Das Recht in der Heilerziehungs- und Altenpflege - Theo Kienzle - E-Book

Das Recht in der Heilerziehungs- und Altenpflege E-Book

Theo Kienzle

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Beschreibung

Die 8., überarbeitete Auflage dieses Werkes setzt dessen bewährte Konzeption fort. Sie gibt eine sachliche und fundierte Übersicht über alle wesentlichen Grundlagen für die tägliche Betreuung in der Altenpflege, Behindertenhilfe und Psychiatrie. Mit zahlreichen Fallbeispielen aus der Praxis. In der 8. Auflage wird die Problematik der Delegationsfähigkeit von Tätigkeiten aktualisiert, zusätzlich werden in gewohnter Weise die aktuellen Änderungen im Betreuungs-, Haftungs- und Arbeitsrecht sowie die Änderungen im Sozialrecht und im Heimrecht berücksichtigt. Selbst die Neuregelung der "Beihilfe zum Suizid" wurde einbezogen.

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Der Autor

Theo Kienzle, Jurist, Mosbach (Baden), arbeitet als Dozent in den Spezialgebieten Sozial-, Medizin- und Betreuungsrecht für mehrere Aus-, Fort- und Weiterbildungseinrichtungen sowie im Rahmen von Inhouse-Seminaren in Krankenhäusern und Heimen.

Theo Kienzle

Das Recht in der Heilerziehungs- und Altenpflege

Lehrbuch für die Aus- und Weiterbildung

8., überarbeitete Auflage

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

8., überarbeitete Auflage 2017

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-031208-1

E-Book-Formate:

pdf:      ISBN 978-3-17-031209-8

epub:   ISBN 978-3-17-031210-4

mobi:   ISBN 978-3-17-031211-1

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

 

Vorwort

 

 

Mit der inzwischen achten Auflage dieses Fachbuchs sollen wieder zwei Ziele verfolgt werden, nämlich sowohl den erforderlichen Stoff für die Ausbildung zu vermitteln als auch ein Nachschlagewerk für die berufliche Praxis im Bereich der Pflege und Betreuung kranker, alter und behinderter Menschen zu erstellen. Die tägliche Arbeit mit behinderten, alten oder psychisch kranken Menschen ist geprägt von einer Vielzahl von rechtlichen Vorgaben. Die wichtigen rechtlichen Bestimmungen im Bereich der Pflege und Betreuung dieser Personengruppen werden deshalb in diesem Fachbuch dargestellt.

Nur mit der Kenntnis des rechtlichen Hintergrunds und der daraus resultierenden Verantwortung ist es möglich, sich vor den »rechtlichen Gefahren«, die den Mitarbeitern selbst drohen, zu schützen und gleichzeitig zu wissen, welche Rechte der anvertrauten Menschen es zu schützen gilt und welche Vorgaben gegenüber Arbeitgeber, Behörden etc. zu beachten sind.

In der 8. Auflage wurde die Problematik der Delegationsfähigkeit von Tätigkeiten nochmals neu gestaltetet, zusätzlich natürlich wurden in gewohnter Weise die aktuellen Änderungen im Betreuungs-, Haftungs- und Arbeitsrecht sowie die Änderungen im Sozialrecht und im Heimrecht berücksichtigt. Selbst die Neuregelung der »Beihilfe zum Suizid« wurde berücksichtigt.

Der Verfasser dankt denjenigen, die durch ihre Anregungen dazu beigetragen haben, dass dieses Buch den Anforderungen der Praxis gerecht wird, insbesondere den Ausbildungsteilnehmern an den verschiedenen Fachschulen.

Um die Orientierung im Buch zu erleichtern, werden folgende Symbole verwendet:

 

steht für Praxisbeispiele

steht für Definitionen

steht für Wiederholungsfragen

steht für Gesetzestexte

Zur Vertiefung sind die Fundstellen, d. h. Urteile in Zeitschriften, Verfasser von Zeitschriftenaufsätzen, in Fußnoten angegeben.

Mosbach, im November 2016

Theo Kienzle

 

Inhaltsverzeichnis

 

 

Vorwort

Abkürzungsverzeichnis

Teil 1 Gemeinschaftskunde

1 Prinzipien der deutschen Demokratie

1.1 Demokratie

1.2 Rechtsstaat

1.2.1 Gesetzgebung

1.2.2 Sonstige Staatsorgane

1.2.2.1 Exekutive

1.2.2.2 Judikative

1.2.3 Rechte des Bundes, der Länder, der Städte und Gemeinden

1.3 Sozialstaat

1.4 Politische Einflussnahme

1.5 Grundrechte

2 Öffentliche Verwaltung

Teil 2 Rechtsgrundlagen

Teil 3 Zivilrecht

1 Zivilrechtliche Handlungsfähigkeit

1.1 Rechtsfähigkeit

1.2 Handlungsfähigkeit

1.2.1 Geschäftsfähigkeit

1.2.1.1 Geschäftsunfähigkeit

1.2.1.2 Beschränkte Geschäftsfähigkeit

1.2.1.3 Volle Geschäftsfähigkeit

1.2.2 Deliktsfähigkeit

1.2.2.1 Deliktsunfähigkeit

1.2.2.2 Beschränkte Deliktsfähigkeit

1.3 Rechtliche Betreuung

1.3.1 Voraussetzungen der Betreuung

1.3.2 Betreuungsverfahren

1.3.3 Umfang der Betreuung

1.3.4 Betreuer

1.3.5 Aufgabenbereiche des Betreuers

1.3.6 Pflichten des Betreuers

1.3.7 Medizinische Maßnahmen

1.3.8 Vorsorgevollmacht – Betreuungsverfügung

1.4 Freiheitsbeschränkungen

1.4.1 Grundlagen

1.4.1.1 Einwilligung

1.4.1.2 Notstand

1.4.1.3 Richterlicher Beschluss

2 Haftung im Zivilrecht

2.1 Übersicht

2.2 Grundlagen der Haftung für Pflegekräfte

2.2.1 Verletzung der Rechtsgüter

2.2.2 Rechtfertigungsgründe

2.2.3 Verschulden

2.2.4 Deliktsfähigkeit

2.2.5 Rechtsfolgen

2.2.6 Verjährung

2.2.7 Gesamtschuldverhältnis

2.2.8 Haftungsfreistellung der Pflegekräfte

2.2.9 Beweislast

2.2.10 Dokumentation

2.3 Haftung des Vorgesetzten

2.4 Haftung des Trägers

2.4.1 Vertragliche Haftung

2.4.2 Deliktische Haftung

2.4.3 Organisationsverschulden

2.4.4 Verkehrssicherungspflicht

2.5 Besondere Haftungsbereiche im Bereich der Pflege

2.5.1 Medizinische Maßnahmen

2.5.1.1 Einverständnis des Bewohners

2.5.1.2 Ordnungsgemäße ärztliche Verordnung

2.5.1.3 Delegationsfähigkeit

2.5.1.4 Durchführungs- und Anordnungsverantwortung

2.5.2 Qualität in der Pflege und Betreuung

2.5.3 Schutz der Privatsphäre

2.5.3.1 Datenschutzgesetze und Sozialdatenschutz

2.5.3.2 Zivilrechtlicher Datenschutz

2.5.3.3 Arbeitsrechtliche Verschwiegenheitspflicht

2.5.4 Aufsichtspflicht

2.5.5 Sexualität behinderter Menschen

2.5.6 Gewalt in der Pflege und Betreuung

3 Vertragsrecht

3.1 Rechtliche Grundlagen

3.2 Vertragsabschluss und Vertragswirkungen

3.3 Leistungsstörungen

3.4 Erlöschen von Forderungen

3.5 Einreden

3.6 Übergang von Forderungen

3.7 Beendigung des Vertrages

3.8 Pflichtverletzungen

3.8.1 Allgemeines

3.8.2 Verletzung vorvertraglicher Pflichten

3.8.3 Gewährleistung

3.9 Vertragsarten

3.9.1 Kaufvertrag

3.9.2 Schenkung

3.9.3 Miete

3.9.4 Dienstvertrag

3.9.5 Heimvertrag

4 Familienrecht

4.1 Sorgerecht

4.2 Unterhalt

4.3 Ehefähigkeit

5 Erbrecht

5.1 Allgemeines

5.2 Gesetzliche Erbfolge

5.2.1 Grundlagen

5.2.1.1 Verwandte

5.2.1.2 Adoptivkinder

5.2.1.3 Ehepartner

5.2.1.4 Nichteheliche Lebensgemeinschaft

5.2.1.5 Nichteheliche Kinder

5.2.1.6 Besonderheit: Erblasser lebt im Ausland

5.2.2 Erbausschlagung

5.2.3 Erbrecht des Staates

5.2.4 Pflichtteilsanspruch

5.3 Gewillkürte Erbfolge

5.3.1 Testierfähigkeit

5.3.2 Testamentsformen

5.3.2.1 Eigenhändiges Testament

5.3.2.2 Notarielles Testament

5.3.2.3 Gemeinschaftliches Testament

5.3.2.4 Nottestament

5.3.3 Widerruf des Testaments

5.3.4 Inhalt des Testaments

5.3.5 Erbvertrag

5.4 Maßnahmen im Todesfall

6 Rechtsweg im Zivilrecht

Teil 4 Strafrecht

1 Straftat

1.1 Tatbestand

1.1.1 Objektiver Tatbestand

1.1.2 Subjektiver Tatbestand

1.2 Rechtswidrigkeit

1.2.1 Notwehr

1.2.2 Notstand

1.2.3 Einwilligung

1.3 Schuld

2 Rechtsfolgen

3 Strafverfahren

4 Jugendstrafrecht

5 Besondere strafrechtliche Probleme

5.1 Sterbehilfe

5.1.1 Aktive Sterbehilfe

5.1.2 Indirekte Sterbehilfe

5.1.3 Passive Sterbehilfe

5.1.4 Behandlungsabbruch

5.1.5 Beihilfe zum Suizid

5.2 Sexuelle Selbstbestimmung Behinderter

5.2.1 Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen (§ 174 StGB)

5.2.2 Sexueller Missbrauch von Gefangenen, behördlich Verwahrten oder Kranken und Hilfsbedürftigen in Einrichtungen (§ 174 a StGB)

