Das nationale System der politischen Ökonomie - Friedrich List - E-Book

Das nationale System der politischen Ökonomie E-Book

Friedrich List

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Beschreibung

Obwohl er eine freiheitliche politische Ordnung propagiert, plädiert List zum Schutz der Entwicklung der einheimischen Industrie für 'Erziehungszölle', um die Industrieproduktion zu forcieren. Seine Theorien finden auch heute noch in Ländern der 'Dritten Welt' Verwendung, weshalb wir das Werk als Band 5 unserer Reihe 'Klassiker der Ökonomie' aufgenommen haben. Wir haben für das E-Book die Orthografie behutsam modernisiert, ohne allerdings den Sprachstil zu verändern. Das E-Book enthält als Vorwort den Artikel ›Mauern gegen die Konkurrenz‹ von Nadja Kirsten, der 1999 in der Zeit erschienen ist.

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Impressum

Friedrich List: Das nationale System der politischen Ökonomie Neu herausgegeben von Sven Horn Klassiker der Ökonomie. Band 5 Veröffentlicht im heptagon Verlag © Berlin 2014 www.heptagon.de ISBN: 978-3-934616-92-9

Editorische Notiz

Friedrich List war neben Karl Marx der bedeutendste deutsche Wirtschaftstheoretiker zur Zeit des Vormärz. Im Unterschied zu Marx war er Pragmatiker, trat für die Modernisierung des damals ökonomisch rückständigen Deutschlands ein. Er arbeitete als Verwaltungsbeamter, lehrte an der Universität, war als Landtagsabgeordneter in Württemberg, Industrieller und Journalist tätig. Wegen einer politisch liberalen Kampfschrift wurde er verfolgt und musste zeitweise in die USA emigrieren.

Basierend auf dieser Erfahrung in der »Neuen Welt« stellt er fest: »Das beste Werk, das man in diesem neuen Lande über politische Ökonomie lesen kann, ist das Leben.« Er kritisiert die britischen und französischen Ökonomen seiner Zeit – insbesondere Adam Smith –, denen er »bodenlosen Kosmopolitismus« und ein immer tieferes Versinken in »Materialismus, Partikularismus und Individualismus« vorwirft.

Seine Kritik an der Arbeitswertlehre, die Smith, Say oder Marx verwenden, ist heute noch schlüssig: »Wer Schweine erzieht, ist nach ihr ein produktives, wer Menschen erzieht, ein unproduktives Mitglied der Gesellschaft ... Ein Newton, ein Watt, ein Kepler sind nicht so produktiv als ein Esel, ein Pferd oder ein Pflugstier, welche Arbeiter in neuerer Zeit von Herrn MacCulloch in die Reihe der produktiven Mitglieder der menschlichen Gesellschaft eingeführt worden sind.«

Obwohl er eine freiheitliche politische Ordnung propagiert, plädiert List zum Schutz der Entwicklung der einheimischen Industrie für »Erziehungszölle«, um die Industrieproduktion zu forcieren. Seine Theorien finden auch heute noch in Ländern der »Dritten Welt« Verwendung, weshalb wir das Werk als Band 5 unserer Reihe »Klassiker der Ökonomie« aufgenommen haben.

Als Basis für das vorliegende E-Book haben wir folgende Ausgabe benutzt: »Friedrich List: Das nationale System der politischen Ökonomie, Akademie-Verlag. Berlin 1982.« Wir haben für das E-Book die Orthografie behutsam modernisiert, ohne allerdings den Sprachstil (insbesondere auch die alte Dativ-Form mit angehängtem e) zu verändern. Der Ausgabe des Akademieverlages folgend haben wir allerdings das Wort »Zins« beibehalten und nicht das ursprüngliche »Interesse« von List benutzt, das dem Englischen entlehnt war und heute unverständlich erscheint.

Wir danken der Wochenzeitung »Die Zeit« für die Genehmigung, den Artikel »Mauern gegen die Konkurrenz« von Nadja Kirsten für dieses E-Book zu verwenden, den wir nachfolgend präsentieren.

Sven Horn

Mauern gegen die Konkurrenz

Friedrich List: »Das nationale System der politischen Ökonomie«

Von Nadja Kirsten

Als Politiker und Publizist kämpfte Friedrich List für einen deutschen Zollverein und ein deutschlandweites Eisenbahnnetz. Als Ökonom wurde er zum Vordenker des wirtschaftlich starken Nationalstaats. Die Zeiten überdauert hat vor allem ein partieller, wenngleich wichtiger Aspekt seiner Theorie: die Idee, junge Industrien durch Zollmauern zu schützen.

Der umtriebige Patriot aus Reutlingen träumte von Macht und Wohlstand für die deutsche Nation. Doch das politisch ungeeinte, weitgehend agrarisch geprägte Deutschland seiner Zeit war weit davon entfernt, mit dem mächtigen England konkurrieren zu können. In seinem 1841 veröffentlichten Hauptwerk Das nationale System der politischen Ökonomie schrieb Friedrich List (1789–1846), wie eine Nation reich und mächtig werden kann: Entscheidend sei die erfolgreiche »Pflanzung einer Manufakturkraft«.

Die Industrialisierung eines Landes sieht List als Initialzündung. Sie löst eine sich selbst verstärkende Dynamik aus: Der technische Fortschritt entwickelt sich in rasantem Tempo, die Infrastruktur wird ausgebaut, die Landwirtschaft blüht auf. Zudem fördere sie die bürgerliche Freiheit und bereite der »geistigen, moralischen und physischen Stagnation der Bevölkerung« ein Ende.

Für die Modernisierung einer Nation ist es entscheidend, dass junge Industrien Fuß fassen können. Doch die aufstrebenden Manufakturen Deutschlands und anderer Entwicklungsländer der damaligen Zeit litten unter der erdrückenden englischen Konkurrenz. Sie lieferte bessere Ware zu niedrigeren Preisen. Vor diesem Hintergrund entwickelt List den »Erziehungszoll«: Eine Nation, deren Industrie noch in den Kinderschuhen steckt, soll ihren einheimischen Markt durch Zölle auf Manufakturimporte schützen und damit die »industrielle Erziehung« vorantreiben. Die junge Industrie erhält so Gelegenheit, ohne äußeren Konkurrenzdruck zu »üben«.

»Die Manufakturen und Fabriken sind die Mütter und die Kinder der bürgerlichen Freiheit, der Aufklärung, der Künste und Wissenschaften, des innern und äußern Handels, der Schifffahrt und der Transportverbesserung, der Zivilisation und der politischen Macht«

Zwar gehen die Zölle auf die billigere und bessere Importware zeitweilig zulasten des Verbrauchers. Der Verzicht auf kurzfristige Konsumvorteile ist aber zumutbar, weil damit langfristig in die Zukunft der Nation investiert wird. Diese erleidet durch die Schutzzölle lediglich einen Wertverlust, gewinnt aber Kräfte, »vermittels welcher sie für ewige Zeiten in den Stand gesetzt wird, unberechenbare Summen von Werten zu produzieren«.

Sosehr List die Erziehungszölle preist, so wenig empfiehlt er sie als Wundermittel. Er betont, dass neben wirtschaftlichen Faktoren auch gesellschaftliche und politisch-institutionelle Rahmenbedingungen die Entwicklungsfähigkeit einer Nation bestimmen. So seien bürgerliche Freiheiten, die öffentliche Kontrolle der Verwaltung, eine freie Presse, die Sicherheit des Eigentums, aber auch eine gebildete Bevölkerung und nicht zuletzt »Religiosität, Moralität und Sittlichkeit« Quellen des nationalen Reichtums.

Seine Positionen entwickelt List in ständiger, teils polemischer Auseinandersetzung mit den Lehren der klassischen Ökonomie von Adam Smith, David Ricardo und Jean Baptiste Say. Der »Schule«, wie er diese Denkrichtung knapp nennt, wirft er vor, bei ihrem Eintreten für die internationale Handelsfreiheit den Idealzustand einer friedlichen Weltgesellschaft zu unterstellen. Die Klassiker haben nach Ansicht Lists nicht erkannt, dass das Freihandelsprinzip »unter den bestehenden Weltverhältnissen« zur Abhängigkeit der weniger entwickelten Nationen von der herrschenden Industriemacht England führe – ein Argument, das sich über hundert Jahre später viele Entwicklungsländer unter veränderten Vorzeichen zu Eigen machten.

Im Gegensatz zur klassischen Ökonomie glaubt List nicht, dass die Gesellschaft immer dann am besten fährt, wenn sie die Individuen ungehindert ihre eigennützigen Interessen verfolgen lässt. Vom uneingeschränkten Laisser-faire hält er nicht viel. Seine Position: Der Staat kann und muss in die Wirtschaft eingreifen, wenn die »Privatindustrie« der Gesellschaft Schaden zufügt oder wenn sie die gemeinschaftlichen Interessen nicht ausreichend fördert. Wo der Einzelne darauf achtet, seinen gegenwärtigen Wohlstand zu mehren, hat der Staat die Voraussetzungen für Wohlstand in der Zukunft zu schaffen. Er muss »auf die Bedürfnisse künftiger Jahrhunderte Bedacht nehmen«, in die Zukunft investieren.

»Schutzzölle wirken als Reizmittel auf all diejenigen Zweige der innern Industrie, welche das Ausland besser liefert als das Inland, zu deren Produktion aber das Inland befähigt ist«

Lists Werk stieß auf große Resonanz. Die Nachfrage nach dem Buch war rege, Übersetzungen folgten. Aus heutiger Sicht mangelt es dem Werk zwar an theoretischem Gehalt. Aber indem List nach den Entwicklungsbedingungen ganzer Nationen fragte und die volkswirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Voraussetzungen künftigen Wohlstands diskutierte, lenkte er das ökonomische Denken in neue Bahnen. Heute ist es selbstverständlich, von der Entwicklung einer Volkswirtschaft zu sprechen, Investitionen in Bildung und Infrastruktur zu fordern und von der Politik Maßnahmen zur Stärkung des Standorts zu verlangen. Vielfach betrachten Ökonomen heute die Wirtschaft durch die Brille, die Friedrich List vor über 150 Jahren zum ersten Mal aufsetzte.

