Das keltische Amulett - Jules Watson - E-Book
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Das keltische Amulett E-Book

Jules Watson

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Beschreibung

Eine große Liebe und der Kampf um die Freiheit: Der historische Roman »Das keltische Amulett« von Jules Watson jetzt als eBook bei dotbooks. Auf der britischen Insel braut sich im ersten Jahrhundert nach Christus ein Sturm zusammen: Mit unglaublicher Brutalität drängt das römische Heer die Schotten immer weiter hinter ihre Grenzen zurück, doch der irische Krieger Eremon und seine Braut Rhiann, eine schottische Prinzessin, leisten erbitterten Widerstand. Immer mehr Krieger schließen sich dem Kampf gegen die Usurpatoren an. Aber werden die Allianzen, die das Paar schmiedet, den vermeintlichen Versprechen der Römer und der Gier der schottischen Stammesführer standhalten? Oder liegt die letzte Hoffnung in Rhianns ungeborenem Kind und der Prophezeiung, die besagt, dass ihrer Linie jener Herrscher entspringen wird, der Schottland in die Freiheit führt … »Eine großartige, spektakuläre Saga über die hoch romantische und historisch fesselnde Geschichte jener Könige und Königinnen, die die Römer aus dem keltischen Britannien vertrieben!« Daily Express Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der opulente historische Roman »Das keltische Amulett« von Jules Watson ist der zweite Teil ihrer Dalriada-Trilogie – ein Lesegenuss für die Fans von Marion Zimmer Bradley und »Outlander«. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Auf der britischen Insel braut sich im ersten Jahrhundert nach Christus ein Sturm zusammen: Mit unglaublicher Brutalität drängt das römische Heer die Schotten immer weiter hinter ihre Grenzen zurück, doch der irische Krieger Eremon und seine Braut Rhiann, eine schottische Prinzessin, leisten erbitterten Widerstand. Immer mehr Krieger schließen sich dem Kampf gegen die Usurpatoren an. Aber werden die Allianzen, die das Paar schmiedet, den vermeintlichen Versprechen der Römer und der Gier der schottischen Stammesführer standhalten? Oder liegt die letzte Hoffnung in Rhianns ungeborenem Kind und der Prophezeiung, die besagt, dass ihrer Linie jener Herrscher entspringen wird, der Schottland in die Freiheit führt …

»Eine großartige, spektakuläre Saga über die hoch romantische und historisch fesselnde Geschichte jener Könige und Königinnen, die die Römer aus dem keltischen Britannien vertrieben!« Daily Express

Über die Autorin:

Jules Watson wurde 1970 als Tochter englischer Auswanderer in Perth geboren. Sie wuchs in Australien auf und lernte ihren späteren Ehemann Alistair, einen Schotten, bereits an der Highschool kennen. Nach ihrem Studium der Archäologie und PR arbeitete sie unter anderem in diesen Berufen, bevor sie sich dem Schreiben widmete. Sie lebte viele Jahre lang abwechselnd in Australien und der UK, bis sie schließlich mit ihrem Mann in ein kleines schottisches Glen an der Westküste zog.

Die Website der Autorin: juleswatson.com

Von Jules Watson erscheinen bei dotbooks die drei Teile der Dalriada-Trilogie: »Tartan und Schwert«, »Das keltische Amulett« und »Die Rose der Kelten«.

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eBook-Neuausgabe Juni 2022

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 2005 unter dem Originaltitel »The Dawn Stag« bei Orion, London.

Copyright © der englischen Originalausgabe 2005 by Jules Watson

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2005 by Verlagsgruppe Random House GmbH

Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Shutterstock/O.S., und selling antiques

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)

ISBN 978-3-98690-238-4

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Jules Watson

Das keltische Amulett

Historischer Roman

Aus dem Englischen von Nina Bader

dotbooks.

Für Claire, die den Traum mit mir träumte, und für Alistair, der ihn Wirklichkeit werden ließ.

Prolog

Linnet erzählt:

So ausgeprägt meine Sehergabe in meiner Jugend auch gewesen sein mochte, nie hätte ich die Wendungen vorhersehen können, die Rhianns Lebensweg in den Jahren nehmen würde, während derer Alba unter römischer Besatzung stand.

Die Göttin, unsere Große Mutter, ist eine begnadete Weberin, und wo wir Geschöpfe der diesseitigen Welt nur ein ungeordnetes Gewirr von Fäden und Farben erkennen können, bietet sich Ihren Augen bereits das endgültige Muster auf dem Webstuhl dar. Heute fühle ich wie Sie, denn obwohl ich eine alte Frau mit trüben Augen und knorrigen Händen bin, sitze ich hier, und Rhianns Leben läuft vor meinem geistigen Auge ab.

Ich sehe alles genau vor mir, denn ich habe meine Erinnerungen.

Und diese Erinnerungen sind hell und düster – wie die Farben im Tuch des Lebens. So starb meine Schwester bei Rhianns Geburt – ein dunkler Tag für mich. Aber ich hatte kurz zuvor meine eigene Tochter verloren, und Rhiann nahm ihren Platz ein – ein außergewöhnliches Kind mit einem unbeugsamen Willen, das strahlende Licht meines Herzens. Ich sah sie vom Kleinkind zum jungen Mädchen heranwachsen, dann verließ sie mich und ging auf die Heilige Insel, um dort ihre Priesterinnenausbildung zu beginnen.

Und dann, als sie achtzehn Jahre alt war und gerade die Weihen erhalten hatte, geschah das Unfassbare. Die Heilige Insel wurde überfallen und Rhianns Ziehfamilie, die sie wie Blutsverwandte geliebt hatte, vor ihren Augen auf grausame Weise ermordet. Schließlich fiel Rhiann selbst den Räubern in die Hände, sie taten ihr Gewalt an und ließen sie dann zum Sterben zurück.

Doch Rhianns Körper überlebte das furchtbare Geschehen. Es war ihre Seele, die getötet wurde.

Sie schleuderte den Schwestern, die sie über alles liebte, aus Schmerz und Scham geborene Worte des Zorns und des Hasses entgegen und schleppte sich nach Dunadd zurück, der Festung ihres Stammes, denn sie fühlte sich von der Göttin im Stich gelassen und gab sich die Schuld am Tod ihrer Familie. Aber die Große Mutter ließ nicht zu, dass sie für den Rest ihres Lebens in dumpfer Benommenheit versank, jenem letzten Zufluchtsort derer, die mehr erlitten haben, als sie ertragen können. Rhiann hatte eine Bestimmung zu erfüllen.

Ein Jahr später, als ihre Wunden gerade zu heilen begonnen hatten, starb ihr Onkel, der König, und nun war sie die Letzte ihres Stammes, die das königliche Blut ihrer Mutter – König Bruders Schwester – weitergeben konnte. Und just am Tag seiner Bestattung landete ein aus seiner Heimat verbannter Prinz von der Insel Erin an unserer Küste: Eremon, der Sohn des Ferdiad.

Nachdem er von seiner eigenen Familie verraten worden war, wollte dieser Prinz zu Macht und Einfluss gelangen, um den Thron seines Vaters zurückzuerobern – und unser Stamm benötigte dringend einen Mann aus königlichem Geblüt als Gemahl für unsere Prinzessin. So bot unser oberster Druide Gelert Eremon Rhianns Hand an. Doch obgleich der alte Priester beim Arrangieren dieser Verbindung Böses im Schilde führte und nur danach trachtete, Rhiann noch mehr Leid zuzufügen und zugleich seine eigene Machtposition weiter auszubauen, kamen seine dunklen Beweggründe den Zielen der Großen Mutter entgegen, wie sich zeigen sollte.

Anfangs hasste Rhiann Eremon, weil die Stammesältesten sie zur Heirat mit ihm gezwungen hatten. Aber der Hass wandelte sich allmählich in zögerlichen Respekt, dann in Freundschaft und schließlich in zaghafte Zuneigung. Und während dieser ganzen Zeit nahmen die Ereignisse in der äußeren wie in der inneren Welt unaufhaltsam ihren Lauf.

Denn die Göttin hatte Rhiann und Eremon aus einem ganz bestimmten Grund zusammengeführt – um die zerstrittenen Stämme Albas zu einem Volk zu vereinen und so das Land vor den von Süden her immer näher rückenden Römern zu schützen. Der römische Feldherr Agricola hatte von seinem Kaiser Befehl erhalten, ganz Alba zu erobern und die wilden Stämme des Nordens zu unterwerfen.

Zwei Jahre lang reisten Rhiann und Eremon gemeinsam durch das Land; ein Paar auf geistiger, wenn auch nicht auf körperlicher Ebene, und Eremon erwies sich als der fähige Kriegsherr, den sein Stamm so dringend brauchte. Und obwohl die anderen Könige und Häuptlinge sich heftig gegen ein Bündnis aller Albanen sträubten, gelang es Eremon und Rhiann durch Hartnäckigkeit und Willensstärke, die in allen Bewohnern Albas schlummernde Freiheitsliebe zu wecken und endlich den mächtigen König der Kaledonier, Calgacus das Schwert, auf ihre Seite zu ziehen. Der Anfang war gemacht.

Und dann ... wechselten die Fäden auf dem Webstuhl der Göttin wieder von Hell zu Dunkel.