5.2.3 Sexueller Missbrauch von widerstandsunfähigen Personen (§ 179 StGB)

5.2.4 Sexueller Missbrauch von Kindern (§ 176 StGB)

5.2.5 Sexueller Missbrauch von Jugendlichen (§ 182 StGB)

5.2.6 Sexuelle Nötigung bzw. Vergewaltigung (§ 177 StGB)

5.3 Schutz der Privatsphäre

5.3.1 Schweigepflicht

5.3.2 Briefgeheimnis

Teil 5 Verwaltungs- und Sozialrecht

1 Einleitung

2 Verwaltungs- und Sozialverfahren

3 Sozialversicherung

3.1 Grundlagen

3.2 Krankenversicherung

3.3 Unfallversicherung

3.4 Rentenversicherung

3.4.1 Rente wegen Alters

3.4.2 Rente wegen Erwerbsminderung

3.4.3 Rente wegen Todes

3.5 Arbeitslosenversicherung

3.6 Sozialversicherung von Behinderten

3.7 Pflegeversicherung

4 Sozialhilfe

4.1 Hilfe zum Lebensunterhalt

4.2 Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung

4.3 Eingliederungshilfe

4.4 Hilfe zur Pflege

4.5 Einsatz des Einkommens und Vermögens

4.6 Sozialhilfeträger

4.7 Kostenersatz

5 Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen

5.1 Grundlagen

5.2 Verfahren

5.3 Leistungen

5.3.1 Allgemeines

5.3.2 Vergünstigungen im öffentlichen Leben

5.4 Teilhabe am Arbeitsleben

5.4.1 Private Arbeitsverhältnisse

5.4.2 Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM)

6 Jugendhilferecht

7 Heimrecht

8 Arzneimittel- und Betäubungsmittelgesetz

8.1 Arzneimittelgesetz

8.2 Betäubungsmittel:

Teil 6 Arbeitsrecht

1 Allgemeines

2 Arbeitsvertrag

2.1 Abschluss und Inhalt

2.2 Dauer des Arbeitsverhältnisses

2.3 Arbeitnehmerschutzrechte

2.3.1 Mutterschutzgesetz

2.3.2 Schwerbehindertenrecht

2.3.3 Arbeitszeitrecht

2.3.4 Unfallverhütungsvorschriften

2.3.5 Gewerbeordnung

2.3.6 Arbeitsstättenverordnung

2.3.7 Arbeitsschutzgesetz

2.3.8 Medizinproduktegesetz

2.3.9 Schutz vor sexueller Belästigung

2.3.10 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

3 Umfang der Tätigkeit und Direktionsrecht

4 Tarifverträge

5 Betriebliche Mitbestimmung

5.1 Grundlagen

5.2 Rechte der Arbeitnehmervertretungen

5.3 Betriebsvereinbarungen

6 Vergütung und Entgeltfortzahlung

6.1 Grundlagen

6.2 Entgeltfortzahlung

7 Urlaub

8 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

8.1 Ordentliche Kündigung

8.2 Außerordentliche Kündigung

8.3 Aufhebungsvertrag

8.4 Befristung

8.5 Kündigungsschutz

8.6 Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit

8.7 Arbeits- und Dienstzeugnis

8.8 Verjährungs- und Ausschlussfristen

Literatur

Stichwortverzeichnis

 

Abkürzungsverzeichnis

 

 

 

a. a. O.

am angeführten Ort

AFG

Arbeitsförderungsgesetz

AG

Amtsgericht

AGBG

Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen

AMG

Arzneimittelgesetz

AP

Arbeitsrechtliche Praxis, Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts

APflege

Zeitschrift: Altenpflege

ArbSchG

Arbeitsschutzgesetz

ArbStättV

Arbeitsstättenverordnung

ArztR

Zeitschrift: Arztrecht

BAG

Bundesarbeitsgericht

BAT

Bundesangestelltentarifvertrag

BayObLG

Bayerisches oberstes Landesgericht

BBiG

Berufsbildungsgesetz

BDSG

Bundesdatenschutzgesetz

BPersVG

Bundespersonalvertretungsgesetz

BeschG

Beschäftigtenschutzgesetz

BetrVerfG

Betriebsverfassungsgesetz

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ

Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BKVO

Berufskrankheitenverordnung

BSG

Bundessozialgericht

BSGE

Entscheidungssammlung des Bundessozialgerichts

BSHG

Bundessozialhilfegesetz

BtMG

Betäubungsmittelgesetz

BtMVV

Betäubungsmittel-Verschreibungs-Verordnung

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungssammlung Bundesverfassungsgericht

BWG

Bundeswahlgesetz

DAVorm

Der Amtsvormund, Rundbrief des Dtsch. Instituts für Vormundschaftswesen

DienstV

Dienstvereinbarung

DMW

Zeitschrift: Deutsche Medizinische Wochenschrift

DS

Deutsches Sonntagsblatt

Dtsch.

Deutsch(en)

EFZG

Entgeltfortzahlungsgesetz

EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention

Ethik Med

Zeitschrift: Ethik in der Medizin

EzA

Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht

FamFG

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Familienverfahrensgesetz)

FEVS

Fürsorgerechtliche Entscheidungen der Verwaltungs- und Sozialgerichte

GewO

Gewerbeordnung

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz

HeimG

Heimgesetz

HeimMindBauV

Heimmindestbauverordnung

HeimmitwV

Heimmitwirkungsverordnung

HeimPersVO

Heimpersonalverordnung

HFEG

Hessisches Freiheitsentziehungsgesetz

JArbSchG

Jugendarbeitsschutzgesetz

JAVollzO

Justizanstaltsvollzugsordnung

LAG

Landesarbeitsgericht

LBerufG

Landesberufsgericht für Ärzte

LG

Landgericht

LJHG-BW

Landesjugendhilfegesetz Baden-Württemberg

LPartG

Lebenspartnerschaftsgesetz

LQV

Leistungs- und Qualitätsvereinbarung

LVwVfG BW

Landesverwaltungsverfahrensgesetz Baden-Württemberg

LWV Hessen

Landeswohlfahrtsverband Hessen

MDR

Zeitschrift: Monatsschrift des Rechts

MedR

Zeitschrift: Medizinrecht

MPG

Medizinproduktegesetz

MPBetreibV

Medizinproduktebetreiberverordnung

MuSchG

Mutterschutzgesetz

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

NJW

Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift

NJW

Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungsreport

NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht

NZA

Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht

OLG

Oberlandesgericht

PostO

Postordnung

PStG

Personenstandsgesetz

RVO

Reichsversicherungsordnung

PflR

Zeitschrift: Pflegerecht

PflRi

Pflegebedürftigkeitsrichtlinien

PsychKHG

Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz)

R & P

Zeitschrift: Recht und Psychiatrie

SchwbG

Schwerbehindertengesetz

SchwbWV

Werkstättenmitwirkungsverordnung zum Schwerbehindertengesetz

SGB

Sozialgesetzbuch

SozR

Entscheidungssammlung der Richter des Bundessozialgerichts

StGB

Strafgesetzbuch

StPO

Strafprozessordnung

TVöD

Tarifvertrag öffentlicher Dienst

TzBfG

Teilzeit- und Befristungsgesetz

UBG-BW

Unterbringungsgesetz Baden-Württemberg

UnterbrG Bay

Unterbringungsgesetz Bayern

VersR

Zeitschrift: Versicherungsrecht

VO

Verordnung

VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz

WBVG

Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz

WRV

Weimarer Reichsverfassung

WTPG

Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz (BaWü)

WVO

Werkstättenverordnung

ZPO

Zivilprozessordnung

ZuSEG

Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen

 

Teil 1 Gemeinschaftskunde

 

 

1          Prinzipien der deutschen Demokratie

1.1        Demokratie

Da in Deutschland mit dem Grundgesetz eine repräsentative Demokratie festgelegt wurde, wird die »Gewalt« auf Abgeordnete übertragen. Die wahlberechtigten Bürger wählen für eine Legislaturperiode einen Vertreter, den Abgeordneten, der dann stellvertretend für sie im Parlament (Bundestag, Landtag etc.) sitzt. Bezüglich der Wahl der Abgeordneten und sonstigen Volksvertreter gelten folgende Wahlgrundsätze:

•  allgemein,

•  unmittelbar,

•  geheim,

•  frei und

•  gleich.

Wahlgrundsätze

Grundlage ist Art. 38 Abs. 1 GG. Diese Wahlgrundsätze lassen sich wie folgt erläutern:

•  allgemein: Jeder Bürger, der das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, kann wählen (aktives Wahlrecht) oder gewählt werden (passives Wahlrecht).

•  unmittelbar: Die Abgeordneten werden direkt in das Parlament gewählt, ohne Wahlmänner oder ähnliche.

•  frei: Niemand kann gezwungen werden zu wählen oder sich für eine bestimmte Partei zu entscheiden.

•  gleich: Jede Stimme zählt gleich.

•  geheim: Der Wähler muss seine Wahlentscheidung nicht offenbaren und er muss durch Wahlkabinen etc. bei der Stimmabgabe vor einer Kenntnisnahme durch Dritte geschützt werden.

Verfassungsrechtliche Grundlagen des Wahlrechts

Die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Wahlrechts finden sich im Grundgesetz:

•  Art. 20 Abs. 2 GG: »Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.«

•  Art. 21 Abs. 1 GG: »Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.«

•  Art. 38 Abs. 1 GG: »Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt.«

•  Art. 38 Abs. 2 GG: »Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.«

Aktives Wahlrecht

Die Ausgestaltung des speziellen Wahlrechts und die Verwirklichung der obigen Grundsätze erfolgt durch das Bundeswahlgesetz. Dort ist unter anderem festgelegt, dass zur Durchführung der Wahl das Bundesgebiet in einzelne Wahlkreise eingeteilt wird.

Wahlberechtigt ist jeder Bürger, somit jeder Deutsche, nach Vollendung des achtzehnten Lebensjahres. Auch Deutsche, die sich im Ausland aufhalten, sind wahlberechtigt. Weitere Voraussetzung ist, dass seit mindestens drei Monaten ein Aufenthalt im Bundesgebiet als Deutscher vorliegt. Wählen kann aber nicht derjenige, der vom Wahlrecht durch

•  richterliche Aberkennung,

•  die Bestellung eines Betreuers für alle Angelegenheiten oder

•  den Maßregelvollzug (§§ 20, 63 StGB)

ausgeschlossen ist. Die richterliche Aberkennung kann gemäß § 45 Abs. 5 StGB nur bei besonderen Straftaten, folglich nur in Ausnahmefällen, erfolgen. Außerdem ist nach § 13 Nr. 2 BWG derjenige nicht wahlberechtigt, für den ein Betreuer für alle Angelegenheiten bestellt ist.

Passives Wahlrecht

Die Ausübung der Wahl erfolgt durch die persönliche Stimmabgabe im Wahlkreis oder mittels Briefwahl bei Verhinderung der Stimmabgabe. Behinderte Personen können gemäß § 33 Abs. 2 BWG eine Person ihres Vertrauens zum Wahlvorgang mit in die Kabine nehmen und sich von dieser helfen lassen. Für das passive Wahlrecht (Wählbarkeit) gilt als Altersgrenze wieder die Vollendung des achtzehnten Lebensjahres.

