Das Milliardenspiel - Gary Stevenson - E-Book

Das Milliardenspiel E-Book

Gary Stevenson

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Beschreibung

Der Mann, der die Banken das Fürchten lehrt

Gary Stevenson ist ein Mathe-Genie und erhält ein Stipendium für die London School of Economics, an der er das Trading Game gewinnt. Der Preis: ein Praktikum bei der Citi Bank, die das Talent des Studenten erkennt und ausnutzt. Stevenson wird zum erfolgreichsten Trader, den die Bank je hatte. Er macht für sie Milliarden und wird selbst Millionär. Gleichzeitig verarmen Familie und Freunde. Er erkennt: Die Banken treiben den Untergang der Weltwirtschaft bewusst voran. Er selbst ist verantwortlich für den sozialen Abstieg anderer Menschen. Gary will aussteigen, aber die Bank lässt ihn nicht. Er wehrt sich und erlebt die Hölle auf Erden…
Ein packender Insiderbericht aus der Schaltzentrale der globalen sozialen Ungleichheit.

  • Ein Ex-Trader packt aus: So zerstören Banken mutwillig den Wohlstand der Welt.
  • Ein fesselnder Insider-Bericht aus der Schaltzentrale der weltweiten sozialen Ungerechtigkeit
  • Seine Vision: ein Wirtschaftssystem, das für alle da ist
  • Für Leser*innen von The Big Short, Flashboys und Der Wolf der Wall Street

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Seitenzahl: 577

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Zum Buch:

»Angenommen, Sie wollten eine Bank ausrauben und die Tür zum Tresor stünde offen, was würden Sie tun?« Schon als Kind träumt Gary Stevenson von einem besseren Leben, als er noch auf den Straßen von East London kaputte Fußbälle kickt. Ein Praktikum bei der Citi Bank soll seine goldene Eintrittskarte in ein neues Leben werden. Rasch wird er der jüngste Trader der Bank und auch ihr erfolgreichster. Er handelt mit fast einer Billion Dollar. Am Tag. Und verdient mehr Geld als er sich je hatte vorstellen können.

Gary sitzt in der ersten Reihe der globalen Finanzkrise 2008. Einer Zeit, in der der einfachste Weg, Geld zu verdienen, darin besteht, darauf zu wetten, dass Millionen Menschen ärmer werden – genau wie die Menschen, mit denen er aufgewachsen ist. Die Wirtschaft gerät ins Wanken und damit auch Garys Gewissen. Er will aufhören, kann aber nicht. Weil niemand je die Bank verlässt. Soll er bleiben oder aufhören und damit alles riskieren?

Gary Stevensons Insiderbericht ist eine unfassbare und knallharte Reise in die Schaltzentrale der globalen sozialen Ungerechtigkeit. Die bis heute ihr Unwesen treibt.

»Ein unglaublich wichtiges und aktuelles Buch, ein Spiegel unserer Zeit. Der Wolf der Wall Street, aber mit moralischem Kompass.«

Irvine Welsh, Kultautor von Trainspotting

Zum Autor:

Gary Stevenson wächst auf im östlichen Londoner Stadtteil Ilford. Sein Elternhaus liegt zwischen einer Fabrikruine und einem Wertstoffhof. Nicht gerade der ideale Ausgangspunkt für eine steile Karriere im Bankensektor. Doch Stevenson hat ein Talent für Zahlen. Und so erhält er ein Stipendium für die prestigeträchtige London School of Economics.

Bei einem Wettbewerb für Studenten gewinnt er ein Praktikum auf dem Handelsparkett der Citi Group und wird kurze Zeit später der erfolgreichste Trader, den die Bank je hatte. Innerhalb weniger Jahre wird er Millionär, doch sein Gewissen regt sich: Seine Bank, ja er selbst, ist dafür verantwortlich, dass viele andere Menschen in Armut abrutschen.

Er steigt aus und beschließt, künftig die soziale Ungleichheit zu bekämpfen. Er arbeitet mit Wirtschafts-Thinktanks zusammen und betreibt den YouTube-Kanal GarysEconomics, auf dem er finanzielle Aufklärung für Laien anbietet. Er ist regelmäßiger Gast in Radio und Fernsehen und hat unter anderem für den Guardian geschrieben.

Gary Stevenson

Das

Milliardenspiel

Wie man eine Bank ausraubt – und den Rest der Welt gleich mit

Der Insiderbericht aus der Londoner City

Aus dem Englischen von Bernhard Schmid

Die Originalausgabe erschien 2024 unter dem TitelThe Trading Game: A Confession bei Allen Lane.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter www.dnb.de abrufbar.

Aus dem Englischen von Bernhard Schmid

© Gary Stevenson, 2024

© der deutschsprachigen Ausgabe 2024 Ariston Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten

Redaktion: Anne Büntig

Covergestaltung: wilhelm typo grafisch

unter Verwendung eines Motivs von Alamy Stock Foto/horst friedrichs

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-641-31031-8V002

»In einer verrückten Welt sind nur die Verrückten normal.«

Akira Kurosawa

»Das Leben ist das Leben. Spiel ist Spiel.«

Anishs Großvater

Prolog

»Ich will dir mal was erzählen.« Calebs überdimensioniertes Gesicht schob sich über die beiden Ramen-Schalen auf dem Tisch, die eine voll, die andere leer. Aus der meinen wand sich ein zartes Fähnchen Dampf vor sein strahlend weißes Lächeln. Von meiner Warte eines in seinen Stuhl gesunkenen Häufchen Elends aus, schienen ihm die aus meiner Schale ragenden Essstäbchen bis ans Kinn zu gehen. Sein Lächeln wurde immer breiter.

»Ich kannte da mal einen wirklich guten Trader. Einen wirklich, wirklich guten Trader. Bei der Deutschen Bank. Cleveres Bürschchen. Jung. Genau wie du.«

Calebs feiste Unterarme lagen um seine leere warme Schale geschlungen und lasteten jetzt mit ihrem ganzen Gewicht auf dem Tisch. Seine Hände befanden sich jetzt fast direkt vor meinem Gesicht, die Finger fest verschränkt. Ich habe den Anblick dieser Finger nie vergessen. Feist, rund und rosig, wie rohe Würste. Und sie schienen jeden Augenblick platzen zu wollen.

»Ich sag dir, so ein richtig guter Trader war das. Verdiente eine Menge Geld. Eine Menge Geld für sich, eine Menge Geld für die Deutsche Bank. Er hatte eine solide Karriere vor sich.«

Rund um uns herrschte rege Betriebsamkeit. Es war keines dieser rustikalen kleinen Ramen-Lokale, wie sie in den Nebenstraßen japanischer Großstädte aus dem Boden zu schießen scheinen. Es war ein großes, großzügig ausgelegtes Businessrestaurant im sechsten Stock eines großen, großzügig ausgelegten Businesstowers. Rundum saßen Geschäftsleute mit gelockertem Schlips beim Bier, stießen mit ihren Chefs an und lachten über deren Witze. Einige amerikanische Banker, die sich unter die japanischen Gehaltsempfänger verirrt hatten, redeten zu viel und zu laut. Ich sagte gar nichts. Ich war gebannt von dem übergroßen Gesicht, das im Schummerlicht über den Tisch hinweg auf mich zuzuschweben schien.

»Aber jetzt pass mal auf. Dieser junge Bursche, dieser Trader, so gut er als Trader auch sein mochte, er hatte ein ernstes Problem. Einen verhängnisvollen Makel, wenn du so willst … Der Typ dachte, er könnte einfach so aussteigen. Er dachte, er könnte einfach so gehen. Du verstehst, was ich meine, ja?«

Caleb war ein Hüne. Das ist wohl schon klar geworden, aber nicht nur sein Gesicht und seine Finger waren überdimensioniert. Alles an ihm schien zwei Nummern größer, als es hätte sein sollen. Seine Brauen waren zu groß; sein Kinn war zu groß; selbst das Haar schien irgendwie zu groß für den Kopf. Mehr noch als all das war sein Lächeln gewaltig. Enorm, strahlend, perlweiß. Im Augenblick schien es mir breiter als das Gesicht selbst. Wie die Grinsekatze aus dem Ramen-Ya am Dienstagabend leuchtete dieses Lächeln durch das schummrige Licht des Restaurants.

»Pass auf, dieser Typ beschloss doch tatsächlich, sein Geld einzustecken und auszusteigen. Der Branche den Rücken zu kehren, du verstehst, ja? Nette Idee. Irgendwo eine Familie gründen. Wirklich nett. Die Sache ist nur die, dass der Typ nicht so recht verstand, wie diese Branche funktioniert. Die Deutsche Bank wollte schlicht nicht, dass er geht. Verstehst du?«

Man musste kein Genie sein, um zu sehen, worauf das hinauslief, und mir wurde allmählich flau im Magen. Eine leichte Übelkeit stellte sich ein. Ich hatte einen seltsamen Geschmack im Mund. War das Blut? Ich sank tiefer in mich zusammen und starrte ihn an. Caleb lächelte immer noch. Und sein Lächeln schien immer breiter zu werden.

»Wie auch immer, die Deutsche ging her und nahm sich alle seine Trades vor, du verstehst, ja? Seine Chats, seine E-Mails. Er hatte lange dort gearbeitet, also eine Menge Trades für die Leute gemacht. Und es kam dabei tatsächlich so einiges zutage, was nicht so doll war. Du weißt, was ich meine, ja? Dinge, die er nicht hätte tun sollen.«

Ich begann Feuer in meinen Füßen zu spüren. In meinen Beinen. Ein zunehmend heißes Jucken. Ein Brennen. Aber ich rührte mich nicht.

