Das Haus Zamis 76 - Logan Dee - E-Book

Das Haus Zamis 76 E-Book

Logan Dee

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Beschreibung

Die Hütte bebte und ächzte unter den Angriffen der Bestien. Wieder und wieder stürmten sie heran. Noch hielten meine magischen Siegel - aber wie lange noch?
Plötzlich spürte ich, dass ich nicht mehr allein war. Jemand war eingedrungen. Die Präsenz des Eindringlings erdrückte mich geradezu.
»Nocturno!«, entfuhr es mir. Ich war überrascht, aber auch unglaublich erleichtert. Ich musste mich nicht mehr allein den schier übermächtigen Gegnern stellen! Meine Zuversicht, Magdalena und ihr Baby heil hier herauszubringen, war wieder da.
»Ich bin so froh, dass du da bist ...« , stöhnte ich erleichtert.
Da fiel mir auf, dass die Angreifer aufgehört hatten, gegen die Hütte anzurennen. Vielleicht war es aber auch nur die Ruhe vor dem Sturm ...


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Seitenzahl: 140

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah

DAS DORF DER STILLE

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Coco Zamis ist das jüngste von insgesamt sieben Kindern der Eltern Michael und Thekla Zamis, die in einer Villa im mondänen Wiener Stadtteil Hietzing leben. Schon früh spürt Coco, dass dem Einfluss und der hohen gesellschaftlichen Stellung ihrer Familie ein dunkles Geheimnis zugrundeliegt. Die Zamis sind Teil der Schwarzen Familie, eines Zusammenschlusses von Vampiren, Werwölfen, Ghoulen und anderen unheimlichen Geschöpfen, die zumeist in Tarngestalt unter den Menschen leben.

Die grausamen Rituale der Dämonen verabscheuend, versucht Coco den Menschen, die in die Fänge der Schwarzen Familie geraten, zu helfen. Ihr Vater sieht mit Entsetzen, wie sie den Ruf der Zamis-Sippe zu ruinieren droht. So lernt sie während der Ausbildung auf dem Schloss ihres Patenonkels ihre erste große Liebe Rupert Schwinger kennen. Aber das Glück ist nicht von Dauer. Auf einem Sabbat soll Coco zur echten Hexe geweiht werden. Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie der Dämonen, hält um Cocos Hand an, doch sie lehnt ab. Asmodi kocht vor Wut und verwandelt Rupert Schwinger in ein Ungeheuer.

Seitdem lässt das Oberhaupt keine Gelegenheit aus, gegen die Zamis-Sippe zu intrigieren. So schickt Asmodi den Dämon Gorgon vor, der Wien und alle seine Bewohner zu Stein erstarren lässt – und die Stadt komplett aus dem Gedächtnis der Menschheit löscht. Nur Coco kann im letzten Augenblick entkommen, allerdings hat sie jede Erinnerung an ihre Herkunft verloren ... Kurz darauf findet sie sich jedoch in einer Vision in Wien wieder und steht ihrer versteinerten Familie gegenüber. Nach und nach gewinnt sie ihre Erinnerung zurück und fühlt sich mehr denn je verpflichtet, etwas gegen Gorgons Fluch zu unternehmen.

In einer Bibliothek auf Schloss Laubach in Deutschland stößt Coco auf die Dämonenvita ihres Vaters. Mit Hilfe der Vita gelingt es Coco, Gorgons Bann zu brechen und Wien zu retten.