Kommunalwahlen in Baden-Württemberg

Bei der Wahl zum Parlament des Bundes und der Länder hat jeder Bürger zwei Stimmen: Die Erststimme für den Wahlkreisabgeordneten, wobei der Kandidat des Wahlkreises mit der Mehrheit der Stimmen gewählt ist (Mehrheitswahl), sowie die Zweitstimme für die Landesliste der Partei. Die Anzahl der Zweitstimmen für eine Liste legt die Anzahl der Abgeordneten dieser Partei im Bundestag fest (Verhältniswahl).

Ein besonderes Wahlsystem gilt bei Kommunalwahlen in Baden-Württemberg (Stadtrat, Gemeinderat etc.):

•  Es können die Stimmen kumuliert, d. h. einem Bewerber bis maximal drei Stimmen zugewiesen werden. Dadurch sind zwei Stimmen »zu viel«, weshalb zwei andere Bewerber gestrichen werden müssen.

•  Außerdem kann panaschiert werden. Ein Bewerber kann von einer anderen Liste übernommen werden. Dafür muss jedoch ein anderer Kandidat auf der Liste gestrichen werden, auf der der Kandidat hinzukommt.

Der Name »Bundesrepublik« kennzeichnet den Staat als Republik. Abgeleitet ist er vom lateinischen res publica.

Res publica bedeutet, dass das Staatsoberhaupt nicht durch Erbfolge bestimmt wird wie in der Monarchie, sondern gewählt wird.

Staatsoberhaupt

Das deutsche Staatsoberhaupt, der Bundespräsident, wird durch die Bundesversammlung gewählt. Die Bundesversammlung setzt sich jeweils zur Hälfte aus den Abgeordneten des Bundestages und den Vertretern der Bundesländer zusammen (Art. 54 GG). Die Amtsdauer des Bundespräsidenten beträgt fünf Jahre, und er kann nur einmal wiedergewählt werden.

1.2        Rechtsstaat

Nach Art. 20, 28 Abs. 1 Satz 1 GG ist die Bundesrepublik Deutschland ein Rechtsstaat. Dieser ist durch drei Grundsätze gekennzeichnet:

Grundsätze des Rechtsstaates

•  Gewaltenteilung,

•  Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und

•  Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.

Die Gewaltenteilung besagt, dass drei Gewalten existieren, die voneinander zu trennen sind. Diese Gewalten sind

Diese Organe sollen ihre Aufgaben unabhängig voneinander erfüllen und sich gegenseitig kontrollieren. Die Gewaltenteilung ist deshalb ein wesentliches Instrument zur Sicherung der Demokratie.

Die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung soll sichern, dass der Gesetzgeber sich nicht über die Verfassung hinwegsetzen kann.

Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung soll den Bürger vor willkürlichen Handlungen schützen, denn die Verwaltung darf nur im Rahmen der Gesetze handeln.

Recht als Verankerung ethischer, sittlicher und moralischer Grundsätze

Eine enge Verbindung besteht zwischen den Vorgaben einer Rechtsordnung in zivilisierten Staaten und gesellschaftlichen Begriffen wie Ethik, Sitte und Moral. Die anerkannten moralischen und sittlichen Grundsätze wie auch christliche Werte (z. B. 10 Gebote) sind innerhalb der Rechtsordnung in den Grundrechten (z. B. Menschenwürde, Freiheitsrecht), dem Zivilrecht (z. B. Schutz des Lebens, Körpers und von vertraglichen Verhältnissen mit der Folge von Schadensersatz bei deren Verletzung etc.), im Strafrecht (z. B. Schutz des Eigentums und des Lebens) sowie im Verwaltungs- und Polizeirecht umgesetzt worden. Das Recht stellt gerade die Verankerung ethischer, sittlicher und moralischer Grundsätze in einer Gesellschaft dar.

1.2.1       Gesetzgebung

Für den Erlass von Gesetzen ist die Legislative (Gesetzgebung) zuständig. Die Legislative ist vom Volk gewählt. Auf Bundesebene ist dies der Bundestag, auf Länderebene der Landtag, in Städten und Gemeinden der Stadtrat bzw. Gemeinderat.

Beteiligung der Länder

Die Länder sind im Gesetzgebungsverfahren über den Bundesrat an jedem Gesetz beteiligt. Sofern das entsprechende Gesetz die besonderen Interessen der Länder betrifft (Zustimmungsgesetze), hat der Bundesrat sogar das Recht, ein vom Bundestag beschlossenes Gesetzes zu blockieren. Ist in einem solchen Fall keine Einigung zwischen Bundestag und Bundesrat möglich, so muss der Vermittlungsausschuss eingeschaltet werden (Art. 77 Abs. 2 GG). Der Vermittlungsausschuss setzt sich aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates zusammen.

Gesetzgebungsverfahren

Die Anregung zum Erlass neuer Gesetze, die Gesetzesinitiative, kann von

•  der Bundesregierung,

•  dem Bundestag (mindestens 5 % der Abgeordneten) oder

•  dem Bundesrat ausgehen.

Bei der Gesetzesinitiative wird ein Gesetzentwurf vorgelegt, der dann in erster Lesung, der ersten Beratung im Bundestag, behandelt wird. Danach kommt er in einen der Fachausschüsse. Anschließend gibt es eine zweite und dritte Lesung im Bundestag. Nach der dritten Lesung kommt es zur Schlussabstimmung, d. h. der Verabschiedung. Gesetze, die das Grundgesetz ändern, müssen mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Stimmen des Bundestages verabschiedet werden und die Bundesländer müssen ebenfalls mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmen.

Die beschlossenen Gesetze werden vom Bundeskanzler gegengezeichnet und vom Bundespräsidenten ausgefertigt und damit rechtsgültig. Mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt tritt das Gesetz in Kraft, sofern kein späterer anderer Zeitpunkt bestimmt ist.

1.2.2       Sonstige Staatsorgane

1.2.2.1    Exekutive

Die Exekutive ist als ausführende Gewalt für die Durchführung der Gesetze verantwortlich. Auf Bundesebene zählen zur Exekutive

•  der Bundespräsident,

•  die Bundesregierung und

•  die Bundesverwaltung.

Auf Länder- und Kreisebene zählen zur Exekutive

•  die Landesregierung,

•  die Landesverwaltung einschließlich der Regierungspräsidien,

•  die Polizei und

•  sonstige Behörden und Ämter (Regierungspräsidium, Stadtverwaltung etc.).

Bundespräsident

Die Funktion des Bundespräsidenten ist schwach. Er hat im Wesentlichen nur repräsentative Aufgaben, d. h. er vertritt die Bundesrepublik nach außen. Er hat außerdem die Pflicht zur Ausfertigung von Gesetzen nach deren Verabschiedung.

Bundesregierung

Der Bundeskanzler wird nach der Wahl des Bundestages auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestag gewählt und anschließend vom Bundespräsidenten ernannt. Der Bundeskanzler ist dem Bundestag während seiner Amtszeit verantwortlich. Soll eine Ablösung des Bundeskanzlers erfolgen, gibt es zwei Möglichkeiten:

•  Ein neuer Bundeskanzler wird gewählt (konstruktives Misstrauensvotum) oder

•  der Kanzler selbst stellt die Vertrauensfrage. Er stellt den Antrag, ihm das Vertrauen auszusprechen. Stimmt die Mehrheit des Bundestages gegen ihn, kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers den Bundestag innerhalb von 21 Tagen auflösen (Art. 68 GG). Dann sind Neuwahlen erforderlich. Die Auflösung kann durch die Wahl eines neuen Bundeskanzlers verhindert werden.

Der Bundeskanzler schlägt die Bundesminister vor, die anschließend vom Bundespräsidenten formell ernannt werden (Art. 64 GG). Der Bundeskanzler bestimmt auch die Richtlinien der Politik (Art. 65 GG), d. h. die Grundzüge der Tätigkeit der Regierung.

Aufgaben der Bundesregierung sind

•  Erarbeiten von Gesetzesvorlagen,

•  Erlass von Rechtsverordnungen,

•  Aufsicht über die Länder hinsichtlich der Ausführung von Bundesgesetzen,

•  Erlass von Verwaltungsvorschriften.

1.2.2.2    Judikative

Die Rechtsprechung(Judikative) ist die höchste Kontrollinstanz. An ihrer Spitze steht das Bundesverfassungsgericht, das darüber wacht, ob Legislative

Abb. 1: Gesetzgebungsverfahren

und Exekutive die Verfassung bei Gesetzen und Maßnahmen beachten.

In den Bundesländern wiederum existieren weitere Verfassungs- oder Staatsgerichtshöfe, die die Einhaltung der Landesverfassung kontrollieren. Die Richter des Bundesverfassungsgerichts werden je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt.

Die Rechtsprechung ist in verschiedene Gerichtszweige und verschiedene Instanzen gegliedert. Höchste Instanz ist das jeweilige Bundesgericht. Es werden die ordentliche Gerichtsbarkeit mit Straf- und Zivilabteilung sowie die Verwaltungs-, die Finanz-, die Arbeits- und die Sozialgerichtsbarkeit unterschieden.

Die Tabelle 1 zeigt den Gerichtsaufbau.

Tab. 1: Gerichtsaufbau

Bundesverfassungsgericht

1.2.3       Rechte des Bundes, der Länder, der Städte und Gemeinden

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Bundesstaat. Sie setzt sich aus 16 Bundesländern zusammen:

Bundesländer

•  Baden-Württemberg

•  Bayern

•  Berlin

•  Brandenburg

•  Bremen

•  Hamburg

•  Hessen

•  Mecklenburg-Vorpommern

•  Niedersachsen

•  Nordrhein-Westfalen

•  Rheinland-Pfalz

•  Saarland

•  Sachsen

•  Sachsen-Anhalt

•  Schleswig-Holstein

•  Thüringen.

Die Bundesländer besitzen für bestimmte Bereiche eine verfassungsrechtlich geschützte Selbstständigkeit. So können die Länder in manchen Bereichen eigenständig Gesetze erlassen, wie beispielsweise die

•  Landespolizeigesetze

•  Kommunalgesetze

•  Unterbringungsgesetze und

•  Schul- und Kultusgesetze.

Die Länder müssen sich in ihrem Kompetenzbereich bundesfreundlich verhalten. Deshalb müssen die Schulgesetze so weit übereinstimmen, dass ein Schüler ohne Probleme in ein anderes Bundesland wechseln kann.

Gebietskörperschaften

Die Gemeinden und Städte sind so genannte Gebietskörperschaften. Durch Art. 28 Abs. 2 GG haben sie das Recht, alle Angelegenheiten » der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln«. Diese so genannte Selbstverwaltung umfasst auch die finanzielle Eigenverantwortung. Dies bedeutet, dass die Gemeinde oder Stadt durch Satzungen Angelegenheiten wie die Nutzung des Friedhofs, Abgaben und Gebühren, Abfallbeseitigung, Bebauung des Gemeindegebietes, Wasserversorgung und Beseitigung von Abwässern etc. regeln kann. Die Satzung darf jedoch nicht gegen höherrangiges Recht, beispielsweise Gesetze, verstoßen. Das zuständige »Gesetzgebungsorgan« der Gemeinde bzw. Stadt ist der Gemeinderat bzw. Stadtrat.

