Das Haus Zamis 84 - Logan Dee - E-Book

Das Haus Zamis 84 E-Book

Logan Dee

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Beschreibung

Die Tür öffnet sich, und Lord Cullum betritt die Bühne. Er selbst ist kein Apollo, er ist ein hässlicher, kleiner Zwerg. Doch die Liege, auf der ich angeschnallt bin, ist so tief angelegt, dass er auf mich herabblickt.
Das Skalpell in seiner Linken funkelt im gleißenden Neonlicht. Wie im Spiel senkt er die scharfe Klinge und fährt mit ihr über mein Gesicht.
»Du bist vollkommen, Coco Zamis«, sagt er und sabbert. »Dein Gesicht, dein Körper ... fast habe ich Skrupel, dieses Kunstwerk zu zerstören ...«
Sein Skalpell sinkt tiefer, meine Halsschlagader entlang und verweilt kurz über der Vertiefung zwischen meinen Brüsten. Ich spüre die Klinge als sanftes Kitzeln ...


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Seitenzahl: 142

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah

DAS SCHATTENSCHLOSS

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Coco Zamis ist das jüngste von insgesamt sieben Kindern der Eltern Michael und Thekla Zamis, die in einer Villa im mondänen Wiener Stadtteil Hietzing leben. Schon früh spürt Coco, dass dem Einfluss und der hohen gesellschaftlichen Stellung ihrer Familie ein dunkles Geheimnis zugrundeliegt. Die Zamis sind Teil der Schwarzen Familie, eines Zusammenschlusses von Vampiren, Werwölfen, Ghoulen und anderen unheimlichen Geschöpfen, die zumeist in Tarngestalt unter den Menschen leben.

Die grausamen Rituale der Dämonen verabscheuend, versucht Coco den Menschen, die in die Fänge der Schwarzen Familie geraten, zu helfen. Ihr Vater sieht mit Entsetzen, wie sie den Ruf der Zamis-Sippe zu ruinieren droht. So lernt sie während der Ausbildung auf dem Schloss ihres Patenonkels ihre erste große Liebe Rupert Schwinger kennen. Auf einem Sabbat soll Coco zur echten Hexe geweiht werden. Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie der Dämonen, hält um Cocos Hand an, doch sie lehnt ab. Asmodi kocht vor Wut und verwandelt Rupert Schwinger in ein Ungeheuer.

Seitdem lässt das Oberhaupt keine Gelegenheit aus, gegen die Zamis-Sippe zu intrigieren. So schickt Asmodi den Dämon Gorgon vor, der Wien und alle seine Bewohner zu Stein erstarren lässt – und die Stadt komplett aus dem Gedächtnis der Menschheit löscht. Nur Coco kann im letzten Augenblick entkommen, allerdings hat sie jede Erinnerung an ihre Herkunft verloren ... Nach und nach gewinnt sie diese jedoch zurück, und es gelingt ihr, Gorgons Bann zu brechen und Wien zu retten.

In der Folge baut Michael Zamis seine Kontakte zu den Oppositionsdämonen aus, die sich Asmodis Sturz auf die Fahnen geschrieben haben. Als Cocos Mutter Thekla von Michaels Liaison mit einer Kämpferin des Widerstands erfährt, tötet sie diese. Es kommt zum Bruch mit den Oppositionsdämonen, die Coco ungefragt ein »Permit« verpassen – ein magisches Tattoo in Form eines zweiköpfigen Adlers. Letztlich einigen sich Asmodi und Nocturno und teilen in der Charta Daemonica die Herrschaftsbereiche unter sich auf. Michael Zamis jedoch wird in eine krötenartige Kreatur verwandelt. Coco bittet um Gnade für ihren Vater und willigt ein, Nocturno zu begleiten – ohne seine wahren Gründe zu kennen. Nocturno glaubt, mit Coco eine »Geheimwaffe« zu besitzen, die ihm zur Rückkehr ins centro terrae verhelfen könnte – was ihm schließlich auch gelingt. Coco sowie Rebecca und Georg, die sich an Cocos Fersen geheftet haben, finden sich in Wien wieder – doch der Banshee Peter hat Georgs Körper in Besitz genommen. Außerdem hält sich Asmodi nicht an das Versprechen, Michael von seinem Freakdasein zu erlösen. Es sei denn, Thekla erkläre sich bereit, mit ihm eine »zweite Coco« zu zeugen. Thekla geht zum Schein darauf ein. Während eines Schwarzen Sabbats wird Asmodi jedoch vorgeführt. Aus Angst vor seiner Rache flüchten die Zamis zunächst nach Antwerpen. Aber auch dort sind ihnen die Verfolger dicht auf den Fersen. In letzter Sekunde können sie entkommen. Doch nur, um auf der Fähre nach England erneut angegriffen zu werden. Abermals gelingt ihnen die Flucht. Allerdings bleibt Adalmar spurlos verschwunden ...