In der Folge baut Michael Zamis seine Kontakte zu den Oppositionsdämonen aus, die sich Asmodis Sturz auf die Fahnen geschrieben haben. Als Cocos Mutter Thekla von Michaels Liaison mit einer Kämpferin des Widerstands erfährt, tötet sie diese. Es kommt zum Bruch mit den Oppositionsdämonen, die Coco ungefragt ein »Permit« verpassen – ein magisches Tattoo in Form eines zweiköpfigen Adlers. Unterdessen verfällt Thekla dem Anführer der Oppositionsdämonen, Graf Nocturno. Aber der schickt sie zurück nach Wien. Letztlich einigen sich Asmodi und Nocturno und teilen in der Charta Daemonica die Herrschaftsbereiche unter sich auf. Michael Zamis jedoch wird in eine krötenartige Kreatur verwandelt, weil er übergriffig geworden ist. Coco bittet um Gnade für ihren Vater. Nocturno gibt ihr eine Chance, sofern sie ihn begleitet. Sie willigt ein. An Nocturnos Seite beginnt für sie eine Odyssee, die sie zunächst nach Schweden führt. Coco wird immer klarer, dass Nocturno sie benötigt, um an wichtige magische Artefakte zu gelangen. Es gelingt ihm, einen magischen Kompass in die Hände zu bekommen. Nocturno folgt der Richtung, die der Kompass anzeigt, und erreicht mit Coco eine schneebedeckte Gebirgslandschaft ...

DAS DORF DER STILLE

von Logan Dee

Vergangenheit

Ich war vierzehn. Die Schulstunde dehnte sich ins Unendliche. Ich betrachtete einen kleinen Dompfaff, der draußen auf dem Fenstersims saß. Er gab ein Trällern von sich und erfreute sich in der Frühlingssonne seines Lebens. Ich seufzte. Selbst der Dompfaff hatte es besser als ich. Er konnte jederzeit davonfliegen.

Ich aber war hier mehr oder weniger eine Gefangene.

Meine Schwester Vera und ich waren zurzeit die einzigen Schülerinnen, die Sandra Thornton unterrichtete. Eigentlich war Vera schon fertig mit ihrer Ausbildung. Das war wohlwollend ausgedrückt. Die Wahrheit sah wohl eher so aus, dass unsere Lehrmeisterin der Meinung gewesen war, dass bei Vera nicht viel mehr herauszuholen war. Niemand sagte es offiziell, aber Vera würde wohl nie eine begnadete Hexe werden. Nur sie selbst sah das anders. Sie machte sich lustig über mich und nannte die Jahre, die ich weiterhin im Schloss verbringen musste, ›nachsitzen‹.

1. Kapitel

Das Alter der Hexe war schlecht abzuschätzen. Vera hatte erzählt, dass die Thornton mindestens zweihundert Jahre alt sein musste. Ich hatte mir vorgestellt, wie jemand aussah, der zweihundert Jahre auf dem Buckel hatte. Vielleicht wie eine Mumie ...? Sandra Thornton wirkte jedenfalls jünger, viel jünger. Sie sah höchstens aus wie dreißig. Ihr bleiches Gesicht erinnerte an einen Vollmond. Das rotbraune Haar fiel ihr in kleinen Locken über die schmalen Schultern. Sie trat stets grell geschminkt und mit tief ausgeschnittenen Kleidern auf und stellte ihre allzu üppigen Formen liebend gern zur Schau. Ich fragte mich einmal mehr, wen sie damit eigentlich bezirzen wollte: Mein Onkel Cyrano von Behemoth war der einzige Mann im Schloss mit klarem Verstand – sah man von der dämonisierten Dienerschaft und den Gärtnern ab. Darunter waren sicherlich ein paar ansehnliche Burschen, aber um sie rumzukriegen, hätte es nur eines Befehls der Hexe bedurft. Und mein Onkel war uralt. Ich hatte keine Ahnung, ob bei ihm noch etwas anschlug.

»Coco, wo bist du wieder mit deinen Gedanken?«

Ich erschrak. Sandra Thornton hatte mich mal wieder beim Träumen erwischt. Als ich aufblickte, sah ich direkt in ihre vor Zorn blitzenden Augen.

»Beim – beim Unterricht!«, stammelte ich.

