Das Märchen vom Fingerhutland - Andreas Petz - E-Book

Das Märchen vom Fingerhutland E-Book

Andreas Petz

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Beschreibung

In der heutigen Zeit wird er nur noch von wenigen Menschen wirklich benutzt, der Fingerhut. Er ist mittlerweile eher für Sammler von Bedeutung. Dabei bietet ein Fingerhut doch so viele interessante und abwechslungsreiche Geschichten. Komm mit ins Fingerhutland und lass dich von wundervollen und spannenden Märchen und Geschichten verzaubern.

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Seitenzahl: 153

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Vita

Andreas Petz wurde 1962 in Stuttgart geboren. Wenig später zog die Familie aufs Land und Petz wuchs auf der Hohenloher Ebene auf. Nach dem Abschluss der Mittleren Reife und seiner Lehre war Andreas Petz zwei Jahre bei der Marine. Eine lehrreiche und stürmische Zeit, die ihn um die halbe Welt führte. Anschließend bildete er sich nach der Tagesarbeit weiter und ist seit über 30 Jahren im Finanzbereich tätig.

Das Schreiben war schon immer ein Hobby von ihm: Gedichte, Liedtexte, Kurzgeschichten und Erzählungen. Mittlerweile sind schon einige Bücher von ihm erschienen, die gerne gelesen werden.

Andreas Petz ist geschieden, hat zwei erwachsene Kinder und lebt heute in Gammesfeld, dem Ort mit der kleinsten Bank Deutschlands.

Vielen Dank an: Angela Hochwimmer und Mia Theumer.

Inhaltsverzeichnis

Das Märchen vom Fingerhutland (Teil 1)

Autsch (Gedicht)

Ein Fingerhut voll

Der magische Fingerhut

Der Mann mit dem Fingerhut

Prinzesschen

Das kleine Mädelein (Gedicht)

Die drei Fingerhüte

Die Fingerhut-Spieluhr

Der goldene Fingerhut

Das Märchen vom Fingerhutland (Teil 2)

Der Fluch der Fingerhüte

Magic Thimble

Die Fingerhüter von Nürnberg

Katharina und der Fingerhut

Ein Fingerhutmärchen (Gedicht)

Der Schneider und die Hexe

Regina und das Regenbogenland

Fingerhutlied

Die Näh-Liesl

Der gläserne Fingerhut

Inge und die Räuber

Das Märchen vom Fingerhutland (Teil 3)

Das Märchen vom Fingerhutland

Manchmal kommt es vor, dass es Kindern langweilig ist. Besonders dann, wenn sich kein Fernseher oder Computer in der Nähe befindet. So ging es auch Katrin und Ralf, den 8- und 10-jährigen Enkelkindern von Margit. Die beiden waren zu Besuch bei der Großmutter und sollten dort einen Teil ihrer Ferien verbringen.

Zwar gab sich die Großmutter die größte Mühe, die beiden zu unterhalten und mit ihnen zu spielen, aber sie konnte nicht die ganze Zeit für sie da sein. Zum Beispiel beim Essenkochen waren die beiden Kinder sich selbst überlassen. Und eines Tages ist es dann passiert.

Als die Großmutter in den Keller ging, um Kartoffeln zu holen, da schlichen sich die beiden neugierig auf den geheimnisvollen Dachboden. Hui, was standen da für herrliche, interessante Gegenstände herum! Alte Bilder, die blühende Landschaften mit seltsamen Blumen und Bäumen zeigten. Ein Schrank voll merkwürdiger Kleider in kunterbunten Farben und sogar eine Ritterrüstung mit einem Helm, der aussah wie ein übergroßer Fingerhut. Eigentlich war es den Kindern verboten, den Dachboden zu betreten, aber angesichts dieser wundervollen Gegenstände konnten die beiden nicht einsehen, warum. Sie würden schon nichts kaputt machen.

