Das Popcorn und die Vögel - René Sommer - E-Book

Das Popcorn und die Vögel E-Book

René Sommer

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Beschreibung

Die Menschen träumen viel. In den kurzweiligen Geschichten von René Sommer ist alles möglich. Ein Steinway-Konzertflügel schwebt 2 Meter über dem Boden, dient als Sonnenschirm. Johann Sebastian Huch, die fiktive Figur, die der Autor promenieren lässt, sucht den Weg in die Wälder. Ich sehe mich um ... und ... ich spaziere nur ..., antwortet er auf neugierige Fragen. Er will sich in die Natur zurückziehen, die Gegend erkunden, treibt als Flaneur ziellos durch die Landschaft, auf einer ganz persönlichen Odyssee. René Sommer, ein ungewöhnlicher Autor der Gegenwartsliteratur, lädt Nichtigkeiten mit einer Bedeutung auf, die sie eigentlich nicht haben. Jede Figur, die in seinen Geschichten auftritt, aber auch jedes Ding hat das Recht auf Eigensinnigkeit. Verbreitern oder verlängern kannst du das Leben nicht, ... du kannst es nur vertiefen ... , sagt Huch.

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Seitenzahl: 154

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Inhalt

Der Schatten das leuchtende Beispiel

Der Steinway kommt an

Die Aufhebung eines Steins

Das Schild vor der Hochzeit

Eine gewisse Aufmerksamkeit

Das Bild wird ihr fehlen

Ein Blick auf die Rutschbahn

Der Pfosten ist brauchbar

Die Ameise geht nicht spurlos vorbei

Das anziehende Kleid

Aschenputtel und der Schornsteinfeger

Die Elefantenband

Das Popcorn und die Vögel

Die Bäume rücken vor

Endlich ist das Geheimnis gelüftet

Die Antwort steht auf der Rückseite

Die Leiter ist ausgezogen

Am Fluss hat es eine Frau mit Tee

Anfangen zu zeichnen

Die große Freude in der Kunst

Die Glückssträhne

Der Wald spielt eine wichtige Rolle im Leben

Wie eine Beziehung beginnt

Nachfragen aus Neugier

Die Sorgfalt

Der Schatten das leuchtende Beispiel

Über einer Anhöhe öffnet sich der Wald. Eine riesige Mulde mit schroffen Felswänden erstreckt sich vor Johann Sebastian Huch. Kornblumenblaue Blüten schimmern in der Wiese. Darüber flattert eine Wolke aus Schmetterlingen. Grobe Holzstangen stützen ein leinenweißes Zelt. An den Bäumen ringsum, von Wipfel zu Wipfel, sind Wäscheleinen gespannt.

Eine Frau hangelt sich von Leine zu Leine.

- Hallo, ich bin Dalia Runge.

Ihr Haar leuchtet im feuergelben Sonnenlicht wie Gold.

- Hast du viel zu tun?

Huch zuckt mit den Schultern.

- Ich erkunde die Landschaft.

Sie krallt sich mit den Händen an der Leine fest.

- Ein bisschen Wandern entspannt.

Er richtet den Blick bedächtig auf den Horizont.

- Ja, wer in der Lage ist, ein paar Schritte zu unternehmen, sollte sich nicht davon abhalten lassen.

Dalias Stimme klingt hell.

- Und den Rest des Tages füllst du mit Rumsitzen und Gucken?

Huch hebt die offenen Hände auf Brusthöhe.

- Mach dir keine Sorgen um den Rest.

Sie springt auf die Füße.

- Hast du schon einmal richtig Tee getrunken?

Er setzt eine heitere Miene auf.

- Ich kann mir beim Teetrinken nichts Falsches vorstellen.

Dalia führt ihn zu einem Tisch, der vor dem Zelt steht.

- Wenn du diesen Tee probierst, bin ich glücklich.

Sie gießt den Tee aus der Kanne in eine dünnwandige Schale.

- Jede Bewegung muss perfekt sein.

Sie gießt ihn in die Teekanne zurück.

- Ein Traum wird wahr.

Mehrmals wiederholt sie das Umgießen, bis die Schale selbst warm ist.

- Jetzt darfst du trinken. Der Tee bringt dich aus der hektischen Welt in die Natur zurück.

