Das Haus Zamis 45 - Logan Dee - E-Book

Das Haus Zamis 45 E-Book

Logan Dee

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Beschreibung

Schwer drehte sich ein Schlüssel im Schloss. Quietschend wurde die Tür nach innen aufgestoßen. Ein schwacher Lichtschein fiel herein.
Chloe musste blinzeln. Zwei Schatten betraten ihre Zelle. Sie erkannte, dass es sich nicht um ihre Wächter handelte, sondern um zwei Frauen. Wahrscheinlich Dienerinnen ihres Onkels, die unter seinem Bann standen. Sie waren schon älter und Engländerinnen. Beide hatten ihre einstige Schönheit den dämonischen Gelüsten Sir Blackmores und seiner Spießgesellen opfern müssen.
»Wir haben den Auftrag, dich herzurichten«, sagte die eine. Und die andere setzte kichernd hinzu: »Immerhin tritt man nicht jeden Tag einem Maharadscha unter die Augen ...«

Coco hat das Mädchen Jaya gerettet und damit Jêrome LaRattes Zorn auf sich gezogen. In seiner Gewalt durchlebt Coco das Schicksal einer jungen Dämonin namens Chloe, die vor langer Zeit existiert hat. Schon damals hatte Betaphor seine Hand nach dem Dämonenschwert ausgestreckt ...


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Seitenzahl: 126

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah

BETAPHOR

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Coco Zamis ist das jüngste von insgesamt sieben Kindern der Eltern Michael und Thekla Zamis, die in einer Villa im mondänen Wiener Stadtteil Hietzing leben. Schon früh spürt Coco, dass dem Einfluss und der hohen gesellschaftlichen Stellung ihrer Familie ein dunkles Geheimnis zugrunde liegt. Die Zamis sind Teil der sogenannten Schwarzen Familie, eines Zusammenschlusses von Vampiren, Werwölfen, Ghoulen und anderen unheimlichen Geschöpfen, die zumeist in Tarngestalt unter den Menschen leben und nur im Schutz der Dunkelheit und ausschließlich, wenn sie unter sich sind, ihren finsteren Gelüsten frönen.

Der Hexer Michael Zamis wanderte einst aus Russland nach Wien ein. Die Ehe mit Thekla Zamis, einer Tochter des Teufels, ist standesgemäß, auch wenn es um Theklas magische Fähigkeiten eher schlecht bestellt ist. Umso talentierter gerieten die Kinder, allen voran der älteste Bruder Georg und – Coco, die außerhalb der Sippe allerdings eher als unscheinbares Nesthäkchen wahrgenommen wird. Zudem kann sie dem Treiben und den »Werten«, für die ihre Sippe steht, wenig abgewinnen und fühlt sich stattdessen zu den Menschen hingezogen.

Während ihrer Hexenausbildung auf dem Schloss ihres Patenonkels lernt Coco ihre erste große Liebe Rupert Schwinger kennen. Als ihr schließlich zu einem vollwertigen Mitglied der Schwarzen Familie nur noch die Hexenweihe fehlt, meldet sich zum Sabbat auch Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie, an und erhebt Anspruch auf die erste Nacht mit Coco. Als sie sich weigert, wird Rupert Schwinger in den »Hüter des Hauses« verwandelt, ein untotes Geschöpf, das fortan ohne Erinnerung an sein früheres Leben über Coco wachen soll.

Auf weitere Konsequenzen verzichtet Asmodi vorerst, als es Coco gelingt, einen seiner Herausforderer zu vernichten – durch die Beschwörung des uralten Magiers Merlin, der sich auf Cocos Seite stellt. Merlin aber ist seinerseits gefangen – im centro terrae, dem Mittelpunkt der Erde. Coco gelingt es, ihn zu befreien, doch im Anschluss verliert sie ihre Erinnerungen an die Reise ins centro terrae, so wie Merlin es ihr prophezeit hat.