»Bestimmt hat sie sich wieder in irgendeinen Menschenjungen verguckt!«, spottete meine Schwester Vera. Vera war zwei Jahre älter als ich. Niemand hätte uns für Geschwister gehalten. Vera wirkte wie ein zerbrechliches, kleines Püppchen mit großen dunkelbraunen Augen, die so sanft und unschuldig wie ein Reh schauen konnten. Aber wehe, wer sich in diese Augen verguckte! Äußerlich wirkte sie wie ein Engel, aber in ihrem Inneren loderte die Hölle. Mehr als einmal hatte ich das zu spüren bekommen.

Ihr schmales Gesicht mit dem geflochtenen Kranz blonder Haare hatte sich mir zugewandt. Sie grinste süffisant. »Vielleicht hat Coco es ja auch längst schon mal mit einem Menschen getrieben!«

»Ruhe, Vera!«, befahl die Hexe. Und an mich gewandt: »Wiederhol, was ich euch soeben gelehrt habe.«

Ich überlegte verzweifelt, aber ich fand einfach den Anknüpfungspunkt nicht.

»Ich weiß nicht, was ich noch tun soll«, seufzte die Hexe. »Dabei habe ich extra deine Schwester Vera hierhergeholt, weil ich dachte, sie könnte dich aus deiner Lethargie reißen.«

Vera hasste den Unterricht genau wie ich. Deswegen war sie über den Wunsch der Hexe, sie aus Wien für einige weitere Wochen in das Schloss zu beordern, alles andere als erbaut gewesen. Und das ließ sie mich spüren. Es verging kein Tag, an dem sie mir nicht irgendeinen grausamen Streich spielte.

Heute Morgen war ich in meinem Bett erwacht – mit zwei Dutzend fetten, warzigen Kröten als Bettgenossen. Ich war aufgesprungen, aber eher, weil mir die armen Viecher leidgetan hatten und ich keines hatte erdrücken wollen. Danach hatte ich sie eingesammelt und wieder in einen der Gartenteiche gesetzt. Das war noch einer von Veras harmloseren Streichen gewesen.

Vor ein paar Tagen hatte sie mir in meine Creme winzige rasiermesserscharfe Splitter gehext. Ich hatte es zu spät bemerkt. Der Schmerz war erst mit einigen Sekunden Zeitverzögerung gekommen. Da hatte ich die Creme bereits im Gesicht verrieben. Plötzlich waren Hunderte winziger Blutstropfen herausgeschossen gekommen ...

Zum Glück war mir sofort der passende Heilzauber eingefallen, aber noch immer schmerzte mein Gesicht, wenn ich an die gemeine Attacke dachte.

Obwohl ich mittlerweile die bessere Hexe von uns beiden war, hatte ich kein Bedürfnis, mich zu rächen. Im Gegenteil, wahrscheinlich wartete sie nur darauf, um dann noch gemeiner zurückzuschlagen. Ich wollte kein Öl ins Feuer gießen.

»Vera, hilf du bitte deiner Schwester auf die Sprünge!«, seufzte Sandra Thornton.

»Aber gerne doch«, lächelte Vera zuckersüß. »Wir haben in der vergangenen Stunde vieles über die Perchten gelernt. Frau Percht geht hauptsächlich zur Nacht auf Dreikönig um. Sie besitzt, wie Janus, zwei Gesichter. Eines ist teuflisch und schrecklich, es symbolisiert den Winter und alles Dunkle. Das andere Gesicht erscheint freundlich und hell. Es symbolisiert das Licht und den Frühling. Daher glauben die dummen Menschen, Frau Percht wäre ihnen hold, wenn sie ihnen ihr freundliches Gesicht zuneigt – doch in Wahrheit ist es nur eine Larve ... Frau Percht und ihr Gefolge gehören wie wir zur Schwarzen Familie, aber sie hat, obwohl sie unter Asmodi steht, eine ganz besondere Machtfülle. Wenn Frau Percht es gebietet, muss jeder Dämon vor ihr niederknien und ihrer kosmischen Ordnung huldigen ...«

Das klang tatsächlich wie aus dem Lehrbuch. Ich ärgerte mich über Veras hochtrabende Belehrung. Wahrscheinlich las sie es aus einem unsichtbaren Buch ab. Sie trickste, wo sie nur konnte. Einmal hatte Sandra Thornton sie dabei erwischt, wie sie aus einem dieser Bücher spickte. Sie richtete es so ein, dass nur sie es sehen konnte ...