Huch hebt die Schale, riecht daran.

- Ich interessiere mich für die Natur.

Dalia schaut ihm in die Augen.

- Der Tee hilft dir, die Natur besser zu verstehen.

Ein Mann kommt wiegenden Schrittes zum Zelt.

- Hallo, ich bin Johnny Price.

Er trägt eine Krawatte und eine Brille.

- Sag mir, was du brauchst. Kann ich ein Problem für dich lösen?

Huch stellt die Schale ab.

- Das wundert mich. Warum soll ich dir sagen, was ich brauche?

Price grätscht die Beine.

- Wenn du mit mir redest, verstehe ich dich immer besser. Ich kann dich auf 1.000 neue Weisen glücklicher und gesünder machen.

Huch schaut verständnislos.

- Aber ich bin gar nicht unglücklich und im Moment auch nicht krank.

Eine Frau kommt langsam, als würde sie einen Rucksack voll Steine tragen.

- Hallo, ich bin Saskia Jasper.

Sie trägt eine Kette, Ohrringe, ein Kopftuch und hat lange Zöpfe.

- Du hast Glück. Du bist nicht allein.

Huch blickt in die Runde.

- Ja, das stimmt. Dalia gab mir Tee zum Probieren. Johnny möchte mit mir reden.

Saskia hält den Kopf schräg.

- Sind das deine Freunde?

Er erhebt die Hände.

- Ich habe sie eben erst getroffen.

Sie richtet einen prüfenden Blick auf Dalia.

- Bist du seine Freundin?

Ein Lächeln huscht über Dalias Gesicht.

- Natürlich bin ich seine Freundin. Er liebt meinen Tee.

Saskia inspiziert Price aus den Augenwinkeln.

- Und du? Was ist mit dir? Stehst du einfach so rum oder bist du sein Freund?

Price schiebt die Unterlippe vor.

- Er hat mit mir geredet. Ich bin sein Freund.

Sie läuft freudestrahlend auf Huch zu.

- Du bist ein Glückspilz. Du hast 2 Freunde. Ich habe nur eine riesige Murmelbahn.

Ein Zucken läuft über sein Gesicht.

- Wo?

Saskia reckt den Arm.

- Da vorn. Ich würde sie euch gern zeigen.

Sie führt sie in ein abgewracktes Industrieareal vor ein rostiges Eisengestell, das mit seinen kranartigen Armen wie 4 Giraffen mit verschlungen Hälsen aussieht. Durch die gitterartig verflochtenen Streben windet sich die Bahn mit vielen Schlaufen, Wirbeln und Loopings. Sie bietet bequem einem Fußball Platz. Entsprechend schwer sind die goldenen Murmeln. Sie schimmern in einem Korb, erinnern an riesige Sauriereier.

Price blickt sie fragend an.

- Wie bringst du die Murmeln zur Startrampe hoch?

Saskia deutet auf eine vogelkäfigartige Liftkabine, die in schwindelerregender Höhe baumelt.

- Wir steigen zu dritt dort oben ein. Unser Gewicht zieht die Kugeln hoch.

Price rennt die scheppernde Wendeltreppe hoch.

- Das gefällt mir.

Saskia tastet Huch mit Blicken ab.

- Eigentlich wollte ich dich zuerst fragen.

Seine Lippen deuten ein Lächeln an.

- Ich dränge mich nie vor.

Dalia eilt zur Treppe.

- Ich schon! Den Spaß lasse ich mir nicht entgehen.

Saskia zieht einen Schmollmund.

- Das läuft ein bisschen aus dem Ruder.

Ein Mann hüpft durch das Industrieareal.

- Hallo, ich bin Mario Pasta.

Er hat eine dicke Brille und trägt ein langes Ruder auf den Schultern, das bei jedem Hüpfer wippt.

- Ich liebe das Rudern sehr, kann mich aber auch für eine Murmelbahn begeistern.

Saskia quält sich ein Lächeln ab.

- Ich glaube, du bist großartig.

Pasta übergibt Huch das Ruder.

- Halte es bitte.

Er läuft hinter Price und Dalia die Wendeltreppe hoch.

- Wartet auf mich. Ich habe genau das Gewicht, das euch noch fehlt.

Saskia ergreift Huchs Hand.

