Das Haus Zamis 54 - Logan Dee - E-Book

Das Haus Zamis 54 E-Book

Logan Dee

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Beschreibung

Aus der Dämonenvita des Michael Zamis
Wie entsetzt bin ich, als mein Bruder Ingvar den Raum betritt. Als hätte sich ihm der misslungene Anschlag auf Rasputin eingebrannt, wirkt er nur noch wie ein Gespenst, das aus Haut und Knochen besteht. Sein Gesicht, seine Arme und Hände sind mit beulenartigen Geschwülsten übersät. Sein vor zwei Jahren noch schwarzes Haar ist schneeweiß geworden. Er kann sich kaum auf den Beinen halten ...

Michael Zamis hat den Erzherzog Franz Ferdinand getötet und damit den Ersten Weltkrieg ausgelöst, doch sein Plan, auf diese Weise vom Attentat auf Rasputin abzulenken, ist misslungen. - In der Gegenwart haben Dorghai und Coco Wien erreicht: Cocos Eltern und Geschwister sind scheinbar am Leben, aber Gorgons Einfluss ist unübersehbar! Um den Bann endgültig zu brechen, muss Coco Asmodis Einladung zur Totenmesse folgen ...


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Seitenzahl: 135

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah

DIE TOTENMESSE

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Coco Zamis ist das jüngste von insgesamt sieben Kindern der Eltern Michael und Thekla Zamis, die in einer Villa im mondänen Wiener Stadtteil Hietzing leben. Schon früh spürt Coco, dass dem Einfluss und der hohen gesellschaftlichen Stellung ihrer Familie ein dunkles Geheimnis zugrundeliegt. Die Zamis sind Teil der Schwarzen Familie, eines Zusammenschlusses von Vampiren, Werwölfen, Ghoulen und anderen unheimlichen Geschöpfen, die zumeist in Tarngestalt unter den Menschen leben.

Die grausamen Rituale der Dämonen verabscheuend, versucht Coco den Menschen, die in die Fänge der Schwarzen Familie geraten, zu helfen. Ihr Vater sieht mit Entsetzen, wie sie den Ruf der Zamis-Sippe zu ruinieren droht. So lernt sie während der Ausbildung auf dem Schloss ihres Patenonkels ihre erste große Liebe Rupert Schwinger kennen. Aber das Glück ist nicht von Dauer. Auf einem Sabbat soll Coco zur echten Hexe geweiht werden. Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie der Dämonen, hält um Cocos Hand an, doch sie lehnt ab. Asmodi kocht vor Wut und verwandelt Rupert Schwinger in ein Ungeheuer.

Seitdem lässt das Oberhaupt keine Gelegenheit aus, gegen die Zamis-Sippe zu intrigieren. So schickt Asmodi den Dämon Gorgon vor, der Wien und alle seine Bewohner zu Stein erstarren lässt – und die Stadt komplett aus dem Gedächtnis der Menschheit löscht. Nur Coco kann im letzten Augenblick entkommen, allerdings hat sie jede Erinnerung an ihre Herkunft verloren ... Kurz darauf findet sie sich jedoch in einer Vision in Wien wieder und steht ihrer versteinerten Familie gegenüber. Nach und nach gewinnt sie ihre Erinnerung zurück und fühlt sich mehr denn je verpflichtet, etwas gegen Gorgons Fluch zu unternehmen.

In einer Bibliothek auf Schloss Laubach in Deutschland stößt Coco auf die Dämonenvita ihres Vaters. Bisher wusste sie nur, dass ihr Vater einst aus Russland nach Wien emigrierte. Aus der Dämonenvita erfährt sie, dass er zuvor über Jahre hinweg seinen Halbbruder Rasputin bekämpft hat. Coco wird klar, dass die damaligen Ereignisse für die Rettung ihrer Familie von elementarer Bedeutung sein könnten.

Aus diesem Grund setzt auch Asmodi alles daran, die Dämonenvita in seinen Besitz zu bringen, und schleudert Coco mit Hilfe des Antiquars Ambrosius Seth in die Vergangenheit. Dort begegnet sie nicht nur ihrem Vater Michael Zamis, sondern auch dessen Vater Dorghai – in der Tunguska-Region, die vom Einschlag eines Meteoriten zerstört wurde. Offenbar wohnen den Splittern des Meteoriten magische Kräfte inne, die helfen könnten, Gorgons Bann zu brechen. Mit Hilfe eines solchen Splitters gelingt Coco die Rückkehr in die Gegenwart – in Begleitung von Dorghai! Allerdings wird der Splitter während der Reise zerstört. Jedoch gelingt es Coco, einen weiteren Splitter zu erobern. Zusammen mit Dorghai begibt sie sich nach Wien – und stellt fest, dass ihre Familie lebt! Und doch hat sich in der Stadt unter Gorgons Bann vieles verändert ...