Mein Blick fiel auf die magische Tafel. Dort hatte sich wie aus dem Nichts das Gesicht von Frau Percht geformt. »Solltet ihr der Dämonin einmal im Leben begegnen, seid höflich zu ihr und versucht, nicht ihren Unmut heraufzubeschwören – ihre Macht steht der von Asmodi kaum nach«, warnte unsere Lehrmeisterin.

»Gibt es denn keinen Zauber, der sie schwächen kann?«, fragte ich.

Sandra Thorton seufzte. »Auch das, Coco, haben wir bereits erwähnt.«

Wie aus der Pistole geschossen, ratterte einmal mehr Vera die Fakten herunter: »Ihr selbst ist nicht beizukommen, aber Haus und Hof werden seit alters her vor ihr geschützt, indem beim sogenannten Glockenabschütten jemand mit einer Kuhglocke dreimal ums Haus läuft, damit im Laufe des Jahres das Vieh kein böser Zauber befalle.«

»In diesem Fall«, ergänzte die Hexe, »haben die Menschen, aus deren Reihen der Brauch stammt, sogar recht. Jedenfalls tritt Frau Percht selten allein auf, sondern mit ihrem Gefolge. Ihr Volk ist recht seltsam. Selbst uns kommen manche der Gestalten äußerst fremdartig vor: Krampusse, Buttmandeln, Habergeißen, Krapfenschnapper und viele mehr gehören ihr an.« Während die Hexe sprach, zeigte die magische Tafel die verschiedenen Gestalten an. Eine war furchterregender als die andere. »Im Gegensatz zu Vampiren oder Werwölfen können sie sich nicht in Menschen verwandeln«, fuhr Sandra Thronton fort. »Daher leben sie meist zurückgezogen in Höhlen, auf Bergen oder in tiefen Wäldern.«

»Zum Glück«, sprach Vera dazwischen. »Ich finde diese Typen grottenhässlich.«

Die Hexe warf ihr einen strengen Blick zu. »Einen dieser ›grottenhässlichen Typen‹ werdet ihr morgen kennenlernen – oder glaubt ihr, ich hätte mit der Einführung in die alpinische Dämonenwelt nur eure Geduld quälen wollen?«

»Klasse, ich stelle mir schon vor, wie ich mit so einem tumben Krampus an der Seite mich beim nächsten Schwarzen Sabbat lächerlich mache ...« Sie zog einen Flunsch.

»Niemand macht sich lächerlich!«, erwiderte Sandra Thornton. »Erstens ist es kein Krampus, sondern ein Saurüssel, und zweitens wird sich Coco um ihn kümmern, da sie beide etwa im gleichen Alter sind.«

»Ein Saurüssel?«, fragte ich neugierig. Unwillkürlich stellte ich mir ein kleines süßes Ferkelchen vor und freute mich. Alles war besser, als meine Tage hier weiter allein zu fristen oder sie mir von Vera weiter vergiften zu lassen.

