Das Menschengeschlecht - Robert Antelme - E-Book

Das Menschengeschlecht E-Book

Robert Antelme

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Beschreibung

Als Mitglied einer Widerstandsgruppe von der Gestapo im Juni 1944 in Paris gefangen genommen, wurde Robert Antelme nach Fresnes, in das Arbeitslager Gandersheim und schließlich in einem jener Güterzüge, in denen die Gefangenen kurz vor Kriegsende wochenlang und unter schrecklichen Qualen durch Deutschland transportiert wurden, in das Konzentrationslager Dachau verschleppt. Nach der Befreiung durch die Mithilfe François Mitterrands – Mitglied der gleichen Widerstandszelle wie Antelme und mittlerweile zuständig für Kriegsgefangene im Kabinett de Gaulles – nach Paris gebracht, überlebte er nach einem viele Monate dauernden, leidvollen Prozess körperlicher Rekonvaleszenz.
Sein Bericht »Das Menschengeschlecht« gehört zu den bedeutendsten, unmittelbar nach dem Krieg verfassten Zeugnissen. Antelme beschreibt darin die von den Nationalsozialisten systematisch herbeigeführte Vernichtung durch Zwangsarbeit und Aushungern, die auf eine vollständige Entmenschlichung zielende Lagerordnung, die geschürte gegenseitige Erniedrigung der Gefangenen, aber auch deren Solidarität. Antelmes Buch genießt nicht zuletzt wegen seiner außergewöhnlichen literarischen Qualität eine ähnliche Popularität wie die Bücher Primo Levis.
Das unerlässliche Zeugnis ist in der von Eugen Helmlé angefertigten und seit längerer Zeit vergriffenen Übersetzung nun wieder erhältlich.

 

 

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Seitenzahl: 605

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Robert Antelme

Das Menschengeschlecht

Inhalt

Vorwort

Erster Teil

Gandersheim

Für meine Schwester Marie-Louise,

die deportiert wurde und

Vorwort

Vor zwei Jahren, als wir gerade zurückgekehrt waren, haben wir in den ersten Tagen, glaube ich, alle unter dem Druck eines regelrechten Fieberwahns gestanden. Wir wollten sprechen, endlich angehört werden. Man sagte uns, unser physischer Zustand allein sei schon beredt genug. Aber wir kamen gerade zurück, wir brachten unsere Erinnerung mit, unsere noch ganz lebendige Erfahrung, und wir verspürten ein irrsinniges Verlangen, sie so auszusprechen, wie sie war. Und doch schien es uns vom ersten Tag an unmöglich, die uns bewusst gewordene Kluft zwischen der Sprache, über die wir verfügten, und jener Erfahrung, die wir größtenteils immer noch am eigenen Leib verspürten, auszufüllen. Aber wie sollten wir uns damit abfinden können, auf den Versuch zu verzichten, zu erklären, wie wir in diesen Zustand geraten waren, in dem wir uns immer noch befanden? Und doch war es unmöglich. Kaum begannen wir zu erzählen, verschlug es uns schon die Sprache. Was wir zu sagen hatten, begann uns nun selber unvorstellbar zu werden.

Dieses Missverhältnis zwischen der Erfahrung, die wir gemacht hatten und dem Bericht, der darüber möglich war, bestätigte sich in der Folge immer mehr. Wir hatten es also tatsächlich mit einer jener Wirklichkeiten zu tun, von denen es heißt, dass sie die Vorstellung übersteigen. Damit war klar, dass wir nur durch Auswählen, und das heißt wiederum durch unsere Vorstellungskraft versuchen konnten, etwas über sie auszusagen.

Ich habe hier den Versuch unternommen, das Leben eines Kommandos* (Gandersheim) aus einem deutschen Konzentrationslager (Buchenwald) nachzuzeichnen.

Heute weiß man, dass es in den deutschen Konzentrationslagern alle möglichen Grade der Unterdrückung gegeben hat. Abgesehen von den unterschiedlichen Organisationsmodellen zwischen manchen Lagern konnte auch die unterschiedliche Anwendung gleicher Vorschriften die Überlebenschancen unverhältnismäßig steigern oder mindern.

Allein schon die Größe unseres Kommandos brachte einen engen und ständigen Kontakt zwischen den Häftlingen und dem leitenden SS-Apparat mit sich. Die Rolle der Mittelsleute blieb von vornherein auf ein Minimum beschränkt. In Gandersheim war es so, dass der Apparat der Mittelsleute ausschließlich aus Kriminellen bestand. Wir waren etwa fünfhundert Mann und wir konnten dem Kontakt mit den SS-Leuten nicht ausweichen. Beaufsichtigt wurden wir nicht von politischen Häftlingen, sondern von Mördern, Dieben, Betrügern, Sadisten oder Schwarzmarkthändlern, die unter dem Oberbefehl der SS unsere direkten und absoluten Herren waren.

Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass der Kampf um die Macht zwischen den politischen Häftlingen und den Kriminellen nie die Form eines Kampfes um die Macht zwischen zwei aufbegehrenden Gruppen angenommen hat. Es war der Kampf zwischen Menschen, deren Ziel es war, eine Legalität zu errichten, soweit eine Legalität in einer planmäßig als Hölle angelegten Gesellschaft überhaupt möglich ist, und Menschen, deren Ziel es war, die Errichtung einer solchen Legalität um jeden Preis zu verhindern, weil sie sich nur in einer gesetzlosen Gesellschaft Vorteile verschaffen konnten. Unter ihnen konnte nur das nackte Gesetz der SS herrschen. Um zu leben und sogar gut zu leben mussten sie ganz einfach das Gesetz der SS verschärfen. In diesem Sinne haben sie die Rolle von Spitzeln und Aufwieglern gespielt. Hartnäckig und mit bemerkenswerter Logik haben sie unter uns jenen Zustand der Anarchie hervorgerufen und erhalten, den sie brauchten. Sie spielten das Spiel bestens und erwiesen sich damit in den Augen der SS nicht nur als etwas von uns völlig Verschiedenes, sondern auch als unentbehrliche Hilfskräfte, die es wirklich verdient hatten, gut zu leben. Einen Menschen auszuhungern, um ihn dann, wenn er Gemüseabfälle gestohlen hat, strafen zu können und sich dadurch von Seiten der SS eine Belohnung zu verdienen, zum Beispiel eine zusätzliche Portion Suppe, was wiederum auf Kosten dieses ausgehungerten Menschen geht, das war das Prinzip ihrer Taktik.

Unsere Lage kann also nicht mit der von Häftlingen verglichen werden, die sich in Lagern oder Kommandos befanden, die politischen Gefangenen unterstanden. Selbst wenn diese politischen Kader sich korrumpieren ließen, was tatsächlich vorgekommen ist, war es doch selten, dass sie sich nicht ein gewisses Gefühl der alten Solidarität und einen Hass auf den gemeinsamen Feind bewahrt haben, was sie daran hinderte, bis zu jenen Exzessen zu gehen, zu welchen sich die Kriminellen hemmungslos hinreißen ließen.

In Gandersheim waren unsere Aufpasser unsere Feinde.

Da der Verwaltungsapparat demnach das noch verschärfte Unterdrückungsinstrument der SS war, musste ein kollektiver Kampf von vornherein zum Scheitern verurteilt sein. Scheitern bedeutete die langsame Ermordung durch die SS und die Kapos. Alle Versuche, die manche von uns unternahmen, waren vergeblich. Gegenüber dieser allmächtigen Koalition wurde unser Ziel immer bescheidener. Es ging uns nur noch darum, am Leben zu bleiben. Diesen Kampf, der unser gemeinsamer Kampf war, haben die Besten von uns nur auf individuelle Weise führen können. Selbst die Solidarität war eine individuelle Angelegenheit geworden.

Ich berichte hier über das, was ich erlebt habe. Das Schreckliche hat hier nichts Gigantisches. In Gandersheim gab es weder Gaskammer noch Krematorium. Das Schreckliche bestand hier in der Ungewissheit, in dem völligen Mangel an Anhaltspunkten, in der Einsamkeit, der ständigen Unterdrückung, der langsamen Vernichtung. Den Auftrieb zu unserem Kampf bezogen wir aus dem wahnsinnigen und an uns selbst gestellten Anspruch, bis zum Ende Menschen zu bleiben.

Wir glauben nicht, dass die Helden, die wir aus der Geschichte oder der Literatur kennen, ob sie nun die Liebe, die Einsamkeit, die Angst vor dem Sein oder Nichtsein, die Rache aus sich herausgeschrien oder ob sie sich gegen Ungerechtigkeit oder Demütigung erhoben haben, sich jemals dazu veranlasst sahen, als einzigen und letzten Anspruch ein starkes Gefühl der Zugehörigkeit zur Gattung Mensch zum Ausdruck zu bringen.

Zu sagen, wir hätten damals das Gefühl gehabt, als Mensch, als Angehöriger der Gattung in Frage gestellt zu werden, mag wie ein Rückblick, wie eine nachträgliche Erklärung anmuten. Aber es war genau das, was wir damals unmittelbar und ganz schmerzhaft erlebten, und es war übrigens auch das, genau das, was die anderen wollten. Sobald das eigentliche Menschsein in Frage gestellt wird, stellt sich ein fast biologischer Anspruch auf Zugehörigkeit zur Gattung Mensch ein. Er dient in der Folge dazu, über die Grenzen dieser Gattung nachzudenken, über das, was sie von »der Natur« trennt, über ihre Beziehungen zu dieser Natur, über eine gewisse Vereinzelung der Gattung also, vor allem aber dazu, eine klare Ansicht von ihrer unteilbaren Einheit zu gewinnen.