»Nun pass auf, nicht dass das fair gewesen wäre, ja? Aber die Deutsche hat den Trader doch tatsächlich verklagt. Dabei hatte er, offen gesagt, eigentlich nichts wirklich Schlimmes getan, aber man schaffte es, ihm was anzuhängen. Der Fall schleppte sich jahrelang von einem Gericht zum anderen. Du verstehst, ja? Eine Klage jagte die andere. Ein wahrer Albtraum. Und der Trader, großartiger junger Trader, der er war, konnte nie wirklich aussteigen, verstehst du? Aus der Traum von der Familie. Alles, was er sah, waren Gerichtssäle. Er verbrachte dort die besten Jahre seines Lebens. Kannst du dir das vorstellen, Gary? Ich meine, wirklich vorstellen? Der Prozess führte nirgendwohin, aber der Typ hat am Ende alles verloren. Anwaltskosten. Sein ganzes Geld und noch viel mehr. Am Ende war er pleite. Am Ende hatte er alles verloren.«

Das Brennen hatte von mir Besitz ergriffen, ebenso die Übelkeit und der Blutgeschmack. Ich rührte mich trotzdem nicht. Ich hob nur den Blick und sah ihm ins Gesicht.

»Gary, hörst du mir zu? Verstehst du, was ich hier zu sagen versuche?«

Das große runde Gesicht kam noch näher.

»Gary. Ich mag dich. Für mich bist du ein anständiger Kerl. Aber manchmal stößt eben auch anständigen Menschen Schlimmes zu. Das wirst du noch erfahren. Wir können dir das Leben schwer machen, sehr schwer.«

In diesem Augenblick schwappte eine Sturzflut von Erinnerungen über mich hinweg. Erinnerungen, die mich Tausende von Kilometern weit wegtrugen. Weg von Tokio und zurück nach Ilford, East London. Ich war achtzehn und saß in einer Sackgasse neben den Bahngleisen auf einem Fußball, als Harry mir sagte, seine Mom habe Krebs. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte: »Möchtest du Fußball spielen?« Ich erinnerte mich, wie ich gegen eine Wand gedrängt, in irgendeiner Gasse, in einer finsteren Nacht, gebannt in Saravans Gesicht blickte, der mich abzustechen drohte. Er hatte die Hände in den Taschen. Hatte er ein Messer? Ich wusste es nicht. Ich erinnerte mich daran, wie sie hinter mir her waren, durch endlose Reihenhausschluchten, wie ich über Gartenzäune sprang, und daran, wie Brathap überfahren wurde und sein Körper zuckend auf der Straße lag. Ich erinnerte mich an all die hirnlose Gewalt und das Blut und den Unfug, an all den Unfug der Kids in unserer Straße und an all die Versprechen, die ich gegeben, und die Leute, die ich gekannt hatte. Ich erinnerte mich daran, mit Jamie auf dem Dach des Parkhauses zu sitzen und wie wir rund um uns, überall in der Stadt, die neuen Wolkenkratzer in den Himmel wachsen sahen; ich erinnerte mich, wie ich ihm sagte, dass ich mal etwas darstellen würde, irgendwann. Ich versprach es ihm. Im Mondschein an einer Zigarette ziehend, hatte er mich ausgelacht. Aber er wusste, ich würde es schaffen. Und ich wusste es auch.

Nein, dachte ich, das endet nicht hier. Nicht hier in diesem kalten Firmenrestaurant. Nicht unter dem Grabstein dieses Lächelns.

ERSTER TEIL

Aufwärts

1

In gewisser Hinsicht bin ich zum Trader geboren.

Am Ende der Straße, in der ich aufwuchs, stehen im Abstand von vier Metern vor der hohen, konkav gewölbten Mauer eines Werkstoffhofs ein Laternenpfahl und ein Telegrafenmast: die perfekten Pfosten für ein improvisiertes Tor.

Stellt man sich zwischen diese beiden Torpfosten, geht zehn große Schritte zurück und hebt den Kopf, sieht man über die hohe Mauer hinweg in der Ferne die zwinkernden Lichter des höchsten Wolkenkratzers von Canary Wharf.

Als Kind kickte ich, in der Schuluniform meines Bruders und abgetragenen Schuhen, nach der Schule so manchen langen Abend verbeulte Schaumstoffbälle in dieses Tor. Oder daneben. Wenn meine Mutter mich zum Abendessen rief, drehte ich mich noch einmal um und sah, wie der Wolkenkratzer mir zuzwinkerte. Er schien mir für ein unbekanntes neues Leben zu stehen.

Es waren nicht nur die Straßen von East London, die ich mit diesen hoch aufragenden schimmernden Tempeln des Kapitalismus teilte. Es war da noch etwas anderes, eine Art gemeinsamer Glaube. Es hatte irgendwie mit Geld zu tun. Mit einem Verlangen.

Ich war mir der Bedeutung des Geldes und des Wissens, dass wir praktisch keines hatten, seit jeher schmerzlich bewusst. In einer meiner frühesten Erinnerungen hatten mir meine Eltern eine Pfundmünze gegeben, um in der Esso-Tankstelle Limonade zu holen. Irgendwo auf dem Weg dorthin habe ich die Münze verloren. In meiner Erinnerung suchte ich stundenlang danach, kroch unter Autos, scharrte mit den Fingern in Gullys, bevor ich mit leeren Händen und Tränen in den Augen nach Hause kam. In Wirklichkeit waren es wahrscheinlich gerade mal dreißig Minuten. Aber ich denke mal, dreißig Minuten sind eine lange Zeit für ein Kind, und ein Pfund war für uns eine Menge Geld.

Ich weiß nicht, ob mir diese Liebe zum Geld jemals wirklich abhandengekommen ist. Obwohl, wenn ich so zurückblicke und überlege, bin ich mir nicht sicher, ob es das Wort »Liebe« so richtig trifft. Womöglich war es eher so etwas wie Angst, vor allem als ich noch klein war. Aber ob es nun Angst war, Liebe oder Hunger, das Gefühl wurde umso stärker, je größer ich wurde, und ich war immer auf der Jagd nach dem nächsten noch fehlenden Pfund. Mit zwölf begann ich, in der Schule Bonbons zu verkaufen; mit dreizehn trug ich Zeitungen aus, für dreizehn Pfund die Woche, 364 Tage im Jahr. Mit sechzehn, an der Highschool, waren meine Geschäfte schon wesentlich kühner geworden, einträglicher und nicht mehr ganz so legal. Aber das Wahre waren diese kleinen Gewinne dennoch nicht, und so guckte ich Abend für Abend nach Sonnenuntergang unsere Sackgasse entlang, hinauf zu den zwinkernden Wolkenkratzern von Canary Wharf.

Aber in so manch anderer Hinsicht bin ich auch wieder nicht zum Trader geboren, und die Gründe dafür waren – und sind – sehr wichtig.

Es gibt nämlich jede Menge junge, hungrige, ehrgeizige Jungs, die im Schatten von East Londons Wolkenkratzern mit ramponierten Fußbällen um Laternenpfähle und Autos herum Fußball spielen. Viele von ihnen sind clever, viele sind voll eiserner Entschlossenheit, fast alle würden jedes nur erdenkliche Opfer bringen für einen Job in Schlips und Manschetten in einem dieser hoch aufragenden, schimmernden Wahrzeichen des Geldes. Betritt man jedoch die »Trading Floors«, die Handelsräume, die einen Ehrenplatz einnehmen in diesen schimmernden Wolkenkratzern im Herzen von Londons ehemaligen Docklands, in denen junge Männer Jahr für Jahr Millionen verdienen, bekommt man mitnichten die stolzen Akzente von Millwall, Bow, Stepney, Mile End, Shadwell und Poplar zu hören. Ich weiß das, weil ich auf einem dieser Floors gearbeitet habe. Jemand fragte mich mal wegen meines Akzents, wo ich denn her sei. Er hatte gerade seinen Abschluss in Oxford gemacht.

Der Citibank Tower in Canary Wharf ist 42 Stockwerke hoch. 2006, als ich das Gebäude zum ersten Mal betrat, war es eines der beiden zweithöchsten Gebäude im Vereinigten Königreich. Im Jahr darauf beschloss ich eines Tages, ganz nach oben zu fahren, wegen der Aussicht und um zu sehen, ob man von dort oben mein Elternhaus sah.

Die oberste Etage des Citibank Centres wurde ausschließlich für Konferenzen und Events genutzt. Damit war der gesamte Raum, wann immer er nicht benutzt wurde, völlig leer: eine weite, ununterbrochene Landschaft aus dickem blauem Teppichboden, die rundum von dicken Glasfenstern begrenzt war. Lautlos schwebte ich über den Teppichboden an eine der Fensterfronten, aber die Gegend, in der ich wohnte, war nicht zu sehen. Vom 42. Stock des Citibank Centres aus ist East London schlicht nicht zu sehen. Man sieht nur den 42. Stock des HSBC-Towers gleich nebenan. Die ehrgeizigen jungen Kids von East London schauen zu den Wolkenkratzern hinauf, deren Schatten auf ihre Häuser fallen, aber die Wolkenkratzer erwidern ihre Blicke nicht. Sie sehen nur ihresgleichen.