- Komm! Wir gehen hinauf und schieben die Kugel in die Bahn.

Er zieht die Hand zurück.

- Und was mache ich mit dem Ruder?

Sie geht zur Wendeltreppe.

- Leg es doch einfach ab. Es ist ja nicht unser Ruder.

Huch tritt rückwärts ins Grasdickicht zurück.

- Ich schätze gute Vorschläge.

Saskia steigt die scheppernden Stufen hoch.

- Schätzen allein genügt nicht. Du musst es auch tun.

Oben, in der schwindelerregenden Höhe treten

Price, Dalia und Pasta in die käfigartige Kabine.

Price deutet mit dem Finger auf die goldenen Kugeln hin.

- Das ist schon wunderbar, dass wir sie ohne Anstrengung heben können.

Während der Lift langsam hinunter zuckelt, wird der Korb mit den Kugeln hinaufgezogen.

Dalia lehnt, die Hände auf dem Rücken, gegen die Käfigwand.

- Sind die Kugeln aus echtem Gold?

Pasta wirft die Lippen auf.

- Ja sicher. Unser Gewicht ist Gold wert.

Saskia ruft ihnen von der Treppe aus zu.

- Bleibt bitte im Lift stehen, bis ich die Kugeln aus

dem Korb genommen habe.

Price greift sich an die Stirn.

- Wir denken doch mit. Meinst du, wir würden mir nichts dir nichts, völlig gedankenlos aussteigen und den Korb in die Tiefe sausen lassen?

Sie öffnet die Lippen zu einem strahlenden Lächeln.

- Ihr seid meine Freunde.

Oben, in der schwindelerregenden Höhe, schiebt Saskia die Kugeln aus dem Korb in die Bahn. Sie rollen mit donnerndem Getöse hinunter, treffen am Ende der Bahn auf Klangschalen unterschiedlicher Größe, erfüllen die riesige Mulde mit glokkenartigen Klängen, die von den Felsen widerhallen.

Eine Frau fingert ziellos am Ruder herum.

- Hallo, ich bin Alexia Jakobi.

Sie trägt eine rosarote Brille.

- Dein Ruder könnte ich gut gebrauchen.

Huch wendet sich um.

- Das ist nicht mein Ruder. Es gehört Mario Pasta.

Alexia legt ihm den Arm über die Schulter.

- Wir klären das später.

Sie schiebt ihn zum Seeufer, wo eine Gondel vom

Steg treibt.

- Gib mir das Ruder.

Huch reicht es ihr.

- Wollen wir nicht auf Pasta warten?

Alexia holt mit dem Ruder die Gondel ein.

- Er spielt mit den Murmeln. Kannst du mir beim Einsteigen helfen?

Huch streckt den Arm aus.

- Mache ich es richtig?

Sie neigt den Kopf zurück.

- Nein. Ein richtiger Gondoliere steht in der Gondel und reicht der Dame die Hand.

Huch verschränkt die Hände hinter dem Rücken.

- Ich bin kein Gondoliere.

Alexia wirft das Ruder in die Gondel.

- Spring über deinen Schatten.

Er betrachtet seinen Schatten auf dem Bootssteg.

- Ich bin noch nie über meinen Schatten gesprungen.

Sein Schatten richtet sich auf, reicht ihm die Hand.

- Hallo, ich bin Johann Sebastian Huch, dein Schatten.

Huchs Mundwinkel zucken verschmitzt.

- Ich bin auch Johann Sebastian Huch. Zufälligerweise heißen wir gleich.

Der Schatten kauert sich nieder.

- Ja genau. Und nun: Spring über mich in die Gondel.

Huch streckt und reckt sich.

- Du kannst ja mit gutem Beispiel vorangehen.

Der Steinway kommt an

Die Wiese endet. Der Wald fängt an. Beidseits des Wegs verhaken sich Vogelbeere, Brombeerranken und Haselnussbüsche zu einem fast undurchdringlichen Gewirr. Das Unterholz lichtet sich plötzlich.

Eine Frau sitzt mit gefalteten Händen, vom Gegensonnenlicht erleuchtet, auf dem Kühler eines

lackschwarzen Chevrolets Impala.

- Hallo, ich bin Annabella Zapf.

Sie trägt einen Blumenkranz im Haar.