Als Folge eines heimtückischen Komplotts sank Rhianns und Eremons Boot, mit dem sie Calgacus’ Wellenfestung verließen, in einem Sturm. Alles deutete darauf hin, dass Maelchon, der König der weit oben im Norden gelegenen Orkney-Inseln, dabei seine Hand im Spiel gehabt hatte, denn Rhiann hatte sich vor langer Zeit unwissentlich seine unversöhnliche Feindschaft zugezogen. Ihre Zieheltern hatten sich rundheraus geweigert, sie ihm zur Frau zu geben, daher hasste Maelchon sie und auch Eremon, der besaß, was ihm verwehrt worden war, aus tiefster Seele.

Doch inmitten all dieser unheilvollen Ereignisse erstrahlte erneut das Licht der Großen Mutter. Sie geleitete das sinkende Boot sicher ans Ufer. Dort stießen Rhiann und Eremon auf Angehörige des Volkes der Caerenier, die sich gerade zum Aufbruch zu einem Ort rüsteten, den Rhiann gut kannte, dessen Boden sie jedoch nie wieder betreten wollte – die Heilige Insel.

So schloss sich der Kreis.

Die Mutter allen Seins stellte Rhiann vor die schwerste Prüfung ihres Lebens: dorthin zurückzugehen, wo sie das größte Glück und dann die größte Pein erfahren hatte; wo sie zu sich selbst gefunden und sich wieder verloren hatte. Der Gedanke, jenen gegenüberzutreten, von denen sie meinte, sie im Stich gelassen zu haben, war ihr nahezu unerträglich, doch die Schwestern hatten in ihrer Weisheit geduldig gewartet, bis sie aus freien Stücken zu einer Rückkehr bereit war, und ihr ihre Arme und Herzen geöffnet.

Also begleiteten Rhiann und Eremon die Caerenier auf ihrer Pilgerfahrt, und diese Entscheidung führte dazu, dass Rhiann auch in anderer Hinsicht ihren Frieden wiederfand. Denn das Beltanefest stand bevor, und die Priesterinnen wählten Eremon zum Hirschkönig, zum Gehörnten Gott, und Rhiann zur Jungfräulichen Jägerin. Am Abend der Beltaneriten sollten sie im Kreis der heiligen Steine die Große Ehe mit dem Land schließen, und obwohl Rhiann dem Ritual voller Furcht entgegensah, vereinigte sie sich in jener Nacht nicht nur körperlich, sondern auch im Geiste mit ihrem Mann.

Bangen Herzens waren sie gekommen, und von Glück und Hoffnung erfüllt verließen Rhiann, Eremon und ihre Gefährten die Heilige Insel wieder. Rhiann und Eremon hatten endlich zueinander gefunden, Rhiann ihren Zwist mit den Schwestern beigelegt, und Eremon hatte die Caerenier und Carnonacaer als Verbündete gewonnen. Sie hatten ihn als ihren Hirschkönig und ihren Kriegsherrn anerkannt, was die heiligen Tätowierungen bewiesen, die jetzt seine Brust und seinen Bauch zierten.

Aber dennoch ...

Rhianns Schicksal hatte sich noch nicht erfüllt, die Bedrohung durch die Römer war noch nicht abgewendet. Es galt, sich weiteren großen Gefahren zu stellen, weiteres Unheil zu verhüten. Ich wünschte, ich hätte damals schon gewusst, was ich heute weiß, aber wir gewöhnlichen Sterblichen können nur zusehen, wie sich das Weberschiffchen der Großen Mutter dreht ... und darauf warten, dass das Muster Ihrer Fäden Gestalt annimmt.

Aber die Zusammenhänge erschließen sich den Menschen immer erst am Ende, was ich, törichte alte Frau, die ich bin, erst zu spät begriff.

Doch jetzt liegt Ihr Weg klar vor mir, und in all den Jahren, die ich nun schon in der diesseitigen Welt weile, habe ich noch nie ein so kunstvolles Muster ineinander verwobener und verschlungener Fäden gesehen. Vielleicht wird das auch nie wieder der Fall sein, denn es wird nicht mehr lange dauern, bis die Göttin mich zu sich ruft ...

Erstes Buch

Zeit der Blattknospe, anno domini 81

Kapitel 1

Diese Tage auf See waren seit vielen Jahren für sie die erste Zeit vollkommenen Friedens. Zu dieser Erkenntnis gelangte Rhiann, während sie im Bug kauerte und die Wange gegen die hölzerne Bootswand drückte. Ihr war, als schwebe das kleine Boot zwischen dem schimmernden Wasser und dem fahlen Himmel. Das weiße Segel glich einer ausgebreiteten Schwinge, die durch die blaue Unendlichkeit glitt.

Das sachte Schwanken des Bootes hatte sie in eine Art Trancezustand versetzt. Kleine Wellen plätscherten gegen den Rumpf und lullten sie mit ihrer rhythmischen Musik ein, dazwischen verwandelte sich die Wasseroberfläche immer wieder in einen dunklen, von dahintreibendem Tang durchsetzten, glatten Spiegel. Der Wind wehte von Westen, vom Meer her, die günstigste Richtung, um sie so schnell wie möglich nach Hause zu bringen, doch die Brise war zu schwach, sodass sie kaum das Segel in der Mitte des aus Tierhäuten gefertigten curraghs blähte.

Rhiann liebte diese curraghs. Sie lagen flach auf dem Wasser und schossen mit der Schnelligkeit einer Möwe über die Wellen, und wenn sie eine Hand in das kalte Meer eintauchte, konnte sie den Sog an ihren Fingern spüren. Doch meistens saß sie nur still da und nahm wenig mehr wahr als den Geruch nach Salz und Teer, das Knarren der Ruder und die Sonne auf ihren Augenlidern.

Und so kam es, dass sich Rhiann erst nach den drei sonnigen Tagen, die seit ihrem Aufbruch von der Heiligen Insel verstrichen waren, allmählich des leisen, nagenden Unbehagens bewusst wurde, das irgendwo in ihrem Unterbewusstsein gelauert hatte und nun an die Oberfläche drängte.

»Schuft! Das wirst du mir büßen ... hah! Schön kalt, nicht wahr?« Auf Caitlins empörte Worte folgte ein lautes Aufkreischen, und Rhiann brauchte sich nicht erst umzudrehen, um zu wissen, was passiert sein musste. Conaire, dessen Hände sehr viel größer waren als Caitlins, hatte seiner Frau eine weitere eisige Meerwasserdusche verpasst. Entweder hatte Rhianns Gänsefingerkrauttrank Caitlins Seekrankheit gelindert, oder Caitlin bot ihren bekanntermaßen eisernen Willen auf, um sich ihr Unwohlsein nicht anmerken zu lassen. Von den anderen Ruderbänken erscholl lautes Gelächter: Dort saßen Eremons Gefährten, die ihn zur Heiligen Insel begleitet hatten, und ein paar Inselbewohner, die das Boot bemannten.

Rhianns Knie waren taub geworden, sie verlagerte ihr Gewicht auf den Planken aus Weidenholz und massierte ihre Beine, um die Blutzirkulation anzuregen. Dann stützte sie das Kinn auf eine Hand und blinzelte in den goldenen Schein, den das Sonnenlicht auf das Wasser warf. Eine Insel glitt an ihr vorbei: schwarze, mit Strandnelken übersäte Klippen, grüne Hügel, auf denen gelber Ginster wuchs, weiße Gischt auf hellem Sand. Ein Seehund, der sich auf einem Felsbrocken sonnte, musterte sie mit hoch erhobenem Kopf neugierig. Seine dunklen, feuchten Augen schimmerten so unergründlich wie das Meer selbst.

»Hallo, mein pelziger Freund.« Rhiann winkte ihm mit einem Finger zu.

Unter dem Ruheplatz des Seehunds brandete das Wasser zwischen den Felsen hindurch und warf weiße Gischtschwaden auf. Und während Rhiann auf die tosende Brandung starrte, erkannte sie plötzlich, was sie schon eine ganze Zeit lang am Rande ihres Bewusstseins gespürt und gehört hatte – ein tiefes, gespenstisches Dröhnen, das die Luft erzittern ließ und ihr durch Mark und Bein ging. Der Strudel, dachte sie, sich erschrocken aufrichtend.

Der Sog des Strudels peitschte die schmale Meerenge zwischen den Dunadd vorgelagerten Inseln auf; er bildete eine Grenze zwischen der diesseitigen Welt und dem Schattenreich. Und Rhiann begriff mit dem geschärften Sinn einer Priesterin, dass sie ihn nur aus so großer Entfernung hatte hören können, weil sein Ruf ein Zeichen für sie war. Also tat sie, was jeder vernünftige Mensch an ihrer Stelle getan hätte: Sie biss sich auf die Lippe, schloss die Augen und bemühte sich, an etwas anderes zu denken.

Sie hatte die Ärmel ihres Wollkleides hochgekrempelt, und die Sonne brannte auf ihre bloßen Unterarme, doch innerlich war Rhiann zu Eis erstarrt. Denn der Strudel mahnte sie, aus den Träumen zu erwachen, in denen sie seit ihrer Abreise geschwelgt hatte. Bald galt es, zu ihrem gewohnten Tagewerk überzugehen; sie waren fast daheim, und sie musste sich all dem stellen, was sie dort erwartete. Und bei der Göttin, davor graute es ihr!

Nein, lieber wollte sie sich das beseligende Glücksgefühl bewahren, das sie erfüllte, seit sie in den Schoß der Schwesternschaft zurückgekehrt war. Seit das Licht der Göttin sie von neuem erfüllt hatte, dort im Kreis der heiligen Steine. Seit ...