DIE TOTENMESSE

von Logan Dee

Es wurde bereits dunkel, als der Motor des Porsche 911 plötzlich zu bocken anfing. Und das mitten auf einer kaum befahrenen Straße im Wienerwald.

»Bitte, nicht jetzt!«, betete Lutz Merkbach zu einem Gott, den es für ihn längst nicht mehr gab. »Nicht hier und heute Abend!« Er war den Tränen nahe. Tränen des Zorns.

So war das mit der Liebe – innerhalb von Sekunden konnte sie in Hass umschlagen. Und genau das war es: eine Hassliebe, die er dem Gefährt entgegenbrachte. Der Porsche hatte ihn inzwischen bereits ein Schuljahr und eine Traumfrau gekostet, die ihn verlassen hatte, weil er dem Gefährt mehr Aufmerksamkeit gewidmet hatte als ihr.

Als er vor einem Jahr den heruntergekommenen Porsche von seinem Onkel geerbt hatte, war dieser ein Haufen Schrott gewesen. Erst als Lutz in den Papieren gelesen hatte, dass es sich um ein sogenanntes Ur-Modell handelte, einen der ersten 911er überhaupt, die 1964 auf den Markt gekommen waren, hatte er Feuer gefangen.

1. Kapitel

Er war schon immer ein Autonarr gewesen, aber nun war seine Leidenschaft erst richtig entflammt. Ein halbes Jahr lang hatte er Tag und Nacht in und unter der Karre gelegen, hatte geschweißt, geschraubt, gehämmert – bis endlich das Modell von einst in alter Pracht wieder vor ihm gestanden hatte.

Leider hatten weder seine Lehrer noch seine Freundin Dolly dafür Verständnis aufgebracht. Dolly hatte ihn mit seinem besten Freund betrogen – und mindestens drei Lehrer hatten nur ein »nicht genügend« für seine Leistungen in der Schule übrig gehabt. Er würde das Jahr wohl wiederholen müssen.

Zu allem Übel erwies sich der Sechszylinder-Boxermotor als überaus anfällig. Das gute Stück hatte ihn schon an mancher Kreuzung im Stich gelassen, ohne dass er die Ursache herausgefunden hätte.

Aber doch nicht heute!

Für einen kurzen Moment schien sein Stoßgebet erhört zu werden, der Motor fing sich wieder, lief jedoch nach wie vor nicht rund, und als er erneut vorsichtig Gas gab, verreckte er erneut.

Es hatte keinen Zweck! Er ließ den Wagen am Straßenrand ausrollen, stieg seufzend aus und öffnete die Motorhaube. Wie üblich konnte er auf den ersten Blick nichts feststellen. Meistens ließ sich der Wagen nach ein paar Minuten wieder starten, sobald sich der Motor abgekühlt hatte.

Er schaute auf die Uhr. Also gut, würde er halt etwas später kommen. Patrizia würde ja wohl kaum weglaufen. Bei dem Gedanken musste er grinsen. Scheiß auf Dolly. In Patrizia Lexas hatte er bereits seine neue Traumfrau gefunden.

Seit drei Jahren war sie in der Schule in seinem Jahrgang. Er hatte sie bisher nie wahrgenommen. Sie war eine graue Maus gewesen – schüchtern und nicht gerade attraktiv.

Gewesen! Denn seit die Schwarze Familie das Sagen hatte, hatte sich auch Patrizia geoutet. Man wusste es nicht genau, aber einige munkelten, dass sie eine Werwölfin war. Werwölfin oder nicht – sie hatte sich seitdem rasant zu ihrem Vorteil verändert. Sie gab den Ton in der Klasse an, geizte nicht mit ihren Kurven, die sie früher unter viel zu weiten Pullovern versteckt hatte, und sah jeden Jungen auf eine Weise an, dass einem flau im Magen wurde. Auch Lutz träumte nachts von ihren langen seidigen, fast weißblonden Haaren, die sie im Gegensatz zu früher offen trug.