- Hast du Angst vor Blitzen?

Huch zieht die Sonnenbrille an.

- Bei Blitzen passe ich auf.

Annabella rutscht vom Kühler. Lichtreflexe blitzen vom glänzenden Lack.

- Hast du Angst vor Donner?

Ein Mann teilt liebevoll die Zweige auseinander.

- Hallo, ich bin Cedric Corelli.

Er reicht Huch einen Gehörschutz.

- Willst du ihn mal ausprobieren?

Huch setzt den Gehörschutz auf.

Annabella setzt sich ans Steuerrad, lässt den Motor aufheulen und braust donnernd davon.

- Auf diese Weise kommt man zu nichts.

Huch gibt den Gehörschutz Corelli zurück.

- Was hat sie gesagt?

Corelli legt den Gehörschutz wie einen Kragen um den Hals.

- Ich habe leider nicht genau hingehört.

Er rempelt Huch an.

- Hast du Angst vor Kindergeplärr?

Huch atmet tief.

- Was meinst du mit Plärren?

Corelli zieht den Hals ein.

- Schreien, Brüllen, Kreischen.

Ein Steinway-Konzertflügel fällt vom Himmel, landet neben Huch. Er geht um den Flügel herum.

- Er ist gut gelandet.

Ein kleines Mädchen schiebt einen uralten Kinderwagen voller Notenblätter vor sich her.

- Hallo, ich bin Janna.

Corelli hält den Kopf vorgestreckt.

- Wie heißt du sonst noch?

Janna trägt ein rosa T-Shirt und einen klaviertastenweißen Rock.

- Ich bin Janna Klapp, das Wunderkind.

Corellis Rücken ist ein wenig gebeugt.

- Und was machst du so als Wunderkind?

Janna öffnet den Tastendeckel.

- Ich spiele Klavier.

Er hält sich die Hand vor den Mund.

- Ja was! Du kannst schon ein paar Tasten drükken?

Janna rafft den Rock.

- Ich spiele Mozart, Bach, Beethoven und Saint-Saëns.

Corelli blinkert drollig mit den Augen.

- Und was spielst du lieber, Volleyball oder Basketball?

Janna legt die Hände auf die Hüften.

- Wir reden nicht von Ballspielen. Wo ist der Klavierstuhl?

Er legt die Arme auf den Rücken.

- Ein Stuhl ist leider nicht vom Himmel gefallen.

Janna antwortet mit ohrenbetäubendem Geschrei.

- Ich will einen Klavierstuhl.

Corelli nimmt seinen Gehörschutz vom Nacken, bietet ihn Huch an.

- Brauchst du ihn?

Huch lässt den Blick schweifen.

- Nein, wir brauchen einen Klavierstuhl.

Ein Mann fegt nur so durch den Wald.

- Hallo, ich bin Hanno Moroni.

Kleine Funken knistern um seinen Lockenkopf. Er bringt einen Klavierstuhl.

- Darf ich ihn dir in der richtigen Höhe einstellen?

Janna wischt sich die Augen aus.

- Ja, danke.

Corelli seufzt so beiläufig vor sich hin.

- Das möchte ich auch einmal.

Moroni stellt den Stuhl ab.

- Brauchst du auch einen Klavierstuhl?

Corellis Mundwinkel ist schmerzlich nach unten verzogen.

- Nein. Was soll ich damit anfangen?

Moroni dreht die Sitzfläche hoch.

- Du könntest dich darauf setzen. Oder spielst du lieber stehend Klavier?

Corelli macht einen abgekämpften Eindruck.

- Ich spiele weder stehend noch sitzend. Ich möchte nur, dass einmal auch meine Wünsche ganz einfach in Erfüllung gehen.

Corelli richtet sich auf.

- Wenn es nichts weiter ist! Was wünschst du denn?

Janna setzt sich auf den Klavierstuhl.

- Sag ein Stück! Ich spiele es gern. Magst du Schubert?

Er schickt wütende, aber hilflose Blicke auf den Konzertflügel.

- Nein, sicher nicht! Ich möchte, dass dieser Steinway 2 Meter über dem Boden schwebt .

Moroni hebt die Hände, als würde er nach etwas greifen wollen.

- 2 Meter, sagst du.

