Das Mädchen aus Somerset - Lesley Pearse - E-Book
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Das Mädchen aus Somerset E-Book

Lesley Pearse

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Beschreibung

England 1953. Die junge Ladenbesitzerin Molly macht eine grausige Entdeckung: Ihre Freundin Cassie wurde ermordet, und Cassies sechsjährige Tochter Petal ist spurlos verschwunden. Als die Wochen vergehen, ohne dass die Polizei etwas herausfindet, macht Molly sich schließlich selbst auf die Suche nach Petal. Vom friedlichen und ländlich geprägten Somerset verschlägt es sie ins finstere Londoner East End, das schwer vom Krieg gezeichnet ist. Dort taucht sie in Cassies zwielichtige Vergangenheit ein und versucht alles, um Petal zu finden. Ein gefährlicher Ort für eine junge Frau - erst recht, wenn sie einem Mörder auf der Spur ist ...

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Seitenzahl: 595

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Inhalt

Cover

Über das Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

KAPITEL 17

KAPITEL 18

KAPITEL 19

KAPITEL 20

KAPITEL 21

KAPITEL 22

KAPITEL 23

KAPITEL 24

KAPITEL 25

KAPITEL 26

Über das Buch

England 1953. Die junge Ladenbesitzerin Molly macht eine grausige Entdeckung: Ihre Freundin Cassie wurde ermordet, und Cassies sechsjährige Tochter Petal ist spurlos verschwunden. Als die Wochen vergehen, ohne dass die Polizei etwas herausfindet, macht Molly sich schließlich selbst auf die Suche nach Petal. Vom friedlichen und ländlich geprägten Somerset verschlägt es sie ins finstere Londoner East End, das schwer vom Krieg gezeichnet ist. Dort taucht sie in Cassies zwielichtige Vergangenheit ein und versucht alles, um Petal zu finden. Ein gefährlicher Ort für eine junge Frau – erst recht, wenn sie einem Mörder auf der Spur ist …

Über die Autorin

Lesley Pearse wurde in Rochester, Kent, geboren und lebt mit ihrer Familie in Bristol. Ihre Romane belegen in England regelmäßig die ersten Plätze der Bestsellerlisten. Neben dem Schreiben engagiert sie sich intensiv für die Bedürfnisse von Frauen und Kindern und ist Präsidentin für den Bereich Bath und West Wiltshire des Britischen Kinderschutzbundes.

LESLEY PEARSE

Das Mädchen aus Somerset

Roman

Aus dem Englischen von Britta Evert

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Für die Originalausgabe:Copyright © 2015 by Lesley PearseTitel der englischen Originalausgabe: »Without a Trace«Originalverlag: Michael Joseph, Penguin Books Ltd.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen

Für die deutschsprachige Ausgabe:Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, KölnTextredaktion: Dr. Ulrike Strerath-Bolz, FriedbergTitelillustration: © shutterstock/bbofdon; © Arcangel/Judy Kennamer; © Flora Press/FocusOnGarden/BeckerUmschlaggestaltung: Manuela Städele-MonverdeE-Book-Produktion: two-up, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-3967-3

www.bastei-entertainment.dewww.lesejury.de

KAPITEL 1

2. Juni 1953

»Wo um alles in der Welt stecken Cassie und Petal denn bloß?« Im Gemeindesaal war es so laut, dass Molly Heywood schreien musste, damit Brenda Percy, die Wirtin des Pied Horse, sie hören konnte.

Heute sollte Elizabeth II. in der Westminster Abbey in London zur Königin gekrönt werden, und leider war das seit Langem geplante und mit großer Vorfreude erwartete Straßenfest wegen des starken Regens in letzter Minute in den Gemeindesaal verlegt worden. Molly und Brenda kämpften sich gerade die lange Tischreihe entlang und verteilten Sandwichs an all die aufgeregten Kinder.

Brenda blieb stehen, um einen kleinen Jungen, der das Mädchen neben sich mit Orangensaft bespritzen wollte, zur Ordnung zu rufen. »Tja, wahrscheinlich hat der Regen Cassie abgeschreckt«, antwortete sie, nachdem sie dem Jungen mitgeteilt hatte, dass er knapp davor war, mit Schimpf und Schande nach Hause geschickt zu werden. »Ich glaube, ich wäre auch nicht gekommen, wenn ich nicht gleich gegenüber wohnen würde.«

»Aber so ist Cassie nicht, und sie hat für Petal ein ganz tolles Kostüm geschneidert«, rief Molly zurück.

Brenda, der die Nervosität in der Stimme der jungen Frau nicht entging, hätte ihr am liebsten an den Kopf geworfen, sie solle endlich aufhören, sich um andere Leute Sorgen zu machen, und sich gefälligst amüsieren. Aber Molly Heywood nahm sich die Probleme anderer gern zu Herzen und versuchte ständig, ihren Mitmenschen zu helfen, was sie angesichts ihres eigenen freudlosen Lebens praktisch zu einer Heiligen machte.

Molly hatte an der von der Gemeinde Sawbridge organisierten Busfahrt nach London teilnehmen wollen, um sich den Krönungszug anzuschauen, aber ihr Vater hatte es strikt verboten. Die meisten Leute, dachte Brenda bei sich, wären sicher der Meinung, eine junge Frau von fünfundzwanzig Jahren sollte ihren Vater schlicht und einfach ignorieren und trotzdem fahren, aber Jack Heywood war kein Mann, dem man sich gern widersetzte. Er hatte ein bösartiges Wesen und würde es Molly bitter büßen lassen, wenn sie seinen Wünschen zuwiderhandelte.

Brenda war seit zwanzig Jahren Wirtin des Pied Horse, und da Jack, der im Ort ein Lebensmittelgeschäft führte, jeden Tag in die Kneipe kam, wusste sie genau, wie streitsüchtig, eigensinnig und boshaft er sein konnte. Es war allgemein bekannt, dass Emily, seine ältere Tochter, nach einer Tracht Prügel ihr Elternhaus Knall auf Fall verlassen hatte, um es nie wieder zu betreten. Jacks Frau Mary war eine sanftmütige Person, die alle gern hatten, aber sie war furchtbar nervös und viel zu schwach, um sich gegen einen solchen Despoten zu behaupten.

Abgesehen von den Männern, die im Krieg zum Militär eingezogen worden waren, hatten sich die meisten Einwohner von Sawbridge, einem kleinen Dorf in Somerset, in ihrem ganzen Leben kaum mehr als zehn Meilen von ihrem Heimatort entfernt. Selbst eine Fahrt nach Bristol oder Bath erschien ihnen wie ein großes Abenteuer. Daher neigten sie zu einem beschränkten und engstirnigen Denken.

Von Molly glaubten sie, sie wäre genauso schwach wie ihre Mutter und so etwas wie ein Prügelknabe, aber das stimmte nicht. Mollys Fehler – wenn es denn einer war – bestand darin, dass sie viel zu weichherzig war. Sie lehnte sich nicht gegen ihren Vater auf, um ihrer Mutter Kummer zu ersparen. Sie half gern anderen und war ausgesprochen tatkräftig, und als ihr die Fahrt nach London verwehrt wurde, übernahm sie es, ein Straßenfest zu organisieren. Sie wollte etwas ganz Besonderes auf die Beine stellen, damit sich jedes Kind im Dorf für den Rest seines Lebens an den Krönungstag erinnerte.

Molly gebührte großes Lob für ihre Bemühungen. Die High Street war mit bunten Wimpeln geschmückt, von denen sie einen Großteil selbst auf der Nähmaschine angefertigt hatte. Sie brachte nicht nur praktisch jede Hausfrau im Dorf dazu, Kuchen, belegte Brötchen oder Konfitüren beizusteuern, sondern plante noch dazu Wettläufe auf dem Cricketplatz, eine Schatzsuche und einen Kostümwettbewerb. Als dann der Tag mit starken Schauern begann und nichts auf eine Besserung der Wetterlage hindeutete, blieb ihnen nichts anderes übrig, als sämtliche Klappstühle und Tische von der Straße hereinzuholen und rasch den Gemeindesaal zu schmücken. Jemand machte den Vorschlag, als Dekoration die am Vortag aufgehängten Wimpel zu verwenden, aber die waren tropfnass und ließen sich nur schwer abnehmen.

Obwohl die neuen Dekorationen für den Saal geliehen waren, eigentlich hauptsächlich aus Weihnachtsschmuck bestanden und etliche Sachen ihre besten Tage längst hinter sich hatten, war der Gesamteindruck fröhlich und bunt. Nach all der Mühe, die Molly sich gegeben hatte, fand Brenda es ziemlich unhöflich von den Erwachsenen, einfach daheim zu bleiben und nur ihre Kinder in den Gemeindesaal zu Molly und allen anderen zu schicken, die gutmütig genug waren, um zu helfen.

Aber diese Leute verpassten den Anblick von fünfundvierzig Kindern im Alter zwischen zwei und vierzehn Jahren, die mit großen Augen all die Herrlichkeiten anstarrten, die vor ihnen ausgebreitet wurden. Nach der Lebensmittelknappheit im Krieg und in den darauffolgenden Jahren hatte die Regierung anlässlich der Krönung jedem Bürger eine höchst willkommene größere Zuckerration zugestanden, und die Frauen im Dorf hatten sämtliche Register gezogen, um ihr Können im Kuchenbacken unter Beweis zu stellen. Die meisten der jüngeren Kinder, die während des Kriegs und in der Zeit danach geboren waren, hätten sich nie träumen lassen, welche Wunderwerke ihre Mütter zustande brachten.