»Meine kleine Meerjungfrau.« Die Planken knarrten leise, dann strich eine Hand sacht über Rhianns Wange. »Weilst du endlich wieder unter uns Sterblichen?«

Seit Eremon wirklich der Ihre war, spann Rhiann den Gedanken zu Ende, dann lächelte sie. Alle anderen hatten instinktiv gespürt, dass sie allein sein wollte, und sie während der Reise in Ruhe gelassen, nur Eremon hielt sich nicht an diese stumme Übereinkunft, und darüber freute sie sich. »Was bleibt mir anderes übrig?«, erwiderte sie, konnte aber ein Seufzen nicht unterdrücken, als sie sich räkelte und die Augen wieder aufschlug.

»Soll dieser Seufzer bedeuten, dass du Sehnsucht nach mir hattest?« Der Stapel von Lederbündeln und in Tücher gewickelten Waffen neben ihr erzitterte, als sich Eremon darauf niederließ. »Hast du dich gar in den Tiefen deines nassen Reiches nach mir verzehrt?«

Rhiann blinzelte mit zusammengekniffenen Augen zu ihm empor, konnte aber in dem gleißenden Licht nur ein breites Grinsen in einem sonnengebräunten Gesicht erkennen. »Verspotte mich nur weiter, mein geliebter Gemahl, dann wirst du dich schneller in meinem nassen Reich wiederfinden, als du glaubst, das verspreche ich dir.« Doch dabei kroch ihre Hand vor und schloss sich um seinen warmen Knöchel, als wolle sie sich vergewissern, dass er wirklich lachend und lebendig neben ihr saß.

»Schon gut, schon gut.« Eremon grinste und schlang die Arme um die Knie. Das Sonnenlicht fing sich in seinen grünen Augen, sein gebräuntes, kantiges Gesicht wurde von dunklen Zöpfen umrahmt. Er hatte seine Hosenbeine hochgerollt und die Ärmel seiner leinenen Tunika abgeschnitten, und schon nach wenigen Tagen in der Sonne glänzte seine Haut so dunkel wie geöltes Eichenholz. »Außerdem verursachen mir so poetische Worte Kopfschmerzen, und ich habe mich gerade erst von all den Festen auf der Heiligen Insel erholt.«

Rhiann stützte das Kinn auf Eremons Knie und spielte mit einem seiner wie Otterfell schimmernden Zöpfe. »Ich muss mich über die Häuptlinge der Inseln doch sehr wundern ...« Sie zog spöttisch eine Augenbraue hoch. »Erst nehmen sie so viele Mühen auf sich, um dich zu ihrem Kriegsherrn zu ernennen, und dann versuchen sie, dich mit Ale zu vergiften.«

»Als Hirschkönig muss ich mich allen Aufgaben gewachsen zeigen, die man mir auferlegt ... auch dem Leeren der Alehumpen, wie es aussieht.«

»Dein Training mit Conaire dürfte dir da sehr zugute kommen.«

Ein lauter Schrei ließ sie herumfahren. Im Heck des Bootes waren ihre Gefährten in ein von wilden Gesten begleitetes Gespräch verstrickt. Der hitzköpfige Fergus erdreistete sich, den ihn um Haupteslänge überragenden Conaire zu provozieren, indem er das Ende von dessen Ruderstange packte und herumdrehte, sodass sich ein salziger Regen über sie alle ergoss. Mit einem schrillen Schrei sprang Caitlin auf, um ihrerseits Fergus mit Wasser zu bespritzen. Conaire verschränkte seine muskulösen, von der Sonne verbrannten Arme vor der Brust und prustete vor Lachen, Colum strich mit gottergebener Miene sein feuchtes graues Haar aus der Stirn, aber dabei spielten Lachfältchen um seine Augen.

Nachdem sich Eremon davon überzeugt hatte, dass seine Freunde anderweitig beschäftigt waren, ließ er sich an dem Stapel von Lederbündeln heruntergleiten, bis er Rhiann gegenüber im Bug saß und seine breiten Schultern den anderen den Blick auf sie beide versperrten.

Eremons klare Züge wirkten immer noch so hart wie damals vor zwei Jahren, als Rhiann ihm zum ersten Mal begegnet war. Die leicht schräg gestellten Augen blickten so scharf und wachsam wie eh und je, aber die Anspannung, unter der er früher ständig gestanden hatte, war aus seinem Gesicht verschwunden. Er schenkte seiner Frau ein Lächeln; jenes strahlende, von Herzen kommende Lächeln, das Rhiann bislang so selten an ihm gesehen hatte, denn vor den Tagen auf der Heiligen Insel war es stets mit Bitterkeit vermischt gewesen.

Mit der vollen Kraft dieses Lächelns bedacht zu werden war immer noch eine neue Erfahrung für Rhiann, und sie registrierte verwirrt, dass sich ihr Pulsschlag beschleunigte.

»Rhiann.« Eremon legte einen Arm um sie und spielte mit einer Locke, die in ihrem Nacken tanzte, dann beschrieb er mit dem Daumen kleine Kreise auf ihrer Haut.

Ein wenig zaghaft erwiderte Rhiann sein Lächeln. Jedes Mal, wenn in der letzten Zeit jener Ausdruck ungläubiger Verwunderung auf Eremons Gesicht trat – ein Ausdruck, der besagte, dass es ihm immer noch wie ein Wunder erschien, sie tatsächlich berühren zu dürfen –, setzte ein merkwürdiges Ziehen in ihrer Magengrube ein. Nein ... etwas tiefer. Dann war ihr, als schöbe sich eine warme Hand zwischen ihre Schenkel. Und natürlich wurde dieses wohlige Gefühl sofort von eisiger Furcht abgelöst.

Seit dem Überfall war jeder Anflug von Verlangen, den sie verspürte, mit Furcht durchsetzt. Jedes Mal, wenn eine Männerhand über ihre Haut strich, durchlebte sie noch einmal jenen Moment, wo die grobschlächtigen Räuber, an deren Händen noch das Blut ihrer Familie klebte, sie zu Boden gestoßen und sie mit Gewalt genommen hatten.

Sie hatte die Vergewaltigung überlebt, aber danach hatte sich eine tiefe Dunkelheit über ihre Seele gelegt.

Im Steinkreis auf der Heiligen Insel, wo sie und Eremon das erste Mal beieinander gelegen hatten, hatte sie vor dem Ritual saor, den heiligen Kräutertrank, getrunken, der ihre Sinne benebelt hatte. Dann war die Macht der Göttin über sie gekommen, und so hatte sie sich Eremon freudig und aus freien Stücken hingeben können. Aber was würde geschehen, wenn sie beide allein in ihrem Ehebett lagen? Was, wenn die alten Erinnerungen sie erneut heimsuchten? Was, wenn sie unwillkürlich vor ihm zurückschrak, obwohl sie ihn liebte ... und er sich dann von ihr abwandte?

Nein. Rhiann zwang sich, ihre sich überschlagenden Gedanken zu zügeln. Von nun an würde alles anders sein. Die Göttin hatte ihr vergeben. Im Steinkreis hatte sich Rhianns Geist mit der Großen Mutter vereinigt, und das Gefäß ihres Körpers war mit Licht gefüllt worden. Und nun war sie eins mit Eremon.

Eins. Um all ihre Bedenken und Ängste endgültig zu zerstreuen, streckte Rhiann eine Hand aus, um seine warme Haut zu berühren; zog mit dem Finger die ausgeprägte Linie eines Wangenknochens nach und fuhr dann sacht über seine Lippen. Sie waren voller als die der anderen Männer aus Erin, weil in Eremons Adern auch britisches Blut floss. Seine dunkle Haut, die schlanke, muskulöse Gestalt und die seegrünen Augen waren gleichfalls ein Erbteil seiner walisischen Mutter.

Eremon wandte den Kopf, um ihre Handfläche zu küssen, dann hielt er ein Ende ihres Zopfes in die Höhe, sodass er im Sonnenlicht wie flüssiges Feuer schimmerte. Ein schelmisches Grinsen spielte um seine Mundwinkel. »Weißt du, dass dein Haar die Farbe von dunklem Bernstein hat, Rhiann? Einen so ungewöhnlichen Farbton habe ich noch nie gesehen.«

Dankbar für die Ablenkung lachte Rhiann leise auf. »Ja, mein Gemahl – und meine Augen gleichen Veilchen im Wald ... ich fürchte, das haben die Barden schon vor dir erkannt.«

Eremon war jedoch nicht gewillt, sich ablenken zu lassen. Er vergrub das Gesicht an ihrem Hals und sog den Duft der Honigseife ein, die sie benutzte. »Du solltest immer Bernsteinschmuck tragen ... eine Haarspange vielleicht oder besser noch eine Halskette ...«

Rhiann schloss die Augen, als seine Finger die kleine Grube unterhalb ihres Ohres liebkosten. »Dann wirst du gen Norden segeln müssen, mein Prinz«, flüsterte sie. »Hierzulande sind diese Steine sehr selten. Sogar den Bernstein für die königlichen Juwelen hat mein Stamm von fremden Kaufleuten erworben.«

»Ich sprach nicht von den königlichen Juwelen«, erwiderte Eremon mit gedämpfter Stimme. »Du sollst eine eigene Bernsteinkette bekommen. Ich möchte sie an deinem Hals schimmern sehen.« Er hielt inne. »Das wird mein Hochzeitsgeschenk für dich sein.«