DAS SCHATTENSCHLOSS

von Catalina Corvo und Logan Dee

»Die Existenzberechtigung eines Dämons hängtvon vier Faktoren ab: der unbedingten Bekenntniszum Reich der Finsternis, der Freude amabsolut Bösen, der Verneinung jeglichermenschlicher Regungen wie Mitleid oderDankbarkeit und – als Wichtigstem –der Erfahrung des ERWACHENS!«Luguri

Mein Name ist Coco Zamis. Ich bin das weiße Schaf meiner Familie. Wie oft wurde mir das schon vorgehalten. Wie oft habe ich es mir selbst vorgehalten. Wenn alle um einen herum anders sind, benötigt man einen starken Willen zu glauben, man selbst sei auf dem richtigen Wege.

Es gab Zeiten in meinem Leben, da war ich mehr ein Mensch als eine Hexe. Dabei war ich nie ein Musterkind. Selbst in meinen jungen Jahren habe ich bereits getötet. Menschen wie Dämonen. Vor allem aber Dämonen.

1. Kapitel

Andere, weniger starke Persönlichkeiten wären an all dem zerbrochen. Mich hat es eher gestärkt.

Ich bin nun mal in die Schwarze Familie hineingeboren worden. Das ist mein Schicksal, und ich habe es angenommen. Ich habe getan, was mein Gewissen mir aufgetragen hat – auch gegen meine eigene Familie. Dabei wusste ich immer, dass der Weg, den ich beschritt, kein breiter war. Manchmal balancierte ich auf Messers Schneide, doch selten war mir dabei bewusst, dass der Abgrund direkt unter mir gähnte.

Bis in die Hölle hinab.

Der Ritt auf der Rasierklinge, dem mein Leben manchmal glich, hat nun heute ein Ende.

Ich begebe mich in die Hände Lord Cullums. Oder sollte ich sagen: Ich begebe mich unter sein Skalpell? Er ist ein begnadeter Chirurg und Dämon. Aber in erster Linie ist er ein Schattenflüsterer. Schloss Hellmoor ist ein Hort der Schatten. Sie sind überall: in den Zimmern. In den Gängen. Vor allem aber in den Wänden.

Die Tür öffnet sich, und Lord Cullum betritt die Bühne. Er selbst ist kein Apollo, er ist ein hässlicher, kleiner Zwerg. Doch die Liege, auf der ich angeschnallt bin, ist so tief angelegt, dass er auf mich herabblickt.

Das Skalpell in seiner Linken funkelt in dem gleißenden Neonlicht.

Wie im Spiel senkt er die scharfe Klinge und fährt mit ihr über mein Gesicht.

»Du bist vollkommen, Coco Zamis«, sagt er und sabbert. »Dein Gesicht, dein Körper ... Fast habe ich Skrupel, das Kunstwerk zu zerstören ...«

Sein Skalpell sinkt tiefer, meine Halsschlagader entlang und verweilt kurz über der Vertiefung zwischen meinen vollen Brüsten. Ich spüre die Klinge als sanftes Kitzeln.

Mit einem Ruck reißt Lord Cullum das weiße Laken herunter, das als Einziges meinen nackten Leib verhüllt. Seine Augen treten fast aus den Höhlen, er stöhnt auf. Für einen Moment legt er das Skalpell beiseite. Seine kleinen Hände fassen meine Brüste, kneten sie unsanft ...

»Denken Sie an die Abmachung!«, erinnere ich ihn. »Denken Sie daran, was Sie meiner Mutter versprachen. Sie stehen in ihrer Schuld!«

Er beherrscht sich, seine Hände zucken zurück. Er wirft mir einen bitterbösen Blick zu.

»Also schön«, sagt er. »Beginnen wir endlich mit der Operation. Ich werde deinen Körper öffnen müssen, das weißt du?«

Ich nicke.

»Es ist eine schmerzreiche Prozedur«, erklärt er fast genüsslich. »Du wirst mich verfluchen vor Schmerzen und dir wünschen, nie geboren worden zu sein. Du wirst mich anflehen, dich von deinen Schmerzen zu erlösen und mir alles dafür versprechen ...«

Ich wünschte, er würde die Klappe halten und endlich anfangen. Aber das ist nicht seine Art. Er liebt es offensichtlich, sein Opfer zappeln zu lassen.