1947

* Außenkommando des Konzentrationslagers Buchenwald (A.d.Ü.)

Erster Teil

Gandersheim

Ich bin pinkeln gegangen. Es war noch Nacht. Andere neben mir pinkelten ebenfalls; wir sprachen nicht miteinander. Hinter der Pinkelrinne war die Latrinengrube mit einer niedrigen Mauer, auf der andere mit heruntergelassener Hose saßen. Die Latrinengrube war überdacht, die Pinkelrinne nicht. Hinter uns Geräusche von Holzpantinen, Husten, das waren wieder andere, die hereinkamen. Die Latrinen waren nie leer. Zu jeder Tageszeit stand eine Dunstwolke über den Pinkelrinnen.

Es war nicht dunkel; es war hier nie ganz dunkel. Die dunklen Vierecke der Baracken, durch deren Ritzen schwache gelbe Lichter drangen, standen in langen Reihen nebeneinander. Vom Flugzeug aus waren diese gelben, in gleichmäßigen Abständen voneinander entfernten Flecken mitten in der schwarzen Masse der Wälder, die über ihnen zusammenwuchs, sicherlich zu sehen. Doch zu hören war von oben nichts; man hörte wahrscheinlich nur das Brummen des Motors, nicht die Musik, die wir hörten. Man hörte nicht das Husten, das Geräusch der Holzpantinen im Schlamm. Man sah auch die Köpfe nicht, die zu dem Geräusch in der Luft aufblickten.

Einige Sekunden später, sobald das Lager überflogen war, sah man andere gelbe, ziemlich ähnliche Lichter: die der Häuser. Sicherlich war man dort tausendmal, einen Kompass auf der Landkarte, über den Wald, über die dem Motorengeräusch zugewandten Köpfe, über die auf den Dielen Schlafenden und über den Schlaf der SS-Leute hinweggeflogen. Bei Tag sah man sicherlich nur einen hohen Schornstein, wie den von einer Fabrik.

Ich bin in die Baracke zurückgegangen, weil es in dieser Nacht draußen in der Luft einfach nichts zu sehen gab. Es gab nichts am Himmel und sicherlich würde auch nichts kommen. Die Baracke, das war unser Heim, da waren wir zu Hause. Dort schliefen wir, dort waren wir eines Tages angekommen. Ich bin wieder auf meinen Strohsack geklettert. Paul, mit dem ich zusammen verhaftet worden war, schlief neben mir. Gilbert, den ich in Compiègne wiedergetroffen hatte, ebenfalls. Georges darunter.

Die Nacht war still in Buchenwald. Das Lager war eine riesige, schlafende Maschine. Von Zeit zu Zeit leuchteten auf den Beobachtungstürmen die Scheinwerfer auf: Die Augen der SS öffneten sich und schlossen sich. In den Wäldern, die das Lager umgaben, drehten die Patrouillen ihre Runden. Ihre Hunde bellten nicht. Die Wachen waren unbesorgt.

Der Nachtwächter unseres Blocks, ein spanischer Republikaner, ging in Sandalen im Mittelgang der Baracke zwischen den beiden Bettreihen auf und ab. Er wartete auf das Wecken. Es war mild. Das Licht brannte schwach. Es war kein Geräusch zu hören. Ab und zu stieg einer von seinem Strohsack herunter und ging pinkeln. Sobald er sich anschickte herunterzukommen, kam der Nachtwächter herbei und wartete, bis er den Fuß auf den Boden gesetzt hatte. Er hoffte, der andere würde mit ihm reden, aber der nahm seine Schuhe in die Hand, um keinen Lärm zu machen und begab sich zur Tür. Trotzdem fragte ihn der Nachtwächter leise:

»Wie gehts?«

Der andere schüttelte den Kopf und antwortete:

»Es geht so.«

An der Tür schlüpfte er in seine Schuhe und ging dann hinaus, um zu pinkeln. Der Nachtwächter nahm seine Wanderung wieder auf.

In dieser Baracke lagen nur Franzosen sowie einige Engländer und Amerikaner. Viele französische Kameraden waren in den wenigen Wochen, die wir hier waren, wieder auf Transport geschickt worden.

Heute waren wir an der Reihe.

Seit zwei Tagen wussten wir, dass wir weg sollten. Wir wussten sogar, dass man uns an diesem Morgen, den 1. Oktober 1944, aufrufen würde.

Ein Transport war immer schlecht, das wussten wir. Ein Transport war das, was alle hier fürchteten. Doch sobald man dazu bestimmt war, fand man sich damit ab. Zumal die Angst vor dem Transport für uns, die wir neu waren, abstrakt war. Wir fragten uns, was es wohl noch Schlimmeres geben könne als diese zwar riesige, aber übervölkerte Stadt, in der man erstickte und von der man nicht begriff, wie sie funktionierte. Wenn der Blockälteste, ein deutscher Häftling, sagte: »Alle Franzosen sind Scheiße«, dann fragten sich die Kameraden, die noch nicht Bescheid wussten, in was für eine Riesenfalle sie da geraten waren. Sie, die Franzosen, sahen sich nicht nur von den Nazis als die schlimmsten Feinde des Nazismus behandelt, sondern auch von Leuten, die »ihresgleichen« waren, von solchen, die wie sie Feinde der Nazis waren, und das mit einer ganz besonderen, grundlosen Feindseligkeit. In den ersten Wochen waren sie versucht zu glauben, dass ihre deutschen Kameraden verloren waren, dass man sie umgedreht hatte. Dass, mit der einzigen Ausnahme der Franzosen, die gesamte Bevölkerung von Buchenwald aus einem Volk von Unter-SS-Leuten, von minderwertigen SS-Leuten bestand und dass alle, ob geschoren oder nicht, vollkommene Imitatoren ihrer Herren waren und eine Sprache sprachen, die diese ihnen nach und nach eingetrichtert hatten. Die Gewohnheit, sagten wir uns: Eine solche Sprache ist ansteckend. Aber diese Sprache wirkte wie ein Verrat an allen Wörtern: Scheiße, Schweinskopf, weit davon entfernt, hier die SS-Leute zu bezeichnen, wie man hätte erwarten können, dienten nur noch dazu, die Franzosen zu benennen. Infolgedessen hatten wir bei unserer Ankunft den Eindruck, die ärmsten Häftlinge, die allerletzte Häftlingsklasse zu sein.

Die meisten von uns wussten nichts über die Geschichte des Lagers; eine Geschichte jedoch, die einigermaßen die Regeln erklärt, die die Häftlinge sich notgedrungen geben mussten, aber auch den Menschentyp, der daraus hervorgegangen war. Wir meinten, hier sei das Lagerleben am schlimmsten, weil Buchenwald riesig war und wir uns darin wie verirrt vorkamen. Da wir die Grundlagen und Gesetze dieser Gesellschaft nicht kannten, war unser erster Eindruck der einer Welt, die sich wild und grausam gegen die Lebenden richtete und dem Tod ruhig und gleichgültig gegenüberstand. In Wirklichkeit handelte es sich oft nur um Selbstbeherrschung im Grauen. Wir hatten noch keine Zeit gehabt, mit einem Untergrund Kontakt aufzunehmen, dessen Vorhandensein die Neuankömmlinge nicht einmal ahnen konnten.

Doch einer unserer Kameraden, der zur gleichen Zeit angekommen war wie wir, im August, war bei einem der ersten Appelle im Kleinen Lager von einem deutschen Kapo dermaßen terrorisiert worden, dass er darüber den Verstand verlor. Wenn jetzt einer von uns mit einem Stück Brot und einem Messer in der Hand in seine Nähe kam, versteckte er sein Gesicht im gekrümmten Arm und flehte: »Bring mich nicht um!« Die zuletzt Gekommenen hatten den Eindruck, sie könnten sich nur unter sich verstehen. Deshalb glaubten sie, dass sie sich auf einem zahlenmäßig kleinen Transport zusammenfinden und ihre »eigene« Art zu leben wiederfinden könnten. Folglich wünschten sich jetzt, wo vom Transport die Rede war, viele wegzukommen. »Schlimmer als hier kann es nicht sein«, sagten sie. »Lieber fünf Jahre in Fresnes als einen Monat hier. Ich will nichts mehr vom Krematorium hören.«

Als an diesem Morgen nach dem Wecken also der belgische Stubendienst** aus seinem Zimmer kam, hatte er eine mit der Schreibmaschine geschriebene Namensliste in der Hand. Er war ein schmaler Kerl mit einem winzigen Kopf und kleinen Augen und einer breiten Baskenmütze auf dem Kopf. Es war kaum Tag geworden. Wir standen im Mittelgang der Baracke. Er fing an, unsere Namen aufzurufen. Paul, Georges, Gilbert und ich lehnten uns an die Pfosten unserer Bettstellen. Wir warteten. Wir wurden nicht in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen. Jene, die bereits aufgerufen worden waren, sammelten sich vorn in der Baracke, in der Nähe der Tür. Von diesem Augenblick an gehörten sie zum Transport.