Der Kostümwettbewerb hatte fast genauso viel Aufregung und Ehrgeiz geweckt. Wenn Brenda sich im Saal umschaute, sah sie mehrere Königinnen, König Artus, den Papst, einen Pearly King, dessen Kostüm traditionell über und über mit Perlmuttknöpfen besetzt war, und eine Herzdame. Für Letztere war es nicht ganz leicht, in ihrem Spielkartenkostüm aus steifem Pappkarton ein Sandwich zu essen, und Brenda sah voraus, dass das Kostüm in Kürze zu Bruch gehen würde.

Außerdem gab es Preise für besonders schön geschmückte Schaufenster im Dorf. Eigentlich hätte der erste Preis Molly für ihre Leistung beim Lebensmittelladen zugestanden, aber da der Wettbewerb ihre Idee gewesen war, konnte sie natürlich nicht die Siegerin sein.

Verdient hätte ihr Werk den Preis aber durchaus. Das Mittelstück war eine große Kuh aus Gips, die sie in einem Schuppen aufgestöbert hatte. Molly hatte sie weiß angemalt und ihr aus Pappe eine Krone gemacht, sie mit Flitterkram verziert und mit Edelsteinen aus Weingummi besetzt und der Kuh einen purpurroten Krönungsmantel umgelegt. Den Boden des Schaufensters hatte sie dick mit Stroh bestreut und darin verschiedene britische Nahrungsmittel gefällig arrangiert: ein großes Stück Cheddar, Körbe mit Eiern, Obststeigen mit Erdbeeren, Steingutkrüge mit Cider und Gläser mit Marmelade, Chutney und Honig.

Aber im Moment sah Molly ganz und gar nicht glücklich aus. Sie mochte für das Strahlen auf den Kindergesichtern verantwortlich sein, aber sie machte sich Sorgen um das eine Kind, das fehlte.

»Lass gut sein, Molly«, meinte Brenda und legte einen Arm um das Mädchen. »Du weißt doch, dass Cassie ihren eigenen Kopf hat – wahrscheinlich ist sie mit Petal woandershin gefahren, wo vielleicht mehr los ist als hier. Sie ist eine zu gute Mutter, um einfach in der Stube zu hocken und nach draußen auf den Regen zu starren.«

Brenda hatte Molly schon immer gern gehabt. Ihr freundliches, mädchenhaftes Gesicht, die rosigen Wangen, die sanften blauen Augen und das liebenswerte Lächeln erhellten jeden Tag. Das Mädchen war der Hauptgrund, warum in Heywoods Laden immer so viel Betrieb war. Jack Heywood bildete sich ein, das Geschäft ginge seinetwegen so gut, aber tatsächlich würde er über Nacht einen Großteil seiner Kunden verlieren, wenn Molly ihre Arbeit dort einmal aufgab.

»Das würde sie nicht machen, Brenda.« Molly schüttelte den Kopf. »Sie hat tagelang an Petals Kostüm gearbeitet, und außerdem wäre sie bestimmt gekommen, um mir zu helfen.«

Brenda konnte sich noch gut erinnern, wie alle im Dorf über Cassandra March geklatscht hatten, als sie vor zwei Jahren nach Sawbridge gekommen war. Die Bewohner hatten die üppige Rothaarige mit tiefstem Misstrauen beäugt. Sie trug keinen Ehering und hatte ein vierjähriges Mischlingskind im Schlepptau, ein kleines Mädchen. Dass die Kleine Petal, also Blütenblatt, hieß, rief weiteres Getuschel und scheele Blicke hervor. Welcher normale Mensch würde seinem Kind schon einen solchen Namen geben?

»Dürfte eine Nutte sein«, meinte Jack Heywood damals eines Abends im Pied Horse, und obwohl Brenda der festen Überzeugung war, man solle keinen Menschen verurteilen, solange man ihn nicht kannte, musste auch sie zugeben, dass das flammend rote Haar der Frau, der enge Rock, der knappe Pulli, die hohen Absätze und das starke Make-up das Bild einer leichtfertigen Person heraufbeschworen.

Niemand glaubte daran, dass Cassandra March sich in Sawbridge häuslich niederlassen wollte; man ging davon aus, dass sie gekommen war, um sich hier mit jemandem zu treffen, und dass sie danach wieder verschwinden würde. Aber zur allgemeinen Überraschung sah sie sich nach einem Häuschen um, das sie mieten konnte.

Es war nicht weiter verwunderlich, dass Molly sich mit ihr anfreundete – schon als kleines Mädchen hatte sie sich um Kinder gekümmert, von denen sonst niemand etwas wissen wollte. Aber bald entdeckte auch Brenda etliche liebenswerte Eigenschaften an der geheimnisvollen jungen Frau, die sich keinen Pfifferling darum zu scheren schien, was die Leute über sie dachten. Und Petal mit ihren großen Augen, der karamellbraunen Haut und den glänzenden Locken war ein bezauberndes kleines Ding, ein richtiges kleines Püppchen. Selbst die Frauen, die Petals Mutter am heftigsten kritisierten, gaben Spielzeug und Kleider, aus denen ihre eigenen Kinder herausgewachsen waren, an sie weiter.

Irgendwie und gegen alle Erwartungen schaffte Cassie es, den streitbaren alten Enoch Flowers zu überreden, ihr sein kleines Cottage im Wald zu vermieten. Im Dorf wurde gemunkelt, sie hätte ihm als Gegenleistung ihren Körper angeboten, und vielleicht hatte sie das tatsächlich. Aber Brenda hielt es für weit wahrscheinlicher, dass der alte Mann ihr das Haus überlassen hatte, weil er die Vorstellung, ein Mädchen aus der Stadt könnte damit fertig werden, in völliger Abgeschiedenheit zu leben, auf offenem Feuer zu kochen und ein Außenklo zu benutzen, genauso komisch fand wie die meisten anderen Dorfbewohner.

Aber wer glaubte, Cassie käme mit dem rauen Landleben nicht zurecht, sah sich getäuscht. Sie machte aus dem kleinen Cottage ein Zuhause, und sie blieb. Die hochhackigen Schuhe und engen Röcke wurden nur noch für Ausflüge nach Bristol aus dem Schrank geholt, aber Cassie schaffte es, selbst in Baumwollkittel, Gummistiefeln und Kopftuch wie ein Pin-up-Girl auszusehen.

»Langsam mache ich mir wirklich Sorgen«, gestand Molly Brenda ein. »Ich habe Cassie gestern noch gesehen; sie hat mir als Beitrag zum Fest ein paar Flaschen Orangeade gebracht. Da hat sie fest zugesagt, heute zu kommen, und mir erzählt, dass Petal ihr Kostüm schon an die hundertmal anprobiert hätte. Cassie hat sich extra ein neues Kleid gekauft. Warum also sind die beiden nicht hier? Was, wenn eine von ihnen krank geworden ist oder einen Unfall gehabt hat?«

»Ach was, so schlimm wird’s schon nicht sein.« Brenda tätschelte liebevoll Mollys Wange. »Wahrscheinlich ist ihr bei dem Gedanken, durch den Matsch zu laufen, die Lust vergangen. Oder vielleicht sind die zwei heute Morgen irgendjemanden besuchen gegangen, um sich die Krönung im Fernsehen anzuschauen, und haben sich entschieden dortzubleiben. Mach dir keine Gedanken! Hier gibt’s genug zu tun, um uns ordentlich auf Trab zu halten.«

Da hatte sie vollkommen recht: Zwei sechsjährige Jungen schmierten einander gerade Kuchen ins Gesicht, und Brenda stürzte sofort los, um dazwischenzugehen.

Molly machte sich daran, Würstchen im Schlafrock zu verteilen, wobei sie insgeheim staunte, wie blitzschnell das riesige Tablett leer war. Aber in Gedanken war sie bei ihrer Freundin. Cassie war im Allgemeinen nicht sonderlich wild darauf, sich an dörflichen Ereignissen zu beteiligen, weil ihr auch nach zwei Jahren viele Leute immer noch mit Argwohn begegneten. Aber heute hätte sie Petal zuliebe den Anfeindungen getrotzt. Das kleine Mädchen war überglücklich gewesen, sich als Britannia verkleiden zu dürfen, und Cassie hatte sämtliche Läden in Bristol durchstöbert, bis sie einen geeigneten Helm fand. Das Kleid hatte sie mit der Hand selbst genäht.

Regen und Matsch hätten die beiden nie vom Kommen abgehalten. Cassie hätte das Kostüm einfach in eine Tüte gesteckt und Petal erst im Dorf umgezogen. Und dass sie bei irgendjemandem fernsahen … wer sollte das sein? Die wenigen Leute, die ein Fernsehgerät besaßen – Mollys Eltern gehörten zu den Auserwählten –, würden bestimmt nicht jemanden wie Cassie einladen, mit ihnen die Krönungsfeierlichkeiten anzuschauen. Auch Molly hatte nur die eigentliche Krönung in Westminster Abbey gesehen, weil die Vorbereitungen für die Party sie zu stark in Anspruch genommen hatten.