Vorrede

Wenn, wie man sagt, die Vorrede die Entstehungsgeschichte des Buches enthalten soll, so muss ich in dieser fast mein halbes Leben beschreiben, denn mehr als dreiundzwanzig Jahre sind verflossen, seitdem der erste Zweifel an der Wahrhaftigkeit der herrschenden Theorie der politischen Ökonomie in mir aufstieg, seit ich mich abmühe, ihre Irrtümer und deren Grundursachen zu erforschen. Beklagenswert wäre ich in der Tat, ergäbe es sich am Ende, ich habe diese lange Zeit nur Hirngespinsten nachgejagt, da ich weder durch Überschätzung meiner Kräfte, noch durch übertriebenen Ehrgeiz verleitet worden bin, mir ein so hohes Ziel zu stecken und es so beharrlich zu verfolgen. Es war mein Beruf, der mir die erste Veranlassung dazu gab; es war mein Schicksal, das mich Widerspenstigen mit unwiderstehlicher Gewalt zu weiterer Verfolgung der betretenen Bahn des Zweifels und der Forschung spornte. Deutsche Zeitgenossen werden sich erinnern, welch tiefe Ebbe im Jahre 1818 in Deutschlands Wohlstand eingetreten war. Damals sollte ich mich auf Vorlesungen über die politische Ökonomie vorbereiten. Gelernt hatte ich so gut wie andere, was darüber gedacht und geschrieben worden war, aber es genügte mir nicht, die Jugend über den gegenwärtigen Stand der Wissenschaft zu unterrichten, ich wollte sie auch lehren, wie auf nationalökonomischem Wege Deutschlands Wohlstand, Kultur und Macht zu fördern sei. Die Theorie wies auf das Prinzip der Handelsfreiheit. Vernunftgemäß schien mir dieses Prinzip allerdings, und auch durch die Erfahrung erprobt, wenn ich die Wirkungen der Aufhebung der französischen Provinzialdouanen und der Vereinigung der drei Königreiche des Inselreichs in Betrachtung zog. Allein die erstaunlichen Wirkungen des Kontinentalsystems und die zerstörenden Folgen seiner Aufhebung lagen damals noch zu nahe, als dass ich sie hätte übersehen können, sie schienen mir mit jenen Beobachtungen in grellem Widerspruch zu stehen, und im Bestreben, mir den Grund dieser Widersprüche klar zu machen, kam ich auf den Gedanken: Das alles sei nur wahr, wenn alle Nationen wechselseitig das Prinzip der Handelsfreiheit befolgten, wie es von jenen Provinzen wechselseitig befolgt worden sei. Durch diesen Gedanken ward ich auf die Natur der Nationalität geleitet; ich sah: Die Theorie habe vor lauter Menschheit, vor lauter Individuen die Nationen nicht gesehen; es ward mir klar, dass unter zweien in der Kultur weit vorgerückten Nationen freie Konkurrenz für beide nur dann wohltätig wirken könne, wenn beide sich auf einem ungefähr gleichen Standpunkt der industriellen Bildung befänden, und dass eine durch unglückliche Schicksale in Industrie, Handel und Schifffahrt weit zurückgebliebene Nation, wenn sie übrigens die zu deren Ausbildung erforderlichen geistigen und materiellen Hilfsmittel besitze, sich allererst durch eigene Kraftanstrengung befähigen müsse, mit weiter vorgerückten Nationen freie Konkurrenz zu halten. Mit einem Wort: Ich kam auf den Unterschied zwischen der kosmopolitischen und politischen Ökonomie; es entstand in mir die Idee: Deutschland müsse seine Provinzialdouanen aufheben und durch ein gemeinschaftliches Handelssystem nach außen denjenigen Grad von industrieller und kommerzieller Ausbildung zu erreichen streben, den andere Nationen durch ihre Handelspolitik errungen hätten. Anstatt aber durch fortgesetzte Studien diese Idee weiter zu verfolgen, drängte mich mein praktischer Sinn, sie ins Leben einzuführen; ich war noch jung.

Man muss sich im Geiste in die Periode von 1819 zurückversetzen, um sich meine nachfolgenden Bestrebungen zu erklären. Regierende und Regierte, Edelleute und Bürger, Staatsbeamte und Gelehrte – alle trugen sich damals in Deutschland mit Vorschlägen und Projekten zu neuen politischen Gestaltungen. Deutschland glich einer durch Krieg zerrütteten Wirtschaft, deren frühere Eigentümer, jetzt eben wiederum zu ihrem Besitztum gelangt und Meister desselben geworden, im Begriff stehen, sich aufs neue häuslich einzurichten. Die einen verlangten die früher bestandene Ordnung mit allem alten Geräte und Gerümpel; die anderen vernunftmäßige Einrichtungen und ganz neue Instrumente. Die, welche der Vernunft und Erfahrung gleichmäßig Gehör gaben, begehrten Vermittlung zwischen den alten Ansprüchen und den neuen Bedürfnissen. Überall herrschte Widerspruch und Meinungskampf, überall bildeten sich Vereine und Gesellschaften zum Behuf der Verfolgung patriotischer Zwecke. Die Bundesverfassung selbst war eine neue Form, die, in der Eile entworfen, sogar den aufgeklärten und denkenden unter den Diplomaten nur als ein Embryo erschien, dessen Ausbildung zu einem wohlorganisierten Körper von seinen Urhebern selbst beabsichtigt und den Fortschritten der Zeit Vorbehalten sei. Ein eigener Artikel (der neunzehnte) hatte ausdrücklich Raum gelassen zur Gestaltung eines nationalen Handelssystems. Mir schien dieser Artikel ein Fundament abgeben zu können, auf welches die künftige industrielle und kommerzielle Prosperität des deutschen Vaterlandes zu gründen sei, und diese Überzeugung führte mich zu der Idee der Stiftung eines Vereins deutscher Kaufleute und Fabrikanten1, der sich zum Zwecke setzen sollte, die Aufhebung der deutschen Provinzialdouanen und die Herstellung eines gemeinschaftlichen deutschen Handelssystems zu erwirken. Wie dieser Verein zustande gekommen und auf das Zustandekommen einer Vereinigung zwischen den beiden erleuchteten und hochsinnigen Regenten vom Bayern und Würtemberg und später des deutschen Zollvereins gewirkt hat, ist bekannt.

Als Konsulent des deutschen Handelsvereins hatte ich einen harten Stand. Allen wissenschaftlich gebildeten Staatsbeamten, Redakteuren von Zeitungen und Zeitschriften und allen politisch-ökonomischen Schriftstellern, erzogen in der kosmopolitischen Schule wie sie waren, schien jeglicher Zollschutz ein theoretischer Greuel. Dazu kam das Interesse Englands und der Trödler der englischen Industrie in den deutschen See- und Messstädten. Bekannt ist, welche Mittel das englische Ministerium, nie gewohnt, zu knickern, wo es seine Handelsinteressen zu fördern gilt, in seinem secret service money besitzt, um allerwärts im Ausland der öffentlichen Meinung unter die Arme zu greifen. Eine Schar von Korrespondenzen und Flugschriften, von Hamburg und Bremen, von Leipzig und Frankfurt ausgegangen, erschien gegen das unvernünftige Begehren der deutschen Fabrikanten um gemeinschaftlichen Zollschutz und gegen ihren Ratgeber, dem insbesondere mit harten und höhnischen Worten vorgeworfen ward, er kenne nicht einmal die ersten von allen wissenschaftlich Gebildeten anerkannten Grundsätze der politischen Ökonomie, oder habe doch nicht Kopf genug, sie zu fassen. Diese Wortführer der englischen Interessen hatten um so leichteres Spiel, als ihnen die herrschende Theorie und die Überzeugung der deutschen Gelehrten zur Seite stand. Im Innern des Vereins selbst gab es große Meinungsverschiedenheit. Die einen verlangten nur Freiheit des Handels im Innern, die offenbar ohne Schutz nach außen unter den herrschenden Verhältnissen noch schlimmer gewesen wäre, als das Fortbestehen der Provinzialdouanen – es waren die in dem deutschen Messverkehr und im Kolonialwarenhandel Beteiligten. Die anderen dagegen, die deutschen Fabrikanten nämlich, verlangten das Prinzip der Retorsion, als das einleuchtendste, vorteilhafteste und gerechteste. Der letzten waren wenige, und diese wenigen waren zum Teil schon durch die englische Konkurrenz halb oder ganz niedergebrochen. Gleichwohl hatte der Konsulent ihnen zu folgen, wenn er überhaupt eine Partei für sich haben wollte. Politische wie überhaupt gemeinsame Wirksamkeit ist nur möglich durch Transaktion zwischen den Meinungsverschiedenheiten derjenigen, die zunächst ein gleiches Ziel verfolgen. Das nächste Ziel in diesem Falle aber war: Aufhebung der Provinzialdouanen und Herstellung einer Nationaldouane. Waren nur einmal die innern Schlagbäume gefallen, so vermochte kein Gott sie wiederum aufzurichten. War nur einmal die Nationaldouane hergestellt, so war es immer noch Zeit, ihrer falschen Basis eine bessere zu substituieren, und in dem vorliegenden Fall um so mehr, als das Retorsionsprinzip für den Augenblick mehr gewährte, als das Schutzprinzip verlangte.