Die Namen folgten einander. Die Gruppe der Aufgerufenen wurde immer größer. Und für jene, die noch nicht aufgerufen waren, wurde der Aufbruch zu einer neuen Wirklichkeit; es wurde zur Gewissheit, dass diese Kameraden nie wieder im Steinbruch arbeiten, dass sie nie wieder den Schornstein des Krematoriums rauchen sehen würden. Niemand wusste, wo der Transport hingehen würde, aber er erschien plötzlich in erster Linie und in der vollen Bedeutung des Wortes als eine Veränderung. Je größer die Zahl der Aufgerufenen wurde, um so ängstlicher fragten sich die anderen, ob sie etwa um das Abenteuer, um die Reise gebracht werden würden.

Paul wurde aufgerufen. Wir sahen ihn weggehen, zu den anderen hinüber. Dann kamen andere. Georges, Gilbert und ich standen immer noch an die Pfosten unserer Bettstellen gelehnt. Wir machten Paul ein Zeichen, aber der verlor sich bereits in der Menge, verdeckt hinter den neu Aufgerufenen, schon verirrt, halb verloren.

Schließlich rief der Stubendienst auch uns, Georges, Gilbert und mich, auf. Die Liste war bald zu Ende gelesen. Wir waren also neu zusammengestellt. Ich hatte damals wirklich Lust, wegzugehen.

Draußen hat man uns antreten lassen. Wir waren etwa sechzig Mann. Der Tag war angebrochen. In der gegenüberliegenden Baracke begannen die Leute vom Arbeitsdienst bereits, den Boden aufzuwischen. In den Gängen begannen Lagerschutzpolizisten und Kapos herumzulaufen. Der belgische Stubendienst führte uns zur Kleiderkammer. Zwei Stunden später kamen wir in die Baracke zurück. Als wir hereinkamen, folgten uns die anderen, die, die bleiben mussten, mit den Augen und sie betrachteten uns bereits mit anderen Gesichtern. Wir trugen blauweiß gestreifte Anzüge mit einem roten Dreieck auf der linken Brust und einem schwarzen F in der Mitte und hatten neue Holzpantinen. Wir waren gewaschen, rasiert, sauber, wir schritten ungezwungen dahin. Jene, die in dieser Buchenwälder Maskerade mit kleinen spitzen Hüten, mit Matrosenmützen oder Russenkäppchen ausstaffiert worden waren, jene, die in einem ungarischen Bauernkostüm und mit einer Warschauer Straßenbahnermütze im Steinbruch Steine gefahren hatten, jene, die eine Jacke getragen hatten, die ihnen nur bis zum Hintern ging und dazu eine Schiebermütze auf dem Kopf, sie hatten an jenem Morgen aufgehört, groteske Figuren zu sein; sie waren verwandelt.

Die Kameraden, die nicht wegkamen, sahen uns verlegen an. Manche waren in diesem Augenblick versucht, uns zu beneiden. Wir würden der erdrückenden Atmosphäre, der Inkohärenz dieser Stadt entgehen. Doch die meisten schienen ängstlich und verlegen zu sein, wie man es jenen gegenüber ist, denen gerade ein Unglück zugestoßen ist, von dem sie noch nichts wissen. Nur eines stand für uns alle fest: In Deutschland zumindest würden wir uns nie wiedersehen.

Wir gingen im Mittelgang der Baracke auf und ab. Alles nahm sich jetzt anders aus. Die Strohsäcke, der Ofen, das »Mobiliar«, von dem wir im Kleinen Lager geträumt hatten, besaß für uns keine Existenz mehr. Wenn wir die Kameraden ansahen, so grotesk, so unzeitgemäß in ihrer Lagerkleidung, empfanden wir noch keinen Schmerz, sondern nur so etwas wie eine Bitterkeit. Morgen würden sie wieder stundenlang beim Appell dabei sein müssen, doch wir wären nicht mehr da. Für sie gäbe es wieder jeden Tag den Steinbruch, den Schornstein, den Appell vorm Aufbruch zur Arbeit unter den Scheinwerfern des Wachturms, auf die Tausende grauer Köpfe gerichtet, die niemand dem Namen, der Nationalität oder auch nur dem Ausdruck nach zu unterscheiden vermocht hätte.

Ganz Buchenwald war für uns schon überholt, und überholt auch die Kameraden. Sie blieben. Wir bedauerten sie fast.

Wir wussten, dass wir weder nach Dora noch in die Salzbergwerke kämen; man hatte uns sogar gesagt, dass es kein schlimmer Transport sei. Von daher kam ein irgendwie euphorischer Zustand und dieser Luxus der Halbtrauer, den wir uns den Kameraden gegenüber leisteten.

Den Tag brachten wir damit zu, in der Baracke umherzuirren. Erst am Abend ließ uns der Blockälteste antreten. Er ließ Brot an uns austeilen und ein Stück Wurst. Wir standen in Fünferreihen im Mittelgang der Baracke. Die, die nicht fortgingen, standen um uns herum. Der Blockälteste sah uns ruhig und gelassen an, doch mit einem Gesicht, als denke er trotzdem an uns. Er war blond (die Häftlinge, die seit einer gewissen Anzahl von Jahren da waren, durften sich die Haare wachsen lassen), sein Gesicht, an sich ziemlich zart, wirkte durch einen schiefen Mund hart. Ihm fehlte der halbe Fuß und er hinkte. Früher war er Boxer und Anhänger der Freikörperkultur gewesen. Es war ein Politischer: Er sprach und verstand kein Wort Französisch. Daher glaubte er manchmal, wenn er uns lachen sah, wir machten uns über ihn lustig. Es war uns nur mit Mühe gelungen, ihm begreiflich zu machen, dass wir uns nicht über ihn lustig machten, aber er blieb misstrauisch, und wenn er uns zuhörte, belauerten uns seine Augen ununterbrochen. Er hatte ein grausames Aussehen, das nicht vulgär war, einen Zynismus, der weder aggressiv noch verächtlich war. Er schien immer zu lächeln, über eine Antwort zu lächeln, die er zu kennen schien, aber für sich selbst behalten wollte, das Lächeln von jemand, der ständig Illusionen zunichtemacht. Er war seit elf Jahren da. Er war eine Persönlichkeit, einer der Akteure von Buchenwald. Seine Umgebung, das war der Wachturm, der Schornstein, die Ebene von Jena mit den kleinen deutschen Häusern in der Ferne, wie das seine, das er vor elf Jahren verlassen hatte. Und dazu die SS-Leute, immer die SS-Leute, von Anfang an – elf Jahre lang der gleiche Feind – die gleiche Mütze, die man vor der gleichen grünen Mütze mit dem Totenkopf abziehen musste. Seit elf Jahren gefügig, ein Mensch der gleichen Sprache wie sie, im vollkommensten Hass lebend, so vollkommen, dass er über den unseren nur lächeln konnte. Und dieses Lächeln wollte die Illusion zerstören, der wir uns hingaben, wenn wir glaubten, sie zu kennen. Er und seine Kameraden konnten sie kennen und sie hatten weitaus ältere Gründe sie zu hassen als wir. Wenn man mit ihm über den Krieg sprach und ihm zu sagen versuchte, dass wir hofften, bald nach Frankreich zurückzukehren und dass er selber befreit werden würde, dann machte er »Nein« mit dem Kopf und lachte ein wenig hochmütig und abweisend, als habe er es mit Kindern zu tun. Bis 1938 hatte er auf diesen Krieg gewartet und das München der Tschechoslowakei war auch das der Lager gewesen. Er war schon in den Anfängen Buchenwalds da, als es nur Wald dort gab, als viele von uns noch zur Schule gingen. Wir waren gerade erst in diese Stadt gekommen, die sie selber erbaut hatten mit diesem von ihnen errichteten Schornstein, in diese Stadt, die sie dem Wald abgetrotzt hatten und die Tausenden ihrer Kameraden das Leben gekostet hatte, und wir sagten: »Bald werden wir frei sein!« Er lachte und sagte: »Nein, ihr werdet nicht frei sein. Ihr wisst nicht, wer Hitler ist. Selbst wenn der Krieg bald zu Ende geht, werden wir alle hier verrecken. Die SS wird das Lager bombardieren lassen, sie werden es in Brand stecken, aber wir werden nicht lebendig hier herauskommen. Tausende und Abertausende der unseren sind gestorben und auch wir werden hier sterben.« Wenn er so sprach, wurde seine Stimme, die leise war, lauter, das Sprechtempo beschleunigte sich, sein Blick wurde starr, doch er behielt sein Lächeln, er sprach nun nicht mehr zu uns; behext vom Drama, sprach er sich diese Grabrede immer wieder selber vor. Von dem, was wir Befreiung nannten, konnte er sich natürlich keine Vorstellung machen. Wir hätten ihm gern gesagt, dass es noch möglich war, dass es sogar gewiss war, dass das, worauf sie elf Jahre lang warteten, eintreffen würde, doch er konnte uns nicht glauben. In seinen Augen waren wir Kinder.

