Das kleine Buch Weisheit - Patrick van den Heede - E-Book

Das kleine Buch Weisheit E-Book

Patrick van den Heede

4,9

Beschreibung

Das Gedankengut des Menschen drückt sich in einer doppelten Ursprünglichkeit aus. Teilweise wird es als sehr persönlich erfahren - teilweise als konditioniertes Erbe von zeit- und kulturgebundenen Einflüssen, die den Wert des Inhalts festlegen und bestätigen. Moderner ausgedrückt: Es kann als Gemeinschaftssinn beschrieben werden, inspiriert durch ein "Trendsetting" eines scheinbar sich stets erneuernden und suchenden Geistes. Der eigentliche Effekt sieht jedoch eher nach einer multidimensionalen, multikulturellen Aufsplitterung von Meinungen und Tendenzen aus, die auf die eine oder andere Weise zu größeren Unterschieden von Werten und Zielsetzungen führen. Größere Toleranz oder auch größere Intoleranz sind die einzigen zwei Möglichkeiten, um das eigene Gedankengut sicher zu stellen. Philosophen sind oft die einzigen "Ideensammler", die noch in der Lage sind, Ursprung und Vielfalt auf eine "unverbrauchte, originelle" Art miteinander zu verbinden. Dennoch verbirgt sich in jedem Menschen ein/e "Suchende/r" nach Ursprünglichkeit. Aber oft hat der Mensch die Methode vergessen, um seinen verirrten Geist zur Einfachheit zurück zu führen. Der Geist ist wie ein Affe, der von Ast zu Ast springt, sagen die Buddhisten - ungreifbar, solange man ihm folgt oder ihn verfolgt. Erst wer Kontrolle über den eigenen Geist erlangt, kann zur Weisheit gelangen. Dann hat der Affe aufgehört zu springen und die eigentliche Arbeit beginnt. Der andere Weg ist schwierig zu beschreiben: Weisheit scheint wie eine Synthese dieser "geistigen Bocksprünge". Die Menge an Erfahrungen, zu denen der Geist uns führt, lässt mit der Zeit das Gefühl entstehen, das einzig Ruhe Erlösung bringt. Früher oder später fällt der Affe in den Schlaf und es eröffnet sich die Tiefe des inneren Raumes. Das Buch ist mit der Absicht des klassischen "einfachen" Meister-Lehrlingsverhältnisses geschrieben und auch absichtlich in kurze Betrachtungen über Themen unterteilt, die mit Lebensanschauungen zu tun haben. Es ist als Nachttisch-Büchlein gedacht, das dem Leser helfen kann, ruhiger in den Schlaf zu fallen. Auf diese Weise kann Stille auf sie oder ihn einwirken. Das Buch verfolgt keineswegs die Intention, absolutes Wissen zu verbreiten, obschon es dazu beitragen kann, bestimmte "Affen" einzufangen. Stille führt in jedem Fall zu einer "Offenheit" des Geistes und kann befreiend wirken: "Achtsamkeit" ist eine konzentrierte Zeit, eine Vertiefung, die neue Wege eröffnet.

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Der Autor

Patrick van den Heede arbeitet und lehrt als Ostheopath in Deutschland, Schweiz, Österreich, Belgien, Niederlande und Finnland. Er ist Dozent der AIPF (Agora Internationale pour la Pensée Fragmentaire) von Paris und Co-Autor des Buches Itinéraire Spirituel-Ile de Paques (Albin Michel).

Die Herausgeberin der deutschen Fassung

Cornelia Lay arbeitet freiberuflich als Kinesiologin und Physiotherapeutin in Kressbronn am Bodensee.

WAHRSCHEINLICH

IST DAS LEBEN

DAS EINZIGE TOR,

UM IN DIE STILLE ZU GEHEN.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Vorwort