Sie fasste Brenda am Arm. »Hör mal, ich muss nach Cassie schauen, um mich zu vergewissern, dass mit ihr und Petal alles in Ordnung ist«, sagte sie. »Ich nehme das Rad, es wird also nicht lange dauern.«

Brenda schürzte die Lippen. »Wenn du dir solche Sorgen machst, bleibt dir wohl nichts anderes übrig. Aber du wirst bis auf die Haut durchnässt werden«, sagte sie und betrachtete sorgenvoll Mollys neues blaues Gingham-Kleid mit dem weiten Rock und die weißen Riemchensandalen.

»Ich habe mein Regencape und meine Gummistiefel dabei«, beruhigte Molly sie. »Ich bin wieder da, bevor wir mit den Spielen anfangen, und kann sie dann unbeschwert genießen.«

Nachdem sie sich mit einem letzten Blick auf den überfüllten Gemeindesaal überzeugt hatte, dass genug Mütter anwesend waren, um auszuhelfen, packte Molly einige Sandwichs, Würstchen im Schlafrock und Kuchenstücke in einen Pappkarton, fügte einen übrig gebliebenen Party-Hut, einen Wimpel und eine Tröte hinzu und sauste los, um in Regencape und Gummistiefel zu schlüpfen.

Es war mühsam, bei strömendem Regen Platt’s Hill hinaufzuradeln. Der Wind blies ihr Cape immer wieder auseinander, sodass ihr Kleid bald triefend nass war, aber Molly tröstete sich mit dem Gedanken, dass es auf dem Rückweg bergab und sehr viel schneller gehen würde. Sie strampelte ständig diesen Hügel hinauf, um Lebensmittel auszuliefern, aber der schmale, von Furchen durchzogene Weg, der zu Cassies Cottage führte, zweigte fast ganz oben auf der Kuppe ab, weit weg von den letzten Häusern des Dorfes. Dahinter gab es nur noch Felder und Wälder.

Als Molly den schmalen Weg erreichte und feststellte, dass der Boden zu schlammig zum Radfahren war, ließ sie ihr Fahrrad stehen, nahm die Schachtel und ging zu Fuß weiter.

Im Sonnenschein wirkten Stone Cottage und das Wäldchen, in dem es lag, ausgesprochen malerisch: ein idyllischer Ort voller Ruhe und Frieden. Mehr als einmal hatte Cassie gemeint, dass ihr jeden Morgen beim Aufwachen das Herz im Leibe lachte. Anscheinend hatte sie früher an einem recht tristen Ort gelebt, aber darüber ließ sie sich nie näher aus. Cassie neigte nicht zu vertraulichen Geständnissen. Molly hatte sich oft gefragt, ob Cassies Vater vielleicht genauso ein Despot wie ihr eigener war und seine Tochter vor die Tür gesetzt hatte, als er entdeckte, dass sie schwanger war. So etwas zuzugeben musste sehr schwerfallen, wenn man so stolz war wie Cassie.

Aber wie auch immer, Stone Cottage war selbst im Regen schön, wenn auch ein bisschen beklemmend, weil das Vogelgezwitscher verstummt war und die Bäume jetzt an unheimliche Gestalten aus dem Märchenreich erinnerten.

Molly trat auf die Lichtung. Stone Cottage lag links von ihr. Die Rückseite war an soliden Fels gebaut; das Dach begann dort, wo das Gestein endete. Vermutlich war es vor hundert oder mehr Jahren, als das Häuschen errichtet worden war, durchaus sinnvoll gewesen, die Felsen als Rückwand zu nutzen. Im Laufe der Jahre hatten sich Efeu und andere Kletterpflanzen rund um das Cottage und über das Dach gerankt und verbargen es, sodass ein Fremder, der oberhalb des kleinen Hauses aus dem Wald kam, es erst bemerken würde, wenn er auf das Dach trat. Cassie hatte häufig erwähnt, wie oft sie nachts Dachse und andere Waldtiere um ihr Haus herumschleichen hörte.

Es war ein sehr schlichter kleiner Bau, ein Raum unten, einer oben, dazu die Treppe, eigentlich nur eine bessere Leiter, und vier Fenster, zwei in jedem Stockwerk, unten links und rechts der Tür, vor der sich eine morsche, von Rosenranken überwucherte Holzveranda befand. Auf einer Hausseite gab es eine zweite Tür, daneben die Pumpe und den Trampelpfad zum Außenklosett, das sich ebenfalls an die Felswand duckte. Diese Seitentür war unverkennbar immer der beliebteste Ein- und Ausgang gewesen. Cassie hatte es aufgegeben, die Vordertür zu benutzen, weil sich das Schloss im Laufe der Zeit stark verzogen hatte und praktisch unbrauchbar war.

»Cassie!«, rief Molly und trat näher. »Wo bist du?«

Niemand antwortete, aber Molly fiel auf, dass die Seitentür nicht richtig geschlossen, sondern nur zugezogen war, so als wäre jemand im Haus oder hätte es nur auf einen Sprung verlassen.

Molly war dazu erzogen worden, das Zuhause anderer Menschen zu respektieren. Nie hätte sie unaufgefordert ein Haus betreten, wenn sie Lebensmittel auslieferte. Cassie hatte sie oft damit aufgezogen, wie sie stets zögernd auf der Schwelle stehenblieb, selbst wenn die Tür weit offen stand, und erst eintrat, wenn sie hereingebeten wurde. Da es aber unwahrscheinlich schien, dass Cassie bei diesem Regen unterwegs war, und Molly noch dazu ein ungutes Gefühl hatte, stieß sie die Tür ein Stück weiter auf und rief erneut nach ihrer Freundin, diesmal lauter.

Keine Antwort. Molly hörte nur den rauschenden Regen und den Wind in den Bäumen. Durch die nur teilweise geöffnete Tür konnte sie kaum etwas sehen, da ein altes Sofa, auf dem eine bunte Häkeldecke lag, den Blick auf den Küchenbereich versperrte. Auf einmal fiel ihr ein, dass Cassie nie das Haus verließ, ohne hinter sich abzuschließen, auch wenn die meisten anderen Dorfbewohner ihre Türen unverschlossen ließen. Aber schließlich stammte Cassie aus London, und dort waren die Leute angeblich anders.

Weil sie die Sachen, die sie für Petal von der Party mitgebracht hatte, ins Trockene bringen wollte, schob Molly ihre üblichen Bedenken beiseite, ging hinein und stellte den Karton auf den Tisch.

Das Erste, was ihr auffiel, war Petals Britannia-Kostüm, das auf einem Bügel an einem Haken bei der Treppe hing, darüber der hell leuchtende silberne Helm. Auf dem Tisch standen ein Teller voller Krümel, eine Teekanne und zwei benutzte Tassen. Anscheinend hatte irgendetwas oder jemand Cassie gestört, bevor sie abräumen konnte.

Als Molly an dem Sofa vorbeiging, sah sie Cassie auf dem Boden liegen und schrie unwillkürlich auf. Cassie lag, ein Bein leicht angewinkelt, flach auf dem Rücken. Ihr Kopf ruhte auf der Kamineinfassung, und von dort war ihr Blut auf die Dielenbretter gelaufen und hatte eine glänzende dunkelrote Lache gebildet.

Molly presste beide Hände auf ihren Mund, um einen zweiten Aufschrei zu ersticken, und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf ihre Freundin. Ihr Verstand weigerte sich zu glauben, was sie sah. So etwas passierte in Filmen, nicht im wirklichen Leben. Und obwohl sie noch nie zuvor eine Leiche gesehen hatte, war sie absolut sicher, dass Cassie tot war.

Sie hatte das alte geblümte Kleid an, das sie meistens trug, und in ihrem roten Haar waren noch ein paar Lockenwickler, als wäre Cassie gerade im Begriff gewesen, sie herauszunehmen. Ihre Arme waren ausgebreitet, ihre blauen Augen standen weit offen.

»Cassie, Cassie, was ist denn nur passiert?« Molly sank auf die Knie und fasste nach dem Handgelenk ihrer Freundin, um den Puls zu ertasten. Tränen strömten unaufhaltsam über ihre Wangen, als sie nichts spürte. Cassies Haut fühlte sich sehr kalt an, also musste das, was geschehen war, schon eine Weile zurückliegen. Molly wusste, dass sie die Polizei verständigen sollte, aber sie war wie gelähmt vor Entsetzen.

Wie oft hatten sie beide in diesem Cottage gelacht, wie viele vertrauliche Gespräche geführt! Durch Cassie hatte sie so viel über die Welt außerhalb des Dorfes gelernt – über Leute, Bücher, Kunst und Musik. An wie vielen Abenden hatte Petal auf ihrem Schoß gesessen und Molly hatte ihr vorgelesen oder mit ihr Brettspiele gespielt! Cassie war mit Sicherheit die beste Freundin, die Molly je gehabt hatte, aber darüber hinaus auch Lehrerin, Vertraute und Seelengefährtin.

Petal.

Wo war das Mädchen?

Petal war ein schüchternes Kind und Menschen gegenüber sehr scheu, bis sie sie besser kannte. Molly hatte noch nie erlebt, dass sie sich weit von der Seite ihrer Mutter entfernte. Aber wenn sie gesehen hätte, wie ihre Mutter stürzte und all das Blut floss, wäre sie dann nicht losgelaufen, um Hilfe zu holen?