Eines Tages waren Kumpels zu ihm gegangen, um mit ihm über einen Kameraden zu sprechen, der sehr krank war und den man für einen Transport bestimmt hatte. Wenn er fort musste, war es durchaus möglich, dass er auf der Fahrt sterben würde. Er hat gelacht und immer wieder gesagt: »Ihr wisst wohl nicht, warum ihr hier seid?« Und jedes Wort betonend: »Ihr müsst endlich begreifen, dass ihr hier seid, um zu sterben. Geht hin zur SS und sagt, euer Kamerad sei krank, dann werdet ihr schon sehen!«

Die Kameraden hatten geglaubt, der Gedanke an den Tod eines Menschen könne ihn noch erschüttern. Aber das Ganze verlief so, als ob nichts, was einem Menschen an Vorstellbarem zustoßen konnte, in ihm Mitleid oder Bewunderung, Ekel oder Empörung auszulösen imstande sei; als vermöchte die menschliche Form ihn nicht mehr zu rühren. Sicherlich war das die Abgebrühtheit des Lagermenschen. Aber dieser Abgebrühtheit, dieser Disziplin, die er sich, mühsam vielleicht, selbst auferlegt hatte, war er schließlich selber auf den Leim gegangen. Die Widerstandskraft eines jeden Einzelnen hat Grenzen, die schwer festzulegen sind. Doch ihm wäre es wahrscheinlich schwergefallen, nur nach außen hin den Gleichgültigen zu spielen. Sicherlich war er auf diese Weise so weit gekommen, das nicht mehr zu empfinden, was nicht ausgedrückt werden durfte und das auszudrücken so und so nichts genutzt hätte.

Die Kameraden erinnerten sich wieder an den Ausspruch des Kapos, an einem unserer ersten Tage im Lager: »Hier gibt es keine Kranken; hier gibt es nur Lebende und Tote.« Es war genau das, was der Blockälteste sagen wollte, das, was sie alle sagten.

Der Blockälteste hatte weitergesprochen: »Euer Kamerad muss mit. Was hier zählt, ist nur der Transport, die SS-Leute dürfen sich unter keinen Umständen um unsere Angelegenheiten kümmern, denn dann würdet ihr was anderes erleben.« Er hatte einen Augenblick kopfschüttelnd innegehalten und dann wiederholt: »Euer Kamerad muss mit!«

Und dann sprach er weiter: »Ihr kennt die SS nicht. Um hier durchzuhalten, braucht man Disziplin, und die habt ihr nicht. Ich habe für alles Verständnis, nur nicht für Disziplinlosigkeit. Ihr raucht in der Baracke. Das ist verboten. Es ist verboten, weil ihr bei einem Feuer, das ausbricht, eingeschlossen seid und bei lebendigem Leib verbrennt. Ihr dürft nämlich nicht raus. Wenn ihr trotzdem rausgeht, werdet ihr von den Maschinengewehren der SS niedergemäht. Jeder von euch hat zwei Decken. Einige zerschneiden sie zu Fußlappen, das ist ein Verbrechen. Es ist keine Kohle da, um den Ofen zu heizen, eure Kameraden werden diesen Winter keine Decken haben und erfrieren.«

Im Allgemeinen sprach er wenig. Es hieß, »er möge die Franzosen nicht«. Vor uns waren Kriminelle aus Fort-Barrault in der Baracke gewesen. Sie stahlen einander das Brot. Der Blockälteste schlug drauf. Sie hatten ihn umbringen wollen. Die Kameraden konnten ihm noch so oft beteuern, dass er es jetzt mit politischen Franzosen zu tun habe, er blieb skeptisch. Manchmal jedoch versuchte er sich zu rechtfertigen; er sagte, dass er nicht gern schlage, dass es aber oft notwendig sei. Die Kameraden hörten ihm zu, sie ließen ihn reden. Seine eigenen Worte vor Leuten zu hören, die nicht zu den seinen gehörten, machten ihn unmerklich mit uns vertraut. Aber was konnten wir verstehen? Wir waren noch keine Vertrauten des Todes, zumindest nicht des hiesigen Todes. Seine Sprache und seine Ängste waren ganz davon durchtränkt, auch seine Ruhe. Wir glaubten noch, ein Ausweg sei möglich, dass man nicht einfach »so« sterben würde, dass man Rechte geltend machen könne, wenn die Frage schließlich akut werden würde und vor allem, dass man nicht einfach Zusehen dürfe, »ohne etwas zu tun«, wenn ein Kamerad starb.

Seine Kameraden waren alle gestorben. Er war allein geblieben.

Der Tod stand hier in jeder Sekunde gleichberechtigt neben dem Leben. Der Schornstein des Krematoriums rauchte neben dem der Küche. Bevor wir hier waren, hatte es Knochen von Toten in der Suppe der Lebenden gegeben, und das Gold aus den Mündern der Toten wurde seit Langem eingetauscht gegen das Brot der Lebenden. Der Tod war auf furchtbare Weise in den Kreislauf des täglichen Lebens einbezogen.

Wirklich, wir waren Kinder.

*

Wir standen da mit dem Brot und der Wurst in der Hand. Wir bissen nicht hinein. Das Licht fiel auf uns herab, andere Stellen der Baracke lagen im Dunkeln. Der Blockälteste sah uns ernst an. Kein Zynismus in seinem Gesicht, sein Lächeln war verschwunden. Wir waren zwar Neue, aber wir gingen jetzt auf Transport. Auch er hatte früher einmal das Lager verlassen, war dann zurückgekommen. Wir würden einem Weg folgen, der dem seinen ganz ähnlich war. Es war also noch nicht gesagt, dass wir, obgleich so spät in Deutschland angekommen, nichts von den Lagern kennenlernen würden; dass wir Franzosen wären, die Glück hätten und sich in Sicherheit wiegen könnten gegenüber denen, die andere Zeiten des Konzentrationslagerlebens durchgemacht hatten. Mit Sicherheit hatte er viele Transporte erlebt, er hatte sogar gewusst, was aus den Leuten geworden war. Dies war nur ein Transport mehr. Und trotzdem, wie er da vor uns stand, war er es, der blieb und wir diejenigen, die gehen mussten. Er verachtete uns nicht mehr.

Man hatte uns mehrere Male gezählt. Alle Operationen waren abgeschlossen. Jene, die blieben, hielten sich abseits, sie schienen sich von uns entfernt zu haben. Der Unterschied zwischen uns wurde deutlicher und gleichzeitig entstand der unmittelbare Wunsch, miteinander zu reden. Wir machten uns irgendwelche Zeichen. Jene, die sich sonst beschimpft hatten, riefen sich zu: »Nur Mut.« Jene, die immer nur wenige Worte miteinander gewechselt hatten, fragten sich eilig: »Wo wohnst du?«

Es war zu spät. Zu spät, einander kennenzulernen. Man hätte früher miteinander reden müssen; diese Unbekannten, die in aller Eile voneinander Kenntnis nahmen, waren ungeschickt. Zu spät. Aber das hieß auch, dass wir noch zu Gefühlen fähig waren; wir waren noch nicht tot. Im Gegenteil, das Leben war gerade aus dem beginnenden Schlaf der Lager erwacht. Wir waren noch imstande, traurig zu sein, wenn wir die Kameraden verließen, waren noch frisch, menschlich. Das beruhigte uns. Wir brauchten bereits eine solche Beruhigung. Das ist vielleicht der Grund, weshalb manche es mit einer gewissen Selbstgefälligkeit taten.

Der Blockälteste hatte seine Baskenmütze aufgesetzt und seine Weste mit der Armbinde angezogen. Offiziell, aber nicht streng. Er wusste, dass wir morgen die Kameraden bereits vergessen hätten. Zwischen unseren beiden Gruppen stellte er das Gewissen von Buchenwald dar; seine Anwesenheit ließ diese wenigen Augenblicke zur Ausführung einer Vorschrift werden, zur Probe, zur Gewohnheit. Auch er hatte das alles erlebt. Man konnte sich somit hier auf Wiedersehen sagen, Freunde, die sich trennen mussten, konnten sogar rote Augen bekommen. Er erinnerte sich an die Zeit, wo er sich vor so etwas in acht genommen hätte. Es war heikel. Er wusste, dass diese Minute wie Milliarden anderer in der Geschichte des Lagers dahingehen würde, aufgelöst in den Stunden des Appells und der Kälte. Er wusste, dass man sich zwischen dem Leben eines Kameraden und dem eigenen für das eigene entscheiden würde und dass man das Brot eines toten Kameraden nicht verderben lassen würde. Er wusste, dass man unbeweglich zusehen konnte, wie ein Kamerad niedergeknüppelt wurde und dass man, so groß auch das Verlangen sein mag, dem Schläger das Gesicht, die Zähne, die Nase zu zertreten, stumm und ganz tief drinnen das Glück des Körpers spüren würde: »Ich bin es nicht, den es trifft.«

»Fertig!«, sagte der Blockälteste.

Darauf zerbrachen die, die dablieben und die sich nicht unter uns mischen durften, stürmisch die Entfernung, die uns von ihnen trennte. Sie schrien immer wieder: »Es wird nicht mehr lange dauern!« »Nur Mut!« Wir riefen uns noch einmal Adressen zu: »Erinnere dich!« Wir drückten die Hände jener, die wir nicht gekannt hatten. Jene, die einander nicht mochten, schauten sich endlich ins Gesicht. Jeder gab sein Bestes. Die härtesten Gesichter waren so geworden, wie man sie wohl zu Hause die meiste Zeit gesehen hatte. Es zeigte sich, dass jeder die Möglichkeit hatte, freundlich zu sein. Wir brachen auf, wir brachen auf. Aber sie folgten uns, wir würden sie kennenlernen, wir brachen auf. Wäre es ein falscher Abschied gewesen, alles wäre wieder so geworden wie zuvor, und das wussten wir auch, aber es tat gut: Eine Hand blieb auf deiner Schulter liegen und tat so, als wolle sie dich zurückhalten. Wir würden jetzt auseinandergehen und hätten das Gefühl, uns gegenseitig zu verstümmeln. Wir hatten keine Zeit. Aber für einige Sekunden empfanden wir das als einen tiefen Schmerz. Es war dies sicherlich eine Regung der unmöglichen Liebe. Sie wollten uns im Leben zurückhalten. Gleich würde es vorbei sein, man würde uns nicht mehr verlieren, man würde uns sogar vergessen. Sie wussten es und wir wussten es. Aber wir fragten uns gemeinsam, sie und wir, ob wir immer die Kraft hätten, den anderen im Leben zurückhalten zu wollen. Und ob wir, selbst in einer relativen Ruhe und nicht gehetzt, so weit kommen würden, nicht mehr zu wollen, nicht mehr die Kraft zu haben, es zu wollen? Dann wären wir sicherlich der erwachsene Mensch des Lagers geworden, der Blockälteste, eine Art neuer Mensch.