Dies ist die Geschichte von einem, der als Einziger von all den Kids, die im Schatten dieser Türme Fußball spielten und Süßigkeiten verkloppten, einen Job auf dem Trading Floor der Citibank ergatterte. Sie erzählt, wie ich der weltweit profitabelste Trader der Citibank wurde, und sie erzählt, warum ich nach alledem trotzdem ausstieg.

Wir sprechen hier von den Jahren, in denen die Weltwirtschaft in den Abgrund zu rutschen begann, in den sie heute noch stürzt. Zeitweise rutschte auch mein Verstand mit ihr ab. Und manchmal tut er das immer noch. Ich habe meine Mitmenschen weiß Gott nicht immer so behandelt, wie sich das gehört hätte. Harry, Wizard, JB, mich selbst. All die Mädchen, die eigentlich Namen hätten haben sollen. Ich hoffe, ihr könnt mir verzeihen, dass ich eure Geschichten erzähle. Ihr wisst, sie sind, eine wie die andere, Teil meiner eigenen.

Ich widme meine Geschichte Anishs Großvater, der uns betrunkenen Teenagern als betrunkener alter Mann endlos den einzigen Satz vorbrummelte, der ihm auf Englisch gut über die Lippen kam.

»Das Leben ist das Leben. Spiel ist Spiel.«

Wir sind nie wirklich dahintergekommen, was er damit gemeint hat. Ich hoffe immer noch, dass uns das eines Tages gelingt.

2

Mein Weg auf den Trading Floor begann an der London School of Economics, der LSE.

Die London School of Economics hat nichts von Oxford oder Cambridge. Sie hat keinen großen grünen Campus. Die Universitätsgebäude verstecken sich, als Ansammlung unscheinbarer Büros getarnt, in einer Seitengasse des Londoner West Ends.

Trotz dieser eher unscheinbaren Umgebung schickt die Weltelite ihre Kinder mit erstaunlichem Enthusiasmus an diese Hochschule. Kein russischer Oligarch, so schien es, kein pakistanischer Luftwaffenkommandeur, kein Mitglied des chinesischen Politbüros wollte sich die Gelegenheit entgehen lassen, einen ehrgeizigen Sohn, eine Tochter, einen Neffen oder eine Nichte in diesem unscheinbaren Winkel Londons ein paar Jahre lang Simultangleichungen studieren zu lassen, bevor sie wieder nach Hause flogen, um die Führung ihres Landes zu übernehmen – womöglich nach einem mehrjährigen Abstecher bei Deloitte oder Goldman Sachs.

Als ich 2005 an die Universität kam, um dort Mathematik und Wirtschaftswissenschaften zu studieren, war ich alles andere als ein typischer LSE-Student. Drei Jahre zuvor hatte man mich von der Highschool geworfen, weil ich Cannabis verkauft hatte, im Wert von genau drei Pfund. Davor hatte ich versucht, ein Grime-Kollektiv auf die Beine zu stellen; ich hatte mir dazu eigens ein Hoodie maßschneidern lassen mit »MC Gaz« auf der Brust und »Cadaverous Crew« auf dem Rücken, beides in stilisierten Riesenlettern. Zu meiner ersten Vorlesung erschien ich in Ecko-Jogginghose und blau-weißem Ecko-Hoodie. Auf der Brust von Letzterem prangte ein großes marineblaues Nashorn. Bevor ich dort ankam, hatte ich nicht wirklich etwas über die Uni gewusst. Aber von einem Schulkameraden hatte ich erfahren, dass ein LSE-Abschluss ein Ticket zu einem fetten Job in der City war, und das hatte mir gereicht.

Wie nicht weiter überraschend, passte ich da nicht wirklich rein. Die russischen Oligarchen gingen nicht auf ein Brathähnchen in den Halal-Imbiss; die Singapurer konnten meinen Akzent nicht verstehen. Um zu sparen, wohnte ich bei meinen Eltern in Ilford, zehn Meilen östlich der LSE. Ich hatte gerade meine erste richtige Freundin kennengelernt, die wie ich aus Ilford war, und so verbrachte ich mein erstes Jahr größtenteils mit ihr – und der einen oder anderen Flasche – auf einer Parkbank. Und abends, wenn meine Mutter von der Arbeit nach Hause kam, schmuggelte ich sie aus meinem Schlafzimmerfenster und über die Bahngleise. An der Uni ließ ich mich gerade mal zu Vorlesungen und Seminaren sehen.

Trotzdem war ich fest entschlossen, einen guten Abschluss zu machen. Meine Familie hatte keine Connections, und ich kannte niemanden in der City. Ich war weder groß, noch sah ich gut aus, trug weder feinen Zwirn, noch hatte ich aalglatte Networking-Skills. Die eindrucksvollsten außerschulischen Pluspunkte meiner Vita waren eine ausgesprochen uninspirierte Karriere als Grime-MC mit Revolverschnauze und zwei Jahre Kissenaufschütteln in Becktons DFS-Sofastore. Aber Mathe lag mir schon immer, also gab es meiner Ansicht nach für mich nur einen Weg in die City: all die arabischen Milliardäre und chinesischen Industriellen mit einem erstklassigen Abschluss aus dem Feld zu schlagen und dann zu beten, dass Goldman Sachs Notiz von mir nahm.

Mein Plan dazu war relativ einfach: in jeder Vorlesung und in jedem Seminar ganz vorn zu sitzen und dafür zu sorgen, dass ich alles verstand, was Dozenten und Seminarleiter sagten.

Meine Strategie erwies sich als recht effektiv, und ich beendete das erste Studienjahr mit einer durchaus passablen Eins. Wenn ich ganz ehrlich bin, tat ich mich ziemlich leicht. Ich ging mit dem Gefühl in die Sommerferien, dass mein Plan tatsächlich aufgehen könnte.

Doch als ich mein zweites Jahr an der LSE anging, musste ich zwei merkliche Veränderungen konstatieren.

Erstens war plötzlich – so präzedenz- wie grundlos – jeder Student des gesamten Jahrgangs zu einem immens beflissenen Junior-Banker mutiert. Was nicht heißen soll, dass jeder einen Job in den schimmernden Wolkenkratzern von Canary Wharf oder der City ergattert hatte, aber unerwarteterweise – zumindest für mich – tat man so. Plötzlich gingen alle mittwochs und freitags zu den Events der Finance Society und montags auch noch zu den Networking-Events der Investment Society. Mit einem Mal wurden die Sätze meiner Kommilitonen zu Buchstabensuppe – ABS, IBD, CDS, CDO, M&A –, und sie unterhielten sich über »Sales and Trading« und »Sekuritisierung«. Aus irgendeinem unerklärlichen Grund kreuzten plötzlich eine ganze Reihe von ihnen in Business-Dreiteilern auf. Allenthalben wurden Gerüchte laut, so einige von uns – selbstverständlich das Kontingent hochgewachsener, breitschultriger und sorgfältig frisierter Anzugträger unklarer Nationalität, aber eindeutig betuchter Herkunft – hätten bereits illustre Praktika bei Goldman Sachs, der Deutschen Bank, JPMorgan oder Lehman Brothers in der Tasche. Von einigen hieß es gar, sie hätten bereits einen Vollzeitjob.

Alle begannen sich für Praktika zu bewerben. Nicht nur für ein oder zwei, sondern für fünfzehn oder zwanzig, manchmal mehr. Theoretische Fragen für Vorstellungsgespräche machten die Runde – angeblich hatte man sie einem mythischen Studenten aus den Fachbereichen Statistik oder Internationale Beziehungen gestellt. Bald galt es als erwiesen, dass man beim Vorstellungsgespräch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gefragt würde, wie viele kahlköpfige Männer es in Virginia gibt. Ein Student bekam angeblich fünf Sekunden für die Antwort auf 49 mal 49. Alle notierten sich eifrig 2.401. Kein Problem. Spontan bildeten sich an unvorhersehbaren Stellen auf dem Campus unerklärlich lange Schlangen. Normalerweise konnten die meisten nicht so recht sagen, wofür sie eigentlich anstanden. Aber womöglich wartete am Ende der Schlange ja ein Praktikumsplatz. Vielleicht ergab sich auch eine Gelegenheit zum Networking. Um die Computer in der Bibliothek bildeten sich große Trauben mit Taschenrechnern bewaffneter Studenten. Sie versuchten sich, Zahlen und Buchstaben bellend, an Morgan Stanleys Online-Tests.

Ich wusste nicht, wie ich auf diesen totalen Umschwung in Sachen Einstellung, Ansatz und Prioritäten um mich herum reagieren sollte. Viele gingen nicht mehr in die Vorlesungen, um ihre Zeit und Energie voll und ganz den Künsten des Networkings und der Bewerbung sowie dem Erlernen des Finanzjargons und dessen Akronymen zu widmen. Meine bis dahin anscheinend so erfolgreiche Strategie, einfach zu den Vorlesungen und Seminaren zu erscheinen und den Lehrstoff zu absorbieren, schien mir zunehmend – und zunehmend schmerzlich – unzureichend und naiv.

Ratlos wandte ich mich an einen der wenigen guten Freunde, die ich in meinem ersten Studienjahr gewonnen hatte, einen großen, gut aussehenden jungen Slowenen namens Matic, der mit mir Mathematik studierte. Zwar hatte der in England aufgewachsene Matic sich nicht wie viele andere gleich für die volle Business-Montur entschieden, aber auch er kam jetzt merklich eleganter daher. Er war Mitglied der Finance Societies. Er benutzte Akronyme. Er schrieb Bewerbungen. Er ging zu Vorstellungsgesprächen. Er besuchte Events.