Voller Spannung betrachteten die zwei all diese zauberhaften Gegenstände. Plötzlich winkte Ralf, der vorausgegangen war, seine Schwester zu sich, und als diese neben ihn trat, zeigte er auf eine große hölzerne Schatztruhe. Das war ja spannend wie in einem Piratenfilm. Vorsichtig traten die zwei näher, und mit vereinten Kräften gelang es ihnen, den schweren Deckel der Truhe zu öffnen. Aber dann waren sie doch etwas enttäuscht. In der Truhe befand sich kein glitzernder Goldschatz, sondern lediglich Nähsachen. Mehrere unterschiedlich große Scheren, viele Rollen voller Fäden, Stecknadeln, bunte Knöpfe, einige Maßbänder, zahllose verschieden große Nadeln und einige Stoffreste. Das einzig Glitzernde in der Truhe war ein goldener Fingerhut mit einer wundervollen Verzierung, der friedlich in einem mit Samt ausgelegtem Kästchen ruhte.

Ralf konnte ihm nicht widerstehen; er nahm den Fingerhut und steckte ihn auf einen seiner Finger. Katrin erschrak sehr, denn urplötzlich verschwand Ralf in dem Fingerhut. Er wurde regelrecht in den Fingerhut hineingezogen, und der goldene Hut fiel mit einem Klimpern zu Boden. Ralf war verschwunden.

»Ralf!«, rief Katrin entsetzt, »Ralf, wo bist du? Komm zurück! Das ist kein Spaß!« Aber Ralf blieb verschwunden. Angstvoll und vorsichtig hob Katrin den Fingerhut auf und rannte hinunter ins Haus. In der Küche fand sie die Großmutter, die gerade beim Kartoffelschälen war.

»Großmutter! Großmutter!«, rief das Mädchen ängstlich. »Ralf und ich, wir waren auf dem Dachboden und haben in einer Truhe einen goldenen Fingerhut gefunden.« Die Großmutter machte ein entsetztes Gesicht und ihre Augen wurden groß. Katrin fuhr fort: »Ralf hat sich den Fingerhut auf den Finger gesteckt, so …«. Um der Großmutter zu zeigen, was Ralf getan hatte, steckte sich die Kleine den Fingerhut auf einen ihrer Finger. Sie hörte nur noch, wie die Oma »Nicht!« rief, dann verschwand auch sie im Fingerhut, der erneut mit einem lauten Klimpern zu Boden fiel.

»Oh nein!«, die Großmutter ließ die halb geschälte Kartoffel fallen und legte das Messer erschöpft auf den Tisch. Dann hielt sie sich die Hände vor das Gesicht und begann fürchterlich zu weinen.

Ralf fühlte sich unterdessen sehr mulmig. Es kam ihm vor, als flöge er mit ungeheurer Geschwindigkeit durch den Weltraum. Rund um ihn herum leuchteten die Sterne. Doch schon nach kurzer Zeit wurde sein Flug langsamer und er landete sanft auf einer wundervollen grünen Wiese. Noch etwas benommen schaute er sich um. Die Wiese war übersät mit bunten Blumen. Die Blüten der Blumen hatten zwar unterschiedliche Farben, aber die Form war bei allen gleich. Alle hatten die Form eines Fingerhutes. Als Ralf seinen Blick in die Ferne schweifen ließ, sah er am Rand der Wiese einige Büsche und viele Bäume, und merkwürdigerweise hatten auch sie alle die Form von Fingerhüten.

»Wo bin ich hier?«, fragte sich Ralf, da kam plötzlich ein heftiger Wind auf und nur wenige Meter von ihm entfernt saß plötzlich seine Schwester.

»Katrin!«, rief er, rannte auf seine Schwester zu und umarmte sie freudig. »Die Großmutter weiß Bescheid!«, sagte Katrin unter Tränen, »aber ich wurde auch von dem Fingerhut verschluckt. Wo sind wir hier?«, fragte sie dann.