Zurück auf der Erdoberfläche, erfährt Coco, dass Asmodis Groll auf die Zamis nicht geschwunden ist. Dennoch schließen Asmodi und Michael Zamis einen Burgfrieden. Die Leidtragende ist Coco, die in der Kanzlei des Schiedsrichters der Schwarzen Familie Skarabäus Toth von einer Armee von Untoten vermeintlich getötet wird. Im letzten Moment rettet sie ihre Seele in den Körper einer Greisin und kann erst nach einer Odysee über zwei Kontinente mit Hilfe des Seelenfängers Sheridan Alcasta in ihren eigenen Leib zurückkehren. In Wien hat inzwischen der Dämon Gorgon der Zamis-Sippe den Krieg erklärt. Coco kann nicht mehr verhindern, dass die gesamte Stadt – Menschen wie Dämonen – unter einer magischen Glocke zu Stein erstarrt. Wenigstens gelingt ihr die Flucht: nach Kalkutta, wo sie in die Fänge des Dämons Jerôme LaRatte gerät, der ein begehrtes Geheimnis hütet ...

BETAPHOR

von Logan Dee

»Kalkutta ist eine Erfindung des Teufels,die dreihundert Jahre alt ist.«

Dämonen-Chronik

Im Jahre 1686 gaben die Briten ihren bisherigen Stützpunkt am Hooghly River auf und verlegten ihn flussabwärts. Kalikata hieß eine der Ansiedlungen. Von ihr erhielt Kalkutta seinen Namen.

Woher wusste ich das? Hatte ich es vielleicht irgendwo gelesen? Oder hatte es mir die Stimme verraten, die ich seit einigen Tagen vernahm? – Dunkelheit war um mich herum. Ich ignorierte die Schmerzen, den Hunger, den Durst. Es gab zwei Möglichkeiten: Ich konnte mich so lange wach halten, bis mein Peiniger abermals die Zellentür öffnen und mich quälen würde. Oder ich konnte mich in den Schlaf wiegen und weiter der Stimme lauschen. Zunächst war die Stimme einfach nur ein sanftes Säuseln gewesen, eine Melodie von Worten, die ich nicht verstand. Doch je länger ich ihr zuhörte, umso mehr erschloss sich mir ihr Inhalt.

1. Kapitel

Mittlerweile hatte die Stimme auch einen Namen.

Chloe.

Dann bekam sie ein Gesicht, einen Körper und eine Geschichte.

Die Stimme begann zu leben.

Auch wenn das, was sie erzählte, weit in der Vergangenheit geschah ...

Vergangenheit

»Nimm deine widerliche Pranke von meinem Knie!«, zischte Chloe. »Oder ich vergesse, dass ich in einem englischen Internat erzogen wurde!«

Ihre Wangen waren gerötet – aber nicht vor Scham, sondern vor Zorn. Die junge Lady, die erst seit einigen Tagen in Fort William eingetroffen war und seitdem für allerhand Gesprächsstoff sorgte, bebte am ganzen Körper.

»Wenn du wütend bist, siehst du noch hübscher aus!«, feixte der schwergewichtige Engländer an ihrer Seite. Gleichzeitig wanderte seine schweißnasse Hand ein wenig höher und umfasste ihren festen Oberschenkel.

»Unter ›Umgebung zeigen‹ habe ich mir aber etwas anderes vorgestellt!«, entgegnete Chloe. »Ein letztes Mal: Nimm deine widerlichen Pranken weg!«

Statt einer Antwort gab Sir Mallory nur ein erregtes Grunzen von sich. Es geilte ihn nur noch mehr auf, wie dieses kleine Flittchen mit ihm sprach – so als wäre er ihresgleichen und nicht einer der allseits gefürchteten Vize-Direktoren der Company.

Im nächsten Moment ertönte ein Donnerschlag. Gleichzeitig schlug ein Blitz aus heiterem Himmel direkt vor ihnen ein. Die beiden Pferde scheuten und gingen durch. Der Geruch von Schwefel lag in der Luft.

Vergeblich versuchte Sir Mallory, die Tiere zu beruhigen. Seine Anstrengungen schienen deren Panik nur zu verdoppeln. Als würde der Leibhaftige die Peitsche schwingen, ließen sie sich von niemandem mehr halten.

Sir Mallory benötigte nun beide Hände. Chloe nahm es mit einem befriedigenden Lächeln zur Kenntnis. Der alte Bock sollte lernen, was es hieß, sich mit ihr anzulegen.