Ich fragte Matic, was wohl über den Sommer passiert sein mochte. Was konnte eine derart tiefgreifende Veränderung in der Studentenschaft ausgelöst haben?

»Was meinst du, Gary? Weißt du das nicht? Das zweite Jahr ist Praktikumsjahr!«

Also, das funktioniert so. Oder zumindest sage ich Ihnen jetzt, was Matic mir damals erklärte.

Jeder Student der LSE möchte bei Goldman Sachs unterkommen. Oder bei der Deutschen Bank. Oder Morgan Stanley. Oder JPMorgan. Oder UBS.

Nicht nur alle an der LSE, sondern auch alle am Imperial. Alle an der Warwick. Natürlich alle in Nottingham und Durham und Bath. Und auch die Studenten aus Manchester und Birmingham hätten dort gern einen Job, nur dass die keine Chance haben, es sei denn, sie kennen jemanden aus der Branche, klar. Die Leute in Oxford und Cambridge würden auch gern dort unterkommen, zumindest die, die nicht reich genug sind, um nicht arbeiten zu müssen.

Nur gibt es nicht genug Stellen für all die Leute. Nicht einmal annähernd. Und nicht nur das, es sind auch nicht alle Jobs gleichwertig. Der beste von allen ist »Sales and Trading«. Er bietet die besten Arbeitszeiten (gerade mal zwölf Stunden am Tag, und die Wochenenden sind frei, was ein weiteres Plus ist); außerdem verdient man hier sein Geld am schnellsten, falls man etwas taugt. Bekommt man nichts in Sales and Trading, heißt das, in IBD oder M&A oder dergleichen hundert Stunden die Woche ranzuklotzen bis zum Seelentod und darüber hinaus. Wenn du das nicht bringst, bedeutet das »Consulting«.

Ich hatte keinen blassen Schimmer, was »Consulting« war. So wie Matic das Wort aussprach, hätte er auch von einem Job als Klofrau sprechen können.

Ohne Praktikum einen Job zu bekommen, ist schlicht unmöglich, es sei denn, man hat Connections, und der einzige Zeitpunkt für ein Praktikum ist jetzt. Wer nach dem zweiten Jahr kein Praktikum gemacht hat, muss das nach dem dritten nachholen. Nach dem Praktikum bekommen fünfzig Prozent der Praktikanten ein Angebot für eine Vollzeitstelle, aber das dauert ein geschlagenes Jahr, das heißt, wer sein Praktikum nach dem dritten Jahr macht, steht ein ganzes Jahr ohne Arbeit da. Das ist freilich graue Theorie, denn keine Investmentbank wird einen Praktikanten am Ende seines dritten Jahres einstellen – die Leute dort wissen, dass einen schon im zweiten Jahr keiner haben wollte, und wer will schon einen Praktikanten, den sonst keiner will?

»So sieht das aus. Es geht um alles oder nichts. Um Leben und Tod. Deine Zukunft entscheidet sich hier und heute. Vergiss ›Mathe und Wirtschaft‹. Du musst wissen, was ein CDS ist. Was ist M&A? Was ist IBD? Wie kannst du das nicht wissen, Gary? Jeder weiß das! Und du muss Bewerbungen verschicken. Für diese Praktika bewerben sich irrsinnig viele Leute, und du hast keine Connections. Eine Chance auf ein Praktikum hast du nur, wenn du dich bei mindestens dreißig Banken bewirbst. Bei wie vielen hast du dich bisher beworben? Keiner einzigen?!«

Ich war verloren.

Ich könnte mich auf Mathematik verlegen. Auf Wirtschaft. Aber in dieser neuen Welt der Akronyme war ich verloren. Als mir die Lehrer in der Schule gesagt hatten, ich bräuchte nur fleißig lernen und gute Noten schreiben, um einen guten Job zu bekommen, hatte ich das geglaubt. Was für ein Dummkopf war ich gewesen. Wie blöde kann man nur sein?

Matic mochte etwas steif sein, war aber ein lieber Kerl, und so hatte er Erbarmen mit mir. Er nahm mich mit zu einer Veranstaltung der Finance Society, die unter dem Motto stand »Wie man einen Job bei einer Investmentbank bekommt«.

Die Veranstaltung in einem der älteren, größeren und lichteren Hörsäle der LSE war gut besucht. Wir hörten einen Vortrag eines ehemaligen Investmentbankers, der geradewegs vom Set eines Hollywoodfilms über die Wall Street zu kommen schien: hochgewachsen, Nadelstreifen, Frisiercreme.

Der Vortrag kam mir vor wie ein Bewusstseinsstrom zum Thema harte Arbeit, Satz für Satz gespickt mit all den Wörtern und Abkürzungen, die ich zwar, da war ich mir mittlerweile sicher, schon irgendwo gehört hatte, deren Bedeutung mir aber immer noch nicht ganz klar war – gerade so als hörte ich eine Fremdsprache, die man in der Highschool halbherzig mitnimmt, aber nicht wirklich lernt. Der Mann sprach mit einer schier unglaublichen Intensität und bewegte sich dabei unablässig und flink über die Bühne. Die Message, die ich mitnahm, war eher unkompliziert: Lies alles, lern die Buchstabensuppe und ihre Bedeutungen, knüpf Beziehungen mit allen und jedem, bewirb dich überall, arbeite Tag und Nacht, denk noch nicht mal an Schlaf. Ich bin mir nicht sicher, ob das genau die beabsichtigte Botschaft war. Ich verließ den Hörsaal zutiefst deprimiert.

Zu Matics Enttäuschung und, bis zu einem gewissen Grad, auch meiner eigenen, gab ich meine Bemühungen um eine Praktikumsstelle auf. Ich hatte das einfach nicht drauf. Ich habe mir Akronyme noch nie merken können. Das Ganze schlug mir schlicht aufs Gemüt. Außerdem gehörten zur ersten Phase des Bewerbungsverfahrens Lebenslauf und Anschreiben. Alle anderen hatten sich darauf seit dem vierten Lebensjahr vorbereitet. Jeder schien durch die Sahara getrekkt zu sein, die Junior United Nations geleitet oder seine beschissene Oboe in der Royal Albert Hall gespielt zu haben oder ähnlichen Scheiß. Meine Vita sah anders aus: sechs Jahre Zeitungsjunge, ein Jahr als verkrachter Grime-Rapper und zwei Jahre Kissenaufschütteln in einem Sofamarkt neben der Kläranlage von Beckton. Was sollte das bringen?

Was mich rettete, war die zweite Veränderung meiner Zeit an der Uni, die nicht weniger unerwartet und unerklärlich war als die erste. Als ich mein zweites Jahr antrat, wussten plötzlich alle, wer ich war. Studenten, die ich noch nie im Leben gesehen hatte, manchmal sogar aus dem Kontingent der Anzugträger, kamen in der Bibliothek auf mich zu und sprachen mich an. Einmal trat mir auf dem Korridor ein chinesischer Student in den Weg, musterte mich zehn Sekunden lang wütend und wortlos von Kopf bis Fuß und ließ mich dann stehen. Ein andermal erbot sich ein hochaufgeschossenes Mädchen mit undefinierbarem Akzent und fantastischem Haar, mit mir zu lernen. Nichts davon ergab auch nur den geringsten Sinn.

Völlig perplex erwähnte ich dieses Rätsel meinem Freund und Kommilitonen Sagar Malde gegenüber, einem großen, drahtigen Jungen kenianisch-indischer Herkunft mit herrlich überladenem Akzent, dessen Vater Herr über die gesamte ostafrikanische Seifenindustrie war.

»Ist doch klar, die wissen Bescheid«, rief Sagar aus, als wäre das selbstverständlich. »Sie wissen, wie du in den Prüfungen abgeschnitten hast.«

Seine Antwort vermochte das Rätsel nicht ganz zu klären. Meine Noten waren zwar gut gewesen, aber soweit ich wusste, hatte man sie nirgendwo angeschlagen, und der Beste war ich nun sicher nicht. Sagar selbst zum Beispiel hatte deutlich besser abgeschnitten als ich.

»Schon, Gary«, meinte er freundlich, als ich ihm das sagte, »nur von dir hätte das keiner erwartet.«

Sagar ist ein netter Kerl, wir sind noch heute befreundet. Aber in diesem Augenblick war ich echt schockiert. Ich war schon immer gut in Mathe, sehr gut sogar, solange ich zurückdenken kann. Jeder in der Grundschule wusste, dass ich gut in Mathe war, jeder in meiner Highschool wusste es. Ich hatte hier und da an Wettbewerben teilgenommen und in der Regel gewonnen. Lehrer, Familie, Freunde erwarteten das von mir. Ich selbst hatte es immer von mir erwartet. Manche Leute mochten vielleicht neidisch auf mich sein, aber überrascht hatte ich damit keinen.