Offenbar ward dieser Kampf mit ungleichen Waffen geführt: auf der einen Seite eine nach allen Teilen ausgebildete, in unwidersprochenem Ansehen stehende Theorie, eine geschlossene Schule, eine mächtige Partei, die in allen gesetzgebenden Körpern und Dikasterien ihre Sprecher hatte, vor allem aber die große bewegende Kraft – Geld;2 auf der anderen Armut und Not, Meinungsverschiedenheit, innerer Zwiespalt und gänzlicher Mangel an einer theoretischen Basis. Dieser Kampf wirkte sehr vorteilhaft auf meine weiteren Forschungen, aber sehr nachteilig für meinen Ruf. Im Verlauf der täglichen Kämpfe, die ich zu bestehen hatte, kam ich auf den Unterschied zwischen der Theorie der Werte und der Theorie der produktiven Kräfte, und hinter das falsche Spiel, welches die Schule mit dem Wort Kapital treibt; ich lernte die Unterschiede zwischen der Manufakturkraft und der Agrikulturkraft kennen; ich kam jenen falschen Argumenten auf den Grund, welche die Schule damit führt, dass sie Gründe, die nur für den freien Agrikulturproduktenhandel sprechen, auch für die Freiheit des Manufakturproduktenverkehrs geltend machen will; ich fing an, das Prinzip der Teilung der Arbeit besser kennenzulernen, als es von der Schule dargestellt worden war, und einzusehen, inwiefern es auf die Zustände ganzer Nationen anwendbar sei.

Allein meine Darstellungen waren unvollkommenes Stückwerk, und so wenig Ruhm erwarb ich mir durch meine redlichen Bestrebungen, dass das »Conservations-Lexikon«, während meiner Abwesenheit von Deutschland, meine ganze Wirksamkeit als Konsulent des deutschen Handelsvereins in einem sehr ungünstigen Licht darstellen und sogar behaupten durfte: Ich habe mit fremden Kälbern gepflügt.3

Später habe ich Österreich, Norddeutschland, Ungarn und die Schweiz, Frankreich und England bereist und überall durch Beobachtung der Zustände wie durch Schriften mich zu belehren gesucht. Als hierauf mein Geschick mich nach Nordamerika führte, ließ ich alle Bücher zurück; sie hätten mich nur irreleiten können. Das beste Werk, das man in diesem neuen Lande über politische Ökonomie lesen kann, ist das Leben. Wildnisse sieht man hier reiche und mächtige Staaten werden. Erst hier ist mir die stufenweise Entwicklung der Volksökonomie klar geworden. Ein Prozess, der in Europa eine Reihe von Jahrhunderten in Anspruch nahm, geht hier unter unseren Augen vor sich – nämlich der Übergang aus dem wilden Zustand in den der Viehzucht, aus diesem in den Manufaktur- und Handelsstand. Hier kann man beobachten, wie die Rente aus dem Nichts allmählich zu Bedeutung gelangt. Hier versteht der einfache Bauer sich praktisch besser auf die Mittel, die Agrikultur und die Rente zu heben, als die scharfsinnigsten Gelehrten der alten Welt – er sucht Manufakturisten und Fabrikanten in seine Nähe zu ziehen. Hier treten die Gegensätze zwischen Agrikultur- und Manufakturnationen einander aufs schneidendste gegenüber und verursachen die gewaltigsten Konvulsionen. Nirgends so wie hier lernt man die Natur der Transportmittel und ihre Wirkung auf das geistige und materielle Leben der Völker kennen. Dieses Buch habe ich begierig und fleißig gelesen und die daraus geschöpften Lehren mit den Resultaten meiner früheren Studien, Erfahrungen und Reflexionen in Einklang zu stellen gesucht. Daraus ist, wie ich hoffe, ein System entstanden, das, wie mangelhaft es zur Zeit noch erscheinen mag, doch nicht auf bodenlosen Kosmopolitismus, sondern auf die Natur der Dinge, auf die Lehren der Geschichte und die Bedürfnisse der Nationen gegründet ist. Mit ihm ist die Möglichkeit gegeben, die Theorie mit der Praxis in Einklang zu stellen und die politische Ökonomie, an welcher bisher infolge ihrer scholastischen Schwülstigkeit, ihrer Widersprüche und ihrer grundfalschen Terminologie der gesunde Menschenverstand irre geworden, jedem gebildeten Verstand zugänglich zu machen – Aufgaben, die mir seit der Stiftung des deutschen Handelsvereins vorschwebten, an deren Lösung ich aber nicht selten verzweifelte.

Mein Schicksal wollte, dass ich in Nordamerika unerwartete Aufmunterung zur Verfolgung meiner Ideen fand. Mit den angesehensten Staatsmännern der Union, insbesondere mit dem Präsidenten der pennsylvanischen Gesellschaft zur Beförderung der Manufakturen und Künste, Ch. I. Ingersoll, in Verbindung gekommen, war mein früheres Wirken im Fach der politischen Ökonomie bekannt geworden. Als nun im Jahre 1827 die amerikanischen Fabrikanten und Beförderer der einheimischen Industrie in der Tariffrage durch die Anhänger des freien Handels sehr bedrängt wurden, erging von Herrn Ingersoll die Aufforderung an mich, in dieser Frage das Wort zu ergreifen. Ich tat es, und mit einigem Erfolg, wie die beigefügte Urkunde zeigt.4 Die zwölf Briefe, in welchen ich mein System entwickelte, sind nicht nur in der Nationalzeitung von Philadelphia abgedruckt, sondern auch von mehr als fünfzig Provinzialzeitungen nachgedruckt und von der Gesellschaft zur Beförderung der Manufakturen unter dem Titel: Outlines of a New System of Political Economy gesondert als Broschüre herausgegeben und in vielen tausend Exemplaren verbreitet worden. Auch erhielt ich Beglückwünschungen von den angesehensten Männern des Landes, wie z.B. von dem alten ehrwürdigen James Madison, von Henry Clay, Eduard Livingstone usw.

Während ich aufs Eifrigste beschäftigt war, den Wünschen der Gesellschaft zur Beförderung der Manufakturen und Künste in Philadelphia gemäß ein größeres Werk über politische Ökonomie auszuarbeiten, und nachdem schon die Einleitung dazu gedruckt war, bot sich mir ein Unternehmen an, das mich für lange Zeit daran hinderte, meine Zeit literarischen Beschäftigungen zu widmen. Politik und Schriftstellerei sind in Nordamerika wenig lukrative Beschäftigungen; wer sich ihnen widmen will, aber nicht von Hause aus Vermögen besitzt, sucht allererst durch irgendein Unternehmen seine Existenz und seine Zukunft sicherzustellen. Auch ich befand es für gut, diese Maxime zu befolgen. Gelegenheit dazu gab meine Bekanntschaft mit den Eisenbahnen, die ich früher schon in England gemacht hatte, eine glückliche Auffindung neuer Steinkohlenflöze und ein nicht minder glücklicher Ankauf der dazu gehörigen sehr bedeutenden Ländereien.

Indessen wurde dieses ganz materielle und mit meinen literarischen Tendenzen scheinbar in keiner Verbindung stehende Unternehmen Veranlassung zu bedeutenden Fortschritten in meinen Studien und politisch-ökonomischen Einsichten. Früher hatte ich die Wichtigkeit der Transportmittel nur gekannt, wie sie von der Wertetheorie gelehrt wird; ich hatte nur den Effekt der Transportanstalten im Einzelnen beobachtet und nur mit Rücksicht auf Erweiterung des Marktes und Verminderung des Preises der materiellen Güter. Jetzt erst fing ich an, sie aus dem Gesichtspunkt der Theorie der produktiven Kräfte und in ihrer Gesamtwirkung als Nationaltransortsystem, folglich nach ihrem Einfluss auf das ganze geistige und politische Leben, den geselligen Verkehr, die Produktivkraft und die Macht der Nationen zu betrachten. Jetzt erst erkannte ich, welche Wechselwirkung zwischen der Manufakturkraft und dem Nationaltransportsystem bestehe, und dass die eine ohne das andere nirgends zu hoher Vollkommenheit gedeihen könne. Dadurch ward ich in den Stand gesetzt, diese Materie – ich darf es wohl behaupten – umfassender abzuhandeln, als irgendein anderer Nationalökonom vor mir, und namentlich die Notwendigkeit und Nützlichkeit ganzer Nationaleisenbahnsysteme in ein klares Licht zu stellen, noch ehe irgendein Nationalökonom in England, Frankreich oder Nordamerika daran gedacht hatte, sie aus diesem höheren Gesichtspunkt zu betrachten. Ich müsste mich in der Tat um dieser Behauptung willen selbst der Ruhmredigkeit anklagen, fühlte ich mich nicht dazu notgedrungen durch vielfältige Verunglimpfungen und Misshandlungen, die ich infolge meiner Bestrebungen als Wortführer eines deutschen Eisenbahnsystems habe erdulden müssen. Man hat mich im Publikum als einen Mann dargestellt, der nur durch laute Anpreisungen und Deklamationen zugunsten einer neuen Sache sich Ansehen, Wichtigkeit, Einfluss und Geldgewinn verschaffen wolle. Ein norddeutsches, sonst sehr respektables Literaturblatt hat – nach ziemlich oberflächlicher Beurteilung meines Artikels: Kanäle und Eisenbahnen im Staatslexikon – mich als eine Art Enthusiasten dargestellt, dessen erhitzte Phantasie alles im vergrößerten Maßstabe sehe und eine Menge Dinge erblicke, die anderen Leuten mit gewöhnlichem Auge nicht wahrnehmbar seien. Viele vor vier bis fünf Jahren aus Leipzig datierte, in Nürnberger und Frankfurter Blättern erschienene Artikel haben mich sogar noch weit tiefer herabgewürdigt5.