Über das Leben und über die Geburt

Das Wachstum

Über die Ruhe im Herzen

Über die Vergänglichkeit

Kenntnis ist Bewegung —Wissen ist Ruhe

Der Schatten des Lebens

Chi und die unendliche Bewegung

Innerliches Wachstum

Das Rad des Lebens

Die Wahrheit von Worten

Sinngebung im Leben

Der Hund und der Meister

Die Aufopferung

Der Stein

Das Gefecht

Das tägliche Sterben

Bewusstsein

Das meditierende Selbst und das erleuchtete Selbst

Die verneigende Haltung

Das befreiende Denken

Das Erreichen der Reinheit

Der Weg der Liebe

Von der Befreiung

Die Bedeutung von Rhythmus

Die Ameise und Gott

Der Gipfel des Berges

Das Gesetz der Stille

Über Reichtum und das irdische Leben

Verlängerung des Lebens

Über Vertrauen

Der Übergang

Zufälliges Treffen mit Gott

Die tiefere Einsicht

Zwischen dem Neuen und dem Alten

Geduld

Wehmut

Über das Entdecken der Wahrheit

Aspiration

Tiefe Freude

Die Antwort von Gott

Wie man Erleuchtung findet

Der Weg zu Gott

Das Kind und das Meer

Die Bedeutung der Liebe

Über Zeit und Unendlichkeit

Die Begrenztheit von Anschauungen

Was ist Leben, was ist Tod?

Die Müdigkeit des Menschen

Der stille Weg zurück zum Licht

Gott

Reisen ohne Kompass

Niemand wird als Dieb geboren

Von der Schlichtheit

Karma

Das Bearbeiten des Geistes

Vorwort zur deutschen Ausgabe

„Das kleine Buch Weisheit“ hat mich über Freunde gefunden. Meine Liebe zur niederländischen Sprache sollte sich in der Übersetzung einer Geschichte dieses Buches wiederfinden. Doch dabei blieb es nicht. Diese Schatzkiste an Zen-Weisheiten bereitete mir Herzensfreude und so wurde aus einer Geschichte zwei, aus zwei wurden drei ...

Nach und nach übersetzte ich das ganze Buch und in mir erwachte der Wunsch, dieses zu veröffentlichen. Vielen Dank an Patrick van den Heede und Leo Gürtler für die Möglichkeit dazu und die Hilfe bei der Verwirklichung.

Cornelia Lay 2017

Vorwort

Das Gedankengut des Menschen drückt sich in einer doppelten Ursprünglichkeit aus. Teilweise wird es als sehr persönlich erfahren – teilweise als konditioniertes Erbe von zeit- und kulturgebundenen Einflüssen, die den Wert des Inhalts festlegen und bestätigen. Moderner ausgedrückt: Es kann als Gemeinschaftssinn beschrieben werden, inspiriert durch ein „Trendsetting“ eines scheinbar sich stets erneuernden und suchenden Geistes.

Der eigentliche Effekt sieht jedoch eher nach einer multidimensionalen, multikulturellen Aufsplitterung von Meinungen und Tendenzen aus, die auf die eine oder andere Weise zu größeren Unterschieden von Werten und Zielsetzungen führen.

Größere Toleranz oder auch größere Intoleranz sind die einzigen zwei Möglichkeiten, um das eigene Gedankengut sicher zu stellen.

Philosophen sind oft die einzigen „Ideensammler“, die noch in der Lage sind, Ursprung und Vielfalt auf eine „unverbrauchte, originelle“ Art miteinander zu verbinden.

Dennoch verbirgt sich in jedem Menschen ein/e „Suchende/r“ nach Ursprünglichkeit. Aber oft hat der Mensch die Methode vergessen, um seinen verirrten Geist zur Einfachheit zurück zu führen.

Der Geist ist wie ein Affe, der von Ast zu Ast springt, sagen die Buddhisten – ungreifbar, solange man ihm folgt oder ihn „verfolgt.“ Erst wer Kontrolle über den eigenen Geist erlangt, kann zur Weisheit gelangen. Dann hat der Affe aufgehört zu springen und die eigentliche Arbeit beginnt.

Der andere Weg ist schwierig zu beschreiben: Weisheit scheint wie eine Synthese dieser „geistigen Bocksprünge“. Die Menge an Erfahrungen, zu denen der Geist uns führt, lässt mit der Zeit das Gefühl entstehen, das einzig Ruhe Erlösung bringt. Früher oder später fällt der Affe in den Schlaf und es eröffnet sich die Tiefe des inneren Raumes.

Das Buch ist mit der Absicht des klassischen „einfachen“ Meister-Lehrlingsverhältnisses geschrieben und auch absichtlich in kurze Betrachtungen über Themen unterteilt, die mit Lebensanschauungen zu tun haben.