Sagars beiläufige Bemerkung hatte mich jedoch zum ersten Mal auf etwas gebracht, was mir zuvor nie in den Sinn gekommen war: Eine Menge reiche Leute halten arme Leute von Haus aus für dumm. Die Wirtschaftsvorlesungen des ersten Studienjahres an der LSE sind mit über tausend Hörern enorm beliebt. Wenn ich bei diesen Vorlesungen in der ersten Reihe saß, mit Jogginganzug und Nike-Beutel, und in meinem unverkennbaren Ostlondoner Akzent Fragen stellte, hatte ich offensichtlich zur Belustigung der anderen, in der Regel bessergestellten Studenten beigetragen, aber niemand hatte in mir eine Bedrohung gesehen. Meine Noten im ersten Jahr hatten diesen Eindruck auf den Kopf gestellt.

Ich ließ mir das durch den Kopf gehen und überlegte, was ich tun sollte. Und damals, in eben diesem Augenblick, fasste ich den Entschluss, es ihnen zu zeigen: Wir sind nicht alle dumm, wir Kids im Jogginganzug. Okay, dann wusste ich eben nicht, was ein CDS ist, aber ich war ganz ordentlich in Mathe, wenn es darauf ankam. Denen werden wir’s zeigen, ja, denen zeigen wir’s. Wir werden denen zeigen, was wir draufhaben.

Während sich also alle anderen bei siebenunddreißig Investmentbanken bewarben, machte ich mich mit großer Geste daran, allen, die nicht gleich davonliefen, zu zeigen, wie gut ich in Wirtschaft und insbesondere in Mathe war. Zum ersten Mal in meinem Leben begann ich, in meiner Freizeit zu lernen. Ich stellte den Dozenten mehr Fragen denn je. Ich begann, ihre Fehler infrage zu stellen. Um ehrlich zu sein, hatte ich keine so rechte Ahnung, ob und wie ich jemals Karriere machen würde, aber darüber machte ich mir auch keinen allzu großen Kopf, nicht mehr. Ich wollte ihnen nur klarmachen, dass sie nicht besser sind als wir. Weil sie’s nun mal nicht sind.

Wie auch immer, eines Tages passierte etwas ganz Merkwürdiges. In der Bibliothek kam ein schlaksiges Nordlicht aus Grimsby in einem zerknitterten Geschäftsanzug auf mich zu. Er hatte volles schwarzes Haar und schien um gut fünfzehn Zentimeter zu groß geraten. Er hieß Luke Blackwood und studierte wie ich Mathematik, war aber aus dem Jahrgang über mir.

»Bist du Gary?«, fragte er mich, und ich sagte Ja.

»Pass auf, die Citibank macht nächste Woche ein Event mit dem Motto ›The Trading Game‹, aber im Grunde geht’s um Mathematik. Wenn du gewinnst, winkt dir eine Einladung zum landesweiten Finale, und wenn du das gewinnst, bekommst du eine Praktikumsstelle. Nach allem, was ich gehört habe, bist du ziemlich gut in Mathe. Du solltest da hingehen.«

Ich hatte mit Luke nie zu tun gehabt, aber er setzte sich neben mich, nannte mir Datum und Uhrzeit des Wettbewerbs und erklärte mir kurz die Spielregeln. Ich hatte keine Ahnung vom Trading, aber wie Luke sagte, war das auch nicht nötig – es war im Grunde ein relativ simples Mathespiel. Nachdem er mir alles erklärt hatte, stand Luke einfach auf und ließ mich sitzen, vor einem blinkenden Computer und einigen A4-Seiten mit Mathehausaufgaben, die noch zur Hälfte zu erledigen waren.

Ich weiß nicht warum, vielleicht stach mich in meiner Großspurigkeit einfach der Hafer, aber ich war mir vom Fleck weg ziemlich sicher, dass ich gewinnen würde. Ich mochte ja keine Ahnung von CDS, CDOs oder ABS-Anleihen haben, aber mit Games kannte ich mich aus und mit Mathe auch. Hier, so schien es mir, bot sich mir endlich ein Weg in die City, der verdammt noch mal nicht voraussetzte, dass ich Oboe spielte. Endlich mal gleiche Chancen für alle, ein echter Wettbewerb. Und ich wusste, es war einer, den ich gewinnen konnte. Ich legte Lehrbücher und Matheaufgaben beiseite, öffnete eine Tabellenkalkulation und begann, die mathematischen Aspekte des Spiels durchzurechnen.

*

Die erste Runde des Trading-Game-Events fand nur wenige Tage nach dem Gespräch mit Luke statt. Es war gerade mal das zweite Finanz-Event, an dem ich je teilgenommen hatte. Es war ein warmer Herbstabend, und obwohl man das Game nicht beworben hatte (oder zumindest nicht so, dass ich es mitbekommen hätte), wand sich eine mittelgroße Schlange aus einem der großen Verwaltungsgebäude der LSE. Die LSE-Finance-Society war ihr anzusehen: ein internationales Potpourri aus Chinesen, Russen, Pakistanis und vielen mehr – junge Leute, deren Akzente und Outfits eher Treuhandfonds suggerierten als Nationalität.

Ich hatte einen Vorteil gegenüber all diesen Leuten, und ich war mir dessen sehr wohl bewusst. Ich hatte mir vorher die Spielregeln erklären lassen und sie nicht. Das war nicht fair, aber das Leben ist nun mal nicht fair. Diese Leute hatten in ihrem Leben weiß Gott schon genügend Regeln erklärt bekommen, von denen ich nie erfahren würde. Es gab mir das Gefühl, zum ersten Mal im Leben im Vorteil zu sein. Ich genoss dieses Gefühl, als die Schlange, einer nach dem anderen, im Gebäude verschwand; ich spürte es als Prickeln in den Fingern und Zehen.

Die Schlange hungriger junger Möchtegern-Trader drängte in einen großen fensterlosen hohen Raum, einen Hörsaal irgendwo im Inneren des Gebäudes, den ich nie zuvor gesehen hatte. Wir wurden in Fünfergruppen aufgeteilt und als solche jeweils gesondert an einem Tisch platziert. Vor einem großen Flipchart im vorderen Teil des Raums stand strahlend ein Hüne von Mann. Es war der erste Trader, den ich in meinem Leben zu sehen bekam. So, dachte ich, muss also ein Trader aussehen.

Als wir Platz genommen hatten, erklärte uns der Trader die Spielregeln. Ich kannte sie natürlich schon, sodass ich Zeit hatte, ihn mir dabei genauer anzusehen. Seine Bewegungen hatten in ihrer Schwerfälligkeit etwas entschieden Bedächtiges, sein Lächeln eine untrügliche Sicherheit, als er einen Blick über das Meer leuchtender Augen warf. Er sah jeden von uns einzeln an. Sein Selbstvertrauen erfüllte den Saal. Es schien von ihm auszugehen wie der züngelnde Rauch einer Kerze. Es war von zähflüssiger, klebriger Dunkelheit, aber gleichzeitig von leuchtend scharfer Brillanz, wie Melasse in einem Glas. Dazu kam ein gewaltiges, nicht enden wollendes perlweißes Lächeln. Irgendetwas an dieser zähflüssigen, klebrigen Dunkelheit versetzte mich wieder nach Hause, nach Ilford. Zu den coolen Kids in der Schule, die zu Drogendealern wurden und mit dem Verkauf von Baggies aus zehn Pfund hundert machten. Aber hier sah ich eine Tiefe, die ich in Ilford nie gesehen hatte. Etwas, das ich erst an der LSE zu erkennen begann. Das Selbstvertrauen eines Mannes, der nicht nur heute, sondern auch morgen gewinnt. Das Selbstvertrauen eines Mannes, der weiß, dass er nicht verlieren kann. Irgendwie spürte ich schon damals, als ich noch keine Ahnung vom Trading hatte, dass es meine Bestimmung war.

Aber vorher gab es noch etwas zu erledigen. Ich hatte einen Wettbewerb zu gewinnen.

Und wie sollte ich das anstellen? Nun, zuerst muss man das Spiel verstehen. Das Trading Game sollte das Traden selbst simulieren, aber eigentlich war es nur ein Zahlenspiel.

Gespielt wurde mit einem speziellen Satz Karten: siebzehn Stück, einige höher, einige niedriger. Für den Fall, dass Sie es einmal selbst spielen möchten, der vollständige Satz besteht aus einer –10, einer 20 und allen Zahlen von 1 bis 15. Jeder Spieler erhält eine Karte, die er sich ansehen kann, und dann kommen drei weitere verdeckt in die Mitte des Tisches. Das Spiel funktioniert im Wesentlichen so, dass die Spieler gegeneinander auf die Höhe des Gesamtwerts der acht Karten im Spiel wetten (jeder der fünf Spieler hat eine Karte, dazu kommt der Wert der drei in der Mitte).

Die Idee dahinter ist folgende: Sie alle kaufen und verkaufen einen Vermögensgegenstand, und der Gesamtwert dieses Vermögensgegenstands ist die Summe der Karten im Spiel. Sie haben nur bestimmte Informationen (Ihre eigene Karte); weitere Informationen (die Karten in der Mitte) werden im Laufe des Spiels enthüllt. Wenn Sie eine hohe Karte haben, sagen wir mal die 15 oder die 20, dann verfügen Sie über das Insiderwissen, dass die Gesamtsumme wahrscheinlich recht hoch sein wird, sodass Sie »Kauf«-Wetten auf eine hohe Gesamtsumme abschließen sollten. Haben Sie eine niedrige Karte wie etwa die –10, sollten Sie darauf wetten, dass die Gesamtsumme niedrig ist. Haben Sie eine mittlere Karte wie eine 6 oder eine 7 bekommen, müssen Sie sich wohl etwas einfallen lassen.