Weit entfernt, das deutsche Publikum mit dergleichen elenden Privatstreitigkeiten behelligen zu wollen, war ich schon zu Beginn dieser Intrigen zu dem festen Entschluss gekommen, alle öffentlichen und privaten Verleumdungen stillschweigend über mich ergehen zu lassen: einmal um die gute Sache, welcher ich nun schon so viele Jahre meines Lebens und so bedeutende Summen meines sauren Erwerbs zum Opfer gebracht, nicht in ein nachteiliges Licht zu stellen, sodann um mir die zur Verfolgung meines Zieles erforderliche Geistesruhe nicht zu rauben, und endlich weil ich der getrosten Hoffnung war und es noch immer bin, dass mir am Ende doch in jeder Beziehung Gerechtigkeit werde zuteil werden. Unter solchen Umständen darf ich wohl auch nicht befürchten, der Ruhmredigkeit angeklagt zu werden, wenn ich die in den Leipziger Berichten enthaltenen nationalökonomischenArgumente und Darstellungen, mit Ausnahme der die Lokalverhältnisse betreffenden Notizen, als eine ausschließlich mir angehörige Arbeit in Anspruch nehme; wenn ich sage, dass ich – ich allein – es bin, der von Anfang an der Wirksamkeit des Leipziger Eisenbahnkomitees jene nationale Tendenz und Wirksamkeit gab, die in ganz Deutschland so großen Anklang gefunden und so reiche Früchte getragen hat, dass ich während der verflossenen acht Jahre Tag und Nacht tätig gewesen bin, um durch Aufforderungen, Korrespondenzen und Abhandlungen die Sache der Eisenbahnen in allen Gegenden Deutschlands in Bewegung zu bringen. Ich spreche alles dies mit der vollkommenen Überzeugung aus, dass mir kein Mann von Ehre aus Sachsen öffentlich und unter seinem Namen in irgendeinem der angeführten Punkte wird widersprechen können oder wollen.

In den hier gerügten Umtrieben mag hauptsächlich der Grund liegen, weshalb die deutschen nationalökonomischen Schriftsteller bis jetzt meinen Arbeiten über das Eisenbahnwesen so wenig Gerechtigkeit haben widerfahren lassen, dass sie in ihren Schriften, statt das in den meinigen enthaltene Neue und Originelle anzuerkennen, mich entweder ganz mit Stillschweigen übergingen, oder doch nur im allgemeinen zitierten.6

Die angeführten Bestrebungen, ein deutsches Eisenbahnsystem ins Leben zu rufen, welcher Zweck allein mich bewegen konnte, glänzende Verhältnisse in Nordamerika für eine Reihe von Jahren zu verlassen und nach Deutschland zurückzukommen – diese Bestrebungen und meine früheren praktischen Beschäftigungen in Nordamerika verhinderten mich, meine schriftstellerischen Arbeiten fortzusetzen, und vielleicht hätte dieses Buch nie das Licht der Welt erblickt, wäre ich nicht durch die erwähnten Misshandlungen geschäftslos und aufgestachelt worden, meinen Namen zu retten.

Um meine durch viele Arbeit und unsäglichen Verdruss zerrüttete Gesundheit wiederherzustellen, reiste ich im Spätjahre 1837 nach Paris. Zufällig hörte ich hier, dass eine die Handelsfreiheit und die Handelsbeschränkungen betreffende, früher schon gestellt gewesene Preisfrage der Akademie der politischen Wissenschaften in Paris aufs neue aufgegeben worden sei. Dadurch gereizt, entschloss ich mich, das Wesentliche meiner Ideen niederzuschreiben. Da ich aber, nicht im Besitz meiner früheren Arbeiten, alles aus der Erinnerung zu schöpfen hatte, da mir ferner zu dieser Arbeit bis zum Ablauf des peremtorischen Termins nur ungefähr vierzehn Tage vergönnt waren, so konnte sie natürlich nicht anders als sehr unvollkommen ausfallen. Gleichwohl stellte die Kommission der Akademie meine Arbeit unter die drei ersten von siebenundzwanzig, die im ganzen eingelaufen waren.7 Mit diesem Resultat durfte ich wohl zufrieden sein – in Betracht der Flüchtigkeit meiner Arbeit und dass der Preis überhaupt nicht zuerkannt ward – vorzüglich aber in Betracht des literarischen Glaubens der Preisrichter, die sämtlich der kosmopolitischen Schule angehörten. In der Tat, mit der Theorie der politischen Ökonomie in Beziehung auf den internationalen Handel und die Handelspolitik steht es zur Zeit in Frankreich fast noch schlimmer als in Deutschland. Herrn Rossi, einem Manne von bedeutenden Verdiensten um die Staatswissenschaften überhaupt und insbesondere um die Ausbildung vieler einzelner Materien in der politischen Ökonomie, aber gebildet in kleinen italienischen und helvetischen Städten, wo man Industrie und Handel in nationalem Maßstab und Verhältnis unmöglich kennen und beurteilen lernen kann8, wo man also notgedrungen seine Hoffnungen auf die Verwirklichung der Idee der allgemeinen Handelsfreiheit stellen muss, wie jene, die in dieser Welt keinen Trost mehr finden, ihre Hoffnungen auf die Freuden der zukünftigen zu stellen pflegen – Herrn Rossi ist noch kein Zweifel an dem kosmopolitischen Prinzip, noch kein Gedanke gekommen, dass die Geschichte in dieser Beziehung andere Aufschlüsse geben könne als die, welche man bei Adam Smith findet. Herr Blanqui, in Deutschland durch seine Geschichte der Nationalökonomie bekannt, hat von jeher seine Ambition darauf beschränkt, J. B. Say, den Verwässerer des Adam Smith, noch fernerweit zu verwässern. Dem, der unparteiische selbstprüfende Blicke auf die Handels- und Industriegeschichte der Nationen geworfen hat, begegnen in seinen Büchern ganze Strömungen der fadesten Gewässer. – Von diesen beiden rührt nun gewiss nicht das günstige Urteil über meine Schrift her; ich schreibe es dem Baron Dupin zu. Dieser inzwischen, aller Theorie abhold, obwohl ein tiefdenkender vielerfahrener Mann, hat sich nie auf die Systeme eingelassen, ungeachtet er, da ihm Frankreich eine faktische und statistische Darstellung seiner Nationalproduktivkraft verdankt, notwendig auf die Theorie der produktiven Kräfte hätte kommen müssen, wäre ihm anderes möglich gewesen, seinen Widerwillen gegen die Theorien zu überwinden. In der Vorrede zu dem angeführten Werk spricht Herr Dupin diesen Widerwillen unverhohlen aus. Er hat dort den J. B. Say auf dem Korn, wenn er höhnisch sagt: Nie habe er sich die törichte Eitelkeit beigehen lassen, Systeme zu schmieden und die Verhältnisse aller Nationen über einen Leisten zu schlagen. Gleichwohl ist nicht einzusehen, wie ohne tüchtige Theorie zu einer konsequenten Praxis zu gelangen sei. Freilich könnte man sagen, die englischen Staatsmänner seien jahrhundertelang ohne Theorie in der Praxis gut genug gefahren; dagegen aber ließe sich einwenden: Die Maxime, Manufakturwaren verkaufen, Rohstoffe kaufen, habe bei den Engländern jahrhundertelang die Stelle einer ganzen Theorie vertreten. Dies wäre jedoch nur zum Teil wahr, indem bekanntlich die angeführte Maxime England nicht gegen den groben Verstoß geschützt hat, dass zu verschiedenen Zeiten die Einfuhr von Getreide und anderen Agrikulturprodukten prohibiert worden ist. Dem sei wie ihm wolle, Dupins Scharfblick, wie ich auch aus seinen mündlichen Äußerungen schließen darf, konnte die Verwandtschaft seiner statistischen Darstellungen mit meiner Theorie nicht entgehen – daher sein beifälliges Urteil. Außer den genannten waren noch andere Preisrichter da, die über politische Ökonomie geschrieben hatten; schlug man aber ihre Schriften nach, um etwas, das einem eigenen Gedanken ähnlich sähe, daraus zu zitieren, so fand man, sie enthielten nichts als political economy made easy, wie die Engländer zu sagen pflegen – Dinge für politisierende Damen, Pariser Stutzer und andere Dilettanten – fernerweite Verwässerungen früherer Verwässerungen des Adam Smith – eigene Gedanken standen ferne – man musste lachen.

Diese französische Arbeit ist indessen so wenig ohne Nutzen für mich gewesen als die frühere englische. Nicht nur ward ich in meiner anfänglichen Ansicht bestärkt, ein tüchtiges System müsse durchaus eine tüchtige historische Grundlage haben; ich fand auch, meine historischen Studien seien noch immer nicht weit genug gegangen, und als ich nach weiterer Fortsetzung derselben späterhin meine in englischer Sprache geschriebenen Arbeiten, namentlich die fünf Bogen starke geschichtliche, bereits gedruckte Einleitung wieder durchlas, fand ich sie – erbärmlich. Vielleicht wird der geneigte Leser sie im deutschen Gewande noch so finden. Auch gestehe ich offen und ohne Ziererei – was manche vielleicht mir gar zu gerne glauben – dass ich sie wiederum so fand, als ich nach Bearbeitung des letzten Kapitels die ersten wiederum durchlas, ja dass ich nahe daran war, diese deutsche Arbeit, wie früher die englische und französische, zu kassieren. Doch besann ich mich eines anderen. Wer fortstudiert, kommt immer weiter, und das Umarbeiten muss doch ein Ende nehmen. So trete ich nun vor das Publikum mit dem demütigenden Gedanken, dass man vieles an meiner Arbeit zu tadeln finden werde, ja dass ich selbst jetzt, da ich diese Vorrede schreibe, vieles hätte besser machen und sagen können, und nur der Gedanke stärkt mich, man möchte nebenbei doch in meinem Buche manches Neue und Wahre und auch einiges finden, das meinem deutschen Vaterland zu besonderem Nutzen gereichen dürfte. Hauptsächlich dieser Absicht ist es zuzuschreiben, dass ich vielleicht oft zu keck und zu entschieden über die Ansichten und Leistungen einzelner Autoren und ganzer Schulen ein Verdammungsurteil fällte. Wahrlich, es geschah dies nicht aus persönlicher Arroganz, sondern überall in der Überzeugung, die getadelten Ansichten seien gemeinschädlich, und um in solchem Falle nützlich zu wirken, müsse man seine entgegengesetzte Meinung unumwunden und auf energische Weise aussprechen. Gewiss ist es auch eine falsche Ansicht, wenn man glaubt, Männer, die in den Wissenschaften Großes geleistet, seien darum auch in Ansehung ihrer Irrtümer mit großem Respekt zu behandeln; sicher ist just das Gegenteil wahr. Berühmte und zur Autorität gelangte Autoren schaden durch ihre Irrtümer unendlich mehr, als die unbedeutenden, und sind daher auch um so energischer zu widerlegen. Dass ich durch eine mildere, gemäßigtere, demütigere, hinlänglich verklausulierte, links und rechts Komplimente ausstreuende Einkleidung meiner Kritik in Ansehung meiner Person besser gefahren wäre, weiß ich wohl; auch weiß ich, dass, wer richtet, wieder gerichtet wird. Aber was schadet's? Ich werde die strengen Urteile meiner Gegner benützen, um meine Irrtümer wieder gutzumachen, im Fall, den ich kaum zu hoffen wage, dieses Buch eine zweite Auflage erleben sollte. So werde ich doppelt nützen – wenn auch nicht mir selbst.