1.3        Sozialstaat

Verfassungsrechtliche Grundlage

Das Grundgesetz legt in Art. 20 Abs. 1 fest, dass die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer und sozialer Bundesstaat ist. Damit wurde die verfassungsrechtliche Grundlage für den Sozialstaat geschaffen. Das Sozialstaatsgebot verpflichtet den Staat, wirtschaftlich schwachen Menschen ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen. Jeder soll einen wirtschaftlichen und kulturellen Mindeststandard, zumindest das Existenzminimum, haben. Besonders den Hilfsbedürftigen, den sozial Schwachen und Behinderten soll diese besondere Fürsorge des Staates zukommen, und es sollen soziale Gegensätze ausgeglichen werden. Unterstützt wird die oben genannte Pflicht durch das Benachteiligungsverbot für Behinderte in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG:

Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Dadurch wurden die Rechte behinderter Menschen erheblich gestärkt.

Sozialversicherungen

Merkmal des Sozialstaats sind insbesondere die Sozialversicherungen. Diese sind

•  die Arbeitslosenversicherung,

•  die Krankenversicherung,

•  die Rentenversicherung,

•  die (gesetzliche) Unfallversicherung und

•  die Pflegeversicherung.

Personen, die unterhalb des Existenzminimums leben müssen, sollen im »untersten sozialen Netz« der Sozialhilfe oder der Grundsicherung aufgefangen werden.

Das Sozialstaatsprinzip übt auch einen Einfluss auf die Wirtschaftsordnung aus. Die Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik ist die soziale Marktwirtschaft.

Soziale Marktwirtschaft bedeutet, dass der Staat die (gesetzlichen) Rahmenbedingungen dafür schafft, dass sich eine funktionsfähige Wirtschaft als soziale Wettbewerbswirtschaft ohne marktbeherrschende Einflüsse entfalten kann.

1.4        Politische Einflussnahme

Der Bürger hat in einem demokratischen Staat verschiedene Möglichkeiten, politisch Einfluss zu nehmen.

Wahlrecht

Zuerst und im Wesentlichen bestimmt der Bürger die Art der Politik durch sein Wahlrecht. Dazu kann er sich einer politischen Partei anschließen, d. h. dort Mitglied werden. Die Parteien werden im Grundgesetz in Art. 21 GG als Teil der verfassungsmäßigen Ordnung garantiert. Nach diesem Verfassungsartikel wirken die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mit und ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muss demokratischen Grundsätzen entsprechen.

Bürgerinitiative

Zusätzlich können sich die Menschen in Form einer so genannten Bürgerinitiative organisieren. Die Bürgerinitiative ist ein Zusammenschluss von Personen, die ein gemeinsames Ziel verfolgen.

In der Praxis bekannt sind Bürgerinitiativen gegen den Bau einer Autobahn oder Bahntrasse, gegen den Betrieb eines Atomkraftwerkes oder nur zur Installation eines gesicherten Fußgängerüberweges zum Schutz der Kinder. Die Bürgerinitiativen haben den Vorteil, dass der Bürger dort direkt auf die Politik Einfluss nehmen kann.

Medien

Ein wesentliches Instrument der Bürgerinitiativen ist die Nutzung der Medien, d. h. Presse, Radio und Fernsehen, um auf ihre Ziele aufmerksam zu machen und auf die Politik Druck auszuüben. Auch ansonsten sind die Medien ein wesentliches Instrument zur Sicherung der Demokratie, weshalb sie im Grundgesetz über Art. 5 GG (freie Meinungsäußerung) geschützt sind:

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Petitionsausschüsse

Schließlich hat jeder Bürger das Recht, sich an einen der Petitionsausschüsse des Bundes1 oder der Bundesländer zu wenden. Dort wird seine Beschwerde geprüft und unter Umständen Abhilfe angeregt.

1.5        Grundrechte

Grundrechte als Abwehr- und Anspruchsrechte

Grundlage der Demokratie der Bundesrepublik Deutschland sind die Grundrechte. Sie sind so genannte Abwehrrechte gegen Willkür des Staates. Teilweise wirken Grundrechte auch unmittelbar zwischen den Bürgern.

Ein Arbeitgeber darf Frauen weder am Arbeitsplatz noch bei der Auswahl benachteiligen, da dies gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG verstößt.

Die Grundrechte sind eng verwandt mit den Menschenrechten. Das Grundgesetz hat die Menschenrechte in besonderem Umfang geschützt.

Die Grundrechte sind nicht nur Abwehrrechte, d. h. sie schützen den Bürger vor staatlichen Eingriffen, sondern auch Anspruchsrechte, d. h. sie geben den Bürgern Ansprüche gegen den Staat. An dieser Stelle sollen nur einige wichtige Grundrechte dargestellt werden, die ihre Wirkung insbesondere im Bereich der Heilerziehungs- und Altenpflege sowie der Krankenpflege entfalten.

Menschenwürde

Schutz der Menschenwürde (Art. 1 GG): Die Würde jedes Menschen stellt das höchste Gut in der Wertordnung des Grundgesetzes dar.

Art. 1 GG

(1)  Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2)  Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

Die Würde jedes Menschen ist unabhängig von Eigenschaften (Krankheit, Behinderung, Geschlecht, Rasse), Alter und Einsichtsfähigkeit als eines der höchsten Rechtsgüter geschützt. Die Menschenwürde hat Auswirkungen auf alle Lebensbereiche, auf die Sammlung von persönlichen Informationen, auf die Möglichkeiten der Einflussnahme auf medizinische Behandlungen, auf die Unterbringung psychisch kranker Menschen und die Art und Weise des Umgangs mit Heimbewohnern, wie z. B. die Wahrung der Intimsphäre, den Verzicht auf vermeidbare freiheitsbeschränkende Maßnahmen, die Nahrungsangebote sowie die Freizeit- und Wohnraumgestaltung.

Persönlichkeitsrecht

Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG): Jeder Bürger hat das Recht, seinen Lebensbereich selbst nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu gestalten, soweit er dadurch nicht andere in ihren Rechten verletzt.

Art. 2 Abs. 1 GG

(1)  Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

Dieser Artikel garantiert das Recht auf Selbstbestimmung, auch des Behinderten und alten Menschen in einer Einrichtung. Diese Selbstbestimmung umfasst die Gestaltung der Freizeit, die Verwendung des persönlichen Geldes (Taschengeld, Barbetrag etc.), die Partnersuche, die Gestaltung des Wohnraums und die Auswahl der Kleidung, Musik etc.

Freiheitsrechte

Freiheit der Person, Leben, körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG): Diese Rechtsgüter werden besonders geschützt, Einschränkungen sind nur aufgrund von Gesetzen und eines Richterspruchs möglich.

Art. 2 Abs. 2 GG

(2)  Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Aus diesem Grund muss für die Unterbringung psychisch kranker Menschen oder gar der Zwangsbehandlung eine gesetzliche Grundlage bestehen. Dies gilt selbstverständlich auch für sonstige Zwangsmaßnahmen und freiheitsbeschränkende Maßnahmen. Ergänzt wird dieses Grundrecht durch den Anspruch auf Nachprüfung aller staatlichen Maßnahmen durch ein Gericht (Art. 19 Abs. 4 GG) und das Recht, dass immer ein Richter über freiheitsentziehende Maßnahmen entscheiden muss (Art. 104 GG). Durch Art. 2 Abs. 2 GG werden auch die staatlichen Organe dazu verpflichtet, Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit zu schützen.

Gleichheitsgrundsatz

Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG): Dieses Grundrecht verbietet die Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte, insbesondere Ungleichbehandlungen wegen des Geschlechts, der Rasse und der Religion. Danach sind alle Menschen gleich.

Art. 3 GG

(1)  Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2)  Männer und Frauen sind gleichberechtigt. …

(3)  Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, … benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Besonders wichtig ist das Verbot der Benachteiligung Behinderter. Dieses Grundrecht soll nicht nur die Diskriminierung behinderter Menschen verhindern, sondern diesen auch Rechte auf gesellschaftliche Maßnahmen geben. Dies kommt auch im neuen Sozialgesetzbuch IX (SGB IX), dem Gesetz zur »Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen« zum Ausdruck.

Glaubensfreiheit

Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 GG): Dieses Grundrecht schützt die Freiheit der Religionsausübung und der weltanschaulichen Überzeugung. Es beinhaltet auch die Möglichkeit, Zivildienst anstatt Wehrdienst zu wählen.

Art. 4 GG

(1)  Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2)  Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3)  Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.

In der Praxis der Alten- und Heilerziehungspflege sowie in psychiatrischen Einrichtungen ist aufgrund dieses Grundrechts unter anderem die freie Religionsausübung zu ermöglichen.

Schutz von Ehe und Familie

Schutz von Ehe und Familie(Art. 6 GG): Die Ehe und die Familie sind vom Staat zu schützen. Die Erziehung der Kinder ist Aufgabe der Eltern.

Art. 6 GG

(1)  Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2)  Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht….

(3)  Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur …. von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4)  Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

Der Staat hat durch dieses Grundrecht auch die Verpflichtung, die Familie insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht zu fördern und bei behinderten Müttern zu prüfen, ob diese nicht mit staatlichen Hilfen in der Lage sind, ihre Kinder selbst zu versorgen. Die Wegnahme des Kindes von der Mutter darf deshalb nur das letzte Mittel sein.

Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis

Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG): Mitteilungen, die auf dem Postweg oder über das Telefon gemacht werden, sind vor den Staatsorganen geschützt. Ausnahmen müssen gesetzlich geregelt werden.

Art. 10 GG

(1)  Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.

(2)  Beschränkungen dürfen nur aufgrund eines Gesetzes angeordnet werden.

Dies bedeutet, dass auch der Bewohner eines Heims das Recht zu ungehindertem Empfang von Post und zum Telefonieren ohne »Mithörer« hat. Wer dies nicht beachtet, begeht sogar eine Straftat nach § 202 StGB.

Berufswahlfreiheit

Freiheit der Berufswahl (Art. 12 GG): Danach kann jeder seinen Beruf selbst ohne Einfluss des Staates wählen. Der Staat darf den Zugang zum Beruf auch nicht durch zu hohe Hürden erschweren.

Art. 12 GG

(1)  Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder aufgrundeines Gesetzes geregelt werden.

(2)  Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3)  Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Dies bedeutet auch, dass bei Prüfungsordnungen und der Prüfung selbst alle rechtsstaatlichen Regeln zu beachten und willkürliche Entscheidungen verboten sind.

Unverletzlichkeit der Wohnung

Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG): Danach ist die Wohnung jedes Menschen ein besonders geschützter Bereich.

Art. 13 GG

(1)  Die Wohnung ist unverletzlich.

(2)  Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.