»Petal!«, rief sie. »Ich bin’s, Tante Molly. Jetzt bin ich hier bei dir.«

Als keine Antwort erfolgte, nicht einmal ein leises Wimmern, schoss Molly ein furchtbarer Gedanke durch den Kopf. War Cassie überfallen worden und Petal so sehr erschrocken, dass sie weggelaufen war und sich irgendwo versteckte?

Molly zwang sich zu handeln, die schmale Treppe hinaufzulaufen und ins Schlafzimmer zu schauen, obwohl sie in Panik und fast blind vor Tränen war und sich mit jeder Faser ihres Leibes danach sehnte, diesen Ort zu verlassen. Es war einfach zu viel!

An einer Wand des Zimmers stand ein Doppelbett, an der anderen ein schmales Einzelbett. Beide waren ordentlich gemacht, und Cassies neues rot-weißes Kleid lag auf dem großen Bett und schien darauf zu warten, dass sie es anzog. Von Petal selbst fehlte jede Spur. Molly spähte unter das Bett, den einzigen Platz, an dem Petal sich hätte verstecken können. Nichts.

Sie lief die Treppe wieder hinunter, überzeugte sich, dass das Kind weder im Holzschuppen noch in der Toilette war, und rief immer wieder Petals Namen, obwohl ihre Stimme schon vor Kummer brach. Nichts regte sich, nicht einmal das Rascheln von Blättern oder Knacksen von Zweigen durchbrach die Stille des Waldes.

Auf einmal rebellierte Mollys Magen. Sie erbrach sich wiederholt ins Unterholz. Nichts in ihrem Leben hatte sie auf etwas so Grauenhaftes vorbereitet, und dass es an einem Tag geschehen war, an dem das ganze Land die Krönung der neuen Königin feierte, schien alles noch viel, viel schlimmer zu machen.

»Die Polizei«, sagte sie laut, während sie sich mühsam aufrichtete und die Tränen mit dem Handrücken wegwischte. »Ich darf keine Zeit verlieren.« Taumelnd lief sie im strömenden Regen, der sich auf ihren Wangen mit ihren Tränen vermischte, den schlammigen Pfad zu ihrem Fahrrad zurück.

KAPITEL 2

Molly floh zur Straße. Es war mühsam, auf dem schlammigen Pfad voranzukommen, deshalb kletterte sie auf die Böschung und kämpfte sich durch das Gestrüpp. Sowie sie bei ihrem Rad angelangt war, sprang sie auf und raste, fast blind vor Tränen, ins Dorf hinunter.

Die High Street war menschenleer, aber sie konnte die Kinder im Gemeindesaal »The Farmer’s in His Den« singen hören. Vor der Wachstube schleuderte sie ihr Fahrrad auf den Boden und rannte hinein.

Police Constable Walsh war der diensthabende Polizeibeamte.

»Was in aller Welt …!«, rief er aus, als er Molly sah. Sie war völlig durchnässt, die Haare hingen ihr wirr ins Gesicht, und sie weinte. Er kam hinter dem Schalter hervor, eilte zu ihr und nahm sie in die Arme. »Bist du überfallen worden, Molly?«

Sie hatten seit dem sechsten Lebensjahr zusammen die Schule besucht, und George gehörte derselben Theatergruppe an wie Molly. Sie mochte ihn sehr, nicht nur, weil er mit seinen grauen Augen und braunen Locken ausgesprochen gut aussah, sondern weil er sie immer zum Lachen bringen konnte und weil er sensibel war.

»Ich habe gerade Cassie gefunden. Sie ist tot!«, brach es aus ihr heraus. »Und Petal ist weg! Ich konnte sie nirgendwo finden!«

George fasste sie an den Ellbogen und schob sie ein Stück von sich weg, um ihr ins Gesicht zu sehen. Seine Augen waren riesengroß vor Schreck. »Cassandra? Tot? Wo hast du sie gefunden?«

Schluchzend stieß Molly hervor, was sie gesehen hatte. George legte wieder die Arme um sie und drückte sie an seine Schulter. »Das muss ich sofort dem Sergeant melden, und er muss den Detective Inspector verständigen. Durch die Krönung und das ganze Trara sind wir ziemlich knapp besetzt. Kommst du ein paar Minuten allein zurecht?«

»Ja, natürlich. Gott sei Dank hast du Dienst und nicht irgendjemand, den ich gar nicht kenne«, sagte Molly, während sie versuchte, sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen. »Werdet ihr Petal suchen? Sie ist doch noch so klein!«

»Sowie ich Meldung gemacht habe, wird eine Suche gestartet. Aber jetzt hole ich dir erst mal eine Tasse Tee.« George ging wieder hinter den Schalter und verschwand durch eine Tür.

Als Molly sich auf die Bank setzte, kam ihr der Gedanke, dass die meisten Mädchen ihres Alters in einer derartigen Situation zu ihren Eltern laufen würden, um bei ihnen Trost und Zuspruch zu finden.

Heywoods Lebensmittelladen befand sich direkt gegenüber dem Polizeirevier. Vom Wohnzimmer aus, das direkt über dem Laden lag, hätten ihre Eltern sehen können, wie Molly in die Wachstube lief. Oder sie hätten ihr Fahrrad auf der Erde liegen sehen. Aber nicht einmal in diesem Fall wären sie herübergekommen. Ihre Mutter hätte es sicher gewollt, aber ihr Vater hätte nur geschnaubt und gemeint: »Wenn sie in der Patsche sitzt, kann sie sich selbst raushelfen.«

Von seiner Seite war kaum Mitgefühl zu erwarten, wenn er erfuhr, dass sie Cassie tot aufgefunden hatte. Er missbilligte Cassie in jeder Hinsicht. Ein uneheliches Kind zu haben, noch dazu ein farbiges, war seiner bigotten Anschauung nach völlig inakzeptabel, und dass Cassie nicht den Kopf hängen ließ und mit Trauermiene herumschlich, war für ihn Beweis genug, dass sie keine anständige Person war. Er bezeichnete sie gern als »diese rothaarige Schlampe«, was Molly furchtbar ärgerte, weil es absolut unwahr und sehr hässlich war. Wahrscheinlich würde er sich sogar über Cassies Tod freuen und sich auch keinerlei Sorgen um Petal machen. Molly hatte oft den Eindruck, dass ihrem Vater jener Teil im Gehirn, der bei anderen Menschen für Mitleid und Anteilnahme zuständig war, völlig fehlte. Ihre Mutter teilte die Ansichten ihres Ehemanns nicht, aber sie hatte Angst vor ihm und würde nie wagen, etwas zu tun oder zu sagen, was ihm missfallen könnte.

Molly stemmte die Ellbogen auf die Knie, stützte den Kopf auf beide Hände und fing wieder an zu weinen, diesmal wegen der bedrückenden Atmosphäre daheim. Ihr Vater war ein Tyrann; er nahm allem und jedem die Freude und wurde mit jedem Jahr unerträglicher. Sie blieb nur ihrer Mutter zuliebe.

Im Nachhinein gesehen hätte sie, genau wie ihre Schwester Emily es getan hatte, mit sechzehn von daheim weggehen sollen, selbst wenn sie dadurch gezwungen gewesen wäre, ein oder zwei Jahre in einem Heim für junge Mädchen zu wohnen oder als Haushaltshilfe bei einer Familie einzuziehen. Aber Molly hatte geplant, mit achtzehn eine Schauspielschule oder Kunstakademie zu besuchen, und war dumm genug gewesen zu glauben, sie könnte das nötige Geld zusammensparen, indem sie zu Hause wohnte und im Laden ihrer Eltern arbeitete.

Tatsächlich hatte ihr Vater ihr nie einen angemessenen Lohn gezahlt. Sie bekam höchstens hier und da eine Halfcrown als Taschengeld, und wenn sie Geld für ein neues Kleid oder Schuhe brauchte, musste sie darum betteln. Ihre Absicht, auf eine Schauspielschule zu gehen, tat ihr Vater voller Verachtung ab und erklärte, es wäre ihre Pflicht, im Geschäft zu helfen und sich um ihre Mutter zu kümmern.

Nichts hätte Molly weniger reizen können, als tagein, tagaus hinter der Ladentheke zu stehen, um Speck aufzuschneiden und Regale zu füllen, aber an ihrer Mutter, einer sanften, scheuen Frau, hing sie mit inniger Liebe. Sie hatte ein Nervenleiden, dessen Auswirkungen manchmal so stark waren, dass sie kaum Luft bekam und im Bett bleiben musste, bis die Attacke vorüber war. Sie brauchte viel Ruhe, Liebe und Zuwendung, um sich von diesen Zuständen zu erholen. Und von ihrem Mann war derlei nicht zu erwarten.

Emily war wesentlich beherzter als Molly. Sie hatte ihr Elternhaus verlassen, nachdem ihr Vater ihr eine Tracht Prügel verabreicht hatte, weil sie sich mit einem Jungen traf, der in seinen Augen ein Rowdy war. Er brach ihr zwei Rippen und schlug ihr einen Vorderzahn aus, und als sie ging, schwor sie, nie wieder zurückzukommen. Sie war ihrem Wort treu geblieben. Gelegentlich kamen Briefe von ihr, die ihr Vater sofort zerriss, wenn er sie sah. In einem dieser Briefe, der unbemerkt an ihrem Vater vorbeigelangte, schrieb Emily, dass sie einen Job als Sekretärin bei einem Anwalt bekommen habe. Molly und ihre Mutter hatten sofort zurückgeschrieben und ihr mitgeteilt, dies wäre seit Monaten der erste Brief, den sie von ihr bekommen hätten, und Emily gebeten, ihnen eine Telefonnummer zu geben oder ihrerseits nach acht Uhr abends daheim anzurufen, wenn ihr Vater im Pub war. Aber sie gab ihnen weder eine Nummer, noch rief sie je an, und da der frostige Ton ihrer seltenen, kurzen Briefe den Gedanken nahelegte, dass ihrer Meinung nach ihre Mutter und Molly genauso schlimm waren wie ihr Vater, waren die beiden unsicher, wie sie sich verhalten sollten. In den letzten zwei Jahren waren gar keine Briefe mehr gekommen. Sie wussten nicht einmal, ob Emily noch unter derselben Adresse lebte.