Schritte nähern sich. Eine hagere Gestalt betritt mein Blickfeld. Mutter! In ihren Augen ist weder Mitleid noch Sorge. Nur Kälte.

»Ich habe nur noch auf Sie gewartet, meine Liebe«, heuchelt Lord Cullum. »Ich war mir sicher, dass Sie der Operation beiwohnen werden.«

Mutter nickt stumm. Statt ihm zu antworten, überprüft sie meine Fesseln und drückt mit Gewalt einen Knebel in meinen Mund, der meine Schreie ersticken soll.

Ja, meine Mutter ist eine kalte Frau, eine echte Dämonin. Ob sie ihre Gefühle niemals zeigt oder nie welche spürt? Ich weiß nur, dass ich bis zum heutigen Tag niemals eine warmherzige Geste oder ein liebes Wort von ihr empfangen habe. Einen Moment lang graut mir vor der Vorstellung, so zu werden wie sie. Werde ich all meine Gefühle verlieren? Nur noch von Kalkül, Machtinstinkt und Pflichtbewusstsein gegenüber der Schwarzen Sippe geleitet? Es wird so sein, doch es gibt kein Zurück mehr, jetzt, wo ich mich entschieden habe.

Als ich schon glaube, Mutter würde zurücktreten und Lord Cullum die Operation beginnen lassen, richtet sie doch noch einmal das Wort an mich: »Ich weiß, wie du leidest. Doch das Leid und die Schmerzen, die du ertragen musst, sind nichts im Vergleich zu deinem bisherigen Leben, Coco. Glaub nicht, dass ich nicht gesehen habe, wie sehr du gelitten hast. Du warst immer die Außenseiterin in unserer Familie. Keiner konnte dir helfen, niemand dich wirklich verstehen. Und das, wonach du dich sehntest, konnte niemand von uns dir geben. Das ist nun vorbei. Wenn du aufwachst, wirst du eine neue Persönlichkeit sein, Coco. Du wirst sein wie deine anderen Geschwister. Wie Lydia, wie Georg, wie Adalmar. Du wirst sein wie Vater und ich. Du, Coco, wirst endlich meine Tochter werden!«

Ich nicke, damit sie weiß, dass ich ihre Worte nicht nur verstanden, sondern auch verinnerlicht habe.

Und dann macht sie etwas, was sie noch nie getan hat: Sie nimmt meine Hand und drückt sie.

Dann tritt sie zurück und sagt: »Sie können beginnen, Lord Cullum!«

Abermals erhebt sich der Lord über mir. Er trägt lange dünne Gummihandschuhe. Für einen Augenblick lässt er spielerisch das Skalpell zwischen seinen Fingern tanzen.

Doch bevor er zum ersten Schnitt ansetzt, öffnet sich ein Vorhang. Applaus brandet auf. Ich wende den Kopf und schaue hinab auf die geifernde Dämonenschar, für die meine Verwandlung den Höhepunkt des Schwarzen Sabbats darstellt.

Lord Cullum verbeugt sich kurz, so als sei er ein begnadeter Schauspieler, während Mutter sich unauffällig zurückzieht und die Bühne verlässt.

Schließlich wendet sich der Lord wieder mir zu. Das Skalpell glitzert im Scheinwerferlicht.

Dann setzt er zum ersten Schnitt an.

Direkt über meiner Brust schneidet die scharfe Klinge in mein Fleisch. Während ich schreie und schreie und schreie, versuche ich den Schmerz zu übertünchen. Ich rufe mir die Bilder der vergangenen Tage in die Erinnerung zurück.

Und während ein Teil meines Selbst sich aufbäumt vor Schmerzen, spult der andere Teil die Ereignisse der letzten Tage wie einen Film vor meinem geistigen Auge ab.

Gleichzeitig sehe ich den Schatten.

Meinen Schatten.

Er steht direkt neben der Bühne und wartet.

Gegenwart

»Entschuldigen Sie, Sir, aber wissen Sie, was dort vorne los ist?«

Das feiste Gesicht des Mannes lugte neugierig in das Innere des Wagens. Seine kleinen Schweinsäuglein blieben auf meinen langen, gebräunten Oberschenkeln haften.

»Keine Ahnung«, knurrte Georg, der hinter dem Steuer saß, während ich neben ihm gedöst hatte und nun die Beine übereinanderschlug. Nicht etwa, weil ich prüde war, sondern um den Dicken so schnell wie möglich wieder loszuwerden.

»Ach so, ich dachte nur, wegen des Leichenwagens ...«

»Verzieh dich!«, zischte Georg, und der Dicke beeilte sich, den Kopf zurückzuziehen, damit die nach oben surrende Scheibe ihn nicht einklemmte.