»Ich weiß es nicht«, meinte Ralf, »noch nicht. Aber das finden wir heraus. Komm, lass uns auf den Hügel dort gehen, vielleicht können wir von dort das Haus der Großmutter sehen, dann sind wir bald wieder bei ihr.«

Als sie sich auf den Weg machten, hörten sie plötzlich leise Stimmen. Diese sagten: »Neue Untertanen für die Königin.« »Sie sehen stark und kräftig aus.« »Da wird die Königin sich freuen!«

»Wer spricht denn da?«, fragte Ralf, aber er bekam keine Antwort. Die Stimmen verstummten. Schnellen Schrittes lief er mit seiner Schwester den Hügel hinauf. Oben angekommen blickten sie rundum. Überall sahen sie nur Wald und Wiesen, aber keine Häuser. »Da!«, sagte Katrin plötzlich und deutete in eine bestimmte Richtung. Als ihr Bruder dorthin blickte, konnte er in weiter Entfernung ein großes Schloss erkennen. Die Dächer der Türme sahen aus wie Fingerhüte.

»Komm«, sagte er zu seiner Schwester, »dort muss doch jemand wohnen, der uns Auskunft geben und sogar weiterhelfen kann, damit wir wieder nach Hause finden.« Hand in Hand liefen sie los, immer das Schloss in Sicht. Schon nach kurzer Zeit kamen sie durch einen großen Wald, und auch hier hörten sie wieder die Stimmen: »Neue Untertanen für die Königin.« »Sie sehen stark und kräftig aus.« »Da wird die Königin sich freuen!« Katrin drückte die Hand ihres Bruders fester und gemeinsam beschleunigten sie ihre Schritte.

Sie liefen noch mitten im Wald, als sie plötzlich von vier komisch anmutenden Soldaten umringt wurden. Sie sahen aus wie lange dünne Nadeln auf zwei Beinen und trugen dünne spitzige Nadeln, wie Schwerter. »Haben wir euch!« und »Mitkommen!«, riefen sie den beiden zu. Zwei der Nadelsoldaten gingen vorneweg, dann folgten Ralf und Katrin. Zwei weitere Nadelsoldaten folgten ihnen, ihre Nadelschwerter auf die beiden Geschwister gerichtet, die vor Schreck nicht reden konnten. Solch merkwürdige Gestalten hatten sie noch nie gesehen. So ging es weiter in Richtung des Schlosses.

Sie waren noch nicht weit gegangen, da huschte urplötzlich eine Gestalt hinter ihnen vorbei, und die zwei dünnen Nadelsoldaten, die hinter ihnen gegangen waren, flogen nur so zwischen die Bäume. Noch ehe die beiden vorderen mitbekamen, was da los war, flogen auch sie unsanft vom Weg. Vor den Geschwistern stand ein alter Mann mit einem langen weißen Bart. Er hatte ein sanftmütiges Gesicht, reichte den beiden die Hände und sagte: »Schnell, folgt mir!« In großer Eile rannten die drei mitten in das Dickicht des Waldes hinein. Es war kein Weg zu erkennen, aber der alte Mann schien genau zu wissen, wohin er gehen musste. Ohne zu zögern, schritt er voran.

Nach langem beschwerlichem Marschieren hielt der alte Mann plötzlich an. Erst jetzt hatten Ralf und Katrin Gelegenheit, ihn näher zu betrachten. Er sah freundlich aus, obwohl seine Kleider ziemlich heruntergekommen waren. Wie von Zauberhand gesteuert erschien plötzlich von oben aus einer dichten Baumkrone eine Leiter. Die drei kletterten hoch und kamen in ein wundervolles Baumhaus. So wie die Leiter erschienen war, verschwand sie auch wieder, auf geheimnisvolle Art und Weise.

»Hier sind wir in Sicherheit! Ich heiße Martin, und ihr?«, fragte der Alte die beiden nun in freundlichem Ton. »Ich bin Ralf und das ist meine Schwester Katrin.«, antwortete Ralf.