*

Nacht mit Sternen. Wir haben die Baracke verlassen und sind den kleinen Abhang hinaufgegangen, der zum Appellplatz führt, auf dem wir uns jetzt befinden. Er ist dunkel und bildet ein riesiges Viereck. Ganz oben und ringsum die Arrestzellen und die Büros der SS mit dem Wachturm in der Mitte. Der Turm hat eine Art Terrasse, auf der die Wache hinter einem auf den Platz gerichteten Maschinengewehr steht. Die längs der Terrasse aufgestellten Scheinwerfer sind erloschen. Am Fuße des Turms ist das Gewölbe, durch das man hindurch musste, um zur Arbeit zu gehen oder zu den Transporten.

Wir haben uns anderen Gestreiften angeschlossen, die mit demselben Transport abgehen. Sie sind wie wir in Fünferreihen angetreten. Die meisten sind Franzosen, einige Belgier, einige Russen, Polen, einige Deutsche. Gilbert, Paul, Georges und ich stehen im selben Glied.

Von Zeit zu Zeit ertönt eine Lautsprecherstimme. Es ist eine tiefe, klangvolle, fast melancholische Stimme. Spricht man so mit einem der unseren? Es ist ein SS-Mann, der spricht. Ruhig und ernst ruft er einen Blockältesten, einen Kapo oder sonst einen Funktionsträger, aber immerhin wendet er sich an einen Häftling. Diese Stimme hatte man schon oft gehört und zwar im Lautsprecher in der Baracke. Sie war im ganzen Lager zu hören: »Kapos… Kapos!« Mit einem tiefen »a«. Es war das Wort, das am häufigsten vorkam. Anfangs war uns das geheimnisvoll erschienen. Diese Stimme und dieses Wort bedeuteten in Wirklichkeit die gesamte Organisation. Ruhig befahl diese Stimme alles. Zunächst war es unmöglich, zwischen der Stimme und dem von der SS auferlegten Regime eine Verbindung herzustellen. Dabei waren Stimme und Regime ein und dasselbe. Die Maschine stand bereit, wunderbar aufgezogen und diese ruhige Stimme mit der sachlichen Festigkeit war die Stimme des Bewusstseins der SS, die absolut über das Lager herrschte.

Die Scheinwerfer des Wachturms flammten auf. Einige sind auf uns gerichtet, andere gleiten über den Platz. Die SS-Leute sind noch nicht da. Der Blockälteste, der uns begleitet hat, steht abseits und schwatzt mit einem vom Lagerschutz. Auf dem Platz gehen einige Häftlinge auf und ab. Ihr Gang ist friedlich. Sie haben sich eingewöhnt, sie verstehen es, ihre Ruhepausen auszuleben. Es gehört zu ihren Rechten, abends nach der Arbeit hier spazieren zu gehen, und sie üben dieses Recht gern aus.

Hinter dem Stacheldraht, jenseits des Steinbruchs, funkeln in der Ebene von Jena einige schwache Lichter. Auf der entgegengesetzten Seite, hinter uns, der Schornstein des Krematoriums.

Wir haben lange gewartet. Es muss jetzt elf Uhr sein. Der Blockälteste ist weggegangen. Er hat nichts zu uns gesagt, er hat nur die Kolonne angesehen, er hat sich nicht durch irgendein Zeichen verabschiedet. Morgen werden wir in seiner Baracke ersetzt werden. Er hatte nicht den geringsten Grund, uns die Hand zu drücken. Diese Welt hatte ihre Männer geschaffen. Und er selber, ein Feind der SS, war einer dieser Männer. Ich habe nie geglaubt, er könne einen Namen haben, ich habe mich nie gefragt: »Wie heißt er?«

Während wir alle unsere Geschichten noch ganz frisch im Kopf haben, während wir sagen, so, als wären wir erst gestern von zu Hause fortgegangen: »Bald werden wir wieder daheim sein!«, und noch glauben, wir hätten die Kleider nur für kurze Zeit gewechselt, hat er elf Jahre Lagergeschichten im Kopf. Den SS-Mann hat er auf die Welt kommen und dann SS-Mann werden sehen, er kennt ihn in- und auswendig. Und er selber hat vor den Augen dieses SS-Mannes, den er zur Welt kommen sah, dieses Lager aufgebaut.

Wir sind Fremde, verspätete Satelliten, Gruppen aus Völkern, die gerade erst erwachen und herbeilaufen, während die Schlacht schon längst begonnen hat. Wir sind eine Zahl, nur eine Zahl, und auch wir können für ihn keinen Namen tragen; wir gehören nicht dazu.

Doch auch wir, die mit den letzten Gefangenentransporten des Monats August gekommenen Franzosen werden Gelegenheit finden, nun ebenfalls einige Stadien bei der Errichtung einer Lagergesellschaft mitzuerleben. Und so sind wir zum Beispiel, noch bevor die zweite Nacht des Transports zu Ende gegangen ist, Zeugen des Phänomens geworden, wie ein Kapo entsteht.

Die fünf Deutschen in der Kolonne lachen miteinander. Sie sind unsere zukünftigen Kapos. Sie wissen, dass sie unsere Vorgesetzten sein werden, sobald wir beim Kommando ankommen. Sie sind bereits als unsere Vorgesetzten für den Transport bestimmt worden. Sie halten bereits auf Distanz. Es sind Kriminelle, Zivilhäftlinge. Etwas abseits steht ein anderer Deutscher. Er ist blond, mit einem viereckigen Kopf und ziemlich korpulent, er trägt einen schönen Schal. Er hat Gilbert, der deutsch spricht, gesagt, er sei Schreiber. Er wird Lagerältester werden. Er ist ein Politischer.

Wir wissen noch nicht, wie sehr die Rollen bereits verteilt sind.

Jetzt stehen nur noch wir auf dem Platz. Die Kameraden in den Baracken schlafen. Die aus unserer Baracke denken nicht mehr an uns; sie wähnen uns fern, und wir stehen noch auf dem Platz. Für sie ist die Abreise bereits eine vollendete Tatsache. Wir stellen sie uns einige Hundert Meter von hier entfernt vor, wie sie im Halbschlaf pinkeln gehen. Wir sind wach und aufgeregt. Sie sind jetzt die Unschuldsengel. Wir sehen sie an, wie man Blinde ansieht. Das nächtliche Leben von Buchenwald läuft ohne uns ab; wir stehen auf der Grenze, in der Nähe des Wachturms. Es gibt nie einen anderen Grund, nachts hier zu sein, als den Abtransport.

Die Scheinwerfer erhellen die Gesichter und die gestreifte Kleidung. Man hat uns also nicht vergessen. Man weiß, dass wir da sind. Die Gesichter sind die gleichen wie die, die morgens zur Arbeit gehen. Die Schultern fallen nach vorn. Uns ist kalt. Das Grau in Grau der zusammengedrängten Kolonne, Stimmengewirr der Belgier, der Polen, der Franzosen; jeder hat sich seinen Weggefährten ausgesucht, die Gespanne sind zusammengestellt. Der Mann, an den man sich erinnert, der jetzt verkleidet, rasiert, transportbereit und nur noch verkleidet lebensfähig ist, der die Pferde und die Kühe beneidet, weil sie als Pferde und als Kühe akzeptiert werden, dieser Mann hat noch seine eigenen Augen und seinen eigenen Mund und unter seinem glatten Schädel alle seine Bilder eines Menschen in Zivilklamotten und seine Worte eines Menschen in Zivilklamotten.

Der Durchgang unterm Turm ist jetzt beleuchtet. Die SS-Leute kommen: zwei mit Helm, die anderen, die Wachen, mit Feldmütze und Gewehr. Sie zählen ab. Ein Polizist vom Lagerschutz ruft die Namen auf, wobei er sie verstümmelt. Mein Name ist dabei, mitten unter polnischen und russischen Namen. Gelächter bei meinem Namen und ich antworte: »Hier!« Er nahm sich in meinem Ohr wie ein Sprachschnitzer aus, aber ich habe ihn erkannt. Für einen kurzen Augenblick bin ich hier also genannt worden, man hat sich an mich allein gewandt, man hat mich ganz speziell angesprochen, mich, der ich nicht austauschbar bin. Und ich bin erschienen. Es hat sich jemand gefunden, der »ja« gesagt hat bei diesem Geräusch, das doch zumindest ebenso mein Name war, wie ich hier ich selber war. Und ich musste ja sagen, um in die Nacht zurückzukehren, zum Stein des namenlosen Gesichts. Hätte ich nichts gesagt, dann hätte man mich gesucht, die anderen wären nicht weggekommen, bevor man mich gefunden hätte. Man hätte noch einmal gezählt und man hätte festgestellt, dass einer nicht ja gesagt hatte, einer, der nicht wollte, dass er er sei. Und die SS-Leute hätten mir, nachdem sie mich gefunden hätten, in die Fresse gehauen, damit ich anerkenne, dass ich hier wirklich ich bin und ich mir diese Logik fest hinter die Löffel schreibe: dass ich wirklich ich bin und dass dieses Nichts, das den Namen trug, den man gerade vorgelesen hatte, wirklich ich war.