Es ist im Wesentlichen dieses Wettsystem, das das Spiel zu einem »Trading Game« machte. Es sollte, so die Idee dahinter, die Art und Weise imitieren, wie Händler auf Märkten Wetten abschließen: als »Preissetzer« und »Preisnehmer« in einem »Kauf- und Verkaufsgeschäft«.

Lassen Sie mich schnell skizzieren, wie der Handel auf den Finanzmärkten funktioniert. Ein Großkunde – sagen wir mal ein Pensionsfonds, ein Hedgefonds oder ein Konzern – möchte etwas kaufen oder verkaufen. Das kann alles Mögliche sein, aber nehmen wir beispielsweise an, er möchte zehn Millionen britische Pfund im Austausch gegen US-Dollar kaufen. Im Allgemeinen ruft so jemand nicht bei einer Bank an und sagt: »Hallo, ich möchte zehn Millionen britische Pfund im Austausch gegen US-Dollar kaufen.« Und das aus zwei Gründen:

Wenn der Trader weiß, dass Sie britische Pfund kaufen wollen, wird er wahrscheinlich versuchen, den Preis für das Pfund in die Höhe zu treiben.Wenn der Trader weiß, dass Sie britische Pfund kaufen wollen, könnte er sogar auf den Markt gehen und rasch in rauen Mengen Pfund kaufen in der Hoffnung, den Preis nach oben zu treiben, bevor er sie Ihnen zu diesem höheren Preis verkauft. Dies wird als »Frontrunning« bezeichnet und ist als Insidergeschäft in vielen Fällen illegal, kommt aber häufig vor.

Um es deutlich zu sagen: Als Kunde sollten Sie dem Trader auf keinen Fall sagen, dass Sie kaufen wollen, bevor Sie nicht auch tatsächlich die Möglichkeit dazu haben. Um das zu vermeiden, sagen Sie: »Hallo, geben Sie mir einen Preis für zehn Millionen Pfund.«

In diesem Fall weiß der Händler (zumindest der Theorie nach) nicht, ob Sie kaufen oder verkaufen wollen. So muss er Ihnen, den Konventionen entsprechend, zwei Preise nennen – einen, zu dem Sie kaufen, und einen, zu dem Sie verkaufen können. Man bezeichnet das als »Bid-Ask-Preis«, mit dem so gut wie alle großen Finanzmärkte arbeiten. Wenn Sie mal überlegen, sehen Sie etwas Ähnliches, wenn Sie am Flughafen auf den Devisenschalter zugehen: einen Preis, zu dem man Pfund im Tausch gegen Dollar ankauft, und einen zweiten, zu dem man Pfund im Tausch gegen Dollar verkauft. Der Preis, zu dem gekauft wird, ist selbstverständlich immer weit niedriger als der Preis, zu dem verkauft wird. Auf diese Weise verdienen die Devisenschalter ihr Geld. Und genauso ist das auch bei den Tradern.

Das Trading Game der Citibank funktionierte nach eben diesem Prinzip. Jeder Spieler konnte jederzeit jeden seiner Mitspieler fragen: »Was ist dein Preis?«, worauf der andere einem einen Bid-Ask-Preis mit einer Spanne (zwischen Ankaufs- und Verkaufspreis) von 2 zu geben hatte.

Mal angenommen, Sie spielen da als LSE-Student mit. Ein junger, geldgieriger Möchtegern-Trader, sitzen Sie an einem der Tische in einem teuren Anzug, für den Ihr Vater, ein Mitglied des chinesischen Politbüros, bei Londons bestem Schneider viel Geld hingelegt hat. Ein großer und extrem selbstbewusst wirkender Mann erklärt Ihnen kurz die Regeln eines scheinbar recht einfachen mathematischen Spiels, und plötzlich fragt Sie ein kleiner, offenbar aggressiver Junge mit einem blauen Nashorn auf dem weißen Kapuzenpulli mit kaum verständlichem Akzent: »Was ist dein Preis?«

Was machen Sie?

Als normaler LSE-Student, in Wirtschaft, Mathematik und Statistik bestens versiert, brauchen Sie da nicht lange zu überlegen. Sie schauen sich die Karte in Ihrer Hand an, schauen sich die möglichen Karten im Stapel an und führen eine simple statistische Berechnung zur Ermittlung des »Erwartungswerts« der Gesamtsumme aller Karten durch. Das ist rechnerisch kein Problem. Der Durchschnittswert einer Karte im Stapel beträgt 7,65. Bei acht Karten im Spiel belief sich die durchschnittliche Gesamtsumme demnach auf 61,2. Eine der Karten kennen Sie bereits, nämlich die Ihre. Ist die besonders hoch oder niedrig, verschieben Sie die Summe entsprechend nach oben oder unten. Haben Sie eine 20, liegt Ihr Erwartungswert bei 68. Sie hätten jetzt vielleicht einen Wert so um die 73 erwartet, da 20 um 12 mehr ist als 7,65, aber wenn Sie die 20 haben, bedeutet das, dass niemand sonst sie hat, und so erhöht sich der Erwartungswert nur um 7. Wenn Sie eine –10 haben, liegt Ihr Erwartungswert bei 51,2.

Das ist alles nur Mathematik und nun wirklich nicht schwer. Jeder am Tisch war dazu in der Lage. Nur ist es dumm. Und ich werde Ihnen auch gleich erklären, warum.

Zu dem Zeitpunkt hatte ich bereits ein Jahr lang mit LSE-Mathe-, Wirtschafts- und Finanztypen studiert. Ich wusste, wie sie tickten, und dachte mir, dass sie genau das tun würden. Versetzen Sie sich nur mal in die Situation. Stellen Sie sich vor, ein Spieler an Ihrem Tisch hat die 20, und er nennt Ihnen vom Fleck weg ein Angebot von 67–69 (vergessen Sie nicht, sein Erwartungswert ist 68). Ein anderer hat die –10 und eröffnet mit einem Angebot von 50–52. Was machen Sie?

Zunächst einmal wissen Sie natürlich sofort, dass der eine die –10 und der andere die 20 hat. Die Leute haben sich mit den ersten Worten aus ihrem Mund in die Karten schauen lassen. Aber darum geht es hier gar nicht mal. Die Sache ist vielmehr die, dass Sie mit dem 50–52-Typ darauf wetten können, dass die Summe höher als 52 ausfallen wird. Dann können Sie mit dem 67–69-Typ darauf wetten, dass die Summe niedriger ausfallen wird als 67. Also kaufen Sie zu 52 und verkaufen zu 67. Die beiden Wetten heben einander sofort auf, und Sie machen einen Gewinn von 15. Und das unabhängig davon, wie hoch das tatsächliche Ergebnis des Spiels ausfallen wird – Sie machen einen völlig risikolosen Gewinn von 15. Dann machen Sie das Ganze noch mal.

Sind die anderen Spieler nicht auf den Kopf gefallen, werden sie sehen, dass Sie da einen schnellen Schnitt gemacht haben. Sie werden sehen, wie dumm es ist, etwas zu 52 zu verkaufen, wenn einer der anderen Herren ihnen 67 dafür bietet. Sind die anderen Spieler nicht auf den Kopf gefallen, werden sie sehen, dass der kleine Kerl mit dem Nashorn-Hoodie in der ersten Minute fünfzehn Preise erfragt und bereits einen garantierten Gewinn von 100 erzielt hat. Sie werden sehen, dass er ja vielleicht weiß, was er tut. Sie werden denken, dass sie sich vielleicht darauf einstellen sollten.

Aber die Art von Leuten, die an der LSE Wirtschaft studieren und zu den Veranstaltungen der Finance Society gehen, sind nun mal nicht clever. Oder besser gesagt, ihre Cleverness ist von anderer Art. Sie sind clever im Umgang mit Taschenrechnern und Tabellenkalkulationen. Geben Sie ihnen einen hübschen Schlips und ein Glas Wein und setzen Sie sie in einen Raum mit einem Recruiter der Deutschen Bank, und die beiden werden sich womöglich prächtig verstehen. Lassen Sie sie jedoch eine Partie Karten mit einem zungenfertigen jungen Kerl aus East London spielen, der bereits drei Tage Zeit gehabt hat, das Spiel zu durchschauen, merken sie wahrscheinlich erst eine Stunde zu spät, dass sie am Verlieren sind.

Und so habe ich den ganzen Wettbewerb gewonnen, einfach so. Niedrig kaufen, hoch verkaufen, niedrig kaufen, hoch verkaufen, niedrig kaufen und wieder hoch verkaufen. Es war zum Schreien. Meine Konkurrenten klebten mit der Nase am Taschenrechner. Während sie ihre Erwartungswerte ausrechneten, sackte ich Punkt für Punkt ein.