»Ja, er heißt Eberhard ...«

Vera prustete los: »Ein Saurüssel namens Eberhard. Na, herzlichen Glückwunsch zu deinem neuen Galan, Schwesterchen!«

Sandra Thornton bat meine Schwester, sich zusammenzureißen. »Ihr werdet ihn behandeln wie jedes andere Mitglied der Schwarzen Familie auch. So, und jetzt weiter im Text, denn ihr sollt nicht wie dumme Hühner erscheinen, wenn ihr euch mit Eberhard unterhaltet. Er hat noch viele weitere Verwandte. Ein häufiger Begleiter der Frau Percht ist der Wilde Jäger, auch Jännerwein genannt. Zu seiner Wilden Jagd gehören auch die Saurüssel. Ebenso wie Habergeiß, Vorpercht, Moosweib, Rape, Riese Abfalter, Baumpercht, Bär, Bärentreiber und Hahnengickerl ...«

Während uns die Hexe Thornton mithilfe der magischen Tafel die einzelnen Gestalten erklärte, uns ihre Stärken aber auch Schwächen und mögliche Gegenzauber einbläute, schweiften meine Gedanken erneut ab.

Als ich zur Fensterbank schaute, lag der kleine Dompfaff leblos auf dem Rücken, die Krallen starr gen Himmel gestreckt. Vera! Als ich sie ansah, grinste sie höhnisch und streckte mir die Zunge heraus.

Eberhard war tatsächlich keine Augenweide. Wir lernten ihn am nächsten Morgen am Frühstückstisch kennen. Eberhard trug einen Schweinekopf auf den krummen Schultern. Überhaupt war irgendwie alles an ihm krumm und missgestaltet – als hätte man ihn aus einem schief gewachsenen Baumstamm geschnitzt. Seine Haut war rosa mit braunen Sprenkeln. Die Arme, die aus seinem karierten Hemd herauslugten, waren kurz und dick und endeten in Schweinspfoten. Die Füße sahen wahrscheinlich genauso aus, aber er trug Hosen und klobige Schuhe.

Mein Onkel stellte ihn uns vor. »Mädchen, das ist euer neuer Mitschüler Eberhard aus Berchtesgaden. Eberhard, das sind Vera und Coco. Eberhard ist, hm, etwas anders als wir, aber dennoch ein sehr gelehriger junger Mann, wie ich mir habe sagen lassen. Coco, dich nehme ich ganz besonders in die Pflicht, Eberhard seinen Aufenthalt auf dem Schloss so angenehm wie möglich zu machen. Hast du verstanden?«

Ich nickte gehorsam, während Vera hinter Eberhards Rücken eine Fratze schnitt und sich die Nase zuhielt. Ich konnte sie verstehen. Eberhard stank ganz entsetzlich nach Schwein.

Selbst Onkel Cyrano schien trotz seiner Rede alles andere als von Eberhard angetan. Wahrscheinlich hatten er und die Hexe Thornton ihn nur deswegen aufgenommen, weil man ihnen dafür eine hohe Gegenleistung zugesagt hatte.

Georg gab uns gehorsam die Pfote. Vera sah man an, dass sie sich ekelte, aber sie wagte angesichts des Onkels nicht, Eberhard zu brüskieren.

Als ich an der Reihe war, fiel es auch mir zunächst schwer, Eberhard wie einen Gleichgesinnten zu begrüßen. Dennoch nahm ich seine Pfote. Sie war weich und warm, und die Berührung war alles andere als unangenehm.

»Ich freue mich, dich kennenzulernen, Coco«, quiekte Eberhard mit hoher, piepsiger Stimme. Sein Rüssel bewegte sich dabei auf lustige Weise, sodass ich lachen musste. Aber es war ein freundliches Lachen, und er fasste es auch entsprechend auf. Seine winzigen Schweinsäuglein strahlten.

»Ich freue mich auch, Eberhard«, sagte ich ehrlich. Ich hatte bereits jetzt das Gefühl, endlich einen Freund kennengelernt zu haben. Nun ja, und gegen den Gestank half sicherlich ein kleiner Zauber ...