In diesem Augenblick erst öffnete der Himmel seine Schleusen. Von einem Moment zum anderen ergossen sich wahre Wolkenbrüche auf das Land. Es dauerte nur wenige Minuten, und der Pfad vor ihnen hatte sich in matschigen Sumpf verwandelt. Die Pferde verlangsamten ihre Flucht. Sie hatten nun Mühe, überhaupt voranzukommen. Die Räder der Kutsche fraßen sich tief in den Boden.

»So etwas habe selbst ich hier noch nicht erlebt!«, schrie Sir Mallory. »Und das habe ich dir zu verdanken!«

Chloe hielt es für unter ihrer Würde, darauf zu antworten. Wahrscheinlich hatte er von Anfang an nur vorgehabt, seine Gelüste an ihr zu befriedigen.

»Wie weit ist es denn noch bis Fort William?«, fragte sie.

»Was weiß denn ich? Wir kommen kaum vorwärts! Wenn der Regen weiter so heftig ...«

Ein zweiter Blitz schlug direkt neben dem Pfad ein. Nun war es mit der Beherrschung der Pferde vollends vorbei. Sie stemmten sich gegen ihr Geschirr an, bis blutiger Schaum aus ihren Mäulern trat. Die Kutsche gewann wieder an Fahrt, obwohl Sir Mallory mit aller Kraft an den Zügeln riss. Chloe dagegen stieß einen schnalzenden Laut aus.

»Du Hexe, wirst du das wohl bleiben lassen! Es macht die Pferde noch verrückter!«

»Gib mir die Zügel!«, verlangte Chloe. Ehe der verdutzte Engländer ihr eine Abfuhr erteilen konnte, hatte sie ihm die Lederriemen entrissen. Und ebenso die Peitsche. Abermals stieß sie diesen merkwürdigen Laut aus. Es schien, als würden die Pferde auf ganz besondere Weise darauf reagieren. Sie spitzten die Ohren und wieherten laut. Dann liefen sie erneut schneller. Es war, als glitten sie fast schwerelos über den Schlamm anstatt in ihm zu versinken. Die Kutsche schwankte, hielt aber noch stand. Weitere Blitze schlugen zu allen Seiten ein. Chloe stand auf dem Kutschbock und ließ die Peitsche auf die Rücken der Pferde sausen. Sir Mallory indes war jegliche Lust vergangen. Mit beiden Händen hielt er sich fest, um nicht hinabgeschleudert zu werden. Sein Gesicht war kreidebleich. Er war gewarnt worden, dass sie eine talentierte Hexe sei. Er hätte sich nicht mit ihr einlassen sollen.

Nun bekam er seine Dummheit am eigenen Leibe zu spüren!

Die Achse der Kutsche knirschte bedenklich. Doch Chloe trieb noch immer die Pferde an – wie vom Teufel besessen. Sie bot einen gleichermaßen verführerischen wie dämonischen Anblick. Umtost von Regen und Blitzen und dem Sturm, der ihr Kleid in Fetzen riss, wirkte sie wie eine entfesselte Rache-Göttin, die nur auf dieses Ereignis gewartet hatte. Ein Blick in ihre Gesichtszüge, auf denen die Leidenschaft geschrieben stand, die sie angesichts ihres Treibens empfand, ließ Sir Mallory endgültig die Hoffnung auf einen guten Ausgang dieses Ausflugs begraben.

In der nächsten Kurve geschah es: Die Kutsche kam ins Schleudern und kippte um. Die Pferde wurden mit zu Boden gerissen. Chloe gelang es, sich abzustoßen. Federnd kam sie auf der durchweichten Erde auf und rollte sich ab. Sir Mallory hatte weniger Glück. Beide Hände wurden unter der Kutsche begraben. Er schrie vor Schmerz und konnte sich doch nicht bewegen.

Langsam trat Chloe näher. Zunächst begutachtete sie die Pferde. Die Tiere taten ihr nun leid. Sie zerrten an ihren Geschirren, konnten sich jedoch nicht selbst davon losreißen. Jedenfalls schienen sie sich nichts gebrochen zu haben. Chloe befreite die Pferde, flüsterte ihnen etwas ins Ohr, woraus sie eigenartig ruhig wurden. Sie brauchte sie noch nicht einmal festzubinden.

