Das Jahr der Flut - Margaret Atwood - E-Book
SONDERANGEBOT

Das Jahr der Flut E-Book

Margaret Atwood

4,7
10,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 10,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Es ist das Jahr der »wasserlosen« Flut: Eine tödliche Pandemie ist über die Menschheit hereingebrochen. Hoch über den Dächern der Stadt leben die wenigen Überlebenden, die Gottesgärtner, bei denen die robuste Toby und die zarte Prostituierte Ren Zuflucht gefunden haben. In ihrem biologisch bepflanzten Garten Eden kämpfen sie ums Überleben in einer Welt, die unter der Herrschaft verantwortungsloser Großkonzerne zugrunde gegangen ist. Eine Zukunftsvision, die vielleicht weniger fern liegt, als wir gerne glauben möchten.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
4,7 (18 Bewertungen)
13
4
1
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Mehr über unsere Autoren und Bücher:

www.berlinverlag.de

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Berlin Verlag erschienenen Buchausgabe

1. Auflage 2014

ISBN 978-3-8270-7026-5

Die Originalausgabe erschien 2009 unter dem Titel »The Year of the Flood« bei McClellands&Stewart Ltd, Toronto

© 2009 by O. W. Toad Ltd.

© 2009, 2011 Berlin Verlag in der Piper Verlag GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München, unter Verwendung zweier Bilder von

© John Lund/Stephanie Roeser/Blend Images/Corbis und © Cynthia Hart Designer/Corbis

Datenkonvertierung: G & R, Köln

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

DER GARTEN

Wer hegt und pflegt den Garten,

Den Garten herrlich grün?

Den einstmals schönsten Garten,

Den je ein Mensch gesehen.

Und die Geschöpfe Gottes

Vergnügten sich darin;

Dann wurde er vernichtet,

Und alles starb dahin.

Die Bäume, die da blühten

Und Früchte trugen satt,

Versandet und verdörrt sind,

Mit Wurzel, Zweig und Blatt.

Und all das klare Wasser

Verschlammt bis auf den Grund,

Und all die bunten Vögelein,

Am Himel jäh verstummt

Mein Garten, du mein Garten,

Um meine Trauer weißt,

Auf dass die Gärtner kommen,

Und du erneut gedeihst.

Aus dem Gesangbuch der Gottesgärtner

DAS JAHRDER FLUT

1. Toby. Jahr Fünfundzwanzig, das Jahr der Flut

Früh am Morgen klettert Toby aufs Dach, um sich den Sonnenaufgang anzusehen. Sie stützt sich auf den Stiel eines Wischmopps: Der Fahrstuhl hat schon seit längerem den Geist aufgegeben, die Hintertreppe ist glatt vor Nässe, und wenn sie ausrutscht und hinfällt, ist niemand da, der ihr wieder aufhilft.

Als die erste Hitze aufkommt, steigt Nebel aus dem breiten Baumstreifen hoch, der zwischen ihr und der verfallenen Stadt liegt. Die Luft riecht leicht verbrannt, nach Karamell und Tee und ranzigem Grill und brennender Müllkippe nach einem Regenguss, ein Asche- und Ölgeruch. Die verlassenen Hochhäuser in der Ferne sind wie die Korallen eines uralten Riffs – ausgebleicht und farblos, ohne Leben.

Aber es gibt noch Leben. Vögel zwitschern; es müssen Spatzen sein. Ihre kleinen Stimmen sind klar und scharf, Nägel auf Glas: es gibt keinen Autolärm mehr, um sie zu übertönen. Fällt ihnen diese Stille auf, das Fehlen von Motoren? Wenn ja, sind sie glücklicher? Toby weiß es nicht. Anders als manche anderen Gärtner – die verschrobeneren oder womöglich überdosierten – ist sie nie der Illusion aufgesessen, mit den Vögeln sprechen zu können.

Die Sonne erhellt den Osten, taucht den blaugrauen Nebel des fernen Meeres in rötliches Licht. Die Geier, die auf den Pfählen der Wasserkraftanlage brüten, breiten ihre Flügel zum Trocknen aus, sie klappen auf wie schwarze Regenschirme. Erst hebt sich einer, dann ein anderer mit der Thermik spiralförmig in die Höhe. Wenn sie plötzlich hinabstürzen, heißt das, sie haben Aas entdeckt.

Die Geier sind unsere Freunde, lehrten damals die Gärtner. Sie reinigen die Erde. Sie sind Gottes notwendige dunkle Engel des fleischlichen Verfalls. Stellt euch vor, wie schrecklich es wäre, wenn es den Tod nicht gäbe!