Der Ärger war jedoch vorprogrammiert. Es begann damit, dass Onkel Cyrano sich nicht an den scheußlichen Anblick Eberhards gewöhnen konnte. Dabei war Cyrano von Behemoth alles andere als ein Adonis. Jeder Mensch wäre schreiend vor ihm davon gelaufen. Der Graf war einfach nur hässlich und abstoßend. Sein Gesicht war durch zwei tiefe Narben entstellt: eine verlief waagerecht über die Stirn, die zweite zog sich von Mundwinkel zu Mundwinkel bis zum Nasenrücken hoch. Das Erschreckende war jedoch sein rechtes Auge: Wie ein rundes Wachtelei hing es lose in der Höhle und schien einen immerfort böse anzuglotzen. Onkel Cyrano verbannte Eberhard jedenfalls schon am zweiten Tag an den hintersten Winkel des riesigen Esstisches, sodass er von uns entfernt saß und kaum etwas von unserer Unterhaltung mitbekam. Bekümmert hockte er über seinen Teller gebeugt und schaufelte das Essen in sich hinein.

Seine Nahrungsaufnahme bildete den zweiten Stein des Anstoßes. Onkel Cyrano war ein Fleischfanatiker. Obwohl es mich anekelte, ließ er zu fast jeder Mahlzeit, selbst zum Frühstück, Fleisch auftragen. Steaks, Gehacktes, Innereien, Hauptsache, es war noch schön blutig. Er selbst bevorzugte rohes Fleisch, hatte aber in der Regel Einsicht mit uns und ließ unsere Portionen leicht anbraten oder pochieren.

Eberhard war Vegetarier. Er vertrug kein Fleisch. Am liebsten aß er eine Art Müsligrütze aus Getreide, Ackerbohnen und Erbsen. Mittels seiner Zunge saugte er die Nahrung auf und produzierte dabei laute Schlürf- und Schmatzgeräusche. Als Nachtisch pflegte er mit den Zähnen einen Maiskolben oder eine Zuckerrübe zu zermalmen. Auch das ging nicht ohne geräuschlos von sich.

Mich störte es nicht, aber Sandra Thornton und insbesondere meine Schwester Vera machten ihm deswegen Vorhaltungen.

Bereits am dritten Tag provozierte Vera beim Mittagstisch eine Szene, indem sie empört aufstand, sich die Ohren zuhielt und ausrief: »Mir wird übel! Ich halte es nicht mehr aus, mit dieser Sau an einem Tisch zu sitzen!«

Mit hocherhobenem Kopf stolzierte sie hinaus.

Eberhard war zutiefst betroffen. Er quiekte traurig und verbarg den Kopf in den kurzen Stummelarmen.

Später suchte ich ihn auf seinem Zimmer auf und versuchte ihn zu trösten.

»Vera ist ein echtes Biest«, sagte ich. »Mach dir einfach nichts daraus, was sie sagt. Ihr höchstes Glück ist es, andere zu demütigen und zu verletzen.«

»Sie hat recht«, schluchzte Eberhard. »Ich bin ein Scheusal und habe keine Manieren. Ich werde nie so wie ihr sein. Vera ist so schön ...«

Na prima, dachte ich, und ich bin das hässliche Entlein.

»Warum bist du eigentlich hierhergekommen?«, versuchte ich ihn von seinem augenblicklichen Kummer abzulenken.

»Meine Mutter wollte es so. Ich bin der Talentierteste aus ihrem Wurf. Ihr Wunsch ist es, dass die Hexe Thornton aus mir einen richtigen Hexer macht.«

Au weia, dachte ich. Laut aber fragte ich: »Was kannst du denn hexen?«

Eberhards Miene hellte sich auf. »Ich beherrsche hauptsächlich einige Wetterzauber und kann Mais wachsen lassen. Mais ist mein Lieblingsgericht. Schau!«

Aus seiner zerbeulten Hose beförderte er ein Maiskorn hervor. Wahrscheinlich stammte es noch vom Mittagstisch.