Es war erst heute Morgen, nach der Geschichtsstunde, gewesen. Sie war an ihn herangetreten, wobei er ihren betörenden Geruch aufgenommen hatte. Sie hatte nach Frau und gleichzeitig nach etwas anderem gerochen – nach etwas Animalischem. Er konnte es nicht einordnen, aber es hatte ihn verrückt gemacht. Jedenfalls hatte sie ihn in ihrer unnachahmlich verführerischen Art angesehen und gefragt: »Willst du nicht auch heute Abend vorbeikommen? Ich feiere meinen achtzehnten Geburtstag und habe ein paar Leute eingeladen.«

Die Offerte, noch dazu mit ihrer rauchigen Stimme vorgetragen, hatte ihm für einen Augenblick den Atem geraubt. Erst nach ein paar Sekunden hatte er stammeln können: »Ja, klar doch, klar!«

Sie hatte ihm noch beschrieben, wo sie wohnte, dann hatte sie ihn mit einem lächelnden »Ich freu mich, dass du kommst!« zurückgelassen. Er war dabei! Er gehörte dazu! Und wenn ihn sein verdammtes Gefühl nicht täuschte, dann konnte er sich sogar echte Chancen bei ihr ausrechnen.

Umso frustrierter war er nun, als der Porsche im unglücklichsten Augenblick seinen Geist aufgab!

Ich Idiot!, dachte er. Wieso musste ich mit dem Porsche fahren?

Natürlich, um ihr zu imponieren! Dabei hätte es Daddys Opel auch getan. Zumindest wäre ich dann schon an Ort und Stelle gewesen.

Zu spät zu kommen, war nicht gerade die beste Voraussetzung für ein erfolgreiches Date.

Er klappte die Motorhaube zu und versuchte erneut, den Wagen zum Laufen zu bringen. Vergeblich. Er würde also wohl oder übel laufen müssen. Sorgfältig schloss er den Porsche ab, wobei er im Zwiespalt war, ob er noch einmal über den makellosen roten Lack streicheln oder dem Gefährt einen Tritt verpassen sollte.

Wenn er ehrlich war, so hatte er bei der Wegbeschreibung, die ihm Patrizia gegeben hatte, gar nicht so richtig hingehört. Zu sehr war er von ihr angetan gewesen. Außerdem war er davon ausgegangen, dass er das Haus, in dem sie wohnte, schon irgendwie finden würde.

Jetzt sah die Sache allerdings anders aus.

Der Himmel verdüsterte sich immer mehr. Nicht mehr lange, und es würde stockdunkel sein. Die Straße vor ihm verlor sich bereits nach einigen Dutzend Metern im Zwielicht, während die Wälder rechts und links schon in tiefe Schatten getaucht waren.

Vielleicht ist das ja sogar ein Wink des Schicksals, dachte er mit Galgenhumor. Wenn Patrizia erfuhr, dass er zu Fuß da war, bot sie ihm vielleicht an, die Nacht bei ihr zu verbringen. Die Aussicht hob seine Laune beträchtlich. Bei dem Gedanken wurde ihm regelrecht heiß. Er sah sich bereits in inniger Umarmung mit ihr in ihrem Bett liegen. Dann fiel ihm wieder ein, dass sie eine Werwölfin sein sollte. Aber was hieß das schon? Bisher hatte sie sich nur in ihrer menschlichen Gestalt gezeigt. Sie schien nicht besonders blutrünstig veranlagt zu sein. Und falls die Gerüchte doch stimmen sollten, so war das vielleicht noch ein ganz besonderer Kick – falls sie sich in seinen Armen verwandelte.

Er kam an eine Kreuzung. Während die eigentliche Straße weiterführte, gingen links und rechts zwei Waldwege ab. Er erinnerte sich daran, dass Patrizia von dieser Kreuzung gesprochen hatte. Allerdings nicht mehr, in welche Richtung er abbiegen musste. Instinktiv entschied er sich für links.

Mit jedem Schritt wurde es dunkler. Durch die Zweige über ihm drang kaum Licht. Er verfluchte sich, dass er keine Taschenlampe mitgenommen hatte. Je weiter er ging, desto unwahrscheinlicher kam es ihm vor, dass in dieser Gegend jemand wohnen sollte.