Rhiann schlug die Augen wieder auf. »Hochzeitsgeschenk?«

Eremons Zähne blitzten auf, als er ihre Finger küsste. »Für eine Priesterin hast du ein ziemlich schlechtes Gedächtnis, Weib«, neckte er sie. »Wir sind noch nicht gemäß des höchsten Grades vermählt worden, sondern haben nur ein Eheversprechen abgelegt, erinnerst du dich? Nach einem Jahr und einem Tag musst du dich entscheiden, ob das Verlöbnis bindend werden soll ... oder nicht.«

Rhiann sah ihn verwirrt an, dann stieg ihr das Blut in die Wangen. »O Göttin! Über all dem, was in der letzten Zeit geschehen ist, habe ich das völlig vergessen!«

»Ich werde mich bemühen, das nicht als persönliche Beleidigung aufzufassen.«

Rhiann schüttelte lachend den Kopf. »Eremon, meinst du das ernst?«

»Allerdings.« Er grinste, dann zogen sich seine Brauen zusammen. »Aber willst du mich überhaupt noch zum Mann? Jetzt, wo du weißt, dass ich nicht mehr über mein Volk herrsche, sondern nur noch über eine kleine Schar treu ergebener Krieger?« Er nickte zum Bootsheck hinüber. »Ich habe keine Heimat mehr, besitze kaum Vermögen ...«

»Eremon!« Rhiann versetzte ihm einen ungehaltenen, nicht allzu sanften Rippenstoß. Er fing ihre Hand ab und presste sie gegen den Halssaum seiner Tunika. Als Rhiann den Schlag seines Herzens unter ihren Fingern spürte, senkte sie den Blick. Ihre Wangen brannten. »Meine Heimat ist auch die deine. Du bist zwar als Prinz von Erin geboren worden, aber jetzt gehörst du auch zu meinem Volk. Vergiss das nie.«

Sie hob den Kopf und sah, dass er blicklos auf ihre ineinander verschränkten Finger starrte. Der alte Schmerz verzerrte wieder seine Züge. Ein paar Tage voller Zärtlichkeit konnten diesen Gram nicht auslöschen, das wusste Rhiann. Ihr eigenes Leben hatte sich dagegen von Grund auf verändert und beschrieb nun immer neue Biegungen und Wendungen wie ein Fluss, der seinen Lauf ändert.

»Du hast Recht, a stór«, murmelte Eremon. »Und genau deshalb fürchte ich, dass unsere Hochzeitsfeier etwas überstürzt stattfinden muss.« Eine Möwe glitt kreischend über den Mast hinweg. Eremon folgte ihr mit den Blicken. »Die Sonnenzeit rückt näher, und ich bin mir ziemlich sicher, dass Agricola während unseres Aufenthaltes auf der Heiligen Insel nicht untätig geblieben ist.«

Für Rhiann verdunkelte sich plötzlich der Tag, als habe sich eine Wolke vor die Sonne geschoben. Unwillkürlich wanderte ihr Blick gen Süden, in Richtung des Strudels in der Ferne. Nun war es so weit, nun hatte er zum ersten Mal auf das angespielt, was sie daheim erwartete. In stummer Übereinkunft hatten sie beide versucht, sich den stillen Frieden jener Tage auf der Insel so lange wie möglich zu bewahren, da sie beide nur zu gut wussten, dass es ihnen nicht gestattet war, sich wie andere Paare einzig und allein ihren neu entdeckten Gefühlen hinzugeben. Die Last der Bürde, die sie vorübergehend abgeworfen hatte, begann wieder schwer auf Rhianns Schultern zu drücken. Sie presste eine Hand gegen ihr wild hämmerndes Herz. »Was können wir gegen ihn unternehmen?«

Eremon starrte über das Wasser in Richtung Osten, wo das Festland hinter den Inseln verborgen lag, als schätze er ab, wie viele Meilen das Gebiet der Epidier von den römisch besetzten Landesteilen trennten. »Dank des neuen Bündnisses mit den Caereniern und Carnonacaern sowie der Unterstützung, die uns Calgacus zugesagt hat, bilden wir jetzt eine Armee, mit der Agricola rechnen muss. Ich denke, es ist an der Zeit, diesen Umstand auszunutzen und die Römer anzugreifen, ehe sie uns zuvorkommen. Noch haben wir die Chance, sie zu überrumpeln.« Sein Blick kehrte zu ihrem Gesicht zurück und blieb voll tiefen Bedauerns darauf haften. »Also werde ich meine Frau bald wieder verlassen und in die Schlacht ziehen müssen.«

Rhiann löste eine Hand aus seinem Griff und schloss sie um sein Kinn. »Wir wussten von vornherein, dass wir oft voneinander getrennt sein würden, cariad. Und wenn ich ein ruhiges, beschauliches Leben hätte führen wollen, dann hätte ich einen Kuhhirten geheiratet.«

Eremon schnaubte. Um seine Mundwinkel zuckte es. »Vielleicht bereut es der Ältestenrat inzwischen schon, dass er dich ausgerechnet mir zur Frau gegeben hat. Unsere Verbindung hat ihnen zwar einen Kriegsherrn beschert, aber kein Gold und Vieh als Brautpreis für ihre Prinzessin.« Plötzlich kam ihm ein unwillkommener Gedanke, und er runzelte die Stirn. »Hältst du es für möglich, dass sie sich weigern könnten, das Ehegelöbnis für bindend zu erklären?«

»Eremon!« Rhiann richtete sich auf und schlang ihren blauen Priesterinnenumhang enger um sich. »Du kehrst mit weiteren wertvollen Verbündeten nach Dunadd zurück, und du hast unsere Krieger so gut ausgebildet, dass sie bereits einen großen Sieg über die roten Invasoren errungen haben! Wie kannst du immer noch an der Stärke deiner Position zweifeln?«

Eremon nagte an seiner Unterlippe, wie er es oft tat, wenn er nachdachte. »Weil ich sowohl Feinde von außerhalb als auch aus den eigenen Reihen zu fürchten habe«, erwiderte er schließlich.

Das Boot hatte sich einer weiteren Ansammlung kleiner Felseninseln genähert, zwischen denen das Wasser schäumend hindurchströmte, und begann auf den Wellen zu tanzen. Rhiann hielt sich am Rand der Bordwand fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. »Spielst du auf Maelchon an?«, flüsterte sie, ohne die Augen von der sich kräuselnden Bugwelle abzuwenden. Sie hegten beide den Verdacht, dass der finstere König der Orkney-Inseln hinter dem heimtückischen Anschlag steckte, bei dem sie beinahe ums Leben gekommen waren, aber sie kannten seine genauen Motive nicht.

Eremon presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. »Maelchon hat Calgacus’ Festung vor uns verlassen, also kann er nicht der Einzige sein, der an der Versenkung unseres Bootes beteiligt war. Woher sollte er wissen, dass wir den Seeweg wählen oder wann wir lossegeln ...« Plötzlich brach er ab, und seine Züge erstarrten zu einer steinernen Maske.

Rhiann hatte die Erinnerung an den Untergang des Schiffes verdrängt, so gut es ihr möglich war, doch Eremons Worte jagten ihr einen kalten Schauer über den Rücken. Wieder sah sie sich hilflos im Meer treiben ... spürte, wie ihr das eisige Wasser in Mund und Nase drang ...

Eremon bemerkte ihr Erschauern, legte einen Arm um sie und drückte ihr Gesicht gegen seine Brust. Seine Tunika war steif von Salz und roch nach Männerschweiß, was Rhiann als seltsam tröstlich empfand. »Es tut mir Leid, dass ich davon gesprochen habe«, flüsterte er. »Aber glaub mir, ich werde herausfinden, wer dafür verantwortlich ist, a stór.«

Rhiann widerstand dem Drang, die Augen zu schließen und sich gegen ihn zu lehnen, um Kraft aus seiner Stärke zu schöpfen. »Du sprachst von Feinden aus den eigenen Reihen. Damit hast du doch die Epidier gemeint, nicht wahr? Mein eigenes Volk ...«

Eremons Hand ruhte still auf ihrem Haar. »Nur die Krieger der Epidier wussten, dass wir Calgacus’ Festung auf dem Seeweg verlassen wollten. Niemand sonst.«

Rhiann öffnete den Mund, um zu protestieren, wurde aber durch einen überraschten Ausruf des Kapitäns abgelenkt; eines schwarzhaarigen Mannes von den Inseln mit wachen, scharfen Augen.

»Herr! Seht doch!«, rief er Eremon zu. Als Rhiann erschrocken den Kopf hob, sah sie, dass er auf die Küste zeigte. Mit dem anderen Arm umklammerte er den Mast so fest, dass sich die Sehnen unter seiner wettergegerbten Haut spannten.

Eremon sprang so abrupt auf, dass Rhiann auf Händen und Knien landete und sich mühsam hochrappeln musste.

»Prinz!«, brüllte der Kapitän erneut. »Rauch! Über Dunadd liegt Rauch!«

Kapitel 2

Von den mit der Kraft der Verzweiflung rudernden Männern angetrieben, glitt das Boot wie ein abgeschossener Pfeil zwischen den Felseninseln hindurch.

Doch als sie die große Landzunge umrundeten, die die Bucht vor dem Meer schützte, sah Rhiann, dass die Rauchwolken nicht von Dunadd aufstiegen, sondern von den Signalfeuern herrührten, die sich nördlich und südlich der Bucht an den Hügeln entlangzogen.