Es ist als Nachttisch-Büchlein gedacht, das dem Leser helfen kann, ruhiger in den Schlaf zu fallen. Auf diese Weise kann Stille auf sie oder ihn einwirken.

Das Buch verfolgt keineswegs die Intention, absolutes Wissen zu verbreiten, obschon es dazu beitragen kann, bestimmte „Affen“ einzufangen.

„Wer weiß, wie sein ursprüngliches Gesicht war, bevor er geboren wurde?“ So ist es in einem der bekanntesten Zen-Koan1 zu lesen. So kann die Reise in die Stille und in die Weisheit beginnen.

Stille führt in jedem Fall zu einer „Offenheit“ des Geistes und kann befreiend wirken: „Achtsamkeit“ ist eine konzentrierte Zeit, eine Vertiefung, die neue Wege eröffnet.

Patrick van den Heede 2005

Über das Leben und über die Geburt

Ein Bettelmönch kam nach jahrelanger Wanderung zurück in sein Kloster. Verzweifelt hatte er nach dem Inhalt des Lebens gesucht und hatte Rat bei vielen Weisen eingeholt. Oft hatte er andere über Nibbana2 sprechen gehört und sehr oft hatte er das Gefühl, Samadhi3 zu erreichen. Doch blieb seine Enttäuschung groß in Anbetracht dessen, dass er sich noch immer nicht von der Last des Lebens befreit fühlte.

Dicht bei den Klosterpforten traf er einen Arhat4 an, der viele Jahre im Samadhi verweilte.

Er fragte den Heiligen, ob er ihm endlich eine letzte Richtlinie geben könnte, bevor er sich enttäuscht ins Gebet zurückziehen werde.

Der Weise bewegte sich kaum uns sagte nur Folgendes: „Leben... das ist ein endloses Wandern. Lass‘ Deinen Gedanken und denke über die Freiheit nach, Dein Streben zu beenden. Wenn Du wirklich wissen willst, was Vollendung ist, dann musst Du an die andere Seite der Geburt schauen. Dort findest Du den Weg wieder zurück!“

Mögest du je das Glück haben, irgendwann an demselben Kloster vorbei zu kommen, dann bin ich sicher, dass du den Bettelmönch an der gleichen Stelle wiederfindest, an der vorher der Arhat saß.

Das Wachstum

Ein Lehrling zeigte große Bewunderung für seinen Lehrer und heimlich beneidete er die Weisheit, die dieser Gelehrte erreicht hatte. Schon oft hatte der Meister sowohl Bewunderung wie auch Neid in dem Blick seines Lehrlings bemerkt.

Eines Tages erzählte der Meister folgende Geschichte, um seinem Lehrling die Ursache seines Leidens zu verdeutlichen:

„Ein junger Sperber wohnte in demselben Jagdgebiet wie ein kräftiger Bergadler. Der junge Sperber war ein schneller und guter Jäger, doch war er jedes Mal überrascht von der Wirksamkeit und stattlichen Erscheinung seines großen Vorbildes.

Der Sperber beschloss, bei seinem Großvater Rat zu holen, der die Adlerfamilie sein Leben lang kannte, und fragte ihn nach dem Geheimnis einer solch außerordentlichen Kraft.

Der Großvater schmunzelte und sagte, dass es eigentlich ganz einfach zu erklären war. Sperber sind zwar sehr schnell, aber nicht so groß und darum vielleicht auch nicht kräftig genug, um große Beute zu fangen. Vielleicht müsste er noch etwas üben.

Der kleine Sperber überlegte sich nun einen Plan, um stärker zu werden und beschloss, so oft wie möglich mit dem großen Adler mit zu fliegen, wenn der vorbeikommen sollte. Flügelschlagend folgte er dem würdevollen Höhenflug des Adlers, aber schon bald war er erschöpft und enttäuscht. Zum Schluss holte er sich wieder den Rat seines Großvaters ein und sprach mit ihm über seine Entmutigung.

Der Großvater schmunzelte wieder und erzählte ihm, dass das Geheimnis von Schnelligkeit nicht so sehr in der Kraft liegt, als in dem Suchen nach einem angepassten Maß.

Der Kleine überlegte, dass er vielleicht besser lernen müsste zu schweben, um so vielleicht ein anderes Maß fühlen zu können. Schweben konnte er, aber alles zusammengenommen verlor er noch mehr Kraft und Schnelligkeit, während er noch eifrig flatterte.