Der Konzertflügel hebt langsam vom Boden ab, steigt auf, bleibt 2 Meter über dem Boden in der Luft stehen.

- Darf ich sonst noch etwas für dich tun?

Janna reißt beim Brüllen den Mund unglaublich weit auf.

- Lass das Klavier sofort wieder runter!

Corelli hält Huch den Gehörschutz hin.

- Jetzt bist du sicher froh darum.

Huch atmet flach.

- Nein, danke.

Eine Frau trippelt tänzelnd um Huch.

- Hallo, ich bin Philippa Mond.

Sie hat lodernd rote Haare, hustet, trägt linkerhand und rechterhand 2 leichte Liegestühle mit Aluminiumgestell.

- Entschuldigt bitte! Ich bin eine begeisterte Konzertbesucherin. Ich kann erst richtig laut husten, wenn das Konzert los geht. Dauert es noch lang?

Huch zeigt auf den Konzertflügel.

- Ich träume davon, dass er wieder landet. Janna würde nämlich gern spielen.

Philippas Mundwinkel krümmen sich ernst nach unten.

- Wer ist Janna?

Das Mädchen stellt sich auf den Klavierstuhl.

- Das bin ich.

Philippa hält die Arme vor der Brust verschränkt.

- Kannst du gut spielen?

Janna springt vom Stuhl.

- Ja sicher. Ich bin ein Wunderkind.

Philippa lässt die Zunge bei halboffenem Mund sichtbar über die Zähne kreisen.

- Du bist ein Wunderkind? – Dann kann ich bei deinem Konzert sicher wunderbar husten.

Corelli deutet auf einen Liegestuhl.

- Darf ich probeliegen?

Philippa schiebt eine Schulter nach vorn.

- Selbstverständlich. Welchen Liegestuhl darf ich dir anbieten? Linkerhand? Rechterhand?

Corelli zieht den Kopf ein.

- Sie sehen beide gleich aus. Ich kann mich nicht entscheiden.

Moroni prescht vor.

- Ich nehme den Liegestuhl, den du linkerhand trägst, wenn es recht ist.

Philippa reicht ihm den Liegestuhl.

- Das kommt mir sogar sehr gelegen. Ich befürchtete schon, dass ich ihn bis ans Ende der Welt tragen müsste.

Corelli nimmt ihr den anderen Liegestuhl ab.

- Wir erleichtern dich gerne.

Er klappt den Liegestuhl auf.

- Jetzt bräuchten wir nur noch einen Sonnenschirm.

Moroni stellt den Liegestuhl im Schatten des schwebenden Konzertflügels auf.

- Wir haben doch den Steinway. Wozu brauchen wir einen Sonnenschirm?

Corelli legt sich neben ihn.

- Sein Schatten ist reinste Musik.

Philippa beginnt sich zu räkeln.

- Dankeschön, dass ihr mir die Stühle abgenommen habt.

Corelli lehnt sich entspannt in seinem Liegestuhl zurück.

- Es war mir ein Vergnügen.

Janna zerhaut mit zackigen Schlägen die Luft um sich herum.

- Und wo soll ich bitte sehr spielen?

Philippa zieht die Augenbrauen hoch.

- Ich gratuliere dir zu der Frage. Du stellst sie genau im richtigen Moment.

Sie nimmt den Klavierstuhl.

- Wenn du einverstanden bist, suchen wir einen anderen Steinway.

Janna zieht die Augenbraue kurz hoch.

- Wo?

Philippa horcht.

- Ich höre Saiten wispern.

Sie klemmt den Klavierstuhl unter den Arm.

- Ein Steinway muss in der Nähe sein.

Janna zieht die Nase kraus.

- Hoffentlich. Ich möchte mir nämlich nicht auf der Suche nach einem Klavier die Beine ablaufen. Philippa folgt dem Wispern, kämpft sich zwischen stramm stehenden Bambushalmen durch. Sie kehrt den Klavierstuhl um, stellt ihn mit der Sitzfläche auf ihren Kopf.

- Bleib schön hinter mir.

Es sieht aus, als würde sie eine afrikanische Buschtrommel tragen. Sie dreht sich nach Huch um.

- Bist du dabei?

Huch schiebt sich durch die Halme.

- Ja, ich komme mit euch.