»Sie sind fast heruntergebrannt«, raunte Eremon Rhiann zu, legte eine Hand über die Augen und musterte die mit Farn und von Schafen verstümmelten Grasnarben bedeckten Hügelketten. An den Hängen wuchsen Haselhölzer und Eichen, deren Blätter gerade zu grünen begannen. Brandherde konnte er nirgendwo erkennen, nur die Rauchschwaden, die über den erloschenen Scheiterhaufen hingen.

Rhianns Kehle war wie zugeschnürt. Mühsam nach Atem ringend, sah sie zu Eremon hinüber, wagte jedoch nicht, ihm Fragen zu stellen, denn seine Augen glitzerten kalt wie Stahl, und die Lippen glichen einem harten Strich. Der Mann, der sie gerade eben noch so liebevoll im Arm gehalten hatte, war verschwunden.

Conaire, Eremons Ziehbruder, hatte sein Ruder eingezogen und sich zu Eremon in den Bug gesellt. Die geschmeidige Anmut, mit der er über die Ruderbänke hinweggesetzt war, strafte seine massige Gestalt Lügen. »Hältst du es für sicher, an Land zu gehen, Bruder?« Conaire wischte sich mit einer riesigen Hand den Schweiß von der Stirn. Der Bronzering, der seinen muskulösen Oberarm umspannte, blitzte im Sonnenlicht hell auf.

Eremon gab keine Antwort. Wachsam wie ein Witterung aufnehmender Hund betrachtete er das Ufer. Vor ihnen erstreckten sich die Bucht und das ausgedehnte Marschland, das die Mündung des Flusses Add umgab. Seitenarme des Flusses wanden sich schlangengleich durch den Schlick. Dahinter lagen im Osten die blauen Hügel, die die Ebene säumten, auf der sich Dunadd erhob. Der Hafen Criànan bestand lediglich aus ein paar Landestegen und runden Hütten, die am Fuß eines Felsens klebten. Auch über dem Dorf hing eine Rauchwolke, die Hütten selbst schienen aber unversehrt.

Gegenüber von Criànan ragte auf einer Landzunge, die sich wie ein schützender Arm um die Bucht wand, das schwarze Gerippe einer verlassenen Festung gen Himmel. Die Römer hatten das Bauwerk vor etwas weniger als einem Jahr niedergebrannt, und es war die Erinnerung an diesen Überfall, die sie alle in Angst und Schrecken versetzt hatte. Als sie damals von einer Reise zurückgekehrt waren, hatten sie Rauch in der Luft hängen sehen und überall in den Trümmern verstreut liegende Leichen vorgefunden. Rhiann schluckte hart, wischte sich die schweißfeuchten Hände an ihrem Rock ab und bemühte sich, ruhig und gleichmäßig durchzuatmen.

Caitlin, Conaires Frau, sprang über die Ruderbänke. In ihrer Hast, zu Rhiann zu gelangen, stolperte sie, und Rhiann packte ihren dünnen Arm, um sie zu stützen.

»W... was hat das zu bedeuten?«, stieß Caitlin hervor. Ihre zarte Hand umklammerte Rhianns Finger. Rhiann blickte in das kleine, herzförmige, von hellem Haar umrahmte Gesicht. Der Wind hatte ein paar blonde Strähnen aus Caitlins Zöpfen gelöst, die sich jetzt in der feuchten Luft kringelten. Caitlin wirkte blass und verhärmt. Sie hatte während der gesamten Reise unter Übelkeit gelitten, obwohl die See ruhig gewesen war. Ihre Schwangerschaft machte ihr zu schaffen.

Rhiann rang sich ein Lächeln ab und streichelte Caitlins kalte Finger, obwohl sie selbst eine Welle der Panik niederkämpfen musste. »Sicher gibt es eine ganz harmlose Erklärung dafür«, murmelte sie. Just in diesem Moment wurde das Boot von der Rückströmung von der Landzunge erfasst und begann heftig zu schwanken. Rhiann klammerte sich am Mast fest, ohne Caitlin loszulassen.

»Ich kann keinerlei Anzeichen für einen Kampf entdecken«, verkündete Eremon endlich. »Die Fischerboote liegen alle am Strand, keines scheint beschädigt worden zu sein. Aber woher kommt dann der Rauch?«

Rhiann löste Caitlins Finger von ihrem Arm und geleitete sie zu Conaire hinüber, dann trat sie an Eremons Seite. »Möge die Göttin uns gnädig sein! Wie mag es in Dunadd aussehen?« Die Festung der Epidier thronte auf einem Felsen, der sich in der Mitte der Marschen erhob, und konnte vom Wasser aus nicht gesehen werden.

Eremon nagte finster an seiner Lippe, dann blickte er zu dem ihn um einen Kopf überragenden Conaire auf. »Uns bleibt keine andere Wahl, als an Land zu gehen und festzustellen, was hier vorgefallen ist. Es gefällt mir nicht, dass sich keine Menschenseele blicken lässt, obwohl ein kleiner Trupp wie wir unmöglich in feindlicher Absicht gekommen sein kann.«

Conaire nickte zustimmend und legte einen Arm um seine Frau. Sein goldenes Haar flammte im Sonnenlicht wie ein Leuchtfeuer auf. »Im Augenblick können wir nur Vermutungen anstellen, Bruder. Wenn wirklich ein Überfall stattgefunden hat ... wir sollten auf der Hut sein, falls die Festung von Wachposten umstellt ist.«

Rhianns Übelkeit verstärkte sich. Sie versuchte, die Benommenheit abzuschütteln, die sie erfasst hatte. Trotz des schönen Wetters war die Zeit der Blattknospe noch jung, das erste Gras der Marschen schimmerte zwar schon zartgrün, aber die Kappen der Berge waren noch mit Schnee bestäubt. Wie konnten die Römer so früh im Jahr schon so weit gen Norden vorgedrungen sein? Wie hatten sie die Epidier erneut überrumpeln können?

Sobald sich das Boot knirschend in den Schlamm neben dem ersten Landesteg bohrte, sprangen die Krieger in das seichte Wasser und stapften mit gezogenen Schwertern auf den Strand zu. Auf dem Felsvorsprung über ihnen lag die Ansammlung strohgedeckter Rundhäuser still und verlassen da. Die Holzboote der Edelleute mit ihren kunstvoll geschnitzten Bugfiguren dümpelten friedlich an ihren Halteseilen; die kleinen curraghs aus Tierhaut waren auf den Strand hochgezogen worden, daneben reihten sich ein paar Kanus. Alles wirkte wie immer, nur dass heute am Kai nicht das übliche geschäftige Treiben herrschte. Noch nicht einmal Kindergeschrei war zu hören. Nur ein vor dem ersten Haus angebundener Hund brach beim Anblick der Männer in wütendes Gekläff aus.

Auf Eremons Anweisung waren Rhiann und Caitlin mit den Seeleuten von der Heiligen Insel im Boot zurückgeblieben. Auf ein Zeichen von ihm sollten sie schleunigst ablegen und sich in Sicherheit bringen. Aber die Krieger waren kaum zwischen den Felsen verschwunden, als Rhiann eine blasse Silhouette im Schatten der Häuser bemerkte. Ihr Herz machte einen Satz, denn sie erkannte die Umrisse ihrer Stute Liath. Sie wurde von einem kurzbeinigen, korpulenten Mann am Zügel geführt, der hastig auf den Strand zustolperte.

Rhiann raffte ihren langen Rock mit beiden Händen, schwang sich über die Bordwand und sprang in das seichte Wasser, ohne darauf zu achten, dass ihre Lederstiefel vollkommen durchnässt wurden. »Didius!«, rief sie, während sie auf die rundliche Gestalt zueilte, so schnell sie konnte.

Auf halber Strecke machten sie beide Halt. Didius glitt im feuchten Sand aus und riss so hart an Liath’ Zügeln, dass die Stute unwillig schnaubte. Rhianns freudiges Lächeln erstarb, als sie Didius eingehender musterte. Seine Hängebacken unter dem struppigen schwarzen Bart bebten, seine Nase war rot angelaufen und verschwollen, und er schniefte wie ein kleines Kind. »Didius, was hast du denn?«

Plötzlich schüttelte Liath ihren hellgrauen Kopf, entriss Didius die Zügel und trottete auf ihre Herrin zu. Didius, der nun nichts mehr hatte, woran er sich festhalten konnte, schlug eine Hand vor den Mund, um ein Schluchzen zu unterdrücken. Seine dunklen Römeraugen schwammen in Tränen. »Es tut mir Leid, Lady«, stieß er endlich hervor. Er sprach die melodische Sprache Albas mit dem schweren Akzent seiner lateinischen Muttersprache.

Während Rhiann der Stute beruhigend über die Nüstern strich, schneuzte sich Didius in den Ärmel seiner Tunika. Seine römischen Kleider hatte er schon längst abgelegt, genau wie er aufgehört hatte, sein Haar zu stutzen und sich zu rasieren. Man hätte ihn für einen Epidier halten können – wenn auch aufgrund seiner Körperfülle kaum für einen Krieger –, hätten nicht seine dunkle Haut und die ovalen Augen seine römische Herkunft verraten.