Nach dem Appell zählen die SS-Leute zusammen mit dem Lagerschutz von neuem ab. Dann geht der Lagerschutz weg. Nur die SS-Leute sind noch da. Sie sind ruhig, sie brüllen nicht. Sie schreiten die Kolonne ab. Götter. Kein Knopf ihrer Uniformjacke, kein Nagel ihres Fingers, der nicht ein Stück Sonne wäre: Die SS glüht. Wir sind die Pest des SS-Mannes. Man darf sich ihm nicht nähern, man darf seine Augen nicht auf ihn richten. Er glüht, er blendet, er lässt zu Staub werden.

In Buchenwald musste man beim Appell stundenlang warten. Tausende, die standen. Dann hieß es: »Er kommt! Er kommt!« Er war noch weit fort. Nun galt es, nichts mehr zu sein, vor allem nichts anderes als die Tausende. »Er kommt!« Er ist noch nicht da, aber er vertreibt die Luft, macht sie dünner, zieht sie aus der Entfernung an. Nur Tausender, da es ja nichts hier gibt, niemanden, nur die Karrees der Tausendschaften. Er ist da. Man hat ihn noch nicht gesehen. Er erscheint. Allein. Ein unbedeutendes Gesicht, ein unbedeutender Mensch, aber ein SS-Mann, der SS-Mann. Die Augen sehen das Gesicht eines x-beliebigen Menschen. Es ist der Mensch. Der Gott mit der Zwölfendervisage. Er schreitet die Tausendschaften ab. Er ist vorbeigegangen. Leere. Er ist nicht mehr da. Die Welt bevölkert sich wieder.

Zu unserem Kommando werden nur einige Hundert gehören. Wir werden immer dieselben SS-Leute sehen. Wir werden sie uns merken. Wir werden lernen, sie auseinanderzuhalten. Es wird keinen Wachturm geben. Auch sie werden dazu verurteilt sein, mit uns zusammenzuleben, immer dieselben Köpfe zu sehen und unter diesen Köpfen sogar die richtigen herauszufinden, deren sie sich bedienen können.

»Zu Fünfen! Fertig!«, ruft ein SS-Mann mit Schirmmütze. Die Kolonne erstarrt. Wir setzen uns in Bewegung. Wir gehen unter dem Turm hindurch.

*

Der Mond ist aufgegangen. Schweigend zieht die Kolonne auf der Landstraße dahin, die zum Lagerbahnhof hinaufführt. Einige Hundert Meter sind zurückzulegen. Die Wachen mit der Feldmütze gehen zu beiden Seiten neben uns her, den Gewehrkolben unterm Arm, den Lauf auf den Boden gerichtet. Hinter uns ziehen Kameraden einen Karren mit dem Gepäck der SS-Leute.

Der Zug ist da: einige Vieh- und ein Personenwagen. Der Bahnhof ist menschenleer. Wir werden noch einmal abgezählt; die SS-Leute sind ruhig.

Wir sind nicht zahlreich in unserem Waggon. Wir haben uns an die Wände gelehnt; der Boden ist feucht und schmutzig. Es ist kalt, wir drängen uns aneinander. Die Tür ist offengeblieben, das Mondlicht fällt herein und zeichnet ein breites Viereck. Die Deutschen, die bald unsere Kapos werden, sitzen in diesem Viereck. Man sieht sie ganz deutlich. Noch sind sie Häftlinge wie wir. Wir sehen sie immer noch an wie Leute, die man zum ersten Mal sieht. Sie haben nichts Besonderes an sich. Wir stellen uns keine Fragen. Sie sprechen halblaut miteinander; sie scheinen sich schon lange zu kennen.

Auf jeder Seite des Vierecks gruppieren sich Schatten, einige undeutliche Flecken von Gesichtern und Händen tauchen auf und verschwinden wieder. Der hintere Teil des Waggons ist völlig schwarz.

Dieser Zug könnte lange stehen bleiben. Wir sind nicht in einem Waggon, sondern in einer Kiste; wir haben nicht den Eindruck, dass es da Räder gibt, dass sich etwas bewegen wird. Draußen, um den Zug herum, gibt es kein anderes Geräusch als das Knirschen der Schuhe der auf und ab gehenden SS-Leute. Wir sind in einer bleiernen Reglosigkeit.

Ein Zischen. Es ist die Lokomotive. Sie ist mitten aus dem Wald gekommen. Sie nähert sich. Eine Erschütterung; etwas hat diesen Waggon zum Bewegen gebracht, das Leben ist in Gang gekommen, in den Rädern fließt Blut. Die Schuhe der SS-Leute knirschen jetzt anders, wir sind nicht mehr in einer Kiste, die SS-Leute kommandieren nun nicht mehr die Kiste, sondern die Lok kommandiert jetzt sie. Wenn sie pinkeln gehen und zu lange wegbleiben und der Zug abfährt, kann es passieren, dass sie ihn verpassen, und dann werden sie dumme Gesichter machen vor dem abfahrenden Zug, dumme Gesichter vor uns.

Wir werden auf den Gleisen dahingleiten. Der Kerl auf der Lok ist kein SS-Mann. Er weiß vielleicht gar nicht, wen er da durch die Gegend fährt, aber er setzt den Zug in Bewegung. Wenn er verrückt werden würde, wenn alle deutschen Bahnhofsvorsteher verrückt werden würden, könnten wir, so wie wir sind, in unserer gestreiften Kleidung, bis tief in die Schweiz hineinfahren.

Aber wir fahren zwar von Buchenwald ab, doch nicht irgendwohin. Die Weichen werden nicht verfehlt, wir bleiben in der richtigen Richtung, die SS-Leute können ruhig schlafen, alles wird ordnungsgemäß ablaufen. Die Gleise, auf denen die Hochzeitsreisen dahingleiten, werden auch unter unserem Zug so glatt sein wie immer; bei Tag wird man auf dem Land zusehen, wie der Zug dahinfährt; selbst wenn wir zu Ratten werden, zu einer Sendung Ratten, wird das Land ruhig und die Häuser an ihrem Platz bleiben und der Eisenbahner wird Kohlen in den Kessel schaufeln.

Es stimmt gar nicht: Auch der ungewöhnlichste Gedanke setzt keinen Stein in Bewegung. Ich kann die aus der Heimat herbeirufen, mich ausleeren und sie an meine Stelle setzen, in meine Haut: Sie schlafen dort, während ich hier auf dem Holzboden sitze. Ich bin nicht einmal Herr über einen Meter Raum, ich kann nicht aussteigen, um zuzusehen, ich bin nur Herr über den Raum meiner Füße und es wären Hunderte von Kilometern zurückzulegen. Auch sie, in der Heimat dort, müssen das erdrückende Haus verspüren und werden wohl nichts anderes mehr denken können als dies: dass selbst der heftigste Gedanke keinen Stein in Bewegung setzt. Wenn ich tot wäre und sie es wüssten, würden sie nicht mehr auf der Landkarte nachsehen und die Kilometer ausrechnen. Die Hügel, die wilden Flüsse würden das Haus nicht mehr einmauern; die höllischen Entfernungen würden aufgehoben werden, der Raum würde befriedet werden, sie wären nicht mehr ausgeschlossen aus dem Teil der atembaren Welt.

Ein Pfiff der Lokomotive, albern, sonderbar. Für wen? Ein beruhigendes Pfeifen, das für alle gilt: Es ist das gleiche Signal für die SS-Leute wie für uns. Die SS-Leute müssen sich dem Pfeifen unterwerfen. Wir werden wohl nie von dieser kindischen Manie loskommen, überall Lästerzeichen, Ermunterungen zu suchen. Gewiss, sie können einfach nicht glauben, dass wir das gleiche Pfeifen hören wie sie. Ein Pfiff: Sie steigen in den Zug. Aha, wir werden wohl ungläubig! Sie herrschen also nur über uns; ein Stein kann sie zu Fall bringen… Wenn sie den Zug verpassen, wird sehr schnell ein freier Raum entstehen zwischen dem Platz ihrer Füße und der Stelle, an der sich der Zug befindet; ein freier Raum wie der zwischen dem Platz unserer Füße und dem Haus. Sie herrschen nicht über den Raum, und was hinter der Stirn des SS-Manns vorgeht, wird keinen Stein bewegen, wird nicht die Entfernung ausfüllen, die seine Füße von dem abgefahrenen Zug trennt…

Der unserem Waggon zugeteilte Wachmann ist eingestiegen. Es ist ein alter Mann, ein Sudetendeutscher. Er hat einen langen Schnurrbart. Man hat ihm zwar einen Totenkopf auf die Feldmütze geheftet, aber es ist ein falscher SS-Mann. Er hat eine Bank an die Tür gestellt, die er halb geschlossen hat. Er hat eine Kerze angezündet, die er mit Wachs auf der Bank befestigt hat und sein Gewehr zwischen die Beine gestellt.