Sie gelangen auf einen schmalen Holzsteg. Am Ende steht ein Steinway auf einem Bein.

Philippa zieht anerkennend die Augenbrauen hoch.

- Was für ein Steinway! Er hat sich auf der Suche nach uns die Beine abgelaufen.

Die Aufhebung eines Steins

Der Weg steigt in langen Kurven einen Berg hinauf. Huch gelangt vor ein riesiges Haus. Das Dach ist tief, reicht bis zum Boden.

Eine Frau schiebt sich schneckengleich langsam aus dem Schatten.

- Hallo, ich bin Aria Ping.

Sie trägt eine dunkelrote Nelke im Haar.

- Du bist ein erstaunlicher Mann.

Huch zuckt bloß mit den Schultern.

- Alle Menschen sind erstaunlich.

Ein Mann tigert unruhig ums Haus herum.

- Hallo, ich bin Damien Borodin.

Er trägt ein knallbuntes Hemd.

- Ich bin erstaunlicher.

Ein leichtes Lächeln umspielt Arias Mund.

- Ihr seid noch nie in meinem Haus gewesen.

Vielleicht wisst ihr gar nicht, was Staunen heißt.

Sie öffnet die Tür, lässt sie eintreten.

- Kommt rein.

Eine farbenfrohe Tapete mit Schmetterlingen schimmert im Empfangsraum. An der Wand hängt ein Zerrspiegel, vergrößert die Gäste. Borodin gehen die Augen auf.

- Ich bin der größte.

Aria stößt die Türflügel zum angrenzenden Salon auf.

- Ich weiß, was euch fehlt.

Auf dem nackten Steinboden stehen nur wenige Möbel und ein weiterer Zerrspiegel.

Borodin sieht sich mit langen Armen und einem Giraffenhals.

- Ich habe eine enorme Reichweite.

Aria schreitet durch den Salon.

- Haltet euch nicht mit diesem Spiegel auf.

Sie öffnet die Glastür zum Garten.

- Das ist Zeitverschwendung.

Borodin läuft über einen Fußweg zu einer Aussichtsplattform, wo der dritte Zerrspiegel blinkt.

- Ja, ich bin allen voran.

Sein Spiegelbild erscheint wie ein aufgeblasener Ballon, reicht ihm die Hand.

- Hallo, ich bin Damien Borodin.

Borodin kneift die Augenbrauen zusammen.

- Ich platze gleich vor Lachen.

Das aufgeblasene Spiegelbild hält seine Hand fest, steigt mit ihm aus dem Spiegel auf.

Borodin verliert den Boden unter den Füßen, zappelt.

- Lass mich los! Ich kenne dich fast überhaupt nicht.

Die Wolken reißen auf. Borodin und sein Spiegelbild verschwinden im lichtblauen Himmel. Huch schirmt seine Augen mit der Hand ab.

- Sein Spiegelbild versteht nicht, was das heißt:

Lass mich los.

Aria stößt ihn mit dem Ellbogen an.

- Hörst du auch manchmal Stimmen?

Er wendet seinen Blick vom Spiegel ab.

- Was für Stimmen?

Sie führt ihn zu einem versunkenen Weg, den Natursteinmauern einrahmen.

- Innere Stimmen, die sich dir aufdrängen oder dir etwas zuflüstern.

Huch schlägt seine Augenlider nieder.

- Nein.

Eine Frau hüpft auf dem Weg.

- Hallo, ich bin Maxi Malika.

Sie hat einen kastanienbraunen Zopf.

- Darf ich deine innere Stimme sein?

Seine Augen verharren auf ihrem Gesicht.

- Meine innere Stimme? Was hast du mir zu sagen?

Maxi kann ein Lächeln nicht unterdrücken.

- Wart es ab. Es gibt immer etwas zu sagen.

Ein Mann steht neben einem mächtigen, 10 Meter hohen Geröllhaufen.

- Hallo, ich bin Justin Brock.

Er hat volles Haar und einen Wecker in der Hand.

- Ich zeige euch, wie gut ich klettern kann.

Maxi raunt Huch zu.

- Spiel den Moralapostel.

Huch fährt mit einem Ruck herum.

- Was ist das?

Maxi stellt sich auf ein Bein.

- Sag ihm, es sei zu gefährlich.

Huch sagt augenzwinkernd.