Er war lange nicht mehr im Wald spazieren gegangen. Das letzte Mal mit seinen Eltern, als er vierzehn gewesen war. Und schon gar nicht allein – bei Dunkelheit. Umso verwirrender waren all die ungewohnten Geräusche für ihn. Die nachtaktiven Tiere des Waldes wurden nun, in der Finsternis, munter. Jedes Rascheln ließ ihn zusammenschrecken.

Plötzlich war da noch ein anderes Geräusch! Er verhielt mitten im Schritt und lauschte. Im Unterholz raschelte es. Wahrscheinlich eine Maus. Doch war da noch eine Art Rauschen zu hören. Es erklang irgendwo vor ihm im Wald. Lutz spürte, wie es ihm eiskalt über den Rücken fuhr. Auch dieses Gefühl war neu für ihn. Bisher hatte er es nur immer für eine Phrase in schundigen Romanen gehalten – nun verspürte er es am eigenen Leibe.

Er überlegte, ob er nicht einfach umkehren und weglaufen sollte. Vielleicht war dieser Weg ja noch nicht einmal der richtige. Andererseits war es geradezu lächerlich, sich von ein paar ungewohnten Lauten ins Bockshorn jagen zu lassen.

Entschlossen stapfte er weiter. Das Rauschen wurde lauter. Es erinnerte ihn an das Geräusch aus einem defekten Fernseher und verursachte eine weitere Gänsehaut auf seinem Rücken. Außerdem hatte er plötzlich das Gefühl, als ob ihm jemand folgte. Das verfluchte Rauschen verschluckte jetzt alle anderen Geräusche. Wie zum Beispiel Schritte. Immer öfter drehte er sich nun um, die Schatten spielten ihm bizarre Streiche. Ein ganzes Heer an merkwürdigen Kreaturen schien ihm auf den Fersen zu sein. Der Gedanke, dass da jemand hinter ihm her war, behagte ihm nicht. Noch weniger, als er wieder an Patrizia dachte.

Werwölfin hin oder her, er würde ihr schon zeigen, wo der Hammer hing.

Da endlich gelangte er an die Quelle des Rauschens – es handelte sich um einen kleinen Sturzbach, der von irgendwoher aus dem Hügel über ihm hervorbrach. Der Mond, der für einen Moment zu sehen war, brach sich silbern in dem Wasser.

Trotzdem fühlte sich Lutz nicht wohler, als er an dem Bach vorbeischritt. Das prasselnde Geräusch kam ihm nach wie vor unwirklich vor. Er war froh, als es irgendwann nicht mehr zu hören war und endlich wieder Stille einkehrte.

Abermals glaubte er, Schritte zu hören. Blitzschnell drehte er sich herum. Waren da nicht für einen Moment zwei rot glühende Augen zu sehen gewesen? Jetzt waren sie jedenfalls wieder verschwunden.

»Ist da jemand?«, rief er in die Dunkelheit. Nur das Schweigen des Waldes antwortete ihm. Jetzt benehme ich mich schon wie die verdammten Idioten in diesen Horrorfilmen, dachte er. Fehlte nur noch, dass plötzlich wirklich etwas aus der Schwärze auftauchte. Wahrscheinlich würde er sich in die Hose pissen.

Abermals ging er ein paar Schritte – und wieder war da dieser ihm folgende, klirrende Laut – als würde jemand auf einem Kiesbett hinter ihm herschleichen. Als er diesmal stoppte, vermeinte er sogar noch, das Echo der ersterbenden Schritte hinter ihm zu vernehmen.

Und plötzlich wusste er, was es war. Es musste der Schlüsselbund in seiner Hosentasche sein! Erleichtert zog er ihn hervor und schloss ihn in die Faust, sodass die Schlüssel nicht gegeneinanderklirren konnten.

Das Geräusch blieb.

Jetzt hatte er die Gewissheit, dass ihm jemand folgte.

Vielleicht war es ja nur ein weiterer Besucher, der zu Patrizias Geburtstagsfeier geladen war. Aber warum zeigte er sich dann nicht? Lutz spürte, wie das Grauen mit immer schärferen Klauen nach ihm griff.

»Lutz!«, ertönte plötzlich eine Stimme. »Sind Sie das? So warten Sie doch!«

Die Stimme kannte er. Ein Taschenlampenkegel leuchtete den Weg aus. Einen Moment später sah er ein Gesicht zwischen den Bäumen auftauchen.