Der Begriff Wohnung ist auch dahingehend zu verstehen, dass auch die Zimmer der jeweiligen Heimbewohner geschützt sind und Dritte diese nur mit deren Zustimmung betreten dürfen.

2          Öffentliche Verwaltung

Die öffentliche Verwaltung, d. h. die Ämter und Behörden, ist Teil der Exekutive und an rechtsstaatliche Grundsätze gebunden. Dies bedeutet, dass sie den betroffenen Bürgern zu dienen, ihre Aufgaben effizient wahrzunehmen und bei ihren Entscheidungen die Verhältnismäßigkeit der Mittel zu beachten hat, d. h. keine Entscheidungen treffen darf, die den Bürger unangemessen benachteiligen. Sie muss außerdem stets im pflichtgemäßen Ermessen entscheiden, was bedeutet, dass bei jeder Entscheidung alle Aspekte gewürdigt werden, auch diejenigen, die zu Gunsten des Bürgers sprechen. Es gilt in diesem Zusammenhang sowohl im allgemeinen Verwaltungsverfahren als auch im Sozialverfahren der Untersuchungsgrundsatz, d. h. die Behörde muss den Sachverhalt umfassend ermitteln. Im Verwaltungsverfahren gilt nach § 24 VwVfG:

(1)  Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. …

(2)  Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

Im Sozialverfahren ist dazu analog in § 20 SGB X geregelt:

(1)  Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. …

(2)  Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

Die zuständige Behörde ist darüber hinaus dazu verpflichtet, den Bürger zu beraten und die erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies regelt im allgemeinen Verwaltungsverfahren § 25 VwVfG:

Die Behörde soll die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind. Sie erteilt, soweit erforderlich, Auskunft über die den Beteiligten im Verwaltungsverfahren zustehenden Rechte und die ihnen obliegenden Pflichten.

und im Sozialverfahren § 14 SGB I:

Jeder hat Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch. Zuständig für die Beratung sind die Leistungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind.

Bei Verletzung der Beratungspflicht kann der Bürger sogar eine Art von Schadenersatzanspruch, den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch geltend machen.

Die weiteren Einzelheiten zum Verwaltungs- und Sozialverfahren sind weiter unten in Teil 5, Abschnitt 1 und 2 behandelt.

1     Petitionsausschuss Bundestag:Deutscher Bundestag, Petitionsausschuss,Platz der Republik 1, 11011 Berlin;Fax: 030/22776053, Email: [email protected]

 

Teil 2 Rechtsgrundlagen

 

 

 

Rechtsordnung

Die Rechtsordnung regelt das gesamte menschliche Zusammenleben von der Geburt bis zum Tod. Durch verschiedene Rechtsvorschriften soll gewährleistet werden, dass die menschlichen Beziehungen in »geregelten Bahnen« verlaufen. Diese Rechtsvorschriften stellen gewissermaßen die Spielregeln des gesellschaftlichen Miteinanders dar. Es handelt sich dabei um Gesetze, Verordnungen, Satzungen, Gewohnheitssätze und vertragliche Gestaltungen, die zusammen mit den Artikeln des Grundgesetzes, der Verfassung, die Rechtsordnung bilden.

Rechtsgebiete

Es werden zwei Rechtsgebiete unterschieden:

•  das Privatrecht und

•  das öffentliche Recht.

Die Abgrenzung zwischen den Rechtsgebieten hat in der Praxis Bedeutung

•  für die Möglichkeit der Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe, d. h. welches Gericht zuständig ist, und

•  dafür, wie Rechte durchgesetzt werden müssen, dabei auch, welche Rechtssubjekte sich gegenüberstehen.

Öffentliches Recht

Zum öffentlichen Recht zählen beispielsweise das Schulrecht, das Baurecht, das Polizeirecht und das Gesundheitsrecht. Das Strafrecht kann als Sonderbereich des öffentlichen Rechts angesehen werden. Es gilt auch im Verhältnis zwischen Staat und Bürger. Mithilfe von speziellen Rechtsnormen, wie beispielsweise im Strafgesetzbuch, wird sozialschädliches Verhalten bestraft oder durch Bußgelder geahndet. Im öffentlichen Recht gilt grundsätzlich das Über-/Unterordnungsverhältnis. Es gilt im Verhältnis zwischen Staat und Bürger oder zwischen staatlichen Institutionen. Ansprüche aus dem öffentlichen Recht, beispielsweise eine Klage gegen die Ablehnung einer Baugenehmigung für ein Heim oder die nicht bestandene Prüfung zum examinierten Alten- oder Heilerziehungspfleger, sind vor den Verwaltungsgerichten geltend zu machen. Für den Sonderbereich des Sozialrechts inklusive der Sozialhilfe stehen die Sozialgerichte und für den steuerlichen Bereich die Finanzgerichte zur Verfügung.

Privatrecht

Im Privatrecht stehen sich gleichgeordnete Personen gegenüber. Einer der wichtigsten Teile des Privatrechts ist das Bürgerliche Recht mit seiner Hauptrechtsquelle, dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Zum Bereich des Privatrechts zählt aber nicht nur das Bürgerliche Recht, sondern auch beispielsweise das Handelsrecht, das Gesellschaftsrecht und das Arbeitsrecht. Auseinandersetzungen privatrechtlicher Art müssen von den Zivilgerichten als Teil der ordentlichen Gerichtsbarkeit entschieden werden, wobei erste Instanz entweder das Amts- oder Landgericht ist. Eine Klage, z. B. auf Schadenersatz, muss beim Amtsgericht eingereicht werden. Wenn der Streitwert über 5.000,00 Euro liegt jedoch beim Landgericht. Für arbeitsrechtliche Streitigkeiten ist das Arbeitsgericht zuständig. Der strafrechtliche Anspruch des Staates wird vor den Strafgerichten verhandelt. Die Zuständigkeit der Strafgerichte, wiederum bei den Amts- und Landgerichten als erste Instanz, besteht auch für so genannte Privatklagen wegen Beleidigung oder Hausfriedensbruch.

Zu den Einzelheiten des Aufbaus der Gerichtsbarkeit wird auf Tabelle 1 (Instanzenweg) in Teil 1, 1.2.2.2 verwiesen.

Gleiche Rechte für alle Bürger

Alle Bürger haben in der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 3 GG die gleichen Rechte und Pflichten. Kein Bürger darf ohne sachlichen Grund ungleich zu anderen behandelt bzw. benachteiligt werden. Das Grundgesetz garantiert jedem Bürger angemessenen Rechtsschutz. Zur Durchsetzung rechtlicher Ansprüche stehen dem Bürger die Gerichte zur Verfügung. Für jedes der oben genannten Rechtsgebiete existiert eine spezielle Gerichtsbarkeit.

 

Teil 3 Zivilrecht

 

 

 

Inhalt des BGB

Das Zivilrecht regelt das Verhältnis zwischen den einzelnen Bürgern bzw. zwischen Bürgern und Vereinigungen. Die wesentlichen Grundlagen sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgelegt. Dieses ist in folgende Abschnitte gegliedert:

•  Allgemeiner Teil,

•  Recht der Schuldverhältnisse,

•  Sachenrecht,

•  Familienrecht und

•  Erbrecht.

Beispielhaft für den Inhalt des BGB sind die Voraussetzungen für den Abschluss von Verträgen bzw. deren Rückabwicklung, die Vertragsarten, die Beziehungen zwischen Eltern und Kind sowie der Ehegatten untereinander, die Rechtswirkungen des Eigentums und die Vermögensübertragung im Falle des Todes zu nennen. Im BGB sind jedoch auch die Voraussetzungen für eine (rechtliche) Betreuung und die »Patientenverfügung« sowie das Haftungsrecht geregelt.

Im Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs werden Aussagen dazu getroffen, welche Person rechts- und handlungsfähig ist. Im Recht der Schuldverhältnisse ist unter anderem die deliktische Haftung ( Teil 3,  Kap. 2) geregelt. Das Sachenrecht befasst sich mit dem Eigentum an beweglichen Sachen und Grundstücken. Das Familienrecht hat Bedeutung für die Betreuung ( Teil 3,  Kap. 1.3), für die Rechtsfolgen der Ehe und die Unterhaltspflicht ( Teil 3,  Kap. 4.2) sowie das Recht der elterlichen Sorge ( Teil 3,  Kap. 4.1). Das Erbrecht, d. h. Fragen der gesetzlichen Erbfolge und Arten von Testamenten, wird in diesem Lehrbuch in Teil 3, 5 abgehandelt.

1          Zivilrechtliche Handlungsfähigkeit

1.1        Rechtsfähigkeit

Rechtssubjekte

Durch die Rechtsfähigkeit ist jedes Rechtssubjekt Träger von Rechten und Pflichten. Rechte und Pflichten sind in der Rechtsordnung an ein Rechtssubjekt gebunden. Nur ein Rechtssubjekt kann die von der Rechtsordnung eingeräumten Rechte ausüben. Es werden dabei zwei Gruppen unterschieden:

•  natürliche Personen und

•  juristische Personen.

Natürliche Personen sind alle Menschen. Unter den Begriff juristische Personen fallen insbesondere Vereinigungen von Personen wie Vereine, staatliche Institutionen, Kirchen, Gesellschaften (z. B. GmbH, AG, KG) und Stiftungen, auch die öffentlichen Träger von Heimen, Krankenhäusern etc. sowie die politischen Parteien. Natürliche und juristische Personen sind Träger von Rechten und Pflichten, sie besitzen somit die Rechtsfähigkeit.

Abb. 2: Rechtsfähigkeit

Natürliche Personen

Bei natürlichen Personen ist die Rechtsfähigkeit unabhängig vom körperlichen und geistigen Zustand gegeben, d. h. auch ein schwerstbehinderter Mensch ist rechtsfähig und bleibt dies auch, selbst im Zustand der Demenz und anderer schwerer psychischer Erkrankungen. Jede natürliche Person ist dabei besonders Träger von Grundrechten, insbesondere derjenigen auf Menschenwürde und körperliche Unversehrtheit bzw. Leben.

Beginn der Rechtsfähigkeit

Die Rechtsfähigkeit beginnt beim Menschen gemäß § 1 BGB grundsätzlich mit der Vollendung der Geburt ( Abb. 2), wobei als Ausnahmen gelten:

•  Das Leben des ungeborenen Kindes ist von der Verfassung (vgl. Art. 2 Abs. 2 GG; §§ 218 ff. StGB) geschützt. Das Recht auf Leben nach Art. 2 Abs. 2 GG existiert damit bereits vor der Geburt.

•  Im Rahmen der Unfallversicherung besteht außerdem der Schutz des Embryos bei einem Arbeitsunfall bzw. einer Berufskrankheit (§ 12 SGB VII), d. h. einer Schädigung durch die Arbeitstätigkeit der Mutter.

•  Der Embryo bzw. Fetus ist zudem bereits erbberechtigt, d. h. er »er erbt mit«, obwohl er noch nicht geboren ist und sein Erbe nicht selbst in Besitz nehmen kann (§ 1923 BGB).