Glaube ich immer noch daran?, fragt sich Toby.

Aus der Nähe sieht alles anders aus.

*

Auf dem Dach stehen Blumenkübel mit wildwuchernden Zierpflanzen; auch ein paar künstliche Holzbänke. Es gab einmal ein Sonnendach, unter dem man Cocktails trank, aber das hat der Wind weggeweht. Toby setzt sich auf eine der Bänke, um einen Blick über das Gelände zu werfen. Sie hebt ihr Fernglas, sichtet das Gelände von links nach rechts. Die Lumirosen, die die Auffahrt säumen, sind mittlerweile ausgefranst wie alte Haarbürsten, das lila Leuchten verblasst immer mehr in der zunehmenden Helligkeit. Der Westeingang, das Solargebäude in Lehmsteinoptik, die verknäulte Autoschlange vor dem Tor.

Die Blumenbeete, erdrückt von Gänsedisteln und Kletten, umflattert von riesigen Aqua-Kudzumotten. Die Brunnen, die muschelförmigen Becken, in denen das Regenwasser steht. Der Parkplatz mit einem rosa Golfwägelchen und zwei rosa AnuYu-Spa-Kleinlieferwagen, auf jedem das Logo mit dem zwinkernden Auge. Ein vierter Kleinlieferwagen ist weiter unten in der Auffahrt frontal gegen einen Baum geknallt: Anfangs noch hing ein Arm aus dem Fenster, aber jetzt nicht mehr.

Die breiten Rasenstücke sind überwachsen mit Unkraut. Flache ungleichmäßige Hügel sind unter Seidenpflanze, Berufskraut und Sauerampfer begraben, hier und da sieht man einen Fetzen Stoff, das Schimmern eines Knochens. Dort sind die Leute hingefallen, die gerannt oder über den Rasen getaumelt waren. Hinter einem der Blumenkübel hockend, hatte Toby vom Dach aus zugesehen, aber nicht lange. Einige dieser Leute hatten nach Hilfe geschrien, als hätten sie gewusst, dass sie da oben ist. Aber wie hätte sie ihnen schon helfen sollen?

Eine fleckige Algendecke liegt über dem Swimmingpool. Es haben sich schon Frösche eingefunden. Die Fischreiher und Pfaureiher jagen sie im flachen Ende. Eine Zeitlang hatte Toby versucht, die kleinen Tiere, die hineingefallen und ertrunken waren, aus dem Wasser zu schöpfen. Die grün leuchtenden Kaninchen, die Ratten, die Wakunks mit dem gestreiften Schwanz und der Waschbär-Banditenmaske. Aber jetzt lässt sie sie in Ruhe. Vielleicht bringen sie ja Fische hervor, irgendwie. Wenn das Becken noch mehr zum Tümpel geworden ist.

Spielt sie mit dem Gedanken, diese theoretischen zukünftigen Fische zu essen?

Sicherlich noch nicht jetzt.

Sie wendet sich dem dunklen Wald zu, der wie eine Mauer das Gelände umgibt, und den Ranken und Farnwedeln und dem dichten Unterholz, sondiert alles mit ihrem Fernglas. Wenn Gefahr kommt, dann von dort. Aber was für eine Gefahr? Sie hat keine Vorstellung davon.

*

Nachts sind die üblichen Geräusche zu hören: das ferne Bellen der Hunde, das Kichern der Mäuse, die Wasserpfeifentöne der Grillen, hier und da das Grumpfen eines Frosches. Das Blut, das in ihren Ohren rauscht: katusch, katusch, katusch. Ein schwerer Besen, der trockenes Laub aufkehrt.

»Leg dich schlafen«, sagt sie laut. Aber sie schläft nicht mehr gut, seit sie in diesem Gebäude allein ist. Manchmal hört sie Stimmen – gequälte menschliche Stimmen, die ihr etwas zurufen. Oder die Stimmen von Frauen, der Frauen, die hier gearbeitet haben, der geplagten Frauen, die zur Erholung und Verjüngung hierherkamen. Die im Swimmingpool plantschten, über die Rasenflächen spazierten. Die vielen rosa Stimmen, getröstet und tröstend.

Oder die Stimmen der Gärtner, ihr Murmeln oder ihren Gesang; oder die der Kinder, lachend, hoch oben auf dem Felsen Eden. Adam Eins und Nuala und Burt. Die alte Pilar inmitten ihrer Bienen. Und Zeb. Wenn einer von ihnen noch am Leben ist, dann Zeb; er könnte jeden Tag die Straße entlangkommen oder hinter den Bäumen auftauchen.