Für billige und nachsichtige Richter, welche die vorerwähnte Entschuldigung gelten lassen wollen, bemerke ich, dass ich auf die eigentliche Abfassung dieses Buches keineswegs so viel Zeit verwendet habe, als auf die Forschungen und Reflexionen; dass die einzelnen Kapitel zu verschiedenen Zeiten und oft flüchtig bearbeitet worden sind und dass ich weit entfernt bin, mir einzubilden, ich sei von der Natur mit Geistesgaben besonders ausgestattet. Diese Bemerkungen stehen hier, damit man von einer so schwierigen Geburt nach einer so langwierigen Schwangerschaft keine allzu großen Erwartungen hege; damit man erklärlich finde, wenn ich hier und da von einer halb oder längst vergangenen Zeit als von der Gegenwart spreche, und damit man mir öftere Wiederholungen oder gar einzelne Widersprüche nicht allzuhoch anrechne. Das Kapitel der Wiederholungen betreffend, so ist jedem in der politischen Ökonomie etwas Bewanderten bekannt, wie vielfältig in dieser Wissenschaft alle einzelnen Materien ineinandergreifen, und dass es ungleich besser ist, dieselbe Sache zehnmal zu wiederholen, als nur einen Punkt im Dunkeln zu lassen. Welche Meinung ich selbst übrigens von meinen Kräften hege, mag besser als aus meinen Worten aus dem obigen Geständnisse erhellen, dass ich so viele Jahre gebraucht habe, um etwas Leidliches zustande zu bringen. Große Geister produzieren schnell und leicht – gewöhnliche bedürfen langer Zeit und harter Arbeit. Aber auch sie können, von den Umständen begünstigt, zuweilen etwas Außerordentliches leisten, zumal, wenn sie eben eine zum Umsturz reife Theorie vorfinden, und wenn die Natur sie mit etwas Urteilskraft und mit einiger Beharrlichkeit in Verfolgung ihrer Zweifel begabt hat. Auch der arme Mann kann reich werden, wenn er den Pfennig zum Pfennig, den Taler zum Taler legt.

Um dem Verdacht des Plagiats vorzubeugen, ist zu bemerken, dass ich die in dieser Schrift entwickelten Ideen großenteils schon seit Jahren in deutschen und französischen Journalen und Zeitungen, namentlich in der »Allgemeinen« (Augsburger Allgemeinen Zeitung – d. Hrsg.) vielfältig, zum Teil jedoch in sehr flüchtigen Umrissen, durch Korrespondenzartikel zur Sprache gebracht habe. Bei dieser Veranlassung kann ich nicht umhin, meinem geistreichen und gelehrten Freund, dem Dr. Kolb, meine Dankbarkeit öffentlich dafür zu bezeugen, dass er es über sich genommen hat, meinen anfänglich oft so gewagt scheinenden Behauptungen und Argumenten in diesem berühmten Blatte Raum zu gönnen. Zu gleicher Dankbezeugung verpflichtet fühle ich mich gegen den Freiherrn von Cotta, der mit so rühmlichem Eifer überall in die Fußstapfen seines um die industriellen Fortschritte wie um die Literatur des deutschen Vaterlandes so hoch verdienten Vaters tritt. Ich fühle mich gedrungen, es hier öffentlich auszusprechen, dass der gegenwärtige Besitzer der berühmtesten Buchhandlung der Welt mir in der Sache der deutschen Eisenbahnen mehr Beistand geleistet hat, als irgendjemand in Deutschland, und dass ich durch ihn aufgemuntert worden bin, mit einer Skizze meines Systems in der Vierteljahrsschrift und hierauf mit dem gegenwärtigen Buche herauszutreten.

Damit mir nicht ungerechterweise Mangel an Vollständigkeit vorgeworfen werde, ist hier vorzumerken, dass ich plangemäß in diesem ersten Band zusammendrängen wollte, was ich über den internationalen Handel und die Handelspolitik und insbesondere zugunsten der Ausbildung eines nationalen deutschen Handelssystems Neues und Originelles zu sagen hatte, indem ich auf diese Weise in dem gegenwärtigen entscheidenden Zeitpunkt weit mehr für die Sache der deutschen Industrie wirken zu können glaubte, als wenn ich Neues mit Altem, Entschiedenes mit Zweifelhaftem vermischt und hundertmal Gesagtes wieder aufgewärmt hätte. Dabei musste noch manches, was ich infolge meiner Beobachtungen und Erfahrungen, meiner Reisen und Studien in anderen Fächern der politischen Ökonomie gefunden zu haben glaubte, zurückgewiesen werden. Namentlich habe ich über die Agrarverfassung und Güterarrondierung, über die Pflanzung der Arbeitsfähigkeit und die Erweckung des deutschen Unternehmungsgeistes, über die mit dem Fabrikwesen verbundenen Übelstände und die Mittel, ihnen abzuhelfen und vorzubeugen, über die Auswanderung und Kolonisation, über die Pflanzung einer deutschen Marine und die Mittel zur Ausdehnung des auswärtigen Handels, über die Wirkungen der Sklaverei und die Mittel, sie aufzuheben, über die Stellung und die wahren Interessen des deutschen Adels usw. Studien gemacht, deren Resultate, sollte anders dieses Buch nicht ungebührlich ausgedehnt werden, hier unmöglich eine Stelle finden konnten.

Durch die obenerwähnten Artikel in der Vierteljahrsschrift9 habe ich gleichsam bei der öffentlichen Meinung von Deutschland anfragen wollen, ob es erlaubt und nicht anstößig sei, Ansichten und Prinzipien aufzustellen, die von denen der herrschenden Schule der politischen Ökonomie von Grund aus verschieden seien. Zugleich wollte ich damit den Anhängern dieser Schule Gelegenheit geben, mich, hätte ich die Pfade des Irrtums betreten, auf den rechten Weg zurückzubringen. Diese Artikel sind aber nun schon seit zwei Jahren im Publikum, ohne dass auch nur eine Stimme darüber oder dagegen laut geworden wäre. Meine Eigenliebe sagt mir, man habe mich unwiderleglich gefunden; meine Zweifelsucht dagegen flüstert mir zu, man achte mich zu gering, um mich einer Widerlegung zu würdigen. Wem soll ich glauben? Ich weiß es nicht; ich weiß nur, dass in einer Frage, bei welcher es um Wohl oder Wehe, um Sein oder Nichtsein einer Nation, und zwar unserer Nation – der deutschen – sich handelt, auch die Meinung des Geringsten Beachtung oder mindestens Widerlegung verdient.

»Aber – könnte die Schule sagen, wie sie dann auch oft schon gesagt hat das sogenannte Merkantilsystem ist in hundert und aber hundert Schriften, Artikeln und Reden von uns siegreich bekämpft worden, sollen wir zum tausendsten Mal das neu Aufgewärmte widerlegen?« Das wäre freilich schlagend, hätte ich nur das sogenannte Merkantilsystem wieder aufgewärmt. Man braucht bloß die nachfolgende Einleitung zu lesen, um sich zu überzeugen, dass ich von diesem so verschrieenen System nur das Brauchbare in das meinige aufgenommen, dagegen aber alles Falsche verworfen habe, dass ferner dieses Brauchbare von mir auf eine ganz andere Basis gestellt wurde, als von der sogenannten merkantilischen Schule – nämlich auf die Basis der Geschichte und der Natur – und dass ich mit dem Agrikultursystem und dem sogenannten Industriesystem, das fälschlicherweise seinen Namen mit dem des sogenannten Merkantilsystems verwechselt hat, auf gleiche Weise verfahren bin – ja, dass ich noch mehr getan – dass ich jene von der kosmopolitischen Schule tausendmal angeführten Argumente zum erstenmal mit der Natur der Dinge und mit den Lehren der Geschichte widerlegt – dass ich das falsche Spiel, das sie mit einem bodenlosen Kosmopolitismus, mit einer zweideutigen Terminologie und mit grundfalschen Argumenten spielt, zum erstenmal ans Licht gezogen habe. – Das möchte doch wahrlich der Beachtung der Schule und einer gründlichen Replik nicht unwert sein! Wenigstens hätte der Mann, der zunächst jenen Artikel hervorgerufen, den ihm von mir dargeworfenen Handschuh nicht liegen lassen sollen.