Sir Mallory stöhnte. »Hilf mir endlich, anstatt dich um die Klepper zu kümmern! Ich sterbe vor Schmerzen!«

Langsam trat Chloe näher heran. Mit fast kindlicher Neugier begutachtete sie das Malheur. Sir Mallory lag auf dem Bauch, die Arme ausgestreckt, wobei es so wirkte, als würden sie dort, wo die Hände von der Kutsche verdeckt waren, als Stümpfe enden. Ihr kam ein Gedanke.

»Das sieht nicht gut aus«, stellte Chloe fest. Jedenfalls würde er seine Klauen nicht wieder nach ihr ausstrecken können, das stand fest.

»Hilf mir!«, wiederholte Sir Mallory. Diesmal fast flehentlich.

»Wie, glaubst du, soll ich das machen? Ich habe nicht die Kraft, die Kutsche so einfach hochzuheben. Außerdem glaube ich nicht, dass deine Hände noch zu retten sind.«

»Spann die Pferde an! Vielleicht können sie die Kutsche von der Stelle bewegen. Nur ein paar Zentimeter ...«

»Spar dir deine Ideen für den nächsten Ausflug auf«, unterbrach ihn Chloe. Mit einem Sprung erklomm sie die Kutsche und machte ein Beil los, das sich unter dem Rücksitz befand.

Finster lächelnd näherte sie sich damit dem Engländer. »Du musst jetzt sehr tapfer sein ...«

Es war eine ungewöhnliche Prozession, die einige Stunden später Einlass in Fort William verlangte. Das Fort befand sich rund einhundertdreißig Kilometer von der Mündung des Hooghly River in den Golf von Bengalen entfernt. Gegründet worden war es erst vor ein paar Jahren von der englischen Ostindischen Kompanie als Handelsniederlassung. Es war eine regelrechte Bastion, durch zahlreiche Befestigungen zur Land- und Flussseite perfekt geschützt. Ein Ort für Abenteurer und Soldaten, Geschäftemacher und Sklavenhändler. Aber kaum einer für Frauen.

Das wiederum machte ihn für Chloe so attraktiv. Sie fiel hier auf, wann und wo immer sie sich zeigte. Ein junges Mädchen, gerade siebzehn geworden, mit rotem, langem Haar, das wie eine ungezügelte Flamme loderte. Sie trug das Mieder enger geschnürt, als es sittlich erschien, und so mancher Mann vergaß Haus und Ehefrau, wenn er die Früchte sah, die ihr Dekolleté präsentierte.

Auch der Wächter, der ihr Einlass verschaffte, konnte nicht umhin, sie wie eine überirdische Erscheinung anzustarren. Er war sich nur nicht sicher, ob diese aus dem Himmel oder direkt aus der Hölle stammte. Die Dunkelheit hatte bereits eingesetzt, sodass er nicht sogleich erkannte, dass es sich um Chloe Zergas handelte. Natürlich wusste jedermann im Fort, dass sie die Nichte des Direktors der Ostindischen Kompanie war und als solche entsprechend höflich zu behandeln war.

»Was glotzt du so?«, wies ihn Chloe zurecht. »Besorg lieber einen Arzt. Ich fürchte, mein Begleiter wird es nicht mehr allzu lange machen.«

Der Wächter nickte gehorsam und beeilte sich, dem Befehl nachzukommen. Nur kurz zögerte er, um einen Blick auf den zweiten Ankömmling zu werfen.

»Sir Mallory!«, flüsterte er entsetzt. Mehr wagte er nicht zu sagen. Rasch war ein Wundarzt herbeigeholt. Weitere Wächter und Neugierige kamen herangelaufen.

»Ihm fehlen beide Hände!«, hörte sie einen der Wächter bestürzt ausrufen.

»Und wenn er nicht bald behandelt wird, faulen ihm auch noch die Arme weg!«, stellte eine andere Stimme schonungslos fest.

»Er wäre nicht der Erste, der an Wundstarrkrampf krepiert! Wie ist das überhaupt passiert?«

Chloe Zergas kümmerte dies alles nicht mehr. Sie ignorierte den Fragesteller und die gaffende Menge. Wortlos übergab sie den Engländer in die Obhut des Arztes und sah zu, dass sie das Haus ihres Onkels erreichte. Sie hatte keine Lust, auch nur irgendeine Erklärung abzugeben. Sir Mallory hatte es nicht anders verdient, basta!