»Didius, was ist denn passiert? Warum liegt Criànan wie ausgestorben da?«

In diesem Moment tauchte Eremon hinter Didius auf und schob sein Schwert in die Scheide zurück. Der Römer fuhr herum. Beim Anblick des Prinzen flackerte wieder die alte Furcht in seinen Augen auf, doch er bezwang sich und griff zaghaft nach Rhianns Hand. »Lady, wir dachten, Ihr wärt ertrunken! Wir glaubten, das Meer hätte Euch verschlungen!«

Rhiann sog scharf den Atem ein.

»Ihr hieltet uns für tot?«, mischte sich Eremon ein. »Wie seid ihr denn auf diese Idee gekommen?«

»Der ... der oberste Druide hat es gesagt. Gelert.«

Eremons und Rhianns Blicke kreuzten sich. Beide stellten sich dieselbe Frage. Woher wusste der Druide, dass das Boot untergegangen ist?

»Didius.« Rhiann zwang sich zur Ruhe. »Erzähl uns, was geschehen ist.«

Didius’ Adamsapfel zuckte, als er stammelnd zu berichten begann. Der oberste Druide habe sich nach seiner Rückkehr von Calgacus’ Festung in die Abgeschiedenheit zurückgezogen, sagte er. Als er wieder zum Vorschein gekommen sei, habe er verkündet, eine Vision der Götter empfangen zu haben – Rhiann, die Ban Cré ihres Stammes und Mutter des Landes, sei zusammen mit ihrem Gemahl, dem Kriegsherrn Eremon, nach einem Schiffbruch im Meer ertrunken.

Nachdem Didius völlig außer Atem geendet hatte, schloss Rhiann einen Moment lang die Augen. Sie konnte sich nur zu gut vorstellen, was diese Nachricht für ihn, einen römischen Gefangenen, bedeutet hatte, denn Rhiann war seine einzige Beschützerin in diesem feindlichen Land gewesen. Tröstend drückte sie Didius’ schwielige Hand. »Sprich weiter.«

»Das war vor drei Tagen. Seitdem herrscht Trauer. Die Leute haben auf einem großen Scheiterhaufen unten am Wasser Opfergaben verbrannt – dort drüben, seht Ihr? – und alle Leuchtfeuer auf den Klippen entzündet. Viele von ihnen sind nach Dunadd gekommen, und seitdem hallt ohne Unterlass das Wehklagen der Frauen durch die Festung. Der Ältestenrat tagt im Haus des Königs; sie bereiten die Totenfeier vor. Nur um mich kümmert sich niemand, ich könnte genausogut Luft für sie sein!«

Eine eisige Hand griff nach Rhianns Herzen, als ihr einfiel, dass es noch jemanden gab, den die Lüge des Druiden in tiefstes Leid gestürzt haben musste. Sie gab Didius’ Hand frei und rieb über die Gänsehaut auf ihren Armen. »Was ist mit meiner Tante, Lady Linnet? Ist sie auch hergekommen?«

Didius schüttelte den Kopf. Sein Doppelkinn bebte. »Nein, Lady, ich habe sie nicht gesehen.«

»Große Göttin!« Rhiann wirbelte zu Eremon herum. »Ich muss sofort zu ihr, sie muss vor Kummer außer sich sein.«

Eremon legte ihr eine Hand auf den Arm. »Später, a stór.« Dann wandte er sich mit strenger Miene an Didius. »Wenn du die Wahrheit sprichst, Sohn Roms, dann erkläre mir bitte, was du hier am Strand zu suchen hast – ganz allein, und noch dazu mit dem Pferd meiner Frau!«

Einen Moment lang kam der tief in Didius verborgene eiserne Kern zum Vorschein, was sich bei ihm in einem grimmigen Zusammenpressen der Lippen äußerte, dann trat ein verlegener Ausdruck auf das Gesicht des Römers. »Ich wollte nicht fliehen – wohin sollte ich schon gehen? Nein, ich ... ich konnte es einfach nicht glauben.« Er warf Rhiann einen flehenden Blick zu. »Ich wusste, dass Ihr eines Tages zurückkommen würdet, deshalb habe ich mit Liath hier am Strand gewacht, seit der Druide Euren angeblichen Tod verkündet hat. Tag und Nacht habe ich nichts anderes getan, als nach Eurem Boot Ausschau zu halten.«

Rhiann schlug beide Hände vor den Mund und nickte langsam. »Damit hast du deine Loyalität und dein Gespür für die Wahrheit eindrucksvoll unter Beweis gestellt, denn wie du siehst, sind wir tatsächlich alle am Leben und bei guter Gesundheit.«

Über ihnen tauchten ein paar bleiche Gesichter in den Türrahmen auf, und überraschtes Getuschel setzte ein.

»Rhiann, wir können uns nicht länger aufhalten«, mahnte Eremon, dabei winkte er Colum und Fergus zu sich.

Rhiann holte tief Luft und blickte dann über ihre Schulter hinweg zu dem Boot hinüber. Conaire half Caitlin gerade beim Aussteigen, Colum und Fergus schoben ihre Schwerter in die Scheiden zurück und begannen ihre Habseligkeiten an den Strand zu werfen.

Rhiann wandte sich ab, nahm Liath’ Zügel, führte die Stute zu Caitlin hinüber und erklärte ihr und Eremons Gefährten rasch, was passiert war. »Wir müssen so schnell wie möglich nach Dunadd, um dieses ... Missverständnis zu klären«, schloss sie. »Und deshalb möchte ich, dass du Liath reitest, cariad«, wandte sie sich an Caitlin.

Caitlin schluckte hart, dann schüttelte sie den Kopf. »O nein, Rhiann, das kann ich nicht tun. Du bist die Ban Cré, nicht ich. Es ziemt sich für eine Hohepriesterin nicht, sich wie eine Bettlerin durch das Tor zu schleichen.« Sie straffte sich, um größer zu wirken, und warf ihr helles Haar zurück, doch da sie Rhiann nur bis zur Schulter reichte, wirkte die Geste eher trotzig. »Ich werde zu Fuß gehen.«

Conaire musterte seine Frau besorgt. Seine Augen umwölkten sich, und er beugte sich zu ihr hinab. »Bitte, Liebes, tu, was Rhiann sagt, und reite. Dir ging es auf dem Boot so schlecht ...«

Er und Rhiann wechselten einen Blick, als Caitlin den Kopf hob und die Unterlippe vorschob. Da Rhiann erkannte, dass sie mit gutem Zureden nicht weiterkam, dämpfte sie ihre Stimme und setzte ihre wirksamste Waffe ein. »Tu es deinem Kind zuliebe, Caitlin. Als deine Heilerin muss ich darauf bestehen, dass du dich während der ersten Schwangerschaftsmonate besonders schonst.«

»Ich...« Plötzlich schlug Caitlin eine Hand vor den Mund und begann heftig zu würgen. Ein feiner Schweißfilm bildete sich auf ihrer Stirn. Rhiann strich ihr sacht über den Nacken.

Als der Anfall vorüber war, ließ Caitlin die Hand sinken und atmete tief durch. »Wahrscheinlich hast du Recht«, gab sie schließlich nach und ließ sich, mit einer für sie ungewöhnlichen Fügsamkeit, von Conaire auf den Rücken der Stute heben. Die Bootsmannschaft erbot sich, sie zu begleiten, doch Eremon lehnte ihr Angebot dankend ab und wies die Männer an, sich von den Fischern im Hafen etwas zu essen geben zu lassen und dann die Heimreise anzutreten.

Da es keine Zeit zu verlieren galt, konnten sie nur ein paar flüchtige Worte an die Menschen richten, die aus ihren Häusern kamen, um ehrfurchtsvoll Rhianns Hände und Caitlins Beine zu berühren. Kurz und knapp beantworteten sie die Fragen, die von allen Seiten auf sie niederprasselten, dann verließen sie das Dorf und schlugen den Handelspfad ein, der am Fluss entlang durch die Marschen nach Dunadd führte.

Die ausgelassene Stimmung, die während der Seereise geherrscht hatte, war bedrücktem Schweigen gewichen. Colums Gesicht wirkte noch grimmiger als sonst, die blauen Augen unter dem schütteren Schopf grauen Haares funkelten kalt. Fergus behielt die Schatten unter den Bäumen am Fluss und die Teiche und Schilffelder des Marschlandes auf der anderen Seite des Pfades wachsam im Auge. Didius stolperte auf seinen kurzen Beinen schnaufend und mit gesenktem Kopf hinter ihnen her. Seine schwarzen Augen wanderten immer wieder zu Rhiann, als müsse er sich vergewissern, dass sie wirklich lebendig und unversehrt vor ihm herlief.

Als Dunadd hinter den mit Erlen und Weiden bewachsenen Ufern in Sicht kam, erkannte Rhiann, dass sie sich innerlich schon gegen erste Anzeichen von Verwüstung und Tod gewappnet hatte. Aber ihre Sorge schien unbegründet zu sein; aus der Ferne wirkte alles wie immer.

Der einzelne steile Felsen ragte noch immer stolz aus dem roten Marschland empor, die Eichenholzpalisade, die entlang seines Fußes verlief und das Dorf vor Übergriffen schützen sollte, wies keine Breschen oder Brandspuren auf. Die Strohdächer der auf dem Gipfel des Felsens gelegenen Häuser der Edelleute leuchteten in der Sonne wie reife Gerste. Und das königliche Banner mit der weißen Stute auf karmesinrotem Grund – das Emblem von Rhianns Stamm – wehte auf dem Spitzdach des Gemachs des Königs sacht im Wind.