»Freut mich, euch kennenzulernen«, sagte Martin, dann wollte er von den beiden wissen: »Wie seid ihr denn hierhergekommen?«

Der Junge erzählte nun die Geschichte mit dem Fingerhut aus der Truhe vom Dachboden der Großmutter. Als er fertig war, fragte der alte Mann interessiert: »Wie heißt denn eure Großmutter?«

»Oma Margit«, antwortete Katrin. Kaum hatte sie ausgesprochen, da kniete Martin sich nieder, umarmte die beiden herzlich und begann zu weinen. Die Geschwister wunderten sich sehr, aber dann sagte der alte Mann zu ihnen: »Dann seid ihr meine Enkelkinder. Ich bin euer Großvater, Opa Martin.«

Erstaunt und sprachlos blickten ihn die Kinder nun an. Katrin fand als Erste ihre Sprache wieder und sie fragte ungläubig: »Opa Martin? Aber wir haben doch gar keinen Opa.« »Oh doch!«, antwortete dieser fröhlich, dann erklärte er: »Als ihr noch nicht geboren wart, da ging es mir genauso wie euch heute. Ich entdeckte den Fingerhut und steckte ihn mir auf den Finger. Da wurde ich plötzlich in das Fingerhutland gesogen, und seitdem bin ich hier.«

Ralf war es, der nun interessiert fragte: »Bedeutet das, es gibt keinen Weg zurück? Müssen wir für immer hierbleiben?« Katrin entfuhr ein Schreckensruf. Der Opa antwortete: »Nicht unbedingt. Es gibt einen Rückweg, aber alleine ist es mir bisher nicht gelungen. Es ist so: Hier gibt es eine Königin, die Fingerhutkönigin. Sie wohnt in dem Schloss, das ihr wohl schon gesehen habt, und sie besitzt ebenfalls einen goldenen Fingerhut, so wie eure Großmutter. Wenn man sich diesen Fingerhut aufsetzt, gelangt man wieder dorthin zurück, wo man hergekommen ist oder wo sich der andere Fingerhut befindet. Wir müssten uns in den Besitz des Fingerhutes bringen, dann könnten wir alle zurück.« Der Opa begann, vor sich hin zu träumen.

Wieder war es der Junge, der fragte: »Weißt du denn, wo dieser Fingerhut aufbewahrt wird?« »Ja, schon«, antwortete der Großvater. »Also, vorausgesetzt, die Königin hat ihn nicht woanders hingetan, dann müsste er nach meinem Wissen in einer Vitrine im Thronsaal aufbewahrt sein.«

»Kommt«, meinte der Großvater nun, »ihr seid bestimmt hungrig und durstig. Lasst uns etwas essen und trinken, und dann erzählt mir erst einmal von zu Hause und von eurer Großmutter. Ich bin sehr neugierig. Und morgen schmieden wir einen Plan, wie wir an den Fingerhut und damit wieder zurückkommen. Sicher machen sich eure Eltern und die Oma große Sorgen.«

Der Tag ging sehr schnell vorbei, die Kinder hatten viel zu erzählen, denn schließlich hatte der Opa viele Jahre ihrer Kindheit verpasst. Aber auch die Kinder hatten viele Fragen über das merkwürdige Fingerhutland. Bald waren alle sehr müde und legten sich schlafen. Als die Kinder am nächsten Morgen erwachten, saß der Opa mit einigen merkwürdigen Gestalten am Tisch. Eine sah aus wie eine riesengroße Stecknadel mit einem gelben runden Kopf. Eine andere war ein großer runder, aber flacher schwarzer Knopf mit kurzen Armen und Beinen, und eine dritte sah aus wie eine silberne Schere.

Großvater Martin stellte die Gestalten seinen Enkelkindern vor: »Das sind meine Freunde Steckie, Knopf und Cutty!« Dabei deutete er nacheinander auf die Stecknadel, den Knopf und die Schere. Dann zeigte er auf die Kinder und sagte: »Meine Enkelkinder Ralf und Katrin.«

»Steckie, Knopf und Cutty wollen uns helfen, an den goldenen Fingerhut der Königin zu gelangen, damit wir alle drei wieder zurückkönnen«, erklärte er den Kleinen, »Steckie hat auch schon eine Idee.«