Ein Stoß unterbricht das schwache Gesumm der Unterhaltungen. Der alte Wachmann gerät ins Schwanken, hin und her geschüttelt. Es ist so weit, die Räder drehen sich. Der Holzboden vibriert. Die Vibration teilt sich den Gliedern mit, erwärmt sie. Einige Ausrufe hören sich an, als handele es sich um einen üblichen Aufbruch in den Krieg, in die Kaserne. »Es ist geschafft!«, sagt ein Kamerad, als ob das Leben von Neuem begänne. Allerdings war nichts so unerträglich wie dieser bewegungslose Waggon, unheilvoller als ein Grab. Der Zug fährt jetzt; es geht durch den Wald, der sich bis nach Weimar hinunter erstreckt. Der Waggon wird furchtbar gerüttelt. Wir lassen uns gehen und der geschaukelte Körper entspannt sich. Der Zug rollt dahin und wir haben die Illusion, den Raum zu bezwingen. Doch sobald wir angekommen sind, wird er wieder da sein, intakt, dieser Raum, der uns von der Heimat trennt. Wir fahren nur innerhalb Deutschlands umher, und diese Entfernung ist neutral, und diese Bewegung verwischt nur, was gestern endgültig war und es morgen wieder sein wird. Es werden Leichen geschüttelt.

Der Wachmann, der sich hin und her schaukeln lässt, raucht eine dicke Pfeife, die ihm bis zum Kinn reicht. Der Zug fährt jetzt bergab. Ab und zu erlischt die Kerze, der Alte zündet sie wieder an und wendet sich uns lachend zu; einige von uns lachen ebenfalls. Die künftigen Kapos, die Tabak haben, bitten ihn um Feuer, er gibt ihnen welches. Vielleicht will er zeigen, dass er mutig ist. Er ist allein, es ist Nacht, er ist alt, er ist gerade eingezogen worden, man hat ihn von seinem Hof heruntergeholt; man wird nicht in einigen Tagen SS-Mann.

Die zukünftigen Kapos sprechen die gleiche Sprache wie er. Einer von ihnen, ein Dicker, der Ernst heißt, steht auf und nähert sich der Tür. Sie steht halb auf; der Wachmann hat ihn bis an die Tür kommen lassen. Der Dicke streckt den Kopf hinaus und schnuppert die Luft, der Alte rührt sich nicht. Der andere zieht den Kopf wieder ein, dreht sich nach dem Wachmann um, der ihn beobachtet, und sagt etwas auf Deutsch. Der Alte lacht in seinen Schnurrbart und dreht sich nach uns um. Der Dicke lacht ebenfalls. Er ist fast zahnlos. Die anderen Deutschen nutzen die Gelegenheit, um nun gleichfalls zu lachen, ziemlich laut, und der Wachmann wendet sich ihnen nun voll zu und nickt mit einem Lächeln, das in seinem Schnurrbart hängen bleibt. Wir wissen nicht, was der Dicke gesagt hat. Der Alte fühlt sich wohl leicht bedroht, einerseits ganz allein und doch weniger allein. Aber nur die Deutschen haben gelacht, der übrige Waggon hat nicht gelacht, die Sprache hat die Gefahr eingegrenzt. Der Dicke bleibt neben dem Wachmann stehen. Er spricht und der andere antwortet von Zeit zu Zeit. Es ist keine Unterhaltung. Der Dicke möchte zu einem Gespräch kommen, doch der Alte weiß nicht, ob er sich darauf einlassen soll. Die Sprache beruhigt ihn zwar, aber immerhin, wir sind auch noch da. Die anderen Deutschen verfolgen die Bemühungen des Dicken, der versucht, dem Wachmann die Hierarchie des Waggons begreiflich zu machen: Da ist zunächst er, der Wachmann, dann sie, die Deutschen, unsere Kapos, und ganz zum Schluss wir.

Wir fahren schon eine ganze Weile. Alles ist ruhig. Die Lage der Deutschen konsolidiert sich. Jetzt stehen sie zu dritt um den Wachmann herum. Einer unserer Kameraden ist aufgestanden. Er hatte eine Zigarette. Er ist zu der Gruppe hinübergegangen und hat den Dicken um Feuer gebeten, indem er ihm vor den Augen des Wachmanns auf die Schulter geklopft hat. Der andere hat sich nicht getraut, ihm das Feuer abzuschlagen, aber er hat eine Miene aufgesetzt, die so ungeduldig, so verächtlich wie möglich war.

Der Wachmann sitzt mit gesenktem Kopf auf der Bank; er hört den anderen zu und sieht nur selten auf. Wenn er lächelt, vermeidet er es, sie anzusehen, um die Tragweite seines Lächelns einzuschränken. Er hält sein Gewehr am Lauf fest, zwischen den Beinen. Die drei anderen lassen ihn nicht los, sie reden unaufhörlich auf ihn ein.

Am anderen Ende des Waggons fängt ein Franzose, den man nicht sieht, zu singen an. Eine süßliche Schmalzstimme, widerlich. Es ist von einer Frau die Rede, die an einer unheilbaren Krankheit leidet. Wir hören zu. Die Frau stirbt am Ende.

Der Waggon schaukelt alles durch die Gegend: uns, völlig erschöpft, die kleine deutsche Insel mit den Dreien und dem Wachmann, den Kerl mit dem Lied. Dann die gleichen, aber ohne Lied. Der Rücken des Wachmanns schien breiter, als unser Landsmann sang: eine Mauer. Ein anderer fängt ein anderes Lied zu singen an. Wieder ein Franzose. Die drei zukünftigen Kapos, die um den falschen SS-Mann herumstehen, drehen sich um: Sie meckern, weil französisch gesungen wird.

»Du kannst mich mal!«, antwortet unser Kamerad, der sein Lied unterbrochen hat. Die drei sind noch keine Kapos. Er singt weiter. Der Alte hat sich unterbrochen, als die drei sich eingemischt haben, als ob diese Einmischung ihm zu Bewusstsein gebracht habe, dass die Ordnung gestört war. Er war einen Augenblick lang beunruhigt. »Darf man sie singen lassen?« Dann hat er sich nach der Tür umgedreht – nein, niemand hat rausspringen können –, hat die drei angesehen und sein Gewehr wieder angehoben, das etwas weggerutscht war.

Durch den Türspalt und die Ritzen der Wände dringt eine eisige Luft. Ich mache es mir zwischen Paul und Gilbert bequem, die vor sich hindösen. Immer noch diese pappige Helligkeit, die von der Tür her kommt, man weiß nicht, ob es der heraufdämmernde Tag oder der Mondschein ist. Die Kerze ist fast heruntergebrannt; die drei Deutschen sind wieder an ihren Platz zurückgekehrt. Der Waggon schläft. Der Kopf des Wächters fällt fast auf den Gewehrlauf herab. Er hebt ihn mit einem Ruck und dreht ihn flüchtig uns zu, dann schaut er auf den offenen Türspalt. Aber die Spaltbreite ist immer noch die gleiche. Es sind noch alle da.

Später hält der Zug dann. Ein anderer Wärter ist gekommen, um den Alten abzulösen. Er ist etwas jünger, aber er ist auch kein richtiger SS-Mann.

Mit dem Heraufziehen des Tages tauchen die Zebras auf dem Holzboden bis weit in den Waggon hinein auf: Eine graublau-violette Masse, die im schwachen Morgenlicht verschwimmt; die Streifen folgen der Bewegung des Körpers, der Arme, der angezogenen Beine; die Streifen reichen bis zu den Füßen, den Füßen, die in dicken, neuen Holzpantinen mit Holzsohlen und gelbschwarzen Pappkartonschäften stecken, die wir bei der Abreise bekommen haben. Sie glänzen. Die Streifen sind ganz neu, die Sohlen unserer Schuhe sind noch ganz, unsere Schädel, gestern frisch rasiert, sind noch glatt, es ist eine ganz frische Ladung und jeder von uns ist ein mustergültiger, hergerichteter und gelungener Häftling. Wir haben noch keinen Schmutz auf den Kleidern, haben, seit wir die neuen Kleider haben, noch keine Schläge bekommen. Eine andere Gefangenschaft hat gerade angefangen.

In jener Nacht hat nur die Kerze das reglose Profil des Wachmannes beleuchtet. Neben mir schliefen Gilbert und Paul. Ich hatte die Augen geöffnet und andere neben mir hatten wohl ebenfalls die Augen geöffnet und starrten in die gelbliche Flamme und auf den herabhängenden Schnurrbart des Wachmannes, immer auf die Flamme und den Schnurrbart, auf dieses Stück Licht, auf das der Wachmann ein Anrecht hatte, wie um auf sich selber aufzupassen, und das nur ihn beschien. Es gab kein anderes Geräusch als das des Waggons, der vibrierte und den Körper abstumpfte. Diese Vibrationen, diese Abstumpfungen gaben ihm vorübergehend sein früheres Empfindungsvermögen zurück. Mitten im Schlaf der anderen war derjenige, der die Augen geöffnet hatte, allein, und das heißt, dass er mit den Angehörigen aus der Heimat zusammen war. Und wenn man sich nur mit den Händen über die Beine fuhr, entdeckte man wieder diese Eigenschaft, die er mit den Seinen gemein hatte, nämlich einen eigenen Körper zu haben, über den er verfügen konnte und dank dessen man ein ganzer Mensch war. Und dank dieses Körpers wiederum, den man in der Halb-Starre wiedergefunden hatte, schien es, als ob man von Neuem, als ob man immer wieder einen Augenblick individuellen, persönlichen Schicksals durchleben könne. Den Blick in die Flamme gerichtet, lauschte man darauf, wie man im Kopf die alte Flamme neu erschuf und stoßweise fand man sich in der lebendigen, unerträglichen Nähe jener wieder, die man sich einfach nicht vorzustellen vermochte. Man brach aus den grauvioletten Gitterstäben aus und entdeckte sich als den wieder, der dort, in der Heimat, anerkannt und geduldet war. Man war schon weit fort, mit steifem Körper, die Augen auf das Licht gerichtet, und plötzlich flackerte dieses Licht, die Augen kehrten wieder zur Oberfläche der Flamme zurück und verbrannten sich an seiner Klarheit. Es war heller Wahnsinn. Es wäre besser gewesen zu schlafen. Es war Wahnsinn, die Kameraden verlassen, den SS-Mann aus den Augen gelassen zu haben. Man spürte jetzt die Streifen wie auf die Haut gemalt, den Schädel, der stach, wenn man mit der Hand drüberfuhr und man kehrte zu dem reglosen Wachmann zurück, der möglicherweise eine Frau hat, die von der SS akzeptiert wird, auch sein Haus, die Krankheit, die Sorgen, und dessen Tod ein Unglück wäre.