Aber er ist bestimmt längst tot. Es ist besser, so zu denken. Keine Hoffnung zu verschwenden.

Es muss aber doch jemand überlebt haben; sie kann doch nicht der letzte Mensch auf Erden sein. Es muss doch noch andere geben. Aber sind sie freundlich oder feindlich gesinnt? Wenn sie jemanden sieht, wie soll sie es wissen?

Sie ist bereit. Die Türen sind verschlossen, die Fenster verriegelt. Obwohl solche Barrieren keine Garantie sind: Jeder Hohlraum schreit nach Invasion.

Sogar im Schlaf lauscht sie wie ein Tier – nach einer Störung im üblichen Muster, einem unbekannten Geräusch, nach einer Stille, die aufbricht wie ein Felsspalt.

Wenn die kleinen Tiere mitten im Lied verstummen, sagte Adam Eins, haben sie Angst. Ihr müsst nach ihrer Angst lauschen.

2. Ren. Jahr Fünfundzwanzig, das Jahr der Flut

Hütet euch vor dem Wort. Hütet euch vor der Schrift. Hinterlasst keine Spuren.

Das brachten uns die Gärtner bei, als ich ein Kind dort war. Wir sollten uns auf unser Gedächtnis verlassen, denn was man aufschrieb, war nicht verlässlich. Der Geist wandert von Mund zu Mund, nicht von Ding zu Ding: Bücher konnten verbrannt werden, Papier konnte zerfallen, Computer konnten zerstört werden. Nur der Geist lebt ewig, und der Geist ist kein Ding.

Schreiben, sagten die Adams und Evas, war gefährlich, weil man von seinen Feinden rückverfolgt, aufgespürt und mit seinen eigenen Worten gerichtet werden konnte.

Aber jetzt, wo die wasserlose Flut über uns gekommen ist, wird wohl alles, was ich aufschreibe, sicher genug sein, denn alle, die es gegen mich verwenden könnten, sind höchstwahrscheinlich tot. Ich kann also aufschreiben, was ich will.

Was ich schreibe, ist mein Name, Ren, mit einem Augenbrauenstift an die Wand neben den Spiegel. Ich habe ihn schon ganz oft geschrieben. Renrenren, wie ein Lied. Wenn man zu lange allein ist, vergisst man schnell, wer man ist. Das hat Amanda mal gesagt.

Ich kann nicht aus dem Fenster sehen, es sind Glasbausteine. Ich kann nicht aus der Tür, sie ist von außen verschlossen. Aber ich habe Luft und Wasser, solange die Solaranlage nicht ausfällt. Ich habe immer noch was zu essen.

Ich habe Glück. Ich habe wirklich sehr viel Glück. Da kannst du von Glück reden, sagte Amanda immer. Also, ich tu’s. Erstens hatte ich Glück, dass ich hier im Scales war und arbeiten musste, als die Flut kam. Zweitens hatte ich noch mehr Glück, dass ich gerade in der Klebezone saß, hier war ich nämlich in Sicherheit. Ich hatte einen Riss in meinem Bio-Körperstrumpf – ein Kunde hatte sich gehen lassen und mich durch die grünen Pailletten hindurch gebissen –, und ich musste auf meine Testergebnisse warten. Es war keine nässende, offene Wunde, nur eine Art Schramme am Ellenbogen, also hatte ich eigentlich keinen Grund zur Sorge. Trotzdem wurde hier im Scales immer alles geprüft. Wir hatten einen Ruf zu verteidigen: Wir waren in der ganzen Stadt bekannt als die saubersten Mädchen mit der schmutzigsten Fantasie.

Im Scales and Tails war man wirklich gut aufgehoben. Vorausgesetzt, man hatte Talent. Gutes Essen, ärztliche Versorgung, wann immer nötig, und das Trinkgeld war super, weil die höchsten Konzernleute hierherkamen. Der Laden war straff organisiert, obwohl er in so einer zwielichtigen Gegend lag – aber alle Nachtclubs lagen in dieser Gegend. Es war eine Imagefrage, würde Mordis sagen: Zwielichtig war gut fürs Geschäft, denn ohne Ecken und Kanten – was Dreckiges oder Kitschiges, leicht Runtergekommenes – würde sich unser Produkt ja durch nichts von der Nullachtfünfzehn-Ware unterscheiden, die die Typen auch zu Hause kriegen konnten, mit der Nachtcreme und den weißen Baumwollschlüpfern.