Dieses Spiel war zwar nur eine mathematische Spielerei, aber es verrät auch einiges über die Märkte:

Nicht der einzelne Trader bestimmt den Kurs. Nur weil Ihrer Ansicht nach etwas 60 wert ist, bieten Sie nicht 59 dafür, wenn es bei allen anderen für 50 zu haben ist. Wenn andere es für 50 verkaufen, sollten Sie höchstens 50–52 dafür quotieren. Es hat keinen Sinn, ein Kaufangebot für 51 zu machen, wenn jemand für 50 verkauft. Dies sagt uns etwas Interessantes über die Märkte, nämlich dass der einzelne Trader nicht den Preis quotieren sollte, den er einem Wirtschaftsgut beimisst, sondern den, den ihm alle anderen beimessen. Entsprechend dürften Sie, wenn Sie zehn verschiedene Trader um einen Preis bitten, nicht zehn verschiedene Preise erhalten – ihre Preise dürften sich mehr oder weniger decken. Dies gilt selbst dann, wenn die zehn Händler völlig unterschiedliche Ansichten darüber haben, wie der Preis tatsächlich sein sollte.Wenn es ganz so aussieht, als wüsste ein anderer, was er macht, und einen Haufen Geld verdient, während Sie keine Ahnung haben, was Sie da machen, dann machen Sie es ihm doch vielleicht einfach nach. Punkt 3 ist allen voran die treibende Kraft auf den meisten Finanzmärkten.

Ich weiß, diese erste Runde des Trading Games war wettbewerbstechnisch eigentlich nicht fair. Ich hatte die Regeln drei Tage vorher erfahren, alle anderen erst am Tag des Wettbewerbs selbst. Ich weiß auch, dass das wahrscheinlich mit entscheidend dafür war, dass ich an diesem Tag gewann, und ich weiß, dass das letztendlich der erste Schritt zu einem Job war, der mich schließlich zum Millionär machen sollte. Das war nicht fair, das weiß ich. Aber, um ganz offen zu sein, ist mir das egal. Die anderen Leute dort sind später Millionäre geworden, weil ihre Väter Millionäre waren. Einige von ihnen wurden Trader, weil ihre Väter Trader waren. Mein Vater arbeitete bei der Post, und ich hatte zu Hause noch nicht mal einen Schreibtisch für meine Mathe-Hausaufgaben. Man packt wohl sein Glück am Schopf, wo immer es sich einem bietet. Ich ging hinauf zu dem Trader aufs Podium und drückte seine große Hand.

»Gut gemacht«, sagte er. »Wir sehen uns dann beim Finale.«

»Danke«, sagte ich. »Wir sehen uns dann dort.«

*

Zwischen der LSE-Runde des Trading Games und dem landesweiten Finale lagen etwa drei Wochen, und ich besuchte die ganze Zeit über praktisch weder eine Vorlesung noch ein Seminar. Matic hatte es ebenfalls geschafft. Ich brachte das Spiel auch allen meinen Freunden bei. Ich verkroch mich in einem Raum der Bibliothek und spielte dieses Spiel, nur dieses Spiel, drei Wochen lang, mit jedem, von dem ich wusste, dass er mitmachen wollte. Wenn sich kein Partner fand, stellte ich einschlägige Tabellen auf und lernte sie auswendig. Es war nur ein albernes Zahlenspiel, das man sich bei der Citibank ausgedacht hatte. Als das Finale kam, war ich wohl der weltweit führende Experte darin.

Das Finale sollte im Citigroup Tower stattfinden, der damals, 2006, zu den drei höchsten Gebäuden des Landes gehörte, wobei der HSBC-Tower und die blinkende Pyramidenkuppel des Canary Wharf Towers die beiden anderen Eckpunkte des Dreiecks waren. Es waren die Gebäude, die ich von Ilford aus am Horizont zwischen unseren Torpfosten über der Mauer am Ende der Straße gesehen hatte. Es kam mir vor wie Schicksal. Aber erst mal musste ich gewinnen.

Als das Finale anstand, war aus dem warmen Frühherbst ein kalter Frühwinter geworden. Ich schlüpfte in ein dunkelblau kariertes Hemd und band mir eine breite blau-gelbe Krawatte um. Das war der Aufzug, in dem ich bei DFS Kissen aufplustern ging. Es dunkelte bereits, als ich an der LSE in die U-Bahn nach Canary Wharf stieg. Die Züge der Jubilee Line hören sich ganz anders an als die, die jeden Morgen an meinem Bett vorbeifuhren. Beim Beschleunigen wie beim Abbremsen hört man nur ein spiralförmig aufsteigendes Surren. Sie klangen neu. Sie klangen nach Hightech. Für mich klangen sie immer nach Geld.

Das Trading Game fand in einem der obersten Stockwerke des Towers statt. An einem Winterabend ist London aus dieser Höhe nur eine einzige gewaltige Masse von Fenstern und leuchtenden Straßenlampen. Als Kind hatte ich jeden Tag zu diesen Wolkenkratzern hinaufgeschaut, und an jedem anderen Tag wäre es mir vielleicht in den Sinn gekommen, von dort oben aus mein Zuhause zu suchen. Aber ich war nicht zum Sightseeing da, mein Kopf war voller Zahlen. Außerdem hätte ich nicht gewusst, in welche Richtung ich hätte schauen sollen.

Vor dem Spiel gab es einen kurzen Empfang mit Champagner und Kanapees. Ich wusste nicht, was ein Kanapee ist, und Champagner trank ich keinen. Die anderen Kandidaten mischten sich unter die anwesenden Trader und lachten verhalten mit ihnen. Wahrscheinlich über CDOs, nahm ich an. Aber ich habe nicht zugehört. Ich war nur wegen der Zahlen da. Von fünf Universitäten waren je fünf Bewerber da: LSE, Oxford, Cambridge, Durham, Warwick. Was die Citibank anbelangte, so denke ich mal, zählten andere Universitäten wohl nicht. Damit gab es 25 Teilnehmer, mich eingeschlossen, und ich hatte das Game mittlerweile mit jedem aus dem LSE-Kontingent gespielt. Ich rechnete mir gute Chancen aus.

Wir setzten uns an unsere Tische. Während der lächelnde Hüne von einem Trader wie schon in der ersten Runde an der LSE ein paar motivierende Worte sagte, schätzte ich die Spieler an meinem Tisch ein. In dieser Runde würde ich eine völlig andere Strategie verfolgen müssen. Wer hier war, hatte in der ersten Runde gut genug abgeschnitten, um weiterzukommen. Sie dürften also gut genug sein, um zu verstehen, wie unsinnig es wäre, Preise zu quotieren, die von denen der anderen am Tisch abwichen. Für mich bedeutete das, dass ich für mein Geld würde arbeiten müssen – einfach bei den einen niedrig zu kaufen und bei den anderen hoch zu verkaufen, war hier nicht drin.

Die Tatsache, dass die Spieler einsehen würden, wie dumm es wäre, allzu weit divergierende Preise zu quotieren, schuf jedoch neue Möglichkeiten. Während meiner unermüdlichen Trainingspartien hatte ich bei den meisten Spielern eine eiserne Entschlossenheit festgestellt, nur geringfügig von den um sie herum quotierten Preisen abzuweichen. Sie entschieden dabei jedoch weitgehend von Fall zu Fall, indem sie auf die Preise achteten, die ihnen genannt wurden, um dann ihre eigenen in deren Nähe zu halten. Dies bot mir die Möglichkeit, die von den anderen quotierten Preise zu manipulieren, indem ich selbst Preise angab und das sehr laut. Das Spiel funktionierte (ähnlich der richtigen Märkte) nach dem Jeder-gegen-jeden-Prinzip, und wenn die Preise um die 62–64 lagen, ließ sich der Preis durch ein lautstarkes »58–60!« oft auf etwa diesen Wert senken. Eine weitere Möglichkeit, das Preisniveau zu bestimmen, bestand darin, gleich zu Beginn des Spiels – ebenfalls lautstark – einen Preis zu quotieren.

Dadurch eröffnete sich mir eine neue, potenziell profitable Strategie. Hatte ich eine hohe Karte, begann ich das Spiel, indem ich einen niedrigen Preis in die Runde rief. Es ist dies ein relativ simpler Bluff. Ich lasse durchblicken, dass ich eine niedrige Karte habe, um den Gesamtpreis zu drücken, um dann, da sich alle an meine anfängliche niedrige Quotierung gehalten haben, auf einem niedrigeren Niveau von mehreren meiner Mitspieler kaufen zu können. Das Risiko dabei bestand natürlich darin, dass die anderen Teilnehmer meinen Bluff durchschauten und einfach zu einem niedrigen Preis bei mir kauften, um dann zu einem hohen Preis weiter zu handeln. Ich verließ mich dabei auf die relativ simple Message meines Freundes Sagar Malde einige Wochen zuvor: Reiche Leute halten arme Leute von Haus aus für dumm. Wenn einer, der aussieht wie ich und redet wie ich, das Spiel damit beginnt, dass er lautstark einen offenbar viel zu niedrigen Preis quotiert, werden die anderen darin eher das Werk eines Einfaltspinsels sehen, der ihnen wohlfeil sein Blatt gezeigt hat, als irgendeinen komplexen Bluff.

Im Folgenden bestand mein Plan einfach darin, die anderen unaufhörlich nach Preisen zu fragen, um so hinter ihre Strategie zu kommen und damit auf die Karte in ihrer Hand. Dabei stützte ich mich auf eine weitere Information, die ich von den LSE-Spielern aufgeschnappt hatte: Die meisten von ihnen rechneten gar nicht mit einem Sieg im Finale, sie sahen darin eher eine Gelegenheit zum Networking. In Anbetracht dessen konnte ich davon ausgehen, dass die Strategie der meisten von ihnen relativ simpel war – etwas über dem Durchschnitt zu bieten, wenn sie eine hohe Karte hatten, und etwas darunter mit einer niedrigen. Einige würden vielleicht einen neutralen Preis angeben, um sich nicht zu verraten, aber das wohl eher selten. Bluffen würden jedenfalls nur sehr wenige. Vergessen Sie nicht, dass diese Leute Wirtschaftswissenschaften studierten; Sie finden unter solchen Leuten kein Poker-Ass.