Noch etwas schien unverändert. Die dachlosen Eichenholzpfeiler des Druidentempels neben dem Haus des Königs hoben sich noch dunkel und drohend vom blauen Himmel ab. Dieser Schrein hatte Rhiann schon immer Unbehagen eingeflößt, denn er war das Reich des obersten Druiden – hier musste Gelert ihren Tod verkündet haben.

Aber wie konnte Gelert von dem Unglück erfahren haben?, fragte sich Rhiann nicht zum ersten Mal. Doch dann fiel ihr etwas ein, was sie über den schrecklichen Momenten auf See und allem, was danach geschehen war, fast vergessen hatte: das triumphierende, hasserfüllte Glühen in den Augen des Druiden, als er auf dem grasbewachsenen Hang hinter dem Pier von Calgacus’ Festung gestanden und das Ablegen ihres Bootes verfolgt hatte.

Eremon warf ihr einen Blick zu, zog sie an sich und hob ihre Hand an seine Lippen. Ich weiß, besagte diese Geste. Wir hegen denselben Verdacht.

Selbst in seiner salzverkrusteten Tunika, den fleckigen Hosen und mit seinem mit Bartstoppeln bedeckten Kinn wirkte Eremon noch jeder Zoll wie ein Prinz, und Rhiann versuchte, Trost aus diesem Umstand zu ziehen. Seine schlichte Kleidung betonte seine breiten, muskulösen Schultern, und seine grünen Augen leuchteten in dem sonnenverbrannten Gesicht wie Smaragde. Er war Gelert in jeder Hinsicht ein ebenbürtiger Gegner, an diese Überzeugung musste sie sich klammern.

Und mich sollte der Druide auch nicht unterschätzen, dachte Rhiann in einer Aufwallung von Stolz und schloss die Augen, um in ihrer Seele zu forschen. In dem Steinkreis hatte sie zum ersten Mal seit dem Überfall wieder gespürt, wie die Göttin sie mit dem Licht der Quelle erfüllt hatte – der Lebensader, die durch alle Dinge floss. An diesem heiligen Ort war die Verbindung zwischen ihrem Körper und ihrem Geist wieder hergestellt worden, denn indem sie sich Eremon hingegeben, sich ihm voll und ganz geöffnet hatte, war die silberne Schnur wieder zusammengewachsen, und die beiden so lange voneinander getrennten Teile ihres Selbst waren wieder eins.

Und während sie über dieses Wunder nachsann, durchflutete sie die unbeschreibliche Wonne jener Nacht erneut, sie straffte die Schultern und schlug die Augen langsam wieder auf. Wenn sie aus diesem inneren Licht Kraft schöpfte, dann konnte sie es mit Gelert, Maelchon und sogar mit Agricola aufnehmen. Sie musste fest daran glauben, ihr blieb keine andere Wahl.

Die kleine Gruppe hatte erst die Hälfte des mit Muschelschalen und Kies bestreuten Weges zurückgelegt, der nach Dunadd führte, als von den Wiesen her, wo ein paar Männer flache Gruben aushoben, in denen das Fleisch für die Trauerfeier geschmort werden sollte, laute, erregte Rufe erklangen. Kurz darauf erscholl auf dem Turm, der Dundadds Haupttor bewachte, eine Hornfanfare.

Sie waren entdeckt worden.

Kapitel 3

Ihre Ankunft löste in Dunadd eine heillose Verwirrung aus, die an Rhianns überreizten Nerven zerrte.

Sie hatten kaum das Tor passiert und waren in den sonnendurchfluteten Hof innerhalb der Palisade getreten, als ihnen schon ohrenbetäubendes Stimmengewirr entgegenschlug.

Die meisten Menschen hatten sich in ihren Häusern aufgehalten, um dort still zu trauern; sie hatten mit einem Gemisch aus Ebereschenasche und Hammelfett Spiralmuster auf ihre Haustüren gezeichnet und die farbenfrohen Fahnen, die an ihren Türpfosten flatterten, abgenommen und weggelegt. Doch jetzt lockte sie der Lärm ins Freie, und sie kamen die gewundenen Gassen zwischen den Werkstätten und Kornspeichern heruntergeeilt – Männer mit Fleischermessern in den Händen und Frauen in mehlbestäubten Röcken. Offenbar waren die Vorbereitungen für das Trauerfest schon in vollem Gang.

Kläffende Hunde umtanzten die Ankömmlinge, Mütter zerrten kreischende Kinder hinter sich her. Innerhalb von Sekunden war Rhiann von einer wild durcheinander plappernden Menge umgeben. Conaire hob Caitlin von Liath’ Rücken, und Eremon versuchte, die Flut von Fragen zu beantworten, die sich über ihn ergoss.

Bleiche Gesichter schimmerten im Schatten des Wachturms, andere erstrahlten hell in der Sonne. Die Menschen berührten Rhianns Umhang und ergriffen ihre Hände, um sich zu vergewissern, dass sie tatsächlich am Leben war. Ihre Freude und Erleichterung war eindeutig zu spüren – ein Gefühlsaufruhr, auf den Rhiann nicht vorbereitet gewesen war.

Sie war die Ban Cré ihres Stammes, das heilige Gefäß der Göttin, die Dienerin ihres Volkes. Sie wusste, dass die Epidier sie verehrten, aber sie hatte bislang nicht begriffen oder sich zu glauben gestattet, dass sie von ihrem Stamm auch geliebt wurde. Diese neue Erkenntnis löste ein nie gekanntes Glücksgefühl in ihr aus, und sie bemühte sich, jedem ein Lächeln und ein freundliches Wort zukommen zu lassen.

Caitlin, die vor einem Jahr zu den Epidiern gestoßen war und aufgrund ihres Mutes und ihres Geschicks im Umgang mit Pfeil und Bogen schnell alle Herzen erobert hatte, wurde von der begeisterten Menge beinahe erdrückt. Rhiann wollte ihr gerade zu Hilfe eilen, als sie plötzlich von einem Paar fleischiger Arme umschlungen wurde.

Zuerst konnte sie die heisere Stimme nicht zuordnen, die sie mit einem Wortschwall überschüttete. Erst als die Frau sie auf Armeslänge von sich abhielt, erkannte Rhiann ihre Freundin Aldera, die Frau des Schmieds. Ihr rundes, rosiges Gesicht war tränenüberströmt, ein paar butterfarbene Haarsträhnen klebten an ihren Wangen.

»Rhiann, wir hielten dich für tot! Nur Didius ließ sich nicht davon abbringen, dass du noch am Leben wärst, und er hat Recht behalten – o ihr Götter!« Und mit diesem erstickten Aufschrei wurde Rhianns Gesicht gegen eine weiche Schulter gepresst, die nach Rauch, Windeln und saurer Milch roch.

»Das war ... ein Missverständnis ...«, murmelte Rhiann in die Falten von Alderas Kleid, das ihre Stimme zu einem unverständlichen Murmeln dämpfte.

Dann hielt Aldera sie erneut ein Stück von sich weg, wischte sich die Tränen ab und schnäuzte sich in den Ärmel ihres Kleides. Drei ihrer fünf Kinder zupften an ihrem Rock, das Kleinste begann lauthals zu plärren. Aldera blickte auf ihren ältesten Sohn hinab. »Lauf rasch zum Haus des Königs und sag den Ältesten, dass unser Kriegsherr und unsere Ban Cré sicher zu uns zurückgekehrt sind!«

Der Junge nickte mit großen Augen, rieb sich die Nase und wollte davonrennen, doch da schoss eine Hand vor, bekam das Rückenteil seiner Tunika zu packen und hielt ihn zurück.

»Warte.« Eremon wechselte über den Kopf des Kindes hinweg einen Blick mit Rhiann. »Ich gehe lieber selber, dann ist die Überraschung noch größer.« Er gab den Jungen frei und klopfte ihm von Mann zu Mann auf den Rücken. »Du bleibst hier und passt auf die Frauen auf, mein Freund.«

Dann sah er Conaire an. Wie immer verständigten sich die Brüder ohne Worte. Conaire bedeutete Fergus und Colum, ihm zu folgen, drückte Caitlin einen Kuss auf das Haar und lief dann mit weit ausgreifenden Schritten hinter Eremon her.

Die Menge, die sich am Tor drängte, teilte sich, als die vier Krieger den schlammigen Pfad hinaufeilten, der sich zwischen den Rundhäusern, Kornspeichern und Ställen hindurchwand, dann die steilen Stufen der Felsentreppe hinter dem Dorf erklommen und durch das schwere, geschnitzte Mondtor traten, das den Zugang zu der Felsenfestung bildete.

Hier oben blickten die Häuser der Edelleute stolz über das Dorf hinweg, doch heute lagen sie still und verlassen da. Die bunten, mit Pferden, Hirschen und Wölfen bestickten Banner, die sonst an jedem Firstbalken und Türpfosten wehten, waren zum Zeichen der Trauer eingeholt worden.

Eremon würdigte die vom Lärm angelockten Gesichter, die hier und da in den Türrahmen erschienen, keines Blickes. Er durfte keine Zeit verlieren, denn bei seiner Ankunft in Dunadd war ihm eine Idee gekommen. Wenn er den Ältestenrat durch sein unverhofftes Auftauchen überrumpelte, konnten ihm die Reaktionen der Männer das verraten, was sie vor ihm verborgen hätten, wenn ein Bote ihn angekündigt hätte.