Jetzt schmiss praktisch Molly mit ihren mittlerweile fünfundzwanzig Jahren den Laden. Ihr Vater hockte den ganzen Tag im Hinterzimmer, löste Kreuzworträtsel und rauchte Pfeife, und Molly erntete nie ein Wort des Danks von ihm, nur Beschimpfungen und Hohn.

Es war schlimm, den eigenen Vater zu hassen und zu fürchten, aber genau das tat sie. Er war ein brutaler Despot und ein bigotter Heuchler, und sie ertappte sich immer wieder bei dem Wunsch, er möge einen Herzinfarkt bekommen und sterben. Vielleicht könnte ihre Mutter dann wieder lernen zu lachen, statt jedes Mal vor Furcht zu erzittern, wenn dieser Ausdruck von Verachtung auf Jack Heywoods Gesicht trat.

George kam zurück. »Sergeant Bailey ist schon unterwegs. Wahrscheinlich hast du gehört, wie er weggefahren ist. Ich hab mit dem Chef telefoniert, er wird oben bei Stone Cottage zum Sergeant stoßen. Er hat gesagt, ich soll deine Aussage aufnehmen. Und nachher, wenn er zurückkommt, möchte er noch mit dir reden.«

George hielt ihr die Klappe beim Schalter auf und ging in den hinteren Bereich der Wachstube voran. »Jetzt mache ich dir erst mal einen Tee«, sagte er. »Du bist ja weiß wie die Wand. Setz dich einfach schon mal hin.«

Molly ließ sich kraftlos auf den Stuhl sinken. Sie fühlte sich wirklich sehr schwach und zittrig.

Es dauerte nicht lange, bis George mit einem Teetablett zurückkam. »Zum Glück hatte der Sergeant den Kessel aufgesetzt, und seine Frau hat uns Plätzchen gebracht. Komm, wir setzen uns ins Verhörzimmer.«

Der Raum, in den er sie brachte, hatte schmuddelige grüne Wände und roch nach abgestandenem Zigarettenrauch. Als George auffiel, dass Molly leicht zusammenzuckte, machte er das Fenster auf.

»Tut mir leid«, sagte er. »Du und ich sind wahrscheinlich die Einzigen im Dorf, die nicht rauchen, und manchmal nervt es ganz schön, sich in diesem Mief aufzuhalten.«

»Normalerweise stört es mich nicht sonderlich, aber mir ist ziemlich flau im Magen, seit ich Cassie gefunden habe.«

»Ist ja auch kein Wunder«, meinte er, während er ihr bedeutete, sich ihm gegenüber an den Tisch zu setzen. »Du hast einen furchtbaren Schock erlitten. Wenn du dich ein bisschen erholt hast, nehme ich deine Aussage zu Protokoll.«

Der Tee und Georges ruhige Art halfen ihr, sich ein wenig zu beruhigen. Hätte sie mit einem der anderen Beamten reden müssen, wäre ihr alles über den Kopf gewachsen.

»Was für ein Mistwetter für die Krönung«, bemerkte George, wahrscheinlich, um sie ein bisschen abzulenken. »Wie es aussieht, war es doch kein Unglück, dass wir nicht mit dem Bus nach London gefahren sind, um uns alles anzuschauen.«

Trotz ihres Kummers erinnerte Molly sich daran, dass es sie ein wenig über das Verbot ihres Vaters hinweggetröstet hatte, als George sagte, er hätte am Krönungstag Dienst und könne nicht mitfahren. Er hatte sogar ein bisschen gescherzt, wie enttäuscht er sei, dass er während der Busfahrt nicht neben ihr sitzen könne. Das war ihr ein paar Tage lang nicht mehr aus dem Kopf gegangen, und sie hatte sogar schon überlegt, wie sie es anstellen könnte, mal irgendwo mit ihm allein zu sein. Aber dass ihr Treffen hier auf dem Polizeirevier stattfinden könnte, daran hätte sie nicht im Traum gedacht.

»Tja, Molly«, sagte er, als er den Eindruck hatte, sie hätte sich ein bisschen erholt. »Wir fangen einfach mal mit deinem Namen, Alter und Beruf an, was ich natürlich alles weiß, aber das gehört nun mal zu einer offiziellen Aussage. Und dann erzählst du mir, warum du zum Stone Cottage gefahren bist.«

Molly berichtete getreulich, und George schrieb mit.

»Um wie viel Uhr hast du Cassie gefunden?«, fragte er.

»Na ja, die Teeparty für die Kinder hat gegen drei angefangen … Ich denke, es war gegen Viertel nach drei, als ich anfing, mir Sorgen zu machen, weil Petal nicht da war. Ich habe mit Brenda Percy darüber gesprochen und bin kurz danach aufgebrochen. Es muss mindestens fünfundzwanzig Minuten gedauert haben, bis ich beim Cottage war, also war es wohl zehn vor vier, als ich Cassie fand.«

»Hast du irgendwas angefasst?«

»Nein. Also, abgesehen von der Tür … vielleicht das Treppengeländer. Ich bin nach oben gegangen, um Petal zu suchen, und ich habe auch im Schuppen und auf der Toilette nachgeschaut.«

»Was hat dich auf den Gedanken gebracht, Cassie könnte tot sein?«

Molly stiegen erneut Tränen in die Augen. »Da war so viel Blut … und ihre Augen waren offen. Aber ich habe auch nach ihrem Puls getastet und konnte keinen fühlen.«

»Nachdem du Petal gesucht hattest, bist du gleich von dort weg und hierhergekommen?«

Molly nickte und wischte sich die Augen.

»Hast du auf dem Hin- oder Rückweg irgendjemanden gesehen?«

»Nein, keine Menschenseele«, sagte sie.

»Wann hast du Cassie zum letzten Mal lebend gesehen?«, fragte er. »Heute?«

»Nein.« Molly schüttelte den Kopf. »Gestern Nachmittag nach der Schule. Sie war im Laden, um Tee und Speck zu kaufen. Petal war schon ganz aufgeregt wegen der Party.«

Und das war noch stark untertrieben. Mit leuchtenden Augen war Petal in den Laden gestürzt gekommen, hatte beide Arme um Mollys Taille geschlungen und so schnell drauflosgeplappert, dass Molly kaum verstehen konnte, wovon die Rede war.

»Langsam, meine Süße«, sagte sie, während sie Petal an den Armen fasste und sie ein kleines Stück von sich wegschob.

Die Kleine trug ihre blau-weiß karierte Schuluniform; ihre dunklen Locken umrahmten ihr hübsches Gesichtchen wie ein Heiligenschein, und ihre Zähne hoben sich strahlend weiß von ihrer dunklen Haut ab.

»Mummy hat mir ein Britannia-Kostüm gemacht«, sprudelte sie hervor, immer noch überstürzt, aber ein bisschen deutlicher als vorher. »Sie hat mir aus einem alten Laken ein Gewand genäht, das wie eine römische Toga aussieht. Aber das Beste ist der Helm, ganz silbern und glänzend. Bestimmt gewinne ich den Preis für das schönste Kostüm!«

Molly umarmte Petal. Sie liebte die Kleine sehr. »Verlass dich lieber nicht allzu sehr darauf«, warnte sie das Mädchen. »Ein paar von den anderen Müttern können auch tolle Kostüme nähen, und unser Pfarrer ist der Preisrichter, der kann manchmal ganz schön altmodisch sein.«

»So geht es schon seit Tagen«, sagte Cassie, die vor Stolz auf ihre hübsche Tochter strahlte. »Hör mal, Molly, ich bin keine große Kuchenbäckerin. Wie wär’s, wenn ich vier Flaschen Orangeade bezahle und als meinen Beitrag zur Party stifte?«

»Kannst du dir das denn leisten?«, fragte Molly. Sie wusste, wie wenig Geld Cassie zum Leben hatte.

»Na klar! Ich will nicht, dass diese scheinheiligen Tanten behaupten, mein Beitrag wäre knickerig oder ›mehr konnte man ja nicht erwarten‹.«

Ihr Lachen bewies, dass alles, was über sie geredet wurde, wirkungslos an ihr abprallte. »Ich werde mich ganz toll in Schale werfen und mit jedem Mann flirten, der auch nur in meine Richtung schaut«, fuhr sie fort. »Dann haben alle was zu lästern, wenn ich mit Petal wieder nach Hause gehe.«

Molly bewunderte Cassie grenzenlos für ihre Einstellung. Wenn sie doch auch so viel Mumm hätte!

Als sie jetzt an das letzte Gespräch dachte, das sie mit ihrer Freundin geführt hatte, wünschte sie sich, sie hätte ihr gesagt, was für große Stücke sie auf sie hielt.