Mordis war ein Mann der klaren Ansagen. Er war seit Kindesbeinen im Betrieb, und als Zuhälterei und der Straßenstrich verboten wurden – wegen der öffentlichen Gesundheit und zum Schutz der Frauen, wie es hieß, und alles zum SeksMart zusammengefasst wurde und unter CorpSeCorps-Kontrolle kam –, wagte Mordis wegen seiner Erfahrung den Sprung. »Man muss nur die richtigen Leute kennen«, sagte er immer. »Und Bescheid wissen über sie.« Dann grinste er und gab einem einen Klaps auf den Po – aber nur einen freundlichen Klaps, er nahm sich keine Freiheiten bei uns raus. Der hatte Anstand.

Er war drahtig, kahlrasiert und hatte schwarz glänzende, hellwache Augen wie ein Ameisenkopf, und er war sehr umgänglich, solange alles glattlief. Aber wenn die Kunden handgreiflich wurden, ging er dazwischen. »Meine Mädchen rührt keiner an«, sagte er immer. Das war für ihn Ehrensache.

Außerdem war er gegen Verschwendung: Wir seien doch sein Kapital, sagte er immer. Das Sahnehäubchen. Als alles von SeksMart geschluckt wurde, war jeder, der bei dem System außen vor blieb, nicht nur illegal, sondern total arm dran. Ein paar kranke alte Wracks, die fast schon bettelnd durch die Gassen zogen. Kein Mann mit einem Rest Hirn im Kopf hätte sich ihnen auch nur auf zehn Meter genähert. »Sondermüll«, sagten wir Scales-Mädchen immer. Wir hätten nicht so überheblich sein dürfen; wir hätten Mitleid haben sollen. Aber Mitleid ist anstrengend, und wir waren jung.

*

In der Nacht, als die wasserlose Flut begann, wartete ich auf meine Testergebnisse: Man wurde wochenlang in die Klebezone gesperrt, falls man was Ansteckendes hatte. Das Essen kam durch die Sicherheitsluke, es gab eine Minibar mit Knabberzeug, und das Wasser wurde gefiltert, sowohl was reinkam als auch was rausging. Man hatte alles, was man brauchte, aber es wurde einem langweilig da drin. Man konnte an den Geräten trainieren, das machte ich auch oft, denn als Trapeztänzerin muss man in Übung bleiben.

Man konnte fernsehen oder sich alte Filme angucken, Musik hören, telefonieren. Oder über die Videosprechanlage in andere Räume reinschalten. Wenn wir einen Kunden hatten, zwinkerten wir manchmal extra für das Mädchen in der Klebezone beim Stöhnen in die Kamera. Wir wussten, wo die Kameras versteckt waren, in der Schlangenhaut und in den Federn an der Zimmerdecke. Im Scales waren wir eine große Familie, also selbst wenn man in der Klebezone saß, wollte einem Mordis das Gefühl geben, dass man trotzdem live dabei war.

Bei Mordis fühlte ich mich wahnsinnig geborgen. Ich wusste, dass ich sogar mit ganz großem Ärger zu ihm gehen konnte. Solche Leute gab es nicht oft in meinem Leben. Amanda, meistens. Zeb, manchmal. Und Toby. Würde man gar nicht meinen, bei Toby – knallhart, wie sie immer war –, aber wenn man kurz vorm Ertrinken ist, will man sich nicht an etwas Weichem, Matschigem festhalten. Da braucht man schon was Festes.

SCHÖPFUNGSTAG

Jahr Fünf

Von der Schöpfung und wie die Tiere zu ihrem Namen kamen

Gesprochen von Adam Eins

Liebe Freunde, liebe Mitgeschöpfe, liebe Mitsäugetiere:

Am Schöpfungstag vor fünf Jahren war unser Dachgarten Felsen Eden noch ein schwelendes wüstes Land inmitten der schwärenden Slums und Lasterhöhlen der Stadt; nun aber ist er erblüht wie eine Rose.

Indem wir öde Häuserdächer wie dieses begrünen, leisten wir unseren kleinen Beitrag, um Gottes Geschöpfe vor dem Verfall und der ringsum grassierenden Unfruchtbarkeit zu retten, und ganz nebenbei versorgen wir uns selbst mit giftfreien Nahrungsmitteln. Manche mögen unsere Versuche belächeln, aber wenn alle unserem Beispiel folgen würden, was käme da nicht für ein Wandel über unseren geliebten Planeten! Es liegt noch viel harte Arbeit vor uns, aber fürchtet euch nicht, liebe Freunde: Guten Mutes schreiten wir voran.