»Unverschämtheit! Sie wollen mich wohl umbringen!« Er zeterte draußen noch eine Weile herum. Dann siegte seine Neugier, und er stapfte weiter.

»Warum halten wir überhaupt?«, fragte ich verschlafen. »Habe ich irgendwas verpasst?«

»Scheint sich um eine Art Unfall zu handeln«, erwiderte Georg.

Drei Wagen vor uns sperrten soeben zwei Polizisten die Straße ab. Der Dicke gestikulierte und redete auf sie ein. Ich schaute in den Rückspiegel. Hinter uns befand sich ein Reisebus. Wahrscheinlich war er der Fahrer und fürchtete, seine Zeiten nicht einhalten zu können.

Nun ließ sich auch meine Mutter blicken. Wir alle hatten in dem Wagen unser kleines Refugium. Von außen sah er aus wie ein gewöhnlicher Leichenwagen, innen besaß er völlig andere Dimensionen. Es handelte sich um unseren persönlichen Magic-Bus. Weiter im Innern hatte es sich irgendwo Lydia eingerichtet. Und auch mein Vater hatte dort seine Kammer, in der wir ihn fixiert hielten. Am Anfang unserer Reise hatten wir ihn in einen Schrankkoffer gesperrt, aber Mutter kam irgendwann zu der Einsicht, dass das seiner Stellung nicht angemessen sei.

Nicht, dass Vater davon viel mitbekommen hätte.

»Das gefällt mir nicht«, sagte meine Mutter nun. Sie hob dabei kaum die Stimme. Und doch wussten wir, was sie meinte und was sie von uns verlangte.

Georg nickte. »Ich schaue mir das mal aus der Nähe an. Kommst du mit, Coco?«

Das brauchte er mir nicht zweimal sagen. Mittlerweile war ich hellwach. Auch ich spürte, dass der unfreiwillige Aufenthalt vielleicht nicht ganz zufällig war. Die Fahrt von Dover bis hierher war ohne Zwischenfälle verlaufen. Niemand war uns gefolgt. Und keiner hatte versucht, uns aufzuhalten.

Bis jetzt.

Georg stieg aus, und ich folgte ihm. Er zücke seine verspiegelte Brille, obwohl sich kaum ein Sonnenstrahl hinter den Wolken hervortraute. In seiner schwarzen Lederjacke und den Jeans sah er eher wie ein Geldeintreiber aus als ein Bestatter. Aber wahrscheinlich wirkte auch ich in meiner weißen Bluse, dem kurzen Rock und den langen Stiefeln nicht gerade wie ein Aushängeschild der trauernden Zunft.

Mittlerweile hatten sich gut ein Dutzend Wagen und doppelt so viele Menschen vor der Absperrung versammelt.

»Ich rieche, rieche Menschenfleisch ...«, ließ sich eine schleimige Stimme in unserem Rücken vernehmen.

Georg und ich fuhren gleichzeitig herum. Hinter uns hatte sich eine sonderbare Gestalt angeschlichen.

Es handelte sich um einen spindeldürren Kerl in einer Tweedjacke und Knickerbocker. Auf dem Kopf trug er einen Deerstalker. Er wirkte wie eine verhungerte Version von Sherlock Holmes, allerdings ohne jegliche Körperbehaarung. Seine ekelhafte Aura, die nur für uns Dämonen wahrnehmbar war, stieg mir in die Nase.

»Und ich rieche einen Ghoul zehn Meilen gegen den Wind, wenn er sich anschleicht!«, sagte ich angeekelt. Nicht nur innerhalb der Schwarzen Familie galten Ghoule als Underdogs. Weil sie nur über schwache magische Talente verfügten, ernährten sie sich in der Regel von dem, was ihnen die anderen Dämonen übrig ließen. Und das war in der Regel tot und stank. Genau wie sie selbst.

»Mich haben Sie aber nicht gerochen«, widersprach der Ghoul grinsend. »Mir ist nicht entgangen, wie Sie zusammenzuckten, als ich Sie ansprach.«

Natürlich musste auch ihm bewusst sein, dass wir zur Schwarzen Sippe gehörten. Doch noch gab er nicht zu erkennen, dass er uns durchschaute.

»Lass meine Schwester in Ruhe, Leichenfledderer!«, drohte Georg.

»Schade, ich dachte, Sie und ich würden dem gleichen Gewerbe nachgehen«, säuselte er mit Blick auf unseren Leichenwagen. »Nun gut, dann eben nicht. Entschuldigen Sie mich, aber ich werde meiner Nase weiter folgen ...« Er lüftete den Hut und war im Begriff weiterzugehen.