»Ja«, meinte Steckie mit einer spitzen, dünnen Stimme, »wir müssten die Königin und ihre Soldaten irgendwie aus dem Schloss locken. Vielleicht gelingt es uns dreien«, er deutete auf Knopf, Cutty und sich, »irgendwo im Land Unruhe zu stiften, so dass die Königin glaubt, ihr Reich würde angegriffen. Dann ist das Schloss leer oder fast leer, und es könnte euch gelingen, an den Fingerhut zu kommen.«

»Das wäre großartig!«, meinte Ralf. »Und ihr würdet das für uns tun? Ist das nicht gefährlich für euch?«

»Oooch, das würde uns großen Spaß machen!«, meinte Knopf, und Cutty fügte hinzu; »Hier ist doch sonst nicht viel los. Wird Zeit, dass mal was Aufregendes passiert.«

Ralf war erstaunt. Die drei riskierten womöglich ihr Leben oder zumindest eine Gefangenschaft und vielleicht sogar Folter, damit er, Katrin und der Großvater wieder zurückkonnten, und es machte ihnen scheinbar gar nichts aus. Wie mutig die drei doch waren und welch gute Freunde seines Großvaters!

Steckie, Knopf und Cutty machten sich sofort auf den Weg, um in einer entfernten Gegend Unruhe zu stiften. Martin, Ralf und Katrin würden sich am nächsten Morgen auf den Weg zum Schloss machen, sich dort in der Nähe verstecken und abwarten, ob die Soldaten und die Königin tatsächlich das Schloss verließen.

Früh am nächsten Morgen machten sie sich auf den Weg. Der Großvater trug einen Rucksack, der mit vielen Seilen gefüllt war. Vorsichtig führte Martin seine beiden Enkelkinder durch den Wald bis dicht vor das Schloss. Sie waren niemandem begegnet und konnten sich in einem dichten Gebüsch gut und sicher verstecken. Von hier aus beobachteten sie das einzige Tor zum Schloss. Vor dem Tor standen zwei der Nadelsoldaten, die Ralf und Katrin schon kennengelernt hatten, und hielten Wache.

Sie mussten gar nicht lange warten, da ritt ein einzelner Nadelsoldat auf einem dünnen Nadelkissen heran, vorbei an den Wächtern und schnell hinein ins Schloss. Sicher war das ein Bote, der die Nachricht von der entstandenen Unruhe überbrachte. Tatsächlich erklangen schon kurze Zeit später Fanfaren und im Schloss machte sich ein reges Treiben bemerkbar. Sollte der Plan so gut funktionieren? Nur die beiden Wächter vor dem Tor, die müssten jedenfalls noch überwunden werden.

Kurze Zeit später kamen die Soldaten der Königin aus dem Schloss. Zuerst marschierten viele Nadelsoldaten zu Fuß heran, dann kamen einige Nadelkissen, auf denen weitere Nadelsoldaten ritten. Dann erschien eine Armee an Knöpfen, die Hälfte zu Fuß, die andere Hälfte auf merkwürdigen Wagen, deren Räder ebenfalls aus Knöpfen bestanden. Dann kam die Fingerhutkönigin; sie ritt auf einem weichen Nadelkissen, trug einen wundervollen roten Mantel und hatte einen silbernen Fingerhut auf dem Kopf. In der Hand trug sie ein silbernes Nadelschwert.

Hinter ihr erschien eine Armee an Scherensoldaten. »Die sehen aus wie Cutty!«, flüsterte Katrin.

Als die Armee sich entfernte, wurde es sehr ruhig um das Schloss. Geduldig wartete der Großvater noch einige Zeit, bis sich die Armee weit genug vom Schloss entfernt hatte, dann gab er Ralf und Katrin einige Seile aus dem Rucksack und die drei schlichen sich vorsichtig ganz nah an die beiden Wächter vor dem Schlosstor. Urplötzlich rannte Martin unter lautem Gebrüll los, alleine überwältigte er die völlig überraschten Wächter und zusammen fesselten sie die beiden aneinander. Dann bekamen beide noch einen Knebel in den Mund, damit sie nicht um Hilfe schreien konnten, und wurden seitlich im Gebüsch versteckt.

