. Ich wollte einen klaren Kopf behalten.

Meine Familie hatte mich dazu verdonnert, die nächsten zwölf Monate in Uruguay zu verbringen. Bei einem Großonkel meines Vaters, Enrico Cortez, sollte ich weiter in die Lehre gehen.

Wenn den Worten meines Vaters zu trauen war, dann war er ein ausgezeichneter Hexer.