Die wesentliche Lektion hier ist, dass Volkswirtschaftler heutzutage letztlich Mathematiker und weder große Denker noch Zocker sind. Die anderen Studenten überließen das Spiel ihren Taschenrechnern, und während sie ihre Taschenrechner für sie spielen ließen, lenkte ich ihre Ohren und las ihre Augen. Ich eröffnete mit einem lautstarken Bluff und schätzte dann blitzschnell Intelligenz, Komplexität und schließlich die wahrscheinliche Karte eines jeden Mitspielers ein. Sobald das feststand, entschied ich, ob ich kaufen (auf einen hohen Gesamtwert wetten) oder verkaufen (auf einen niedrigen Gesamtwert wetten) sollte. Wenn ich Käufer war, manövrierte ich den Preis nach unten, indem ich lautstark niedrige Quotierungen gab und dabei aktiv auf diesem niedrigen Niveau von anderen kaufte. War ich Verkäufer, hielt ich es andersrum.

Die Strategie ging perfekt auf, und nach den ersten fünf Spielen stand ich im großen Finale, dem Finale des Finales. Nur noch fünf Spieler. Ein Praktikumsplatz stand auf dem Spiel. Das waren gute Aussichten.

Während wir fünf uns an den Tisch in der Mitte begaben, schauten die ausgeschiedenen Teilnehmer, Kanapees schnabulierend, zu.

Ich versuchte die Spieler um mich herum einzuschätzen. Gegen die meisten von ihnen hatte ich bereits in den Spielen vor diesem Finale gespielt. Sie waren alle gut, hatten ein feines Gespür für Preisbewegungen und waren sich der mathematischen Basis bewusst. Aber keiner von ihnen war – meiner Ansicht nach – clever genug gewesen, um zu bluffen oder einen Bluff zu erkennen. Meine Chancen, so fand ich, standen gut.

Die Karten wurden verteilt, und ich bekam eine –10. Das ist eine gute Karte. Die –10 ist am weitesten vom Durchschnitt entfernt, was bedeutet, dass sie mehr als alle anderen auf den Gesamtwert des Spiels zu wirken vermag. Aber natürlich ist sie nur dann von Wert, wenn die anderen nicht wissen, dass man sie hat. Andernfalls werden sie sofort selbst ihre Preise senken und berauben Sie damit der Möglichkeit, von ihr zu profitieren. Dies ist eine weitere allgemein gültige Regel des Tradings: Man verdient nicht notwendigerweise Geld, indem man recht hat, sondern indem man recht hat, wenn andere falsch liegen.

Ganz im Sinne meiner Strategie quotierte ich sofort einen hohen Preis. Wenn ich die ganze Runde über für ein hohes Preisniveau sorgen konnte, könnte ich, so hoffte ich jedenfalls, kontinuierlich zu hohen Preisen »verkaufen« und so das Beste aus meiner –10-Karte machen.

Überraschenderweise schlug der erste Spieler mein hohes Angebot aus. Worauf ich ihn nach seinem Preis fragte. Der sogar noch höher war. Womit er sich ja wohl verraten hatte – er hatte eine hohe Karte.

Ich fragte die übrigen drei. Einer wie der andere quotierte einen hohen Preis. Also hatten alle halbwegs hohe Karten, so schien es. Was bedeutete, dass wir auf eine hohe Gesamtsumme kommen würden – mal abgesehen von meiner –10. Also musste ich den Preis in die Höhe treiben, um einen Gewinn zu erzielen. Meine Quotes wurden von Mal zu Mal höher und lauter, bis man schließlich an mich zu verkaufen begann. So gelang es mir, den Preis noch etwas weiter nach oben zu treiben, und dann begann ich zu verkaufen, auf Teufel komm raus. Bei diesem Preis und mit der –10 in der Hinterhand konnte ich praktisch nicht verlieren. Der Trick bestand darin, den Markt durch ebenso hohe wie lautstarke Quotes in die Höhe zu treiben, sprich, wie ein aggressiver Käufer aufzutreten, während ich in Wirklichkeit verkaufte, wenn ich die anderen Spieler um ihren Preis bat. Im allgemeinen Tohuwabohu des Spiels konnten die anderen Spieler unmöglich verfolgen, wer anhand ihrer eigenen Quotes kaufte oder verkaufte, aber die ständige Wiederholung der Quotes hatte es in sich und wirkte stark auf den Preis.

In der Überzeugung, dass die Endsumme bei diesem Preis mit ziemlicher Sicherheit weit niedriger ausfallen würde, begann ich reihenweise »Sell«-Wetten zu platzieren. Dann wurde die erste der drei Karten in der Mitte aufgedeckt. Es war eine 13.

Das war gar nicht gut für mich. Dreizehn liegt deutlich über dem durchschnittlichen Kartenwert von 7,65 und hebt den erwarteten Gesamtwert der Karten um etwa 3 Punkte an. Bei all den »Sell«-Wetten auf meiner Scorecard war das keine gute Nachricht. Aber ich hatte die –10 in der Hinterhand, was niemand wusste, und die Preise waren hoch. Mathematisch gesehen stand alles zu meinen Gunsten. Also nutzte ich die Gelegenheit, um den Preis weiter hochzutreiben, und setzte meine Verkaufsserie fort.

Als die zweite Karte umgedreht wurde, hatte ich bereits zwei Scorecards voll »Sell«-Wetten. Die zweite Karte war eine 14.

Vielleicht hätte ich zu diesem Zeitpunkt misstrauisch werden sollen, aber das war ich nicht. Dazu hatte ich gar keine Zeit. Ich brauchte eine niedrige Gesamtsumme, sonst war es Essig mit meiner Karriere – nicht, dass es mich aufhalten würde, wenn sie nicht niedrig ausfiel. Ich trieb den Preis weiter nach oben und begann noch aggressiver zu verkaufen und zwar zu einem gar noch höheren Preis. Bis zum Ende des Spiels hatte ich etwa 300 Verkäufe auf meiner Card.

Die letzte Karte wurde umgedreht. Es war eine 20. Die vier anderen Spieler deckten ihre Karten auf: 10, 11, 12, 15. Das war schlicht unmöglich. Ich hatte die einzige –10-Karte, die anderen waren die sieben höchstmöglichen Karten im Spiel. Die Wahrscheinlichkeit eines Zufalls liegt hier bei eins zu elftausendvierhundertvierzig. 0,0087 Prozent. Das Spiel war manipuliert.

Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Für einen Augenblick war ich wie gelähmt. Das Publikum war begeistert. Die anderen Spieler natürlich auch. Bei all meinen Verkäufen quollen ihre Scorecards unweigerlich vor Käufen über. Und der Preis war am Ende irre hoch. Aber wer hatte das Spiel manipuliert? Und warum? Was hatte das zu bedeuten?

Die Runde löste sich auf, als Trader und andere Citigroup-Leute im hinteren Teil des Raums die Köpfe zusammensteckten, um die Scores auszuwerten. Die Spieler verschwanden in der Menge.

»Tut mir leid, Alter.« Matic legte mir eine Hand auf die Schulter. »Das war Pech, Mann. Du hast dein Bestes gegeben.«

Ich weiß nicht so recht, was ich damals zu Matic gesagt habe. Vielleicht habe ich einfach gar nichts gesagt.

Die nächsten fünf Minuten schien der Saal um mich herum sich aufzulösen. Ich bemerkte, dass ich ein Glas Champagner in der Hand hielt, mit all den kleinen Bläschen, die immer wieder aus dem Nichts auftauchen und nach oben sprudeln. Was war da gerade passiert? Wer steckte dahinter? Warum sollte man mich übers Ohr hauen wollen?

Kurz darauf schritt der Trader in die Mitte des Saals. Seine enorme Ausstrahlung ließ die Menge sofort verstummen. Man machte Platz rund um ihn.

»Ich möchte mich bei Ihnen allen fürs Mitspielen bedanken«, rief er, und seine amerikanische Stentorstimme riss mich zurück in den Saal. »Wir haben die Scores ausgewertet, und ich kann Ihnen den Sieger verkünden.«

Ich weiß nicht mehr genau, wie viele Punkte die einzelnen hatten. Mein Score jedenfalls lag unter minus tausend. Das ist ... nicht gut. Um die Wahrheit zu sagen, es war mir nicht peinlich. Wer nicht schießt, der trifft auch nicht, Sie verstehen?

Nachdem der Hüne von einem Trader die Resultate vorgelesen hatte, gab er den Gewinner bekannt. Und der Name, den er ausrief, war meiner. Ich hatte gewonnen. Ich.

Wie benommen trat ich vor.

Während er mir die Hand drückte, wandte sich der Trader der Menge zu.

»Gary lag mit seinen Ergebnissen in den Aufwärmrunden so weit vorn, dass wir beschlossen, ihn auf die Probe zu stellen. Wir wollten sehen, wie er reagiert, wenn er mit dem Rücken zur Wand steht, und so haben wir das Spiel manipuliert. Es ist wichtig zu wissen, ob ein Trader Selbstvertrauen hat oder ob er klein beigibt. Gary, Sie haben Rückgrat gezeigt, und so was sehen wir gerne. Gut gemacht.«