Zum Verständnis vorstehender Bemerkung habe ich frühere Vorgänge in Erinnerung zu bringen. In meinen Berichten an die »Allgemeine Zeitung« über die Pariser Gewerbsausstellung von 1839 hatte ich mir beigehen lassen, einige schiefe Blicke auf den gegenwärtigen Stand der Theorie zu werfen, namentlich auf die französische Schule. Darüber nun ward ich durch einen Korrespondenten »vom Rhein« in demselben Blatt in einem Ton und mit Argumenten zurechtgewiesen, die mir deutlich sagten, eine der ersten deutschen Schulautoritäten habe sich mir gegenübergestellt. Er schien übel aufzunehmen, dass ich, von der herrschenden Theorie sprechend, nur Smith und Say genannt, und gab mir zu verstehen, auch Deutschland besitze weltberühmte Theoretiker. Aus jedem seiner Worte sprach jene Zuversicht, die eine zur unbestrittenen Herrschaft gelangte Theorie ihren Jüngern einflößt, zumal Zweiflern gegenüber, denen sie keine gründliche Kenntnis ihrer eingelernten Lehre zutrauen. Indem er die bekannten Schulargumente gegen das sogenannte Merkantilsystem wiederholt, unwillig darüber, hundertmal Gesagtes und allgemein als unbestrittene Wahrheit Anerkanntes noch einmal sagen zu müssen, ruft er aus: »Jean Paul selbst habe irgendwo gesagt, eine falsche Theorie lasse sich nur durch eine bessere ersetzen.«

Ich weiß nicht, wo und in welcher Verbindung Jean Paul die angeführte Sentenz ausgesprochen hat; das aber glaube ich behaupten zu können, dass sie – so wie der Korrespondent »vom Rhein« sie hingestellt hat – einem Gemeinplatz ganz ähnlich sieht. Etwas Schlechtes lässt sich freilich überall nur durch etwas Besseres mit Vorteil ersetzen. Daraus folgt aber keineswegs, dass man etwas Schlechtes, das bisher als gut und tüchtig gegolten, nicht in seiner wahren Gestalt darstellen dürfe. Noch viel weniger folgt daraus, dass man eine als falsch erkannte Theorie nicht allererst über den Haufen zu werfen habe, um Raum für eine bessere zu gewinnen oder die Notwendigkeit einleuchtend zu machen, dass eine bessere gefunden werden müsse. Ich an meinem Teil bin aber nicht dabei stehengeblieben, die herrschende Theorie als eine falsche und unhaltbare nachzuweisen, ich habe in dem angeführten Artikel der Vierteljahrsschrift auch die Umrisse einer neuen Theorie, die ich für eine bessere halte, dem Publikum zur Prüfung vorgelegt, ich habe also geleistet, was die Sentenz Jean Pauls – im strengsten Sinne verstanden – verlangt; gleichwohl hat jene hohe Autorität der kosmopolitischen Schule diese zwei Jahre stille geschwiegen.

Streng genommen dürfte es übrigens nicht genau wahr sein, dass über die beiden Vorläufer meines Buches noch keine Stimme sich habe vernehmen lassen. Irre ich nicht, so hat der Verfasser eines Aufsatzes in einem der neuesten Hefte einer in hohem Ansehen stehenden Zeitschrift auf mich gezielt, wenn er von Angriffen auf das herrschende nationalökonomische System spricht, die von außen (»nicht von Männern des Faches«) kämen, von Leuten, »die geringe Kenntnis des von ihnen angefochtenen System verrieten, das sie in seinem Ganzen gar nicht und auch im einzelnen meist unrichtig erfasst hätten« usw.

Diese hochtheoretische Polemik ist so sehr in scholastische Phrasen und dunkle Orakelsprüche eingehüllt, dass außer mir kaum noch jemand auf den Gedanken kommen dürfe, sie gelte mir und meinen Aufsätzen. Darum, und weil ich in der Tat selbst nicht ganz gewiss bin, ob ich wirklich gemeint sei, will ich, getreu meinem Vorsatz, keinen lebenden deutschen Schriftsteller in diesem Buche namentlich anzugreifen oder herauszufordern, meinen Gegner oder seinen Aufsatz nicht näher bezeichnen. Doch darf ich ihn auch nicht ganz mit Stillschweigen übergehen, um nicht bei dem Verfasser selbst, im Fall er mich gemeint hätte, dem Wahne Nahrung zu geben, als habe er mir schlagende Dinge gesagt. In diesem Fall dürfte ihm, ohne nähere Bezeichnung, klar genug sein, dass er es ist, den ich meine. Freimütig sage ich also diesem Gegner, dass ich so gut in die tiefen Geheimnisse seiner Wissenschaft eingeweiht zu sein glaube als er selbst; dass Orakelsprüche und tiefsinnig scheinende, aber im Grunde nichtssagende Phrasen, wie sie in dem Eingang zu seinem Aufsatz schichtenweise aufeinander gehäuft sind, in der politischen Ökonomie das seien, was im gemeinen Verkehr die falschen Münzen; dass so allgemeine Behauptungen und dergleichen Ansprüche auf besonderes Wissen nichts beweisen, als das Bewusstsein eigener Schwäche; dass es nicht mehr an der Zeit sei, dem Adam Smith sokratische Weisheit zuzuschreiben und Lotz, dessen deutschen Verwässerer, als ein großes Licht zu preisen; dass er, der Gegner, wenn er sich von solchen zum großen Teil unbrauchbaren Autoritäten sollte emanzipieren können, freilich zu der niederschlagenden Überzeugung kommen müsse, seine eigenen zahlreichen Schriften bedürften einer bedeutenden Revision; dass aber ein so heroischer Entschluss ihm mehr zu Ehre und Ruhm gereichen dürfte, als eigensinniges Beharren auf seinem eingelernten Schulwissen, indem er dann mächtig dazu beitragen könnte, angehende praktische Nationalökonomen über die wahren Interessen ihres Vaterlandes aufzuklären, anstatt sie fernerweit theoretisch zu stultifizieren.

In der Tat, eine solche Bekehrung möchte für einen nicht geringen Nationalgewinn zu achten sein; denn man weiß, welchen großen Einfluss selbst angehende Lehrer der politischen Ökonomie, zumal wenn sie angesehenen und vielbesuchten Hochschulen angehören, auf die öffentliche Meinung der gegenwärtigen und der künftigen Generation ausüben. Ich kann daher nicht umhin, dem Manne, den ich meine, soweit es in einer Vorrede angeht, aus seinem theoretischen Traume zu helfen. Er spricht unaufhörlich von einer Güterwelt. In diesem Wort liegt eine Welt von Irrtum – es gibt keine Güterwelt! Zu dem Begriff von Welt gehört geistiges und lebendiges Wesen, wäre es auch nur Tierleben oder Tiergeist. Wer möchte z.B. von einer Mineralwelt sprechen? Nehmt den Geist hinweg, und alles, was ein Gut hieß, wird zur toten Materie. – Oder was ist aus dem Reichtum von Tyros und Karthago geworden, was aus dem Wert von Venedigs Palästen, seitdem der Geist aus jenen Steinmassen entflohen ist? – Mit eurer Güterwelt wollt ihr die Materie zur Selbständigkeit erheben – darin liegt euer ganzer Irrtum. Ihr seziert uns tote Körper und zeigt uns den Bau und die Bestandteile seiner Glieder, aber diese Gliedmaßen wieder zu einem Körper verbinden, ihm Geist einhauchen, ihn in Aktion setzen, das könnt ihr nicht – eure Güterwelt ist eine Chimäre! –

Nach diesen Bemerkungen wird man mir gerne glauben, wenn ich sage, dass nicht Furcht der Beweggrund ist, weshalb ich vermied, in diesem Buch von den Arbeiten der deutschen Nationalökonomen zu sprechen. Nur nutzlose oder schädliche Polemik wollte ich vermeiden. Denn erst seit der Gründung des Zollvereins ist es den Deutschen möglich geworden, die politische Ökonomie aus dem nationalen Gesichtspunkt zu betrachten; seitdem mag wohl mancher frühere Lobpreiser des kosmopolitischen Systems anderen Sinnes geworden sein, und offenbarer Mutwille wär' es unter so bewandten Umständen, der Bekehrung solcher Männer durch persönlichen Tadel entgegenzutreten.

Indessen kann dieser Grund nur von lebenden Schriftstellern gelten, aber, offen gestanden, an den toten war nicht viel Absonderliches zu widerlegen, da sie alle Irrtümer von Smith und Say geteilt, und im Grunde nichts wesentlich Neues beigebracht haben. Wohl zu merken, wie überall in diesem Buch so auch hier, beschränkt sich unser Urteil lediglich auf die Lehre vom internationalen Handel und von der Handelspolitik – überall lassen wir folglich Verdienste, die sich hingegangene wie lebende Schriftsteller in anderen Teilen der politischen Ökonomie erworben haben mögen, auf ihrem Wert beruhen. Man lese in dieser Beziehung die Schriften von Lotz, Pölitz, Rotteck, Soden sc. – von den gar zu seichten wie Krause, Fulda usw. nicht zu reden – und man wird finden, dass sie in der angegebenen Beziehung blinde Nachtreter von Smith und Say, oder dass ihre Urteile, da wo sie von jenen abweichen, ohne Wert sind. Gleiches ist sogar von dem geistreichen Weitzel, einem der vorzüglichsten politischen Schriftsteller der Deutschen, zu sagen, und selbst der vielerfahrene und helldenkende Rudhart hat in dieser wichtigen Materie nur hier und da helle Zwischenräume.

Mir tut es sehr leid, in dem Augenblick, wo Beiträge zu Rottecks Denkmal gesammelt werden, öffentlich das Urteil über ihn aussprechen zu müssen, er habe weder von dem internationalen Handel noch von der Handelspolitik, weder von den Systemen noch von der Praxis der politischen Ökonomie eine klare Anschauung gehabt. Billigerweise wird man mich deshalb entschuldigen, wenn man aus der angeführten, einem seiner letzten Werke entnommenen Stelle ersieht, dass Rotteck mich und mein Wirken nicht allein hart, sondern auch ganz falsch beurteilt10 und somit in die Notwendigkeit der Abwehr versetzt habe. Rottecks Vorwurf, ich habe nur über den Notstand der Fabrikanten, anstatt über das Ausströmen des baren Geldes und die Verarmung des Staates geklagt, und das System des deutschen Handelsvereins sei teils unausführbar, teils wäre es mit mancherlei Nachteilen verknüpft gewesen – dieser Vorwurf trägt kein anderes Gepräge als das meiste, was Rotteck in seinem Kapitel über den Staatshaushalt sagt – das der Unkenntnis. Wenn man mein Buch gelesen hat und dann jenes Kapitel liest, so wird man, wie ich hoffe, dieses Urteil nicht ungerecht finden. Man lese nur, was in meinem XXVII. Kapitel über das Retorsionsprinzip gesagt ist, und prüfe dann die Ansichten Rottecks, so wird man sich überzeugen, dass Rotteck eine reine Frage der industriellenErziehungderNationen ungebührlicherweise auf den Boden des Rechts hinübergezogen, dass er sie, statt als Nationalökonom, nur als Staatsrechtsgelehrter beurteilt habe. Diese gänzliche Verkennung meines Wirkens und meines Wertes als Nationalökonom – dieser Angriff dürfte mich wohl auch rechtfertigen, wenn ich sage: Es wäre klüger gewesen, Rotteck hätte in seinen Schriften, wie in seinen Reden als Deputierter, freimütig bekannt, er besitze nicht die geringste praktische Erfahrung in Sachen des internationalen Handels und der Handelspolitik, und das Gebiet der politischen Ökonomie sei ihm ein gänzlich fremdes, als dass er in beiden das Wort auf eine Weise führte, die seinen übrigen Verdiensten offenbaren Abbruch tat. Man wird sich erinnern, dass die Herren v. Rotteck und Welcker, ungeachtet sie früher erklärt hatten, sie verstünden nichts vom Handel, gleichwohl in der badischen Kammer dem Anschluss Badens an den großen deutschen Zollverein aufs heftigste sich widersetzten. Mit beiden wohl bekannt, nahm ich auf das Gerücht, sie würden diese Partei ergreifen, mir die Freiheit, ihnen deshalb eindringliche Vorstellungen zu machen, worauf mir eine ziemlich empfindlich lautende Antwort zuteil ward. Ob diese Vorstellung auf das missliebige Urteil Rottecks Einfluss gehabt habe oder nicht, will ich dahingestellt sein lassen.