Ich freue mich, dass wir alle an unsere Sonnenhüte gedacht haben.

*

Nun wollen wir uns der Andacht anlässlich unseres alljährlichen Schöpfungstages zuwenden.

Das menschliche Wort Gottes spricht auf eine Weise von der Schöpfung, die für die Alten noch nachvollziehbar war. Von Genen und Galaxien ist noch keine Rede, denn solche Begriffe hätten sie mächtig in Verwirrung gestürzt! Aber müssen wir deshalb die Erschaffung der Welt in sechs Tagen als wissenschaftliche Tatsache hinnehmen und empirische Daten somit zum Nonsens erklären? Gott kann weder für die Borniertheit wörtlicher und materialistischer Deutungen herhalten, noch kann Er mit menschlichem Maß gemessen werden, denn Seine Tage sind Äonen, und tausend Epochen unserer Zeit sind für Ihn ein einziger Abend. Anders als in manch anderen Religionen haben wir nie das Gefühl gehabt, dass es einer höheren Sache dient, wenn wir unseren Kindern geologische Lügen auftischen.

Denkt an die ersten Sätze jenes menschlichen Wort Gottes: Die Erde ist formlos und wüst, und dann spricht Gott, es werde Licht. Dies ist der Moment, den Wissenschaftler als »Urknall« bezeichnen, als handle es sich um eine Sexorgie. Und doch stimmen beide Ausführungen im Wesentlichen miteinander überein: Dunkelheit, und dann, mit einem Mal, Licht. Aber gewiss ist die Schöpfung ein fortdauernder Prozess, denn werden nicht in jedem Augenblick neue Sterne gebildet? Gottes Tage folgen nicht aufeinander, meine Freunde; sie laufen nebeneinanderher, der erste mit dem dritten, der vierte mit dem sechsten. Wie wir wissen, brachten die Gewässer am fünften Tag von Gottes Schöpfungsakt Lebewesen hervor, und am sechsten Tag war das trockene Land von Tieren bevölkert und von Pflanzen und Bäumen; und alle waren gesegnet und sollten sich mehren; und schließlich wurde Adam – das heißt die Menschheit – geschaffen. Wissenschaftlich betrachtet, sind die Tierarten tatsächlich in dieser Reihenfolge auf dem Planeten aufgetreten und ganz zum Schluss der Mensch. Zumindest mehr oder weniger in dieser Reihenfolge. Oder so gut wie.

Was geschieht danach? Gott bringt die Tiere vor den Menschen, »dass er sähe, wie er sie nennte«. Warum wusste Gott nicht schon vorher, welche Namen Adam wählen würde? Die Antwort kann nur sein, dass Er Adam den freien Willen gab, daher kann Adam Dinge tun, die nicht einmal Gott selbst vorhersagen kann. Denkt daran, wenn ihr beim nächsten Mal von Fleischessen oder materiellem Wohlstand in Versuchung geführt werdet! Womöglich weiß nicht einmal Gott jedes Mal, was ihr als Nächstes tun werdet!

Gott muss die Versammlung der Tiere einberufen haben, indem Er direkt zu ihnen sprach, aber in welcher Sprache? Es war nicht Hebräisch, nicht Arabisch, nicht Chinesisch. Nein: Er rief die Tiere in ihrer jeweils eigenen Sprache. Mit dem Rentier sprach Er Rentier, mit der Spinne Spinne, mit dem Elefanten sprach Er Elefant, mit dem Floh sprach Er Floh, mit dem Tausendfüßler sprach Er Tausendfüßler und mit der Ameise Ameise. So muss es gewesen sein.

Und für Adam selbst waren die Namen der Tiere die ersten Worte, die er sprach – der erste Augenblick der menschlichen Sprache. In diesem kosmischen Augenblick nimmt Adam seine menschliche Seele an. Das Benennen ist – so hoffen wir – wie ein Gruß; eine Umarmung. Stellen wir uns vor, wie Adam, von Zuneigung und Freude erfüllt, die Namen der Tiere ausrief – Da seid ihr, meine Adams erster Akt gegenüber den Tieren war also ein Akt der Güte und Brüderlichkeit, denn der Mensch im Zustand der Unschuld war noch kein Fleischfresser. Die Tiere wussten das, und sie liefen nicht fort. So muss es an diesem einzigartigen Tag gewesen sein – eine friedliche Versammlung, bei der jedes lebende Wesen auf der Erde vom Menschen angenommen wurde.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!