»Ich habe das Geld für den Saft genommen und ihr versprochen, die Flaschen mitzunehmen, damit sie sie nicht erst nach Hause und heute wieder zurückschleppen musste«, sagte sie zu George. »Dann habe ich sie noch einmal daran erinnert, dass die Party um drei anfängt, und gemeint, dass wir danach vielleicht noch ein bisschen zusammensitzen und plaudern könnten.«

George nickte. »Fällt dir irgendjemand ein, den Cassie heute besucht haben könnte, Freunde oder Verwandte? Vielleicht hat sie Petal dort gelassen.«

»Cassie hat hier in der Gegend keine Verwandten, und sie hätte Petal nicht bei Freunden gelassen. Nicht, wenn im Dorf eine Party stattfindet.« Molly hielt inne und sah George eindringlich an. »Cassie ist getötet worden, nicht wahr? Ich meine, es war nicht einfach ein Unfall.«

»Das lässt sich jetzt noch nicht sagen«, antwortete er und sah sie ziemlich bekümmert an. »Darüber haben die ermittelnden Beamten und der Untersuchungsrichter zu entscheiden. Also, um Zeit zu sparen, was kannst du mir über Cassies Bekannte erzählen? Männliche und weibliche.«

»Du weißt doch, dass sie außer mir hier im Dorf keine richtigen Freunde hatte«, sagte Molly. »Die Leute waren gemein zu ihr. Sie haben hässliche Sachen über sie gesagt, weil sie Petal allein großzog und weil Petal nicht weiß ist.«

»Das ist mir bewusst.« Er seufzte. »Dorfbewohner neigen nun mal zu Engstirnigkeit. Aber weißt du vielleicht, ob irgendjemand besonders gemein war? Sie bedroht hat? Ungebeten beim Cottage aufgetaucht ist? Jemand, der sie belästigt hat?«

»Cassie hat oft gesagt, sie hätte sich schon so sehr daran gewöhnt, im Bus oder vor der Schule die kalte Schulter gezeigt zu bekommen, dass es ihr kaum noch auffiel. Aber wenn jemand mehr als das getan hätte, hätte sie es mir gegenüber erwähnt, denke ich.«

»Ihr wart eng befreundet?«, fragte er.

Molly runzelte die Stirn. Sie wusste nicht recht, wie sie darauf antworten sollte. »Cassie war nicht unbedingt der Typ für sehr enge Freundschaften oder Nähe. Ich weiß, dass sie mich mochte und froh war, weil ich viel netter zu ihr war als alle anderen. Trotzdem konnte ich nicht einfach nach Lust und Laune bei ihr hereinschneien. Sie blieb immer ein bisschen reserviert, wenn du verstehst, was ich meine.«

George lächelte schwach. »Sehr gut sogar«, sagte er. »Ich bin ihr kürzlich zufällig begegnet und hatte den Eindruck, dass sie im Gespräch mit einem Polizisten noch mehr auf der Hut war als die meisten anderen. Erst als ich erwähnte, dass du und ich zusammen zur Schule gegangen sind, taute sie auf. Für mich war sonnenklar, dass sie dich sehr gern hatte. Was weißt du über ihre Familie?«

»Dieses Thema hat sie eher ausgeklammert«, sagte Molly. »Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass sie sich praktisch selbst großgezogen hat, weil ihre Mutter es nicht schaffte. Früher dachte ich, ihr Vater könnte ein bisschen wie meiner gewesen sein, aber da lag ich falsch, weil sie mir vor Kurzem erzählt hat, dass er im Krieg gefallen ist.«

»Wo hat sie ihre Kindheit verbracht?«

Molly hob hilflos die Schultern. »Keine Ahnung. Es kommt dir bestimmt komisch vor, dass wir gute Freundinnen waren und ich trotzdem kaum etwas über sie weiß, aber bei ihr ging es immer um das Hier und Jetzt, als wäre die Vergangenheit ohne jede Bedeutung. Den Eindruck, dass ihre Mutter ziemlich versagt hat, bekam ich, weil sie einmal zu mir sagte, Petal sollte die Sicherheit und Stabilität im Leben bekommen, die sie selbst nie gehabt hatte. Und das hat Cassie auch geschafft. Sie war eine tolle Mutter und Hausfrau. Das Cottage war grauenvoll, als sie einzog, aber sie hat ein gemütliches Zuhause daraus gemacht.«

»Wann hast du sie das letzte Mal gesehen, bevor du heute zum Cottage gegangen bist? Und erzähl mir, was du über ihre Männerbekanntschaften weißt«, fügte George hinzu.

Molly widerstrebte es, etwas von den Dingen, die Cassie ihr über die Männer in ihrem Leben anvertraut hatte, zu wiederholen, aber da einer von ihnen möglicherweise etwas mit dem Tod der Freundin zu tun hatte, durfte sie nichts verschweigen.

»Zum letzten Mal war ich vergangenen Samstag dort«, antwortete sie. »Ich hatte eine Lieferung für die Middletons oben auf Platt’s Hill und habe nachher auf einen Sprung bei Cassie reingeschaut.«

Sie hielt inne und dachte an jenen Tag zurück.

Es war sonnig und sehr warm gewesen, und als sie gegen elf Uhr morgens auf ihrem Rad über den Pfad zum Stone Cottage holperte, drängte sich ihr der Gedanke auf, wie malerisch das kleine Haus aussah. Efeu schmiegte sich an die blassgolden schimmernden Steinmauern, und die rosa Rosen, die sich um die Veranda rankten, waren eine wahre Pracht.

Petal steckte in den verwaschenen roten Shorts, die sie immer trug, wenn sie nicht zur Schule musste, und spielte draußen mit ihrer Puppe. Für eine Sechsjährige war sie klein, aber gut gepolstert, was diejenigen Lügen strafte, die behaupteten, ihre Mutter würde sie hungern lassen. Ihre hellbraune Haut schimmerte, und bis auf ihre riesigen, ausdrucksvollen Augen waren ihre Gesichtszüge fein und zart. Molly hatte in ihrem Leben höchstens drei, vier Schwarze gesehen, und das nur im Vorbeigehen in Bristol, aber sie wusste, dass ihr Haar eher kraus und drahtig war. Bei Petal war es anders. Ihr Haar war lockig, aber es fühlte sich weich und seidig an und ließ sich mühelos bürsten. Normalerweise flocht Cassie es zu strammen kleinen Zöpfen. An diesem Tag war es offen und ungekämmt und bauschte sich wie eine dunkle Wolke um Petals Gesicht. Einer ihrer Vorderzähne fehlte, was ihrem strahlenden Lächeln eine leicht verwackelte Note verlieh.

Sie krähte vor Freude, als sie Molly sah, und lief ihr entgegen. Molly stieg vom Rad, umarmte das Kind, hob Petal dann auf den Fahrradsattel und schob sie zum Haus.

»Samstage mag ich am allerliebsten, weil ich da nicht zur Schule muss«, verkündete Petal. »Und heute ist der beste Samstag von allen, weil du da bist.«

Cassie schien Petal gehört zu haben, denn sie trat aus dem Haus. Sie war barfuß und trug ein weites geblümtes Hängekleid, das sie oft anzog, wenn sie ihre Hausarbeit erledigte. Es sah wie ein Umstandskleid aus, aber Cassie meinte, es wäre einfach nur luftig und bequem.

»Schön, dich zu sehen!« Sie strahlte. »Gerade eben hat Petal noch gesagt, wie schön es wäre, wenn du uns heute besuchen kämst. Magst du ein Ingwerbier? Ich habe es selbst gemacht, und es ist wirklich gut.«

»Gern«, antwortete Molly, bevor sie Petal vom Sattel hob, ihr Rad auf die Erde legte und sich auf eine alte Bank setzte.

Cassie verschwand im Haus. Petal kletterte auf Mollys Schoß und lehnte sich an ihre Schulter. »Du kommst nicht oft genug her«, sagte sie.

»Öfter kann ich nicht kommen. Ich muss im Laden arbeiten und mich um meine Mutter kümmern«, erklärte Molly.

»Ja, weiß ich. Mummy sagt, dass dir jeder was aufhalst. Ich weiß nicht, was sie damit meint, aber wahrscheinlich heißt es, dass du sehr nett bist. Ich möchte, dass du öfter zu uns kommst.«

Molly lachte in sich hinein, weil Petal so ein altkluges kleines Ding war. Dann unterhielten sie sich über die Schule und über das Lesen. Petal konnte sehr gut lesen; anscheinend hatte Cassie es ihr beigebracht, noch bevor sie eingeschult wurde. Bald kam Cassie mit dem Ingwerbier und erzählte Molly, wie sie es zubereitet hatte. Offenbar war es eine ziemlich aufwändige und langwierige Prozedur, bei der Hefe und Zucker verwendet wurden.

Im Lauf ihrer Freundschaft war Molly dahintergekommen, dass Cassie immer wieder den Trick anwandte, lang und breit über irgendein beliebiges Thema zu reden, statt über persönliche Dinge. Meistens bedeutete das, dass sie Probleme hatte.