Noch einmal, dachte er, gehe ich zum Großvater, um nach Rat zu fragen und danach gebe ich es auf.

Der Großvater zeigte sich überrascht, dass es seinem Enkel immer noch nicht geglückt war, dem Adler zu folgen. Als er zu hören bekam, dass der junge Sperber von einem hohen Baum nach unten stürzte um schweben zu können, gab er ihm endlich seine Einsicht: ’Du musst erst auf dieselbe Höhe wie der Adler steigen und dann wirst Du sehen, dass du keine Kraft mehr benötigst, um schnell zu fliegen. Weil da, wo er wohnt, ist der Wind so kräftig, dass du nur die richtige Strömung benützen musst, um ihm zu folgen.’

Der junge Vogel war erleichtert und stieg auf in immer höhere Höhen. Und in der Tat, es war, als ob das Fliegen viel leichter ging. Er wurde mitgezogen mit dem Wind und flog nun im Schatten des großen Adlers. Allein . . . alles war jetzt so klein geworden, dass der junge Sperber keine einzige Beute mehr unterscheiden konnte.

Nach einem Tag, den er in großer Höhe verbracht hatte, musste er mit großem Hunger nach unten zurück und er begriff endlich, was Großvater mit Dimension meinte. Nach seiner Rückkehr ging er wieder zu seinem Großvater, diesmal komplett enttäuscht. ’Ich werde niemals wie der Adler werden, selbst nicht in 100 Leben’, so sprach er.

Großvater schmunzelte: ’Jedes Leben besitzt seine eigene Dimension und alles notwendige, um diese Dimension zu erfassen. Einzig derjenige, der seine eigene Dimension kennt, kann klar sein für den nächsten Schritt. Der eine lernt über Unglücke, der andere durch Studieren oder durch langes Nachdenken. Der Adler hat nichts mehr zu tun, einzig und allein seine eigene Dimension zu leben, als wäre es eine Kunst. Ein Moment, ein Leben oder noch ein Leben dazu kann genügen, um so wie der Adler zu werden.’

Und der Meister schloss seine Geschichte folgendermaßen ab: „Hoffnung, Achtsamkeit und Geduld sind die drei Gaben eines aufmerksamen Lehrlings.“

Über die Ruhe im Herzen

"Wie kann ich handeln ohne Verlangen und leben ohne leidenschaftliche Getriebenheit?” Der Lehrling hatte schon lange das Gefühl, dass jede Tat eine Folge oder eine Ursache hatte. Der Meister, der die Unruhe bei seinem Lehrling spürte, beschloss, ihn weiter zu unterrichten:

„Jede Tat fördert das Verlangen, solange sie genährt wird durch innere Unruhe. Selbst das Verlangen nach Ruhe ist ein Ausdruck innerer Unruhe. Wie kannst du allerdings dich selbst in der Dunkelheit sehen, selbst wenn Du schon einen Spiegel gefunden hast, um dich darin anzuschauen?

Es gibt zwei Wege, die nach Freiheit im Handeln führen: frei werden und frei machen.

Frei werden hat zu tun mit dem Üben von Geduld. Sowie ich schon mal gesagt habe, überschreitet Geduld die Begrenzungen der Zeit. Aber auch hier gibt es aufs Neue zwei Wege: Geduld, die gerichtet ist auf etwas, das man erwartet und Geduld, die wartet, ob irgendetwas entsteht.

Wenn man erwartet, wird selbst Geduld eine Handlung und das ist dann schwierig auszuhalten. Wenn man allerdings wartet, kann man konzentriert zuschauen bis etwas passiert, worin man handeln kann.

Das Handeln wird dann auf diese Art selbstverständlich und benötigt wenig Anstrengung. Das ist das, was die alten Meister mit Wu Wei5 bezeichneten.

Frei machen besteht selbst aus zwei Dimensionen: Auflösen und Loslassen.

Auflösen und klären ist, eine belastende Situation bis zur Einfachheit hin zu verwandeln. Derjenige, der auflöst, fügt seine eigene Intention hinzu, um etwas zu beschleunigen.

Loslassen ist das Bestimmen der Bewertung, die zu dieser belastenden Situation geführt hat und somit zum Verändern seiner eigenen inneren Sichtweise. Wie kann man allerdings etwas loslassen, das man nicht begriffen hat?