Die meisten Häuser in Fort William waren aus Holz gebaut. Nicht so das Amtsgebäude ihres Onkels, Lord Blackmore, dem ungekrönten Regenten dieser prosperierenden Ansiedlung. Als Direktor der Ostindischen Kompanie hatte er hier das unbedingte Sagen. Sein Wort galt als Gesetz, ein Handzeichen von ihm entschied über Tod oder Leben. Er wirkte als Vertreter der englischen Krone – und war darum unanfechtbar. Als sie das Anwesen ihres Onkels erreichte, gaben die zwei uniformierten Wachtposten den Weg sofort frei.

Chloe preschte durch die entstandene Gasse und galoppierte die Auffahrt zum Haus entlang. Dort angekommen sprang sie ab und drückte die improvisierten Zügel einem weiteren Bediensteten in die Hand. Noch während sie die Stufen zur Haustür hoch stürmte, wurde diese bereits geöffnet, und einer der zahllosen Butler des Hauses öffnete.

Die vielen Diener, die hinter jeder Ecke und jeder Tür nur darauf zu lauern schienen, einem jeden Wunsch von den Lippen abzulesen, hatte Chloe am Anfang am meisten verwirrt. Zu Hause in England hatte es nur wenige Diener gegeben. Diese waren zumeist weiblich und uralt.

Ihr Onkel, Lord Blackmore jedoch, schien sein Personal ständig auszuwechseln. Jedenfalls konnte sie sich kaum an ein Gesicht erinnern, weil es am nächsten Tag bereits von einem anderen ersetzt worden war. Sie wusste nicht, was mit ihnen passierte, konnte sich aber denken, dass ihr Onkel dahintersteckte.

»Menschen kommen hier gleich hinter den Fliegen«, scherzte er bei einer Gelegenheit. »Schlage einen tot, und du hast gleich einen weiteren Schwarm auf dem Hals.«

Obwohl der Onkel sie schon mehrfach gedrängt hatte, bei einem der Schwarzen Sabbate in den Kellergewölben teilzunehmen, hatte sie dies bislang immer abgelehnt. Dennoch zeugten die Schreie, die nachtnächtlich bis zu ihrem Zimmer vordrangen, von den Ritualen, die dort unten stattfanden.

»Hallo Chloe, was hast du es so eilig?«

Sie zuckte zusammen, als sie die schrille Stimme hörte. »Ach, du bist es, Edgar«, sagte sie erleichtert. Aus dem Schatten des Ganges kam eine Kreatur herangesprungen, halb Mensch, halb Kröte. Das Wesen reichte ihr nur bis zum Bauchnabel, dafür war es dreimal so dick und über und über mit Warzen übersät.

Das war noch so ein weiterer Spleen ihres Onkels: Zur eigenen Belustigung hatte er einige Widersacher, die er in Freaks verwandelt hatte, ständig um sich. Er nannte diese kleine Brigade, die aus rund einem Dutzend Freaks bestand, die Hüter des Palastes. Jedenfalls konnte man nie sicher sein, nicht irgendwo im Haus auf sie zu stoßen. Und zumeist zu Tode erschreckt zu werden.

»Ich muss sofort meinen Onkel sprechen«, sagte Chloe mit fester Stimme. Edgar hatte die Angewohnheit, sie nicht ernst zu nehmen. Stattdessen wollte er ständig mit ihr spielen.

»Wenn du ein paar Minuten deiner kostbaren Zeit für mich erübrigst, werde ich ihn in deinem Namen um eine Audienz bitten«, versuchte er zu feilschen. Aber Chloe schüttelte energisch dem Kopf. »Deine Spiele kenne ich!« Erst vor ein paar Tagen hatte er sie reingelegt, indem er sie in eines der Kellerlabyrinthe geführt und sie dort allein gelassen hatte. Sie hatte nicht mehr herausgefunden. Stundenlang war sie umhergeirrt, während sie immer wieder seine Stimme gehört hatte, die sie hierhin und dorthin gelotst hatte.