Zu Mollys Überraschung erwies sich Cassie als gute Hausfrau. Das Cottage bot keinerlei modernen Komfort, aber sie hatte es mit Fundstücken vom Trödelmarkt und einigen geschenkten Sachen gemütlich eingerichtet. Ein alter Schrank war von Cassie verschönt worden, indem sie ihn weiß strich und mit Blümchen bemalte. Die Stühle rund um den sauber gescheuerten Holztisch waren in sämtlichen Grundfarben gestrichen, eine bunte Decke verhüllte das schäbige Sofa, und an den Wänden hingen Bilder, die Petal und sie gemalt hatten.

Draußen hatte sie eine karierte Tischdecke wie einen Sonnenschutz über Gartentisch und Stühle gespannt; auf dem Tisch stand eine Vase mit Wildblumen, auf den Stühlen lagen Kissen. Cassie buk ihr Brot selbst, kochte aus dem Gemüse, das sie zog, köstliche Suppen, und im Winter köchelte auf dem Herd stets ein Topf mit einem deftigen, schmackhaften Eintopf.

»Komm schon, raus damit«, befahl Molly. »Was ist los? Langweiligen Kram wie die Herstellung von Ingwerbier erzählst du mir nur, wenn dir was auf der Seele liegt.«

Cassie seufzte. »Ach, eigentlich ist es nicht so schlimm, bloß dieser Mistkerl Gerry, von dem ich dir erzählt habe. Er war gestern ziemlich hässlich zu mir. Er glaubt, dass ich mich mit jemand anderem treffe.«

»Und tust du das?«, fragte Molly.

»Ja, klar, ich habe dir doch gesagt, dass ich an verschiedenen Männern verschiedene Dinge mag. Gerry ist gut im Bett, aber ansonsten ist er ein mieser Typ. Brian ist langweilig, aber er ist total nett zu Petal. Mit Mike kann man wirklich Spaß haben, und er ist auch großzügig, aber leider so launenhaft wie das Wetter. Ich weiß nie, wann er sich mal wieder blicken lässt.«

»Hast du Gerry gegenüber zugegeben, dass du dich mit anderen Männern triffst?«

»Ja. Natürlich habe ich keine Namen genannt und außerdem behauptet, sie wären bloß gute Freunde, keine Liebhaber. Aber Gerry ist trotzdem total ausgerastet. Er hat mich eine Schlampe genannt und noch einiges mehr, was ich lieber nicht wiederholen möchte.«

»Hat Petal das alles mitbekommen?«

»Nein, das glaube ich nicht. Wir waren draußen. Sie war im Bett und schlief schon, als er kam, und ist auch nicht aufgewacht, glaube ich.«

»Wie bist du mit ihm verblieben?«, fragte Molly.

Cassie zuckte die Achseln. »Ich hab ihm gesagt, dass er kein Recht hat, mir vorzuschreiben, wen ich sehen darf und wen nicht, und dass er sich ruhig vom Acker machen kann, wenn ihm das nicht passt. Oder so ähnlich jedenfalls. Stell dir vor, da kommt der doch glatt einen Schritt auf mich zu, als ob er mich schlagen wollte! Ich hab mir sofort eine Flasche geschnappt, damit er weiß, mit wem er es zu tun hat, und da hat er sich verzogen.«

Cassie wechselte das Thema, indem sie über die Gemüsesorten sprach, die sie angepflanzt hatte, und kurz darauf fuhr Molly zurück zum Geschäft ihrer Eltern.

Ihr war klar, dass sie George davon berichten musste, aber sie wusste nicht, wie sie das anstellen sollte. Cassie war der einzige Mensch, den sie kannte, der frank und frei über Sex sprach; andere Mädchen erwähnten das Thema entweder überhaupt nicht oder verwendeten irgendwelche beschönigenden Ausdrücke. Wenn sie wiederholte, was Cassie ihr erzählt hatte, würden George und die anderen Polizisten ihre Freundin für ein gewöhnliches Flittchen halten, und Molly konnte den Gedanken nicht ertragen, dass die Männer über sie witzeln und anzügliche Bemerkungen machen könnten.

»Ich bin nur ungefähr eine halbe Stunde geblieben«, sagte sie zögernd und überlegte, wie sie George sagen sollte, was sie wusste. Aber noch während sie darüber nachdachte, ging die Tür auf, und Sergeant Bailey kam herein. Er war ein stämmiger Mann um die fünfzig und seit Molly sich erinnern konnte im Polizeirevier von Sawbridge stationiert.

»Kommst du klar, Molly?«, fragte er, beugte sich über ihren Stuhl und sah sie mitleidig an. »Muss ein schlimmer Schock gewesen sein, etwas so Furchtbares zu sehen. Du hast recht, Miss March ist tot, und so leid es mir tut, dir das sagen zu müssen, wir gehen davon aus, dass sie ermordet worden ist.«

»Nein!«, schrie Molly entsetzt auf. Es war eine Sache, an diese Möglichkeit zu denken, eine ganz andere aber, ihre Vermutung bestätigt zu sehen. »Warum sollte jemand so etwas tun? Und wo ist Petal? Ist sie auch umgebracht worden?«

»Nichts im Cottage weist darauf hin, dass Petal etwas zugestoßen ist. Wir haben rasch die nähere Umgebung durchkämmt, aber keine Spur von ihr gefunden. Ich habe ein paar meiner Männer kommen lassen und Verstärkung aus Bristol angefordert, um eine gründliche Suche zu starten, aber ich glaube nicht, dass sie heute noch kommen werden. Was deine Frage angeht, warum jemand das Miss March antun sollte … nun, genau das müssen wir herausfinden. Und du kannst uns dabei helfen, indem du uns alles erzählst, was du über sie weißt.«

»Aber alle Ihre Männer sollten sofort Petal suchen«, brach es aus ihr heraus. »Sie ist erst sechs, und sie muss außer sich vor Angst sein und noch dazu völlig durchnässt und halb erfroren. Sie können sie nicht bis morgen da draußen herumirren lassen.«

Sergeant Bailey und George wechselten einen Blick. »Molly war gerade dabei, mir von ihrem letzten Besuch bei Miss March zu erzählen«, sagte George. »Aber wenn Sie wollen, kann ich jetzt gleich zum Stone Cottage gehen und anfangen zu suchen.«

Der Sergeant sah von George zu Molly und klopfte ihr auf die Schulter. »Sprich du nur weiter mit PC Walsh. Ich muss mich mit dem CID in Bristol in Verbindung setzen und bei den Nachbarn herumfragen, ob irgendjemandem etwas Ungewöhnliches aufgefallen ist. Hätten keinen schlimmeren Tag für ein Verbrechen erwischen können – die halbe Truppe hat Urlaub, und der Regen wird sämtliche Beweise wegspülen. Aber wir versuchen, noch heute eine Suche zu starten, das verspreche ich dir.«

Molly fand immer noch, dass ein vermisstes Kind wichtiger sein sollte als die Befragung der Dorfbewohner, mochte aber Sergeant Bailey nicht widersprechen.

George tippte kurz an ihren Ellbogen, als Bailey den Raum verließ. »Kurz bevor der Sergeant kam, hatte ich das Gefühl, dass du mir etwas über Cassie sagen wolltest«, sagte er. »Habe ich recht? Ging es um einen Freund?«

Molly war noch Jungfrau, und das wollte sie auch bleiben, bis sie heiratete, deshalb wand sie sich innerlich vor Verlegenheit, weil sie George mitteilen musste, was Cassie ihr erzählt hatte. Aber sie durfte es nicht verschweigen; immerhin konnte einer dieser Männer der Mörder sein.

Mit niedergeschlagenem Blick berichtete sie, was Cassie ihr über die Männer in ihrem Leben erzählt hatte.

»Sie hat gesagt, dass Gerry ›gut im Bett‹, aber ansonsten ein mieser Kerl ist«, brachte sie heraus, wobei ihr nicht ganz klar war, was der erste Teil des Satzes eigentlich bedeutete.

Von sechzehn bis achtzehn war sie mit Raymond Weizer befreundet gewesen. Sie gingen manchmal ins Kino, meistens aber machten sie nur gemeinsame Spaziergänge, und als er seinen Wehrdienst leisten musste, verlief das Ganze im Sand. Und wie sie Cassie einmal anvertraut hatte, war ihre Beziehung auch nicht sonderlich aufregend gewesen. Zu mehr als einem gelegentlichen Kuss war es nie gekommen. Ihre Eltern hatten Raymond gebilligt, weil seine Eltern Bauern waren und er irgendwann einmal den Hof übernehmen würde. Sechs Monate nach seiner Entlassung aus der Armee heiratete Raymond Susan Sadler, und mittlerweile hatten sie drei Kinder. Molly war seither mit verschiedenen jungen Männern ins Kino oder zu Tanzveranstaltungen gegangen, aber über Küssen war es nie hinausgegangen, und mit einer einzigen Ausnahme hatte sie keinen der Männer attraktiv genug gefunden, um sich zu wünschen, er würde weitergehen.

Weil ihr aber bewusst war, wie wichtig für die Untersuchung von Cassies Tod Informationen über die Männer in ihrem Leben waren, erzählte sie George, was Cassie ihr anvertraut hatte, auch wenn sie dabei rot wurde und gelegentlich ins Stammeln geriet.

Auch George wirkte ein bisschen verlegen.