•  Er hat im Rahmen der unerlaubten Handlung bei der deliktischen Haftung nach §§ 823 ff. BGB Schutz und damit Ansprüche auf Unterhaltszahlungen gemäß § 844 Abs. 2 BGB, sofern der Unterhaltspflichtige, beispielsweise der Vater, getötet wird.

Ende der Rechtsfähigkeit

Die Rechtsfähigkeit endet mit dem Tod, und dabei sind wiederum die Ausnahmen:

•  Die Leiche ist unter anderem durch § 168 StGB geschützt:

(1)  Wer unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten den Körper oder Teile des Körpers eines verstorbenen Menschen, eine tote Leibesfrucht, Teile einer solchen oder die Asche eines verstorbenen Menschen wegnimmt oder wer daran beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Die unangemessene Behandlung einer Leiche ist folglich mit Strafe bedroht. Vergleichbares gilt für die Entnahme von Organen. Das Transplantationsgesetz sieht dies nur bei Zustimmung der Berechtigten vor.

•  Das allgemeine Persönlichkeitsrecht besteht gleichfalls über den Tod hinaus. Auch ein Verstorbener darf nicht verunglimpft werden.

•  Ebenfalls gilt nach dem Tod noch die Schweigepflicht (§ 203 Abs. 4 StGB), d. h. Auskünfte an Angehörige sind auch nach dem Tod des Heimbewohners/Patienten nur in wenigen Ausnahmefällen möglich.

•  Schließlich kann der Verstorbene in Form eines Testamentes etc. über sein Vermögen dessen Empfänger nach dem Tod bestimmen, übergibt gewissermaßen für die Zeit nach dem Tod sein Vermögen.

Parteifähigkeit

Sofern Rechtsfähigkeit besteht, besitzt die natürliche oder juristische Person gleichzeitig auch die Parteifähigkeit. Dies bedeutet, dass ein Mensch bereits kurz nach der Geburt selbst in einem Rechtsstreit Kläger oder Beklagter sein kann, wobei jedoch keine Aussage getroffen ist, ob der Betroffene, z. B. ein Kind, selbst oder durch andere Personen seine Rechte geltend macht.

Das zweijährige Kind K kann gegenüber seinem Vater Unterhaltsansprüche geltend machen. Der Vater hingegen kann Anfechtungsklage gegen das Kind erheben und dabei behaupten, er sei nicht der leibliche Vater.

Der schwer geistig behinderte B klagt auf Zahlung von Schmerzensgeld, weil er durch einen Fehler der Hebamme bei der Geburt geschädigt worden ist. Dies kann er trotz der Behinderung, da er wie jeder andere Mensch rechtsfähig ist. Er wird allerdings durch die Eltern gesetzlich vertreten.

Die Rechtsfähigkeit beim Menschen hat daher nicht nur theoretische, sondern auch erhebliche praktische Bedeutung

Juristische Personen

Beginn und Ende der Rechtsfähigkeit

Der Beginn der Rechtsfähigkeit einer juristischen Person ist an bestimmte Rechtsakte gebunden. So erhält ein Verein seine Rechtsfähigkeit erst mit der Eintragung in das Vereinsregister. Sie endet bei juristischen Personen mit der Auflösung.

•  Welche beiden Personengruppen werden bei der Rechtsfähigkeit unterschieden?

•  Welche Bedeutung hat die Rechtsfähigkeit?

•  Was versteht man unter einer »juristischen Person«?

•  Wann beginnt und endet die Rechtsfähigkeit bei natürlichen Personen und welche Ausnahmen kennen Sie?

•  Was bedeutet »Parteifähigkeit«?

1.2        Handlungsfähigkeit

Von der Rechtsfähigkeit zu unterscheiden ist die Handlungsfähigkeit eines Menschen. Ob eine Person Träger von Rechten ist, sagt allein nichts darüber aus, ob das Rechtssubjekt, beispielsweise der Mensch, in der Lage ist, diese Rechte selbst auszuüben. Dies ist eine Frage der Handlungsfähigkeit. Die Wahrnehmung von Rechten durch einen selbst setzt Handlungsfähigkeit voraus.

Abb. 3: Handlungsfähigkeit

Handlungsfähigkeit besteht, sobald ein Mensch in der Lage ist, Rechtsgeschäfte selbst abzuschließen, d. h. Handlungen mit rechtlicher Wirkung vorzunehmen und für sein Handeln selbst verantwortlich zu sein, mit der Folge, für verursachte Schäden Ersatz zu leisten.

Bereiche der Handlungsfähigkeit

Die Handlungsfähigkeit gliedert sich in die beiden Bereiche:

•  Geschäftsfähigkeit und

•  Deliktsfähigkeit.

Diese werden nachfolgend unter Berücksichtigung der Altersstufen und/oder geistiger Einschränkungen dargestellt.

1.2.1       Geschäftsfähigkeit

Kann ein Mensch rechtlich verbindliche Handlungen vollziehen, ist die Geschäftsfähigkeit als Teil der Handlungsfähigkeit gegeben.

Die Geschäftsfähigkeit beginnt nicht wie die Rechtsfähigkeit mit dem Augenblick der Geburt, sondern ist an bestimmte Altersstufen und/oder an die geistigen Fähigkeiten gebunden.

Stufen der Geschätsfähigkeit

Es werden drei Stufen unterschieden:

•  Geschäftsunfähigkeit (= Geschäftsfähigkeit fehlt ganz),

•  beschränkte Geschäftsfähigkeit (= der Betroffene kann nur bestimmte Handlungen vornehmen) und

•  volle Geschäftsfähigkeit.

1.2.1.1     Geschäftsunfähigkeit

Kinder unterhalb des siebten Lebensjahres sind geschäftsunfähig, d. h. ihre Rechtsgeschäfte sind nichtig (§§ 104, 105 BGB) und die wechselseitigen Leistungen müssen zurückerstattet werden.

Der sechsjährige Klaus kauft im Spielwarengeschäft von Geld, das er zum Geburtstag geschenkt bekommen hat, ein Dart-Spiel. Sobald die Eltern auf das Alter und damit die Geschäftsunfähigkeit hinweisen, muss der Kaufpreis zurückerstattet und auch das Spiel zurückgegeben werden. Der Kaufvertrag ist nichtig.

Bei einer schweren krankhaften Störung der Geistestätigkeit wie

•  einer psychischen Erkrankung oder

•  einer geistigen Behinderung,

kann gleichfalls Geschäftsunfähigkeit vorliegen. Dabei kommt es auf das Ausmaß der Erkrankung bzw. Behinderung an. Leichtere Formen führen in der Regel nicht zur Geschäftsunfähigkeit. Falls jedoch eine Geschäftsunfähigkeit vorliegt, ist ein gesetzlicher Vertreter, meist ein Betreuer, notwendig. Bei volljährigen geschäftsunfähigen Personen, z. B. Personen mit Betreuung bzw. Heimbewohnern oder erheblich psychisch Kranken, besteht allerdings aufgrund der neuen Vorschrift des § 105 a BGB die Besonderheit, dass ein sogenanntes Geschäft des täglichen Lebens, das mit geringen Mitteln bewirkt werden kann, wirksam wird, sobald Leistung und Gegenleistung erfüllt sind. Dies gilt nur dann nicht, wenn eine erhebliche Gefahr für die Person oder das Vermögen des Geschäftsunfähigen besteht, beispielsweise in der manischen Phase einer bipolaren affektiven Störung, bei Personen mit Spielsucht oder ähnlichem.

1.2.1.2     Beschränkte Geschäftsfähigkeit

Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts

Minderjährige zwischen dem siebten und dem achtzehnten Lebensjahr sind nach § 106 BGB beschränkt geschäftsfähig. Rechtsgeschäftliche Erklärungen dieser Altersgruppe sind schwebend unwirksam. Das Geschäft bzw. der Vertrag wird erst (voll) wirksam, wenn die Zustimmung durch den gesetzlichen Vertreter (Eltern, Vormund) erteilt wird. Es wird allerdings endgültig unwirksam, wenn sie verweigert wird. Gesetzliche Vertreter sind auch zur Vertretung der geschäftsunfähigen Kinder beim Abschluss von Verträgen befugt, wobei manche Verträge vom Familiengericht genehmigt werden müssen.

Ausnahmefälle

Das Gesetz sieht in § 110 BGB einen Ausnahmefall von der beschränkten Geschäftsfähigkeit vor: Wird einem Minderjährigen zwischen dem siebten und achtzehnten Lebensjahr oder einem psychisch kranken bzw. geistig behinderten Menschen ein bestimmter Geldbetrag zur freien Verfügung zugeteilt, kann er dieses Geld ohne die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters verbrauchen und damit Geschäfte ausführen. Diese Vorschrift ist auf das Taschengeld und auf den Barbetrag des Sozialhilfeträgers nach § 35 Abs. 2 SGB XII sowie weitere Beträge zur freien Verfügung anzuwenden. Es ist daher auch für den Bewohner einer Einrichtung nicht erforderlich, die Verwendung des Barbetrages oder Taschengeldes nachzuweisen. Der Bewohner muss über die Verwendung des Taschengeldes keinerlei Rechenschaft ablegen und muss jederzeit Zugriff auf diese Beträge haben. Diese Vorschrift ist selbst dann anzuwenden, wenn der Bewohner vom Taschengeld Beträge anspart, um eine größere Anschaffung zu machen. In der Praxis muss bei behinderten Menschen allerdings eine pragmatische Lösung insoweit gefunden werden, dass in Absprache mit dem jeweiligen Bewohner eine bestimmte Zweckbestimmung für Teilbeträge (beispielsweise für Freizeiten etc.) gefunden wird. Der Betreuer ist allerdings nicht dazu berechtigt, dem Bewohner ohne vernünftige Gründe die Verwendung des Taschengeldes für eine Freizeit zu untersagen oder diesen zur Freizeit zu zwingen, da einerseits der Betreute selbst über die Verwendung bestimmen kann und der Betreuer nach § 1901 BGB die Wünsche und das Wohl des behinderten Menschen berücksichtigen muss.

Schließlich kann der Minderjährige frei entscheiden, d. h. muss der gesetzliche Vertreter einem Rechtsgeschäft nicht zustimmen, welches dem Minderjährigen lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt (§ 107 BGB). Entscheidend sind dabei allein die rechtlichen Folgen, nicht die wirtschaftlichen. Deshalb sind Schenkungen an den Minderjährigen bzw. an den Heimbewohner mit Betreuung (mit Ausnahme einer Grundstücksschenkung) ohne Zustimmung der Eltern bzw. des Betreuers wirksam.