Pölitz, in keinem Fach origineller Denker und überall ohne Erfahrung, war ganz besonders in diesem nur Kompilator. Welche Urteile dieser geistlose Inhaber von Deutschlands erstem politischem Lehrstuhl in politisch-ökonomischen Dingen besaß, davon weiß ich ein Beispiel zu erzählen. – In der Zeit, da ich in Leipzig über meine Vorschläge zu einer Leipzig-Dresdener Eisenbahn und über mein deutsches Eisenbahnsystem von den klugen Leuten noch verspottet ward, ersuchte ich Herrn Pölitz um Beistand und Gutachten, worauf er den Bescheid vernehmen ließ: Es könne jetzt noch gar nicht mit Bestimmtheit gesagt werden, wiefern dieses Unternehmen nützlich und notwendig sei, denn man könne nicht wissen, welche Richtung inskünftige der Warenzug nehme. Diese tieftheoretische Ansicht ist nachher, wenn ich nicht irre, in seine traurigen Jahrbücher übergegangen.

Als ich mit Lotz das erstemal persönlich zusammentraf, nahm ich mir die Freiheit, ihm bescheidentlich von einigen neuen Ansichten in der politischen Ökonomie zu sprechen, in der Absicht, die seinigen zu vernehmen und die meinigen zu berichtigen. Herr Lotz ließ sich in keine Erörterung ein, dagegen drückte sich auf seinem Gesicht ein Gemisch von Vornehmheit und Ironie aus, das mir deutlich sagte, er halte seine Stellung für zu erhaben, als dass er, ohne sich zu vergeben, mit mir in eine Diskussion sich einlassen könne. Auch ließ er wirklich einiges verlauten, dessen Sinn dahin ging, dass Diskussionen zwischen Dilettanten in der Wissenschaft und den Tiefeingeweihten zu nichts führen könnten. Seit fünfzehn Jahren hatte ich damals Herrn Lotz' Bücher nicht wieder gesehen, mein Respekt vor ihrem Verfasser war also von sehr altem Datum. Dieses Benehmen aber setzte mich über den wahren Wert der Lotzschen Schriften ins klare, noch bevor ich sie wiederum angesehen hatte. Wie kann, dachte ich, in einer Erfahrungswissenschaft, was doch die politische Ökonomie ist, ein Mann etwas Tüchtiges leisten, der in dieser Art die Erfahrung von sich weist? Als ich später seine dicken Bücher wieder zu Gesicht bekam, ward mir Herrn Lotz' Benehmen ganz erklärlich. Nichts ist natürlicher, als dass Autoren, die bloß ihre Vorgänger abgeschrieben oder erläutert und all' ihr Wissen aus Büchern geschöpft haben, höchlich beunruhigt und verblüfft werden, wenn ihnen lebendige, ihrem Schulwissen widerstreitende Erfahrungen und ganz neue Ideen gegenübertreten.

Graf Soden, den ich viel kannte, war dagegen ungleich lehrreicher im Umgang als in seinen Schriften und gegen Zweifel und Widerspruch ungemein liberal. Das Neue dieser Schriften bestand hauptsächlich in der Methode und in der Terminologie. Leider ist aber letztere weit schwülstiger als die frühem und würde die Wissenschaft noch tiefer in den Schlamm der Scholastik führen als die von Smith und Say.

Weitzel beurteilt in seiner Geschichte der Staatswissenschaften sämtliche nationalökonomische Schriftsteller ganz wie die kosmopolitische Schule.

Wenn ich aus bereits angeführten Gründen mich allen Tadels gegen die noch lebenden nationalökonomischen Schriftsteller Deutschlands enthalte, so hindert das nicht, dass ich dem Trefflichen und Guten Gerechtigkeit widerfahren lasse, das in den Schriften von Nebenius, Herrmann, Mohl u.a. enthalten ist.

Mit Nebenius' Buch über den deutschen Zollverein stimme ich, wie man sehen wird, in Beziehung auf das von demselben zunächst zu befolgende System größtenteils überein. Da dieses Buch offenbar in der Absicht geschrieben ist, für den Augenblick auf die weitere Ausbildung des Vereins zu wirken, so war es ganz zweckmäßig, dass der scharfsinnige und um die deutsche Industrie so hoch verdiente Verfasser Theorie und Geschichte gänzlich beiseite liegen ließ. Darum hat es aber auch alle Vorzüge und alle Mängel einer Gelegenheitsschrift. Denn wenn es für den Augenblick kräftig zu wirken imstande ist, so schützt es doch nicht gegen künftige Verirrungen. Nehmen wir z.B. den Fall an, die Engländer und Franzosen abolierten alle Zölle auf deutsche Agrikultur- und Forstprodukte, so würde nach Nebenius' Argumenten kein Grund mehr vorhanden sein, das deutsche Schutzsystem fortzusetzen. Mohls Polizeiwissenschaft enthält sehr viele richtige Ansichten über das Schutzsystem, und von Herrmann ist bekannt, wie kräftig er praktisch für die Ausbildung des deutschen Zollvereins und für die Entwicklung der bayrischen Industrie insbesondere wirkt.

Bei dieser Gelegenheit kann ich nicht umhin, des Umstandes zu gedenken, dass die Deutschen, hierin verschieden von allen anderen Nationen, die politisch-ökonomischen Dinge in zwei verschiedenen Disziplinen abhandeln: Unter der Benennung Nationalökonomie, politische Ökonomie, Staatswirtschaft sc. lehren sie die Theorie des kosmopolitischen Systems nach Smith und Say; in der Polizeiwissenschaft untersuchen sie, inwiefern die Staatsgewalt auf die Produktion, Verteilung und Konsumtion der materiellen Güter einzuwirken berufen sei. Say, der überall um so bestimmter urteilt, je weniger er die Sachen kennt, wirft den Deutschen höhnisch vor, sie vermischten die politische Ökonomie mit der Lehre von der Administration. Da Say kein Deutsch verstand, und keines der deutschen nationalökonomischen Werke ins Französische übersetzt ist, so muss er durch irgendein reisendes Pariser Genie zur Kenntnis dieser Tatsache gelangt sein. Im Grunde genommen beweist aber diese Trennung der Wissenschaft, die allerdings bisher zu vielen Missverständnissen und Widersprüchen Veranlassung gegeben, nichts anderes, als dass die Deutschen lange vor den Franzosen gefühlt haben, es gebe eine kosmopolitische und eine politische Ökonomie; sie nannten jene Nationalökonomie, diese Polizeiwissenschaft.

Während ich Vorstehendes niederschreibe, kommt mir ein Buch zu Händen, das mich zu dem Geständnis veranlasst, dass ich Adam Smith viel gelinder beurteilt habe, als ich nach meiner Überzeugung hätte tun sollen. Es ist dies der zweite Teil der »Galerie von Bildnissen aus Rahels Umgang und Briefwechsel«, – herausgegeben von Varnhagen von Ense. Ich wollte dort nachlesen, was über Adam Müller und Friedrich Gentz, die ich beide persönlich kannte, gesagt sei11, fand aber die Perlen ganz anderswo als da, wo ich sie suchte, nämlich in dem Briefwechsel zwischen Rahel und Alexander von der Marwitz. – Dieser geistreiche junge Mann hatte als Vorbereitung zu seinem Examen den Adam Smith gelesen und nebenbei kritisiert. In der beigefügten Note ist zu lesen, was er während seines Studiums über diesen Schriftsteller und dessen deutsche Schule niederschrieb.12 Und dieses Urteil – ein Urteil, das in zwanzig Zeilen alles – alles zusammen fasst, was sich über Smith und seine Schule sagen lässt – fällte Marwitz, nachdem er Adam Smith zum erstenmal gelesen hatte. Er, ein Jüngling von vierundzwanzig Jahren, umgeben von Schriftgelehrten, die dem Adam Smith göttliche Verehrung beweisen, – er allein – wirft mit starker und sicherer Hand ihr Idol über den Haufen, dass es in tausend Stücke zerbricht, und lacht der Torheit seiner Anbeter. Und ihn – berufen, seinem Vaterlande – der Welt – die Augen zu öffnen – ihn haben sie mit den stupidesten Fragen halb tot examiniert, dass er froh war, nur »durchzukommen« – und der musste sterben – sterben, noch bevor er seinen großen Beruf erkannt hatte ...

Deutschlands größter Nationalökonom, – sein einziger in gewissem Betracht – musste sterben auf fremder Erde. – Vergebens sucht ihr sein Grab – Rahel allein war sein Publikum und drei flüchtig hingeschriebene Bemerkungen in seinen vertraulichen Briefen an sie waren seine Werke – doch, was sage ich? – hat nicht Marwitz sechs Bogen, voll geschrieben, über Adam Smith an Rahel geschickt? Möchten sie sich noch unter Rahels nachgelassenen Papieren finden, und möchte es Herrn v. Varnhagen gefällig sein, sie dem deutschen Publikum mitzuteilen.