Blitzschnell hatte Georg seinen Oberarm gepackt und hielt ihn fest. Der Ghoul zeterte.

»Mach hier keinen Aufstand, du Totenlutscher! Das ist doch kein Zufall, dass so ein Schleimer wie deinesgleichen hier auftaucht! Was hast du hier zu suchen?«

Georg hatte sich seit Kurzem einen sehr forschen Ton zugelegt. Aber während der Reise hatte ich mich bereits daran gewöhnt.

Ich schirmte die beiden ab, sodass niemand sehen konnte, wie Georg ihn sich vornahm. Das arrogante Grinsen war dem Ghoul wie aus dem Gesicht gewischt.

»Ich gehöre der Busgesellschaft an, die nach Schloss Hellmoor unterwegs ist«, bibberte die dürre Gestalt. »Lassen Sie mich los, meine Geschwister verstehen keinen Spaß, Sir!«

»Den verstehe ich auch nicht«, sagte Georg. »Was ist mit deinen Geschwistern? Sind das alles Aasfresser wie du?«

»Nur meine Schwester Carol und mein Bruder Andrew gehören meiner ehrenwerten Art an. Ansonsten ...«

»Was ist los, Richie? Gibt es Schwierigkeiten?«

Ein massiger, mehr als zwei Meter großer Hüne hatte sich uns genähert. In seiner Jogginghose und seinem Muscle-Shirt wirkte er wie die abschreckende Kreuzung aus Preisboxer und Türsteher. Sein kahl rasierter Schädel glänzte mit den goldenen Ohrringen um die Wette.

Richie fing an zu schreien: »Der Typ hier macht Ärger!« Mit dem Typ meinte er Georg.

Georg ließ ihn los und wandte sich dem Ankömmling zu. »Sag nicht, du bist mit dem Knochenlecker verwandt?«

Das Muskelpaket betrachtete ihn finster: »Normalerweise verspeise ich solche Bürschchen wie dich zum Frühstück. Sei froh, dass wir hier unter uns sind! Komm her, Richie!«

Der Ghoul beeilte sich, aus der Reichweite meines Bruders zu kommen.

»Schade!«, grinste Georg, den ich selten derart cool gesehen hatte. »Ich hätte gern die ganze Bande von euch kennengelernt.«

»Vielleicht wird dir das Vergnügen ja noch gegönnt«, sagte der Riese. »Man sieht sich immer zweimal im Leben, wie du weißt!« Sein Blick wanderte zu mir herüber.

»Und bring die Lady das nächste Mal ruhig wieder mit. Ich glaube, da fällt mir sicher noch etwas ganz Spezielles ein!« Er grinste breit.

»Die Lady heißt Coco Zamis«, sagte ich verächtlich. »Und was deine feuchten Kleinjungenfantasien angeht: träum weiter!«

Ich zeigte ihm den Mittelfinger, während er mit seinem dürren Bruder davon zum Bus zog. Hinter den verspiegelten Fenstern war leider niemand zu erkennen.

Georg und ich sahen uns an. »Was sind das denn für merkwürdige Brüder?«, runzelte ich die Stirn. »Ob es bloß Zufall ist, dass die hier auftauchen? Was meinst du?«

Georg zuckte die Schultern. »Keine Ahnung, aber die ganze Sache gefällt mir nicht. Lass uns mal dort vorne nachsehen, was es mit der Sperrung hier auf sich hat.«

Wir bahnten uns einen Weg bis zur Absperrung. Einer der Beamten hatte alle Hände voll zu tun, die Leute daran zu hindern, weiter vorzurücken. Die meisten redeten durcheinander. Die Mehrzahl verlangte zu wissen, was geschehen war und warum sie hier warten mussten.

»Heh, Sie dürfen hier nicht ...« Der Uniformierte herrschte Georg an, aber nur eine Sekunde später hatte er seinen Blick fixiert und befahl ihm, uns vorbeizulassen.

Der Polizist gab den Weg frei. Er salutierte sogar, sodass die zahlreichen anderen Leute nicht protestierten. Wahrscheinlich glaubten Sie, wir wären ranghöhere Beamte.

Nachdem wir einmal die Absperrung überwunden hatten, behelligte uns niemand mehr. Wir gehörten nun anscheinend dazu. Es wieselte geradezu vor Polizei und Notarzthelfern. Zwei Wagen waren ineinander verkeilt. Ein schwarzer Ford und ein silberfarbener Mini Cooper. Der Ford war auf den Mini draufgefahren und hatte ihn noch einige Meter weitergeschoben. Die Fahrer und Insassen wurden im Moment medizinisch versorgt.