Vermögens- und Personensorge

Bei Minderjährigen steht die Vermögenssorge zusammen mit der Personensorge entweder den Eltern als gesetzlichen Vertretern oder einem Vormundzu. Bei Personen, die zwar volljährig, aber aufgrund einer Erkrankung oder Behinderung nicht geschäftsfähig sind, wird diese Funktion durch den Betreuer erfüllt.

Sozialmündigkeit

Eine besondere Form der »beschränkten Geschäftsfähigkeit« ist die Sozialmündigkeit nach § 36 Abs. 1 SGB I. Durch diese Vorschrift wird Minderjährigen, die das fünfzehnte Lebensjahr vollendet haben, eine beschränkte Handlungsfähigkeit eingeräumt. Dies bedeutet, dass ab diesem Alter Anträge auf Sozialleistungen gestellt werden und derartige Leistungen entgegen genommen werden können. Die gesetzlichen Vertreter sollen jedoch informiert werden. Die Handlungsfähigkeit geht durch die genannte Vorschrift sogar so weit, dass die Minderjährigen ab dem fünfzehnten Lebensjahr sogar vor dem Sozialgericht prozessfähig sind.

Einsichtsfähigkeit

Außerdem liegt in der Regel ab dem 14. Lebensjahr die notwendige Einsichts- bzw. Einwilligungsfähigkeit vor, d. h. der jeweilige Jugendliche kann selbst, unter Umständen mithilfe des Familiengerichts, in medizinische Maßnahmen auch gegen den Willen der Eltern einwilligen oder diese verweigern. Bei medizinischen Maßnahmen können daher die Eltern ab dem 14. Lebensjahr nicht mehr allein »über den Kopf des Kindes hinweg« entscheiden. Davon zu unterscheiden sind allerdings nicht notwendige Eingriffe, wie Piercing, Tätowierung und Schönheitsoperationen.

Einwilligungsvorbehalt

Bei Betreuungen kann das Betreuungsgericht nach § 1903 Abs. 1 BGB einen Einwilligungsvorbehalt anordnen. Dadurch wird der Betreute durch §§ 1903 Abs. 1, Satz 2 BGB i. V. m. § 108 Abs. 1 BGB einem Minderjährigen zwischen dem siebten und dem achtzehnten Lebensjahr gleichgestellt und damit beschränkt geschäftsfähig. Seine Rechtsgeschäfte sind deshalb bis zur Genehmigung durch den Betreuer gleichfalls schwebend unwirksam. Näheres dazu in Teil 3, 1.3.3.

1.2.1.3     Volle Geschäftsfähigkeit

Personen, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, sind voll geschäftsfähig, sofern keine psychischen oder geistigen Beeinträchtigungen bestehen. Sofern volle Geschäftsfähigkeit besteht, können voll verantwortlich Rechtsgeschäfte abgeschlossen werden, und die Volljährigen haften selbst im gesamten von der Rechtsordnung vorgesehenen Umfang. Ausnahmen sind nur in Einzelfällen möglich.

Die Geschäftsfähigkeit besteht nur bei natürlichen Personen. Juristische Personen können am Rechtsverkehr nur über ihre gesetzlichen Vertreter, beispielsweise beim Verein über den Vorstand oder bei der Gesellschaft über den Geschäftsführer, teilnehmen.

Prozessfähigkeit

Vor Gericht entspricht der Geschäftsfähigkeit die Prozessfähigkeit, d. h. die Fähigkeit, wirksam vor Gericht zu handeln. Jeder Mensch kann unabhängig vom Alter und der psychischen Gesundheit klagen und verklagt werden. Da jeder Mensch die Rechtsfähigkeit besitzt, ist jeder parteifähig. Er kann jedoch nicht in jedem Falle die notwendigen Prozesshandlungen selbst vornehmen. Hierzu ist er nur befugt, sofern zusätzlich die Prozessfähigkeit vorliegt. Prozessfähig ist derjenige, der geschäftsfähig ist (§ 51 ZPO).

Das achtjährige Kind kann zwar selbst als Kläger gegenüber seinem Vater auf Zahlung von Unterhalt auftreten, muss sich aber von der Mutter gesetzlich vertreten lassen, da ansonsten die Klage aufgrund seiner Prozessunfähigkeit unzulässig wäre.

Liegt keine oder nur beschränkte Geschäftsfähigkeit vor, muss der Betroffene sich durch seinen gesetzlichen Vertreter wie Eltern oder Vormund, Betreuer, Ergänzungspfleger oder Prozesspfleger vertreten lassen.

•  Welche Stufen der Geschäftsfähigkeit gibt es, welche Altersgrenze gilt?

•  Wie ist das Rechtsgeschäft eines Geschäftsunfähigen zu beurteilen?

•  Wann kann ein Minderjähriger selbst Verträge abschließen?

•  Wer ist gesetzlicher Vertreter bei Kindern, wer bei Betreuten?

1.2.2       Deliktsfähigkeit

Die Deliktsfähigkeit ist die volle Verantwortlichkeit für die Verursachung eines fremden Schadens.

Sie ist nur bei natürlichen Personen gegeben. Sie ist gleichfalls Teil der Handlungsfähigkeit. Deliktsfähigkeit liegt nur vor, wenn eine Person in der Lage ist zu erkennen, dass sie einen anderen rechtswidrig schädigt. Fehlt diese Einsicht, ist der Schädiger, beispielsweise der psychisch kranke oder geistig behinderte Mensch, nicht verantwortlich, er ist deshalb nicht zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Diese Eigenverantwortlichkeit kann jedoch nicht im Umfang und mit derselben Großzügigkeit, d. h. mit weiten Altersgrenzen, geregelt werden wie bei der Geschäftsfähigkeit, denn der Geschädigte hat Anspruch darauf, dass nur in Ausnahmefällen der Schaden nicht ersetzt wird und er ihn selbst zu tragen hat.

Altersstufen der Deliktsfähigkeit

Es werden auch bei der Deliktsfähigkeit drei (Alters-)Stufen unterschieden:

•  Deliktsunfähigkeit (=keine Verantwortung für Schädigung Dritter),

•  beschränkte Deliktsfähigkeit (=Verantwortung im Rahmen der Einsichtsfähigkeit) und

•  volle Deliktsfähigkeit.

Im Einzelnen gilt, dass derjenige, der geschäftsfähig ist, in der Regel auch gleichzeitig deliktsfähig ist. Umgekehrt jedoch kann auch der beschränkt Geschäftsfähige unter bestimmten Voraussetzungen deliktsfähig sein. Die beschränkte Geschäftsfähigkeit ist also nicht mit der beschränkten Deliktsfähigkeit gleichzusetzen. Die Deliktsfähigkeit ist der Regelfall, die Deliktsunfähigkeit hingegen die Ausnahme. Dies bedeutet, dass eine Person zwar durch eine Erkrankung geschäftsunfähig sein kann, aber trotzdem die notwendige Einsicht hat, dass sie andere Personen keinen Schaden zufügen darf, somit deliktsfähig ist.

1.2.2.1     Deliktsunfähigkeit

Stets deliktsunfähig sind

•  Kinder unterhalb des siebten Lebensjahres,

•  auch Erwachsene,

–  die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder

–  in einem Zustand schwerer krankhafter Störung der Geistestätigkeit

einer natürlichen oder juristischen Person einen Schaden zufügen (§ 827 BGB). Folglich sind durch Krankheit oder Behinderung deliktsunfähig

•  schwer psychisch kranke Menschen (z. B. akute Psychose),

•  erheblich seelisch behinderte Menschen (z. B. Alzheimer-Krankheit) und

•  schwer geistig behinderte Menschen.

Eine bloße Minderung der Geistes- und Willenskraft sowie krankhafte Gleichgültigkeit ist dafür aber nicht ausreichend. Auch eine bestehende Betreuung allein führt nicht automatisch zur Deliktsunfähigkeit.

Haftung Deliktsunfähigkeit

Wurde der Schaden im Zustand der Deliktsunfähigkeit verursacht, haftet nicht der Schädiger, sondern derjenige, der ihn zu beaufsichtigen hatte. Es liegt dann unter Umständen ein Fall der Aufsichtspflichtverletzung vor ( Teil 3,  Kap. 2.5.4). Dies allerdings nur dann, wenn die Aufsicht tatsächlich verletzt wurde, d. h. beim Aufsichtspflichtigen (beispielsweise Pflegekraft) ein Verschulden vorliegt.

Ein fünfjähriger Junge zerkratzt den Lack eines Kraftfahrzeuges. Der Halter des PKW kann von ihm selbst keinen Ersatz für den Schaden, d. h. die Kosten für eine neue Lackierung, fordern. Diese Zahlung müsste also durch die Eltern des Kindes erfolgen, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt hätten.

Billigkeitshaftung

Es haftet aber der Deliktsunfähige selbst, wenn nach besonderen Umständen die Billigkeit einen Ersatz des Schadens erfordert. Die Voraussetzungen dafür sind in § 829 BGB geregelt:

… für einen von ihm verursachten Schaden … nicht verantwortlich ist, hat gleichwohl … den Schaden insoweit zu ersetzen, als die Billigkeit nach den Umständen, insbesondere nach den Verhältnissen der Beteiligten, eine Schadloshaltung erfordert und ihm nicht die Mittel entzogen werden, deren er zum angemessenen Unterhalte sowie zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflichten bedarf.

Es müssen bei der Prüfung der Billigkeit folglich alle Umstände, insbesondere die Vermögensverhältnisse von Schädiger und Geschädigtem, abgewogen werden. Sofern die Vermögensverhältnisse desjenigen, der den Schaden verursacht hat, erheblich besser sind als diejenigen des Geschädigten, ist die Zahlung von Schadenersatz aufgrund der so genannten Billigkeit notwendig und es tritt die Billigkeitshaftung ein.

1.2.2.2     Beschränkte Deliktsfähigkeit

Minderjährige sind zwischen dem siebten und dem achtzehnten Lebensjahr beschränkt deliktsfähig, d. h. nur für den verursachten Schaden verantwortlich, sofern er/sie bei der »Tat« die erforderliche Einsicht hatte (§ 828 BGB). Der Schädiger, also der Minderjährige, muss daher im Zeitpunkt der Handlung die geistige Entwicklung besitzen, die es ihm ermöglicht, das Unrecht seiner Handlung gegenüber den Mitmenschen zu erkennen und gleichzeitig die Verpflichtung, für die Folgen selbst einzustehen. Es wird daher vergleichbar mit dem Strafrecht die geistige Reife überprüft und gewürdigt.

•  Wer ist »deliktsunfähig«?

•  Welche Personen haften wann für Deliktsunfähige?

•  Was bedeutet beschränke Deliktsfähigkeit?

•  Wann haften beschränkt Deliktsfähige?