Zum Glück befand sich sein Wolfshund Cù nicht mit den anderen Hunden in den Gemächern des Königs und konnte seinen Plan daher nicht vereiteln. Als Eremon an dem schmalen Fußweg vorbeikam, der zu Rhianns Haus führte, kam ein zottiges graues Fellbündel auf ihn zugeschossen, stemmte zwei riesige Pfoten gegen seine Brust und hätte seinen Herrn beinahe umgeworfen. Eremon versuchte vergeblich, der feuchten Zunge auszuweichen, die über seine Wangen fuhr, und befahl Cù dann scharf, sich hinzulegen. Cù gehorchte sichtlich verwirrt, und Eremon winkte ein paar Jungen zu sich, die vor einem anderen Haus hockten und ihr Würfelspiel unterbrochen hatten, um ihn anzustarren. »Ihr da! Haltet den Hund für mich fest und lasst ihn erst laufen, wenn ich wieder herauskomme!«

Gefolgt von seinen Männern sprang Eremon die letzten Stufen hoch und passierte den Bogen des Pferdetores, hinter dem der Gipfel des Felsens lag. Hier oben gab es nur zwei Gebäude – den Druidentempel mit seinem Ring aus Eichenholzpfeilern und den Hof des Königs, das größte Rundhaus des ganzen Dorfes, dessen spitz zulaufendes Dach am Scheitelpunkt gut sechs Speerlängen maß, sich fast bis zum Boden erstreckte und ein paar kunstvoll geschnitzte Flügeltüren aus massivem Eichenholz umrahmte.

Vor der offenen Tür waren keine Wächter postiert. Eremon schob ein paar Dienstboten zur Seite, stürmte in die Halle und blinzelte, bis sich seine Augen an das raucherfüllte Halbdunkel gewöhnt hatten. Er ignorierte die Speere und Schilde an den Wänden, in denen sich der Feuerschein fing, die bemalten Deckenbalken und die aufzüngelnden Flammen in der riesigen Feuerstelle und konzentrierte sich einzig und allein auf die rund um das Feuer herum aufgestellten Bänke und die Gesichter derer, die dort saßen und ihn voll ungläubiger Bestürzung anstarrten.

Im Gegensatz zu den Männern aus Erin schmückten sich die albanischen Krieger mit Gesichtstätowierungen – dunkelblauen Kreisen, Spiralen und anderen Mustern, die ihnen im flackernden Licht ein gespenstisches Aussehen verliehen.

Eremons Blick blieb auf dem hellsten Fleck im Raum haften, dem Gewand des obersten Druiden Gelert. Und richtig, die dünnen Lippen unter dem ungepflegten grauen Bart öffneten sich in stummem Entsetzen, und in den gelben Augen hinter dem Vorhang strähnigen weißen Haares loderte nackter Hass auf. Entsetzen und Hass – das besagte schon alles.

Doch neben Gelert saß ein Mann, den Eremon in Dunadd nicht zu sehen vermutet hätte: Urben, der Häuptling eines anderen bedeutenden Epidierclans; ein mächtiger Stammesführer, der einst gehofft hatte, nach dem Tod des alten Königs seinen Sohn auf den Thron zu setzen und zum Kriegsherrn ausrufen zu lassen – Hoffnungen, die durch Eremons unvermutete Ankunft in Alba zunichte gemacht worden waren. Mit seiner massigen Gestalt und dem zottigen Schopf ergrauenden Haares glich er dem Bären, den er im Wappen führte. Er wirkte ebenso erschrocken wie Gelert, doch seine abschätzenden grauen Augen spiegelten darüber hinaus noch Zorn und unverhohlene Abneigung wider.

Mit Urbens Sohn Lorn, dem Objekt des Ehrgeizes seines Vaters, verhielt es sich anders. Der makellos gekleidete, junge Epidierkrieger führte gerade seinen Alebecher zum Mund, erstarrte jedoch bei Eremons Anblick mitten in der Bewegung. Aber in den kühlen, silbrigen Augen über dem vergoldeten Hornrand stand nur Überraschung zu lesen, keine andere Gefühlsregung.

Weitere Schlüsse konnte Eremon nicht ziehen, denn jetzt kam Leben in den Rest der Ratsversammlung. Talorc, ein Vetter des verstorbenen Königs, sprang auf und warf ihm seine muskelbepackten Arme um den Hals. Sein buschiger roter Bart stank nach Ale und Wildschweinfleisch. Eremon fiel ein Stein vom Herzen. Talorc hatte sich also nicht gegen ihn gestellt, dazu war seine Freude über seine Rückkehr zu aufrichtig.

Belen, ein weiterer Verwandter des alten Königs, schlug Eremon kräftig auf den Rücken. Seine Furcht einflößenden Tätowierungen verzerrten sich zu einem breiten Grinsen. »Bei den Göttern, mein Junge, dass du wieder da bist!«, krähte er, sich dieses eine Mal über Eremons Rang hinwegsetzend. »Wir sitzen hier und planen deine Trauerfeier, und plötzlich stehst du gesund und munter vor uns!«

Eremon löste sich aus Talorcs Umarmung und ließ den Blick über die restlichen Stammesältesten schweifen, die sich inzwischen jedoch von ihrer Überraschung erholt hatten und ihre wahren Gefühle zumeist sorgfältig verbargen. Die Reaktionen auf seine Rückkehr fielen gemischt aus, wie er vermutet hatte. Einige waren von ihren Bänken aufgesprungen, andere absichtlich sitzen geblieben. Ein paar Männer freuten sich sichtlich, ihn zu sehen, andere, wie Tharan, seit jeher einer der erbittertsten Gegner all seiner Pläne, ließen sich nicht anmerken, was sie empfanden.

Aber das tat jetzt nichts zur Sache. Eremons Interesse hatte nur einer einzigen Person gegolten, und sein Verdacht hatte sich erhärtet. Er wandte sich den Männern aus Erin zu, die er hier zurückgelassen hatte und die sich nun zu ihm durchdrängten. Der alte Finan, Colums Schwertgefährte, schien von seinen Gefühlen so überwältigt zu sein, dass er keinen Ton herausbrachte. Rori, der jüngste der Krieger, starrte Eremon fassungslos an, dann färbten sich seine Wangen genauso flammend rot wie sein Haar. Auch Eremons jungem Barden Aedan hatte es zum ersten Mal in seinem Leben die Sprache verschlagen. Er klammerte sich an seine Harfe wie ein Ertrinkender an eine Holzplanke.

»Beruhigt euch doch«, bat Eremon, den ihre Freude rührte. Conaire, Colum und Fergus scharten sich um ihre Kameraden, klopften ihnen auf die Schulter und wechselten ein paar leise Worte mit ihnen.

Eremon, der den Vorteil der Überraschung nicht einbüßen wollte, holte tief Luft und baute sich vor den Reihen der Edelleute auf, dabei stützte er sich bewusst auf die reich bestickte Scheide des großen Schwertes, das er von seinem Vater geerbt hatte. Das kunstvolle Muster aus Gold- und Bronzefäden schimmerte im Feuerschein. »Ja, ich bin gesund und unversehrt zu euch zurückgekehrt«, verkündete er mit erhobener Stimme, um das Gemurmel im Raum zu übertönen.

Zugleich musste er einen unerwarteten Anflug von Zorn, Furcht und Schmerz niederkämpfen, der ihn zu lähmen drohte. Das Wissen darum, dass ihn einige der Männer in diesem Raum verraten hatten und seinen Tod wünschten, brachte ihm die Erinnerung an seinen Onkel und seine Familie zurück, an den Neid und den Hass in ihren Augen, als sie ihm den Thron seines Vaters entrissen und ihn aus Erin verbannten. Die Wunde, die sie ihm zugefügt hatten, war bis heute nicht verheilt. Da bemühst du dich, stets zum Besten deines Volkes zu handeln, setzt dein Leben aufs Spiel, um es vor Unheil zu bewahren, und dann stellen sich deine eigenen Leute gegen dich ... und wieder war ihm, als bohre sich eine glühende Klinge zwischen seine Rippen.

Er musste all seine Beherrschung aufbieten, um nicht die Fassung zu verlieren. Nicht alle hier hatten ihn verraten; einige hielten nach wie vor treu zu ihm. Das durfte er nicht vergessen.

Allmählich ebbte das Raunen in der Halle ab, und Stille trat ein. Eremon fixierte den obersten Druiden mit einem durchdringenden Blick. »Wie es aussieht, kam die Nachricht von unserem Tod etwas verfrüht. Nun, jeder Mensch kann sich einmal irren.«

Zahlreiche Augenpaare richteten sich auf Gelert, doch der Druide schwieg, er umklammerte lediglich seinen Stab mit dem Eulenkopf so fest, dass die Knöchel unter seiner welken Haut weiß hervortraten.

»Solche Irrtümer kommen in der Tat vor, Prinz«, warf eine andere Stimme hastig ein. Eremon fuhr zu dem Sprecher herum. Es war Gelerts Stellvertreter, der Seher Declan, ein verlässlicher, vernünftiger Mann, dem jede Arglist fremd war. »Die Quelle offenbart sich uns nicht immer klar und eindeutig«, fügte Declan hinzu. Sein Blick wanderte unruhig zwischen Eremon und dem obersten Druiden hin und her.

»Nein«, ergriff Gelert endlich das Wort. Seine Stimme klang dünn und brüchig. »Manchmal deuten wir gewöhnlichen Sterblichen ihre Botschaften auch falsch ...«