»Wenn ich gewusst hätte«, begann der Großvater, »dass es so einfach ist, dann hätte ich das schon viel früher versucht.« Vorsichtigen Schrittes betraten die drei das Schloss. Es ging von Raum zu Raum. Niemand war mehr da; das Schloss war tatsächlich leer. Nachdem sie einige Räume durchschritten hatten, kamen sie in den Thronsaal. Und tatsächlich, da stand die Vitrine und ihr einziger Inhalt war ein goldener Fingerhut, der in einem samtenen Kästchen lag. Martin versuchte, die Vitrine zu öffnen, aber sie war fest verschlossen. Deshalb versuchte er, mit einem Schwert, das an der Wand hing, das Glas einzuschlagen. Aber auch das funktionierte nicht.

»Meint ihr, die Königin hat den Schlüssel hier irgendwo versteckt?«, fragte er nun. Ralf und Katrin schauten sich um und begannen zu suchen. Es waren viele Schränke und Kommoden im Saal. Ralf rannte von einem Möbelstück zum anderen und durchwühlte es. Das Mädchen ging in die Nähe des Thrones. Dort stand etwas versteckt ein Nähkästchen.

»Solch ein Nähkästchen hat die Großmutter auch«, sagte sie. »Ja, du hast recht!«, bestätigte der Opa. »Und ich weiß, wie es sich öffnen lässt.« Er trat herbei, drückte an der Seite auf ein Stück Kork, und schwupps, sprang das Nähkästchen auf. Es befand sich viel Schmuck darin, aber auch ein kleiner Schlüssel. Schnell nahm Martin den Schlüssel und ging damit zur Vitrine. Tatsächlich, der Schlüssel passte. Schon hatte der Großvater den goldenen Fingerhut in der Hand. Doch plötzlich hörten die drei ein Geräusch, Türen wurden geöffnet und zugeschlagen. »Schnell!«, rief der Großvater. Katrin war schon bei ihm und er steckte ihr den Fingerhut auf den Finger. Und huiii verschwand Katrin. Martin konnte den Fingerhut auffangen. Schnell bekam Ralf ihn auf den Finger, doch während er verschwand, öffnete sich die Türe und eine Stimme rief: »Hier sind sie!«

Dadurch war der Großvater abgelenkt. Er konnte den Fingerhut nicht auffangen, dieser fiel auf den Boden und kullerte unter die Vitrine. Schnell bückte sich Martin und versuchte den Fingerhut zu erreichen. Da spürte er, wie jemand ihn an seinem Bein festhielt und ihn von der Vitrine wegziehen wollte.

Währenddessen erschienen Katrin und Ralf plötzlich im Wohnzimmer der Großmutter. Auf dem Tisch lag der Fingerhut, mit dem sie ihre Reise begonnen hatten, und auf dem Sofa, da saßen die Großmutter und die Eltern der beiden.

»Katrin!«, schrie ihre Mutter erfreut und umarmte das Mädchen. »Ralf!«, rief der Vater und nahm seinen Jungen in den Arm. »Ihr seid wieder da!«, seufzte die Großmutter glücklich.

Da erschien plötzlich eine weitere Person im Wohnzimmer, ein alter Mann mit einem langen weißen Bart. Seine Kleider waren abgenutzt und an seinem linken Bein hing ein weißer Handschuh.

»Opa!«, riefen Ralf und Katrin zugleich. Der Alte schaute sich im Raum um und ging auf die Großmutter zu: »Hallo Margit!«, flüsterte er, denn seine Stimme versagte. Dann nahmen sich Oma und Opa in den Arm und es flossen viele Tränen. Aber es waren Tränen des Glücks.

Autsch!

»Autsch!«, so rief der arme Finger,

»ihr Nadeln seid so spitzige Dinger.

Ihr tut mir weh bei jedem Stich,

und außerdem verletzt ihr mich.«

»Wir Nadeln können nichts dafür,

der Stoff hat eben keine Tür.