1.3        Rechtliche Betreuung

Ziel des Betreuungsgesetzes

Im Vordergrund des Betreuungsrechts steht das Wohl des Betroffenen und der Wille, dem kranken und/oder behinderten Menschen Hilfestellung zu geben. Die Personensorge, d. h. die persönliche Betreuung, soll ein erhebliches Gewicht haben. Die rechtliche Betreuung soll dem Schutz und der Hilfe von Erwachsenen dienen. Sie stellt den Ersatz für die bis Ende 1991 mögliche Vormundschaft und Gebrechlichkeitspflegschaft dar. Ziel des Gesetzgebers war, die Rechte von (psychisch) kranken und behinderten Menschen zu verbessern. Nach der amtlichen Begründung zum Betreuungsrecht sollen Rechtseingriffe nur noch dort erfolgen, wo sie unausweichlich sind.2

1.3.1       Voraussetzungen der Betreuung

Voraussetzung der rechtlichen Betreuung ist eine

•  psychische Krankheit oder

•  eine geistige, seelische oder körperliche Behinderung, aufgrund derer die eigenen Angelegenheiten nicht mehr besorgt werden können (§ 1896 BGB).

Die Krankheit oder Behinderung allein führt aber noch nicht zur Bestellung eines Betreuers, denn zusätzlich muss es dem Kranken oder Behinderten unmöglich sein, seine (rechtlichen) Angelegenheiten selbst zu erledigen. Es muss folglich immer die Unfähigkeit zur Besorgung der Angelegenheiten zu den gesundheitlichen Einschränkungen hinzukommen.

Frau K leidet an einer chronischen Psychose. Dennoch kann sie ihr Leben selbst gestalten und ihre finanziellen Angelegenheiten regeln. Deshalb ist ein Betreuer nicht möglich und auch nicht erforderlich.

Die Bestellung des Betreuers darf nur dann erfolgen, sofern eine Besorgung der Angelegenheiten nicht auf eine andere Weise, beispielsweise durch einen Bevollmächtigten (Rechtsanwalt, Bekannter, Verwandter oder Familienangehöriger) oder andere Hilfen erfolgen kann. Eine dieser denkbaren anderen Möglichkeiten ist die Vollmacht (beispielsweise Vorsorgevollmacht) für einen Familienangehörigen. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Betreuung gemäß den §§ 1896 ff. BGB lediglich durchgeführt werden, wenn andere Möglichkeiten nicht zur Verfügung stehen. Die Betreuung soll also das letzte Mittel zur Regelung der Angelegenheiten sein.

Zusammenfassung

Zusammenfassend ist festzustellen, dass ein Betreuer bestellt wird, wenn

•  ein(e) Volljährige(r)

•  aufgrund einer geistigen, seelischen oder körperlichen Behinderung oder einer psychischen Erkrankung

•  seine Angelegenheiten nicht selbst besorgen kann und

•  keine Vollmacht oder ähnliches für diesen Fall erteilt wurde.

Die Voraussetzungen der Betreuung lassen sich graphisch darstellen ( Abb. 4).

Die rechtliche Betreuung darf nicht für rein tatsächliche Tätigkeiten wie Körperpflege, Kochen oder ähnliches angeordnet werden, sondern nur, wenn ein gesetzlicher Vertreter oder Beistand notwendig ist.

Durch eine Neuregelung des § 1896 BGB wurde ein Absatz 1a eingefügt:

»(1a) Gegen den freien Willen des Volljährigen darf ein Betreuer nicht bestellt werden.«

Abb. 4: Voraussetzungen der Betreuung

Dadurch wird mehr als bisher der Tatsache Rechnung getragen, dass auch bei einem behinderten oder psychisch kranken Menschen Art. 2 GG (Persönlichkeitsrecht) zu beachten ist.

1.3.2       Betreuungsverfahren

Der Antrag auf Bestellung eines Betreuers muss grundsätzlich vom Betroffenen selbst gestellt werden. Sofern er »seinen Willen nicht kundtun« kann, ist die Bestellung von Amts wegen erforderlich. Die Anregung, d. h. der »Antrag« dazu, kann aber auch von Familienangehörigen und sonstigen Personen (z. B. Pflegekräften, Nachbarn), also von jeder Person, erfolgen.

Der neunzehnjährige B ist geistig behindert. Bisher hat seine Mutter die Angelegenheiten für ihn erledigt. Da sie selbst erkrankt, fühlt sie sich nun überfordert. Sie wendet sich deshalb an das Betreuungsgericht zur Bestellung eines Betreuers für ihren Sohn. Dieses bestellt einen Betreuer mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge.

Das Betreuungsverfahren wird vor dem Amtsgericht (dort: Betreuungsgericht) durchgeführt, in dessen Bezirk der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 272, Abs. 1, Ziff. 2 FamFG). Der Betroffene ist selbst bei einer Geschäftsunfähigkeit in vollem Umfang verfahrensfähig (§ 275 FamFG), d. h. er kann selbst Anträge stellen, Rechtsmittel einlegen und Vollmachten erteilen. Es gelten im Betreuungsverfahren zwei wichtige Verfahrensgrundsätze:

Verfahrensgrundsätze

•  Es muss eine persönliche Anhörung erfolgen und

•  ein Gutachten eingeholt werden.

Es muss beim Betroffenen im Verlauf des Verfahrens gemäß § 278 FamFG immer eine persönliche Anhörung erfolgen, damit der Richter sich einen eigenen, unmittelbaren Eindruck verschaffen kann. Dabei kann der Betroffene auch Wünsche hinsichtlich des Betreuers äußern.

Herr B leidet an einer akuten Psychose und wird deshalb, nachdem seine Wohnung völlig verwahrlost ist und er darin im Schmutz liegend und völlig entkräftet gefunden worden ist, in ein psychiatrisches Krankenhaus eingeliefert. Es wird vom Sozialdienst eine Betreuung beim Amtsgericht angeregt. Die Betreuungsrichterin besucht Herrn B im Krankenhaus und erörtert mit ihm die Betreuung und deren Auswirkungen. Er kann dabei seine Einwände vorbringen und gegebenenfalls einen Betreuer vorschlagen.

Die Anhörung kann gemäß § 278 Abs. 4 FamFG nur unterbleiben, wenn nach dem ärztlichem Gutachten hiervon erhebliche Nachteile für die Gesundheit des Betroffenen zu befürchten sind.

Zur Feststellung der Notwendigkeit einer rechtlichen Betreuung muss ein Sachverständigengutachten eingeholt werden (§ 280 FamFG). Ein Gutachten nach den Akten oder ein kurzes ärztliches Attest ist nicht ausreichend. Der Gutachter muss den Betroffenen selbst untersuchen, wobei zur Untersuchung eine Unterbringung angeordnet und der Betroffene bei der Weigerung zwangsweise vorgeführt werden kann.

Im Betreuungsverfahren sind auch die Eltern und der Ehegatte des Betroffenen, die Kinder, die Betreuungsbehörde sowie Vertrauenspersonen des Betreuten anzuhören. In besonderen Fällen muss vom Gericht zur Wahrung der Interessen des Betroffenen ein Verfahrenspfleger bestellt werden (§ 276 Abs. 1 FamFG). Dies gilt besonders dann, wenn die Schutzbedürftigkeit des Betroffenen groß ist, weil entweder die Angelegenheit erhebliche Auswirkungen hat (z. B. Aufenthaltsbestimmung) oder die geistige Behinderung bzw. psychische Erkrankung schwer ist. Bei einer leichten Behinderung oder Erkrankung ist daher eine Pflegerbestellung nicht notwendig.3 Sofern ein Verfahrensbevollmächtigter (z. B. Rechtsanwalt) beauftragt wird, muss kein Verfahrenspfleger bestellt werden (§ 276 Abs. 4 FamFG).

Die Entscheidung des Gerichts muss dem Betroffenen, dem Betreuer, dem Verfahrenspfleger und der Betreuungsbehörde sowie unter Umständen weiteren Behörden (z. B. Führerscheinstelle) mitgeteilt werden. Die Anordnung der Betreuung muss spätestens nach sieben Jahren überprüft werden (§ 295 Abs. 2 FamFG).

Rechtsmittel

Gegen Entscheidungen des Betreuungsgerichts ist das Rechtsmittel der Beschwerde möglich. Gegen die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts ( Kap. 1.3.3) jedoch die sofortige Beschwerde, d. h. diese muss innerhalb einer Frist von zwei Wochen eingelegt werden. Die Beschwerde muss immer schriftlich eingelegt werden.

Die Betreuung ist unabhängig auch aufzuheben, sobald deren Voraussetzungen entfallen sind (§ 1908 d Abs. 1 BGB). Die Aufhebung der Betreuung hat von Amts wegen, d. h. ohne speziellen Antrag, bei Kenntnis des Gerichts von der Besserung des Gesundheitszustandes etc. zu erfolgen.

Die Psychose des Herrn B bessert sich erheblich, so dass keine weitere stationäre oder ambulante Behandlung mehr erforderlich ist. Sein Betreuer oder er selbst kann dies dem Betreuungsgericht mitteilen. Das Gericht überprüft die Mitteilung und hebt die Betreuung dann sofort auf.

1.3.3       Umfang der Betreuung

Im Rahmen der rechtlichen Betreuung werden grundsätzlich zwei Arten unterschieden.

Arten der Betreuung: Grundform und …

Bei der ersten, gewissermaßen der Grundform, ändert die Betreuung nichts an der Geschäftsfähigkeit. Ist der Betreute, insbesondere bei einer Betreuung wegen einer Körperbehinderung, noch geschäftsfähig, ist der Betreuer lediglich Beistand, bei Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen, beispielsweise einer erheblichen psychischen Erkrankung oder geistigen Behinderung, ist der Betreuer gesetzlicher Vertreter. Es werden allerdings vom Betreuungsgericht keine Beschränkungen der Geschäftsfähigkeit getroffen, sondern diese ergibt sich lediglich aus der Erkrankung oder Behinderung, die Grund für die Behinderung war.

… Einwilligungs vorbehalt

Die zweite Art stellt die rechtliche Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt dar. Das Betreuungsgericht kann einen Einwilligungsvorbehalt anordnen, wenn dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist. Dies gilt allerdings nicht bei der Gefährdung Dritter, beispielsweise potenzieller Erben.4 Der Betreute muss dann stets die Einwilligung des Betreuers einholen, damit beispielsweise rechtsgeschäftliche Willenserklärungen (Verträge etc.) wirksam werden. Bis zur Erteilung dieser Einwilligung sind die Rechtsgeschäfte wie bei einem Minderjährigen schwebend unwirksam. Ohne Einwilligung kann der Betreute nur Rechtsgeschäfte abschließen,

•  die für ihn lediglich rechtliche Vorteile bringen (z. B. Schenkungen),

•  nur geringfügige Angelegenheiten des täglichen Lebens betreffen (§ 1903 Abs. 3 BGB),

•  er kann auch über das Taschengeld oder den Barbetrag im Rahmen der Sozialhilfe (§ 35 Abs. 2 SGB XII) frei verfügen. ( Kap. 1.2.1.2)

•  und sogar heiraten und