»Dr. Wegener!«, entfuhr es ihm erleichtert. Er konnte sich nicht erinnern, jemals so froh gewesen zu sein, auf einen Pauker zu treffen. Auch wenn es in diesem Fall derjenige aus dem Lehrerkollegium war, den er am meisten verabscheute.

Dr. Wegener unterrichtete Latein und Geschichte, und nicht zuletzt seinetwegen schien die Versetzung meilenweit entfernt zu sein. Dabei war Lutz schon dreimal sitzen geblieben. Allmählich sah es so aus, als machten sich die Lehrer einen Spaß daraus, ihn regelmäßig aufs Korn zu nehmen. Sollte er etwa die verdammte Schulbank drücken, bis er achtzig war?

Dann hatte Wegener ihn erreicht. Er trug wie immer Jeans und sein altmodisches, kariertes Sakko mit den ledernen Ellenbogenflicken. Damit versuchte er wohl, besonders lässig zu sein, bei den Schülern als Kumpel rüberzukommen. Leck mich, dachte Lutz. Wenn Wegener sein Kumpel sein wollte, sollte er gefälligst die Versetzung rüberwachsen lassen.

Lutz stockte. Er konnte Wegener auf den Tod nicht ausstehen, daran hatte sich auch jetzt nichts geändert. Trotzdem war irgendetwas an dem elenden Pauker anders als sonst. Es war der Geruch, der Lutz als Erstes auffiel. Dr. Wegener schien sich von Kopf bis Fuß mit irgendeinem Eau de Cologne einparfümiert zu haben. Der Wichser ging zwar auf die sechzig zu, stand aber in dem Ruf, noch immer mehr als nur ein Auge auf so manche Schülerin gerichtet zu haben. Lutz fragte sich in diesem Moment, ob er irgendwas mit Patrizia hatte. Na logisch! Was hatte er sonst hier zu suchen?

»Was machen Sie hier, mein Junge?«

Mach dir bloß keine Hoffnungen, du Penner. Patrizia gehört mir.

»Ich gehe nur ein bisschen spazieren. Und Sie?«

Lutz fühlte sich ertappt – warum auch immer, eigentlich gab es nicht den geringsten Grund dazu. Andererseits hatte er tatsächlich ein schlechtes Gewissen. Immerhin war Patrizia eine Dämonin. Zwar wagte sich niemand offen gegen die Schwarze Familie aufzulehnen, aber diejenigen Menschen, die sich allzu leichtfertig mit ihnen abgaben, wurden geächtet.

Dr. Wegener grinste: »Sie brauchen sich gar nicht rauszureden, Merkbach! Ich wette, Sie sind auch unterwegs zu der kleinen Lexas. Hat Sie Ihnen auch vorgeschwindelt, Sie allein zu empfangen?«

»Sie sagte irgendwas von einer Geburtstagsparty«, murmelte Lutz. Lautlos aber dachte er: Der alte Bock! Hat sich wahrscheinlich auf ein Schäferstündchen gefreut. Wahrscheinlich hat sich Patrizia einen Scherz mit ihm erlaubt! Recht so! Dabei fiel ihm ein, dass ihm Wegener noch immer keine Erklärung dafür gegeben hatte, warum er hier zu Fuß im Wald unterwegs war. Als hätte der Lehrer seine Gedanken erraten, sagte er: »Habe deinen Wagen am Wegrand gesehen. Dachte, irgendetwas wäre passiert, und bin zu Fuß weiter. Zu Patrizia ist es ja nicht weit.« Vom formellen Sie war er zum plumpen Du übergegangen.

»Der Motor hat bloß gebockt, das ist alles«, spielte Lutz die Panne herunter. »Anscheinend waren Sie ja schon mal bei Patrizia, wenn Sie sich hier so gut auskennen.« Er spürte, wie eine falsche Eifersucht in ihm gärte.

»Sogar mehrmals«, gab Dr. Wegener unumwunden zu.

Er blieb stehen und bedachte Lutz mit einem spöttischen Blick. »Machen wir uns nichts vor, Sie ist ein verdammtes Luder. So unschuldig, wie du jetzt aus der Wäsche guckst, bist du wahrscheinlich der Einzige in der ganzen Klasse – das Kollegium eingeschlossen –, mit dem sie noch nicht gefickt hat.«