*

Der Zug ist den ganzen Tag über gefahren. Wir haben das Brot gegessen, das wir gestern in der Baracke gefasst haben. Wir sind von unserem Platz aufgestanden, sind zur Tür gegangen und haben durch den Spalt hinaus aufs Land geschaut: Felder, Äcker, und mittendrin kleine, gebückte Menschen. Der Raum wollte unschuldig aussehen, aber auch die Kinder auf den Straßen der Dörfer, eine kleine Lampe auf dem Tisch im Innern eines Hauses, das Gesicht eines Schrankenwärters, die Fassaden der Häuser und diese friedliche Behaglichkeit, die wir von Deutschland erhaschten; und auch die SS-Leute, die auf einer Straße gingen, wollten unschuldig aussehen. Doch über allem lag ein unsichtbares Make-up, zu dem wir allein den Schlüssel hatten, von dem nur wir genau Bescheid wussten. Gegen Ende des Nachmittags wurden die Wachen wieder ausgewechselt und der Alte von der Nacht zuvor kam zurück. Die künftigen Kapos haben unaufhörlich gesprochen und gelacht. Wir haben herauszufinden versucht, wo es hinging. Wir fuhren Richtung Norden, Richtung Hannover. Dann wurde es Abend und wir haben uns wieder auf den Fußboden gelegt.

*

Wir werden bald ankommen. Das Gesamtbild von Buchenwald wird jetzt in der Erinnerung wieder vollständig zusammengesetzt: das riesige Loch des Steinbruchs und diese Massenanziehung winziger Menschen mit dem Stein auf der Schulter vor der Ebene von Jena; die Parade des Aufbruchs zur Arbeit in aller Frühe, noch vor Tagesanbruch, auf dem Appellplatz mit den zwanzigtausend Männern unter den Scheinwerfern und der Zirkusmusik auf der Mitte des Platzes; die Jazzproben neben den Latrinen; die riesigen Latrinen, in denen man manchmal die Nacht zugebracht hatte; der Invalidenboulevard mit den Einbeinigen im Nebel, morgens um vier Uhr, und die Blinden, die Alten, die Verrückten; jene grauenhaften vierzehn Tage, die wir Scheiße tragend in der Scheiße zubringen mussten und der Schornstein des Krematoriums im Morgengrauen unter dem ungewöhnlichen Spiel der Wolken. Und ringsum der Stacheldraht, die brennende Grenze, der man sich nicht nähern durfte und zu der, lange bevor wir angekommen sind, Männer hingegangen waren, um mit vollen Händen hineinzugreifen, vor den Augen eines friedlichen SS-Mannes, der von seinem Wachturm aus darauf wartete, dass diese Hände den Stacheldrahtzaun wieder losließen.

Viele sind in den drei Monaten, die wir in Buchenwald zugebracht haben, gestorben, vor allem Alte: Zwei Männer hielten das Ende einer Decke, in der etwas Schweres lag. Sie gingen vorüber und riefen: »Achtung!« Wir traten zurück, und sie trugen das Schwere ins Leichenhaus. Manchmal gingen Kameraden hinterher. Sie gingen bis zum Leichenhaus, das am Ende der großen Scheißhäuser lag; vor dem großen Gang, der dorthin führte, war eine Scheibe. Sie drückten den Kopf gegen die Scheibe und hielten die Hände an beide Seiten des Gesichts, um die Lichtreflexe abzuhalten, doch sie konnten nichts sehen. So wurden jene voneinander getrennt, die sich seit zwanzig Jahren kannten, Vater und Sohn oder Brüder. Derjenige, der zurückblieb, strich manchmal um das Leichenhaus herum, aber die Tür blieb geschlossen und durch die Scheibe konnte man nichts sehen.

Ich erinnere mich an den Ersten, den ich habe sterben sehen. Wir waren bereits seit einigen Stunden zum Appell angetreten. Der Tag ging zur Neige. Auf einer Anhöhe des Kleinen Lagers, einige Meter vor der ersten Reihe der Häftlinge, standen vier Zelte. Die Kranken lagen in dem, das unmittelbar vor uns stand. Ein Zipfel des Zeltes wurde hochgehoben. Zwei Männer, die eine Decke an beiden Enden hielten, kamen heraus und legten sie auf den Boden. Auf der ausgebreiteten Decke wurde etwas sichtbar: grauschwarze Haut, die über Knochen gespannt war, das Gesicht. Zwei violette Stöcke sahen unter dem Hemd hervor: die Beine. Er sagte nichts. Zwei Hände haben sich aus der Decke emporgestreckt und jeder der Männer hat eine Hand erfasst und daran gezogen. Die beiden Stöcke hielten sich aufrecht. Er drehte uns den Rücken zu. Er bückte sich und wir sahen zwischen zwei Knochen einen breiten, schwarzen Spalt. Ein Strahl flüssiger Scheiße schoss in unsere Richtung. Die tausend Männer, die da standen, haben den dunklen Spalt und die Kurve des Strahls gesehen. Er hat nichts gesehen, weder die Kameraden noch den Kapo, der uns überwachte und der Scheiße! geschrien hatte und dabei auf ihn zustürzte, ihn jedoch nicht berührte. Dann ist er umgefallen.

Als die beiden Männer herauskamen, wussten wir nicht, dass in dieser Decke jemand lag. Wir warteten nur auf den SS-Mann. Es war die Stunde des Appells. Wir dösten im Stehen. Es dauerte endlos, wie jeder Appell. Und der Strahl war losgegangen, die Scheiße des Kameraden hatte in unseren Halbschlaf hineingedröhnt. Tausend Männer zusammen hatten so etwas noch nie gesehen.

Der Kamerad blieb draußen ausgestreckt auf der Decke liegen. Er rührte sich nicht. Seine runden Augen standen offen. Er war allein auf der Anhöhe. Die Tausend, die da standen, schauten mal, ob der SS-Mann käme, mal nach ihm. Die beiden, die ihn aus dem Zelt getragen hatten, sind zurückgekommen. Sie haben sich über ihn gebeugt, aber sie wussten nicht, ob er tot war. Sie haben ihn sachte am Hemdsärmel gezogen, doch er bewegte sich nicht. Sie wagten nicht, seine Haut zu berühren. Man konnte nicht genau wissen, ob er tot war. Vielleicht würde er wieder wach werden und noch einmal scheißen? Nur wegen der Scheiße haben wir gemerkt, dass er noch lebte und weil der Kapo gebrüllt hatte, das hieß, dass er noch lebte, denn der Kapo verstand sich darauf, die Toten aufzuspüren.

Der Mann auf der Decke rührte sich nicht. Die beiden Träger standen unbeweglich da und betrachteten ihn.

Der Kapo kam heran. Er war riesig; von seinem Gesicht sah man vor allem einen mächtigen Unterkiefer. Er hat den Körper des Kameraden mit dem Fuß berührt. Nichts hat sich gerührt. Er hat noch einen Augenblick gewartet. Er hat sich über das schwärzliche Gesicht gebeugt. Die beiden Träger haben sich ebenfalls gebückt. Die tausend Männer sahen nach den drei über die Decke Gebeugten. Dann hat sich der Kapo wieder aufgerichtet und gesagt: »Tot!« Er hat den beiden Trägern ein Zeichen gegeben. Sie haben die Decke hochgehoben, die sich zum Boden hin ein wenig gewölbt hat, und haben ihn wieder ins Zelt zurückgetragen.

*

Diese Paraden, dieses Gesamtbild wird es jetzt nicht mehr geben. Doch sie haben uns geformt. Jeder von uns, wo immer er auch sein mag, verändert von nun an das Gewöhnliche, den Alltag. Ohne Krematorium, ohne Musik, ohne Scheinwerfer, wir allein genügen schon.

*

Wir kommen in Gandersheim an, auf dem Zufahrtgleis einer Fabrik. Wir steigen aus, es ist tiefe Nacht. Die Wachtposten schreien herum; von uns spricht niemand. Nur die Holzpantinen machen Lärm. Wir gehen in den Lagerraum der Fabrik, das Licht geht an, wir sehen uns zuerst einmal an. Wir sind etwa zweihundert. Die Wachtposten stoßen uns nach vorn, drängen uns zusammen.