»Es ist nicht leicht, etwas weiterzuerzählen, was einem im Vertrauen gesagt worden ist«, gestand Molly, als sie fertig war. »Vor allem, weil ich manchmal gar nicht genau gewusst habe, was sie meint. Aber ich wollte sie auch nicht bitten, es näher zu erklären.«

»Das hast du sehr gut gemacht«, sagte er, und ihr fiel auf, dass er ein kleines Grübchen im Kinn hatte, wenn er lächelte. »Ich nehme an, du weißt nicht, wie diese Männer mit Nachnamen heißen oder wo sie wohnen«, fügte er hinzu.

»Nein, aber es kann nicht sehr weit weg sein, wenn sie einfach nach Lust und Laune bei ihr hereinschneien konnten«, sagte Molly. »Habt ihr schon nachgeschaut, ob Cassie ein Adressbuch hatte? Ich habe sie häufig in der Telefonzelle gesehen. Vielleicht hat sie mit einem von ihnen telefoniert.«

George warf ihr einen Blick zu, der deutlich besagte: »Du musst der Polizei nicht sagen, wie sie ihre Arbeit zu machen hat.«

»Entschuldigung«, sagte sie. »Das war ziemlich besserwisserisch.«

»Schon gut. Lieber so, als gar nichts zu sagen. Weißt du vielleicht, was Petal heute angehabt hat?«

»Nein. Gestern trug sie ihr blau kariertes Schulkleid, aber das durfte sie nur an Schultagen anziehen. Wahrscheinlich hat sie ihre roten Shorts an. Ich könnte dir mehr sagen, wenn ich einen Blick ins Schlafzimmer werfen dürfte. Dann wüsste ich, was fehlt.«

»Hat Cassandra je erwähnt, dass sie belästigt worden ist?«, fragte George. »Jemand, der bei ihr auftauchte und ihr Ärger gemacht hat – vielleicht jemand aus ihrer Vergangenheit?«

»Erwähnt hat sie so etwas nie – na ja, abgesehen von diesem Gerry«, antwortete Molly. »Aber sie konnte knallhart sein, George! Wenn ihr jemand lästig gefallen wäre, hätte sie den Betreffenden im Handumdrehen zum Teufel geschickt. Sie hat sich nichts gefallen lassen.« Fast hätte sie hinzugefügt: »Im Gegensatz zu mir.« Schließlich ließ sie sich schon seit Jahren gefallen, dass ihr Vater die größten Gemeinheiten zu ihr sagte und sie manchmal sogar schlug. Cassie hatte kein Hehl aus ihrer Meinung gemacht, dass Mollys Vater ein Rohling und ihre Mutter, die tatenlos zusah, kaum besser war. Ihrer Meinung nach hätte Molly die beiden umgehend verlassen sollen.

»Hat sie dir erzählt, wo sie gelebt hat, bevor sie nach Sawbridge gezogen ist?«, unterbrach George ihre Gedanken.

Molly dachte nach. Genau diese Frage hatte sie sich selbst oft gestellt. »Ich kann dir darauf keine richtige Antwort geben, weil Cassie nie darüber gesprochen hat, aber ich glaube, sie hat einen großen Teil ihres Lebens in London oder in der Nähe von London verbracht. Sie hat oft Kunstgalerien und Theater erwähnt, und zwar auf eine Weise, als wäre ihr so was total vertraut. Manchmal hat sie auch Devon, Glastonbury, Wells und andere Orte genannt, aber ich hatte den Eindruck, dass sie einfach nur eine Weile herumgezogen ist, um einen Ort zu suchen, an dem sie Petal großziehen kann. Und als sie nach Sawbridge kam, glaubte sie, den richtigen Platz gefunden zu haben. Sie hat mir einmal erzählt, dass sie schon seit Jahren von einem Zuhause wie Stone Cottage geträumt hat.«

Auf einmal fühlte sich Molly todmüde, als wäre alle Energie aus ihrem Körper gewichen. Sie wollte nicht mehr reden; außerdem hatte sie ohnehin nichts mehr zu sagen.

»Wenn du das hier unterschrieben hast, kannst du nach Hause gehen«, sagte George, als könnte er spüren, wie ihr zumute war. »Du siehst total erledigt aus – kein Wunder nach allem, was du mitgemacht hast –, und ich weiß, dass du seit sieben Uhr morgens auf den Beinen bist. Als ich meinen Dienst antrat, habe ich gesehen, wie du haufenweise Zeug zum Gemeindesaal geschleppt hast.«

»Ich habe das Gefühl, dass nach dem heutigen Tag nichts mehr so sein wird, wie es einmal war«, erwiderte Molly bedrückt, als sie sich mühsam hochrappelte. »Ist das dumm von mir?«

PC Walsh nahm ihre Hände in seine und sah sie an. »Wir kennen uns schon sehr lange, Molly«, sagte er. »Vielleicht wird wirklich nichts mehr so sein, wie es war, aber das heißt nicht unbedingt, dass es schlechter wird. Manchmal muss etwas Schlimmes passieren, damit wir erkennen, wohin wir wollen und mit wem.«

Molly lächelte matt. Sie hätte gern geglaubt, dass er damit Interesse an ihr zeigen wollte, aber nach allem, was passiert war, gehörte es sich nicht, ausgerechnet heute an so etwas zu denken.

»Wir sehen uns morgen, Molly«, sagte er. »Falls dir noch irgendetwas einfällt, das für unsere Ermittlungen von Wert sein könnte, schreib es lieber auf, damit du es nicht vergisst.«

KAPITEL 3

Als Molly kurz nach sieben das Polizeirevier verließ, regnete es immer noch. Aus dem Pied Horse dröhnte laute Musik, und Molly blieb mitten auf der Straße stehen. Sie wusste, dass die Percys für heute Abend eine kleine Band engagiert hatten. Bei schönem Wetter hätten die Musiker draußen auf der Straße gespielt und Molly hätte beim Servieren geholfen.

Unerhört, dass die Percys die Band nicht in dem Moment abbestellt hatten, als Sergeant Bailey ihnen Cassies Tod mitteilte, fand Molly. Es war nicht richtig, fröhlich weiterzufeiern, wenn gerade eine junge Frau ermordet worden war und von ihrem Kind jede Spur fehlte.

Zorn brodelte in ihr, als sie an die Menschen dachte, die in so einem Moment lachen, reden und trinken konnten, und heiße Tränen stiegen ihr in die Augen. Ständig stand ihr das Bild vor Augen, wie Petal durch den Wald irrte, hungrig und nass bis auf die Haut und nach dem gewaltsamen Tod ihrer Mutter viel zu verängstigt, um zu irgendwelchen Nachbarn zu laufen.

Aber auf einmal drohte ein noch schlimmeres Bild das vorige zu verdrängen – Petals schmächtiger Körper, der hastig im Gestrüpp versteckt worden war, ermordet, damit sie den Mörder ihrer Mutter nicht identifizieren konnte.

Molly verlor ihre angeborene Scheu. Zielstrebig marschierte sie zum Pub, riss die Tür weit auf und ließ eine bittere Schimpfkanonade los. »Ihr solltet heute Abend wirklich nicht mehr feiern und trinken!«, brüllte sie aus voller Kehle.

Die Band hörte auf zu spielen, und alle drehten sich zu ihr um. Die verständnislosen Mienen der Leute stachelten ihren Zorn noch mehr an.

»Ihr wisst doch sicher alle, dass Cassandra March heute tot in ihrem Haus aufgefunden wurde und dass ihre sechs Jahre alte Tochter verschwunden ist? Vielleicht ist die kleine Petal genauso ermordet worden wie ihre Mutter. Aber vielleicht ist sie auch bloß vor dem Mann weggelaufen, der ihre Mutter umgebracht hat. Und ihr bringt es fertig, euch hier zu amüsieren, während eine verängstigte Sechsjährige sich bei diesem Wetter irgendwo im Wald versteckt?« Sie ließ ihre Frage ein paar Sekunden einsickern. »Also, wer kommt mit und hilft mir suchen? Heute Abend wird es erst gegen zehn Uhr dunkel, uns bleiben also noch drei Stunden, um Petal zu finden.«

Leises Getuschel hob an. Normalerweise wären kaum weibliche Gäste im Pub gewesen, aber weil es ein besonderer Anlass war, hielten sich an diesem Abend um die zwanzig Frauen hier auf. Allerdings wirkten gerade die, von denen Molly erwartet hätte, dass sie ihre Männer sofort losschicken würden, regelrecht indigniert.

»Kommt schon!«, rief Molly, wobei sie sich insgeheim fragte, woher sie den Mut dazu nahm. »Stellt euch vor, euer kleines Mädchen wäre da draußen in den Wäldern!«

Die ersten beiden Männer, die vortraten, waren um die fünfzig, John Sutherland und Alec Carpenter, beide Landarbeiter.

»Danke«, sagte Molly. »Ihr seid wahre Gentlemen. Na, wer macht noch mit?«

Es dauerte eine Weile und erforderte einige geraunte Debatten, aber allmählich stellten sich noch ein paar andere Männer zu John und Alec. Am Ende waren es insgesamt achtzehn.

Drei machten sofort einen Rückzieher, als ihnen klar wurde, dass sie den Hügel hinaufsteigen mussten, und auf halbem Weg machten vier weitere kehrt und gingen zurück ins Dorf.

»Ein Bier ist euch also wichtiger als das Leben eines Kindes, was?«, rief Molly ihnen verächtlich nach.

Als die verbliebenen elf Männer den Weg erreichten, der zum Stone Cottage führte, blieben sie stehen und starrten betroffen auf den Schlamm.