Wahrhaftig, in meinem Leben habe ich mich nie so klein gefühlt, als beim Lesen dieser Briefe von Marwitz. Er – ein bartloser Knabe – soll in vierzehn Tagen dahin gekommen sein, dem Götzenbild der kosmopolitischen Schule den Schleier zu lüften, wozu mir im reifen Alter eine Reihe von Jahren vonnöten gewesen. Besonders bewundernswert ist die Parallele zwischen Napoleon und Adam Smith, die er mit den zwei Worten zieht: »Sie seien die beiden mächtigsten Monarchen der Erde« – Länderverwüster hätte er ohne Zweifel gesagt, wäre nicht dieser Ausdruck im Jahre 1810 ein halsbrechender gewesen. – Welch ein Überblick der großen Weltverhältnisse – welch ein Geist!

* * *

Nach diesen Äußerungen will ich das freimütige Geständnis ablegen, dass ich das von Adam Smith handelnde Kapitel dieses Buches, nachdem es bereits geschrieben war, wieder ausgestrichen habe, einzig aus übertriebenem Respekt für einen berühmten Namen, und weil ich befürchtete, man möchte mir mein unumwundenes Urteil als Arroganz auslegen.

Was ich in dieser ersten Bearbeitung gesagt hatte, kannich hier nicht vollständig wiederholen, ohne meine Vorrede – wieder zu einem Buche anzuschwellen, indem ich wenigstens sechs gedruckte Bogen auf einen reduzierte; ich muss mich auf einen kurzen Auszug beschränken. Gesagt hatte ich, die politische Ökonomie habe in ihren wichtigsten Teilen, nämlich in Beziehung auf den internationalen Handel und die Handelspolitik, durch Adam Smith unermessliche Rückschritte gemacht; durch ihn sei ein Geist der Sophistik – der Scholastik – der Unklarheit – der Verstellung und Heuchelei in diese Wissenschaft gekommen – sei die Theorie ein Tummelplatz zweifelhafter Talente und eine Vogelscheuche für die meisten Männer von Geist, Erfahrung, gesundem Menschenverstand und richtigem Urteil geworden – er habe die Sophisten mit Argumenten versorgt, um die Nationen um ihre Gegenwart und ihre Zukunft zu betrügen. In Erinnerung gebracht hatte ich aus Dugald Stewards Biographie, wie dieser große Geist nicht ruhig habe sterben können, bis alle seine Manuskripte verbrannt gewesen, womit ich habe zu verstehen geben wollen, wie dringend der Verdacht sei, dass diese Papiere Beweise gegen seine Aufrichtigkeit enthielten. Nachgewiesen hatte ich, wie von Pitt bis Melbourne seine Theorie von den englischen Ministern benützt worden sei, um anderen Nationen zum Vorteil Englands Sand in die Augen zu streuen. Einen Beobachter hatte ich ihn genannt, dessen Blick nur einzelne Sandkörner, Erdschollen, Gräser oder Gesträuche, nicht aber ganze Gegenden aufzufassen vermochte – als einen Maler hatte ich ihn dargestellt, der zwar Einzelheiten mit bewunderungswürdiger Genauigkeit zu zeichnen, sie aber nicht zu einem harmonischen Ganzen zu verbinden gewusst, und der so ein Monstrum gemalt, dessen vortrefflich gezeichnete Glieder verschiedenartigen Körpern angehört haben.

Als charakteristischen Unterschied des von mir aufgestellten Systems bezeichne ich die Nationalität. Auf die Natur der Nationalität als des Mittelgliedes zwischen Individualität und Menschheit ist mein ganzes Gebäude gegründet. Lange habe ich angestanden, ob ich es nicht das natürliche System der politischen Ökonomie nennen solle, welche Benennung sich gleichfalls, und vielleicht in gewisser Beziehung besser als die gewählte, hätte rechtfertigen lassen, insofern ich alle vorangegangenen Systeme als nicht aus der Natur der Dinge geschöpft, als den Lehren der Geschichte widersprechend darstelle; allein von diesem Vorhaben ward ich durch die Bemerkung eines Freundes zurückgebracht; es könnte Oberflächlichen, welche die Bücher hauptsächlich nach ihrem Aushängeschild beurteilen, als eine bloße Aufwärmung des physiokratischen Systems erscheinen.

Bei dieser Arbeit ist es mir weder darum zu tun gewesen, mich in eine gelehrte Kamaraderie einzuschmeicheln, noch mich für einen Lehrstuhl der politischen Ökonomie zu habilitieren, noch künftig als Verfasser eines von allen Kathedern adoptierten Kompendiums zu glänzen, noch auch darum, meine Brauchbarkeit zu einem hohen Staatsamt darzutun; ich hatte einzig dabei die Förderung der deutschen Nationalinteressen im Auge, und dieser Zweck forderte gebieterisch, dass ich meine Überzeugung, frei und ohne Beimischung von süßlichen, den Geschmacksund Geruchsnerven zwar schmeichelnden, aber den Effekt beeinträchtigenden Ingredienzen aussprach, und vor allem – dass ich populär schrieb. Sollen in Deutschland die Nationalinteressen durch die Theorie der politischen Ökonomie gefördert werden, so muss sie aus den Studierstuben der Gelehrten, von den Kathedern der Professoren, aus den Kabinetten der hohen Staatsbeamten in die Comptoire der Fabrikanten, der Großhändler, der Schiffsreeder, der Kapitalisten und Bankiers, in die Büros aller öffentlichen Beamten und Sachwalter, in die Wohnungen der Gutsbesitzer, vorzüglich aber in die Kammern der Landstände herabsteigen, mit einem Wort, sie muss Gemeingut aller Gebildeten in der Nation werden. Denn nur wenn dies geschieht, wird das Handelssystem des deutschen Zollvereins diejenige Stabilität erlangen, ohne welche, selbst bei den besten Absichten, von den begabtesten Staatsmännern nur Unheil und Verderben angerichtet wird. Die Notwendigkeit einer solchen Stabilität und die Nützlichkeit einer durch freie Diskussion erleuchteten und gestärkten öffentlichen Meinung tritt nirgends in helleres Licht als bei den Handelsverträgen. Methuen-Verträge können nur in Ländern geschlossen werden, wo die Ansicht der Kabinette alles, die öffentliche Meinung nichts ist. Die neueste Geschichte der deutschen Handelspolitik hat die Wahrheit dieser Bemerkung in ein eklatantes Licht gestellt. Wenn irgendwo die Publizität eine Garantie der Throne ist (und sie ist es überall, wo sie die Nationalkraft belebt, die öffentliche Einsicht vermehrt und die Administration im Interesse der Nation kontrolliert), so ist sie es in den Angelegenheiten der Industrie und der Handelspolitik. Die deutschen Fürsten können ihre dynastischen Interessen in keiner Weise besser fördern, als indem sie die öffentliche Diskussion über die materiellen Interessen der Nation nicht allein zulassen, sondern nach Möglichkeit hervorrufen und begünstigen. Damit dies aber auf eine einsichtsvolle Weise geschehe, ist nichts so sehr vonnöten, als dass die Theorie der politischen Ökonomie und die praktischen Erfahrungen anderer Völker Gemeingut aller Denkenden in der Nation werden.

Aus diesem Grund ist es bei Abfassung dieser Schrift meine angelegentlichste Sorge gewesen, klar und deutlich zu sein, selbst auf Kosten des Stils und auf die Gefahr hin, nicht gelehrt oder nicht tief zu erscheinen. Ich erschrak, als ein Freund, der einige Kapitel durchlas, mir sagte: »Er habe schöne Stellen darin gefunden.« Ich wollte keine schönen Stellen schreiben. Schönheit des Stils gehört nicht in die Nationalökonomie. Sie ist nicht nur kein Vorzug, sie ist ein Fehler in nationalökonomischen Werken, indem sie nicht selten dazu missbraucht wird, eine ungesunde oder schwache Logik zu verdecken und sophistische Argumente als gründliche und tiefsinnige geltend zu machen. Klarheit, Gemeinverständlichkeit sind in dieser Wissenschaft Haupterfordernisse. Tiefsinnig scheinender Deduktionen, hochtrabender Phrasen und gekünstelter Redensarten bedienen sich nur die, denen es an Scharfsinn mangelt, der Natur der Dinge auf den Grund zu sehen, die, welche sich selbst nicht klar sind und daher auch nicht die Mittel besitzen, sich anderen klar zu machen.

Auch der Mode des Vielzitierens bin ich nicht gefolgt. Ich habe hundertmal mehr Schriften gelesen, als von mir angeführt worden sind. Allein ich glaube bemerkt zu haben, dass den meisten Lesern, welche von der Wissenschaft nicht Profession machen, und vielleicht den verständigsten und wissbegierigsten, angst und bange wird, wenn man ihnen die literarischen Eideshelfer und Zeugen legionsweise vorführt. Zudem durfte ich den mir so nötigen Raum nicht nutzlos vergeuden. Damit will ich jedoch keineswegs behaupten, dass vielfache Zitate bei Handbüchern und Werken der Geschichtsforschung usw. nicht ihren großen Wert haben; ich will nur bemerklich machen, dass ich kein Handbuch habe schreiben wollen.

Man solle denken, ich erweise der deutschen Bürokratie eben keinen geringen Dienst, wenn ich ihr eine zu ihrer Praxis passende Theorie liefere und dagegen die Irrtümer derer ans Licht stelle, von welchen sie niemals mit sonderlichem Respekt behandelt worden ist. Gewiss war die Spaltung zwischen Theorie und Praxis der Kanzleiautorität nie sonderlich günstig. Der unerfahrenste Ausculant, dessen kosmopolitische Hefte kaum trocken gewesen, glaubte den Mund etwas ins Verächtliche verziehen zu müssen, sooft ein erfahrener Rat oder ein tüchtiger und denkender Geschäftsmann von Schutzzöllen sprach.