Das Schiff der Chanur - Carolyn J. Cherryh - E-Book

Das Schiff der Chanur E-Book

Carolyn J. Cherryh

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Beschreibung

Blinder Passagier im All

Die Hani sind galaktische Händler. Ihre Schiffe sind ausschließlich von Frauen „bemannt“, die alle einem Familienclan angehören. So auch die Stolz der Chanur, die von Pyanfar Chanur befehligt wird. Pyanfar hat auf ihren Handelsfahrten eine Menge anderer Spezies kennengelernt, aber noch kein Wesen wie das, das sich als blinder Passagier auf ihrem Schiff versteckt hat. Es ist bleich, bis auf ein Büschel auf dem Kopf fast haarlos und gibt unverständliche Laute von sich. Pyanfar hält es für ein Tier, das den Kif entflohen ist. Doch das Wesen gehört einer raumfahrenden Spezies vom Rand der Galaxis an, die sich Menschen nennen. Die Kif fordern das „Tier“ zurück, aber Pyanfar glaubt, einen Trumpf gezogen zu haben und will es nicht so einfach hergeben – auch wenn das für die Stolz der Chanur den Tod bedeuten könnte …

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C. J. CHERRYH

DAS SCHIFF DER CHANUR

Roman

Das Buch

Die Hani sind galaktische Händler. Ihre Schiffe sind ausschließlich von Frauen »bemannt«, die alle einem Familienclan angehören. So auch die Stolz der Chanur, die von Pyanfar Chanur befehligt wird. Pyanfar hat auf ihren Handelsfahrten eine Menge anderer Spezies kennengelernt, aber noch kein Wesen wie das, das sich als blinder Passagier auf ihrem Schiff versteckt hat. Es ist bleich, bis auf ein Büschel auf dem Kopf fast haarlos und gibt unverständliche Laute von sich. Pyanfar hält es für ein Tier, das den Kif entflohen ist. Doch das Wesen gehört einer raumfahrenden Spezies vom Rand der Galaxis an, die sich Menschen nennen. Die Kif fordern das »Tier« zurück, aber Pyanfar glaubt, einen Trumpf gezogen zu haben und will es nicht so einfach hergeben – auch wenn das für die Stolz der Chanur den Tod bedeuten könnte …

Der Autor

Titel der Originalausgabe

THE PRIDE OF CHANUR

Aus dem Amerikanischen von Thomas Schichtel

Überarbeitete Neuausgabe

Copyright © 1981, 1982 by C. J. Cherryh

Copyright © 2015 der deutschsprachigen Ausgabe by

Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Covergestaltung: Das Illustrat

Satz: Thomas Menne

Erstes Kapitel

Den ganzen Morgen schon trieb sich etwas im Bereich des Stationsdocks umher, schlich sich zwischen den Stützblöcken und Kabeln und Kanistern heran, die auf ihre Verladung warteten, versteckte sich dort, wo Schatten fielen zwischen den Zugangsrampen der vielen Schiffe am Dock der Treffpunkt-Station. Das Wesen war blasshäutig, nackt und vermittelte einen verhungerten Eindruck in den flüchtigen Blicken, die jeder von der Chanurs Stolz von ihm erhaschte. Offenbar hatte niemand den Stationsbehörden davon berichtet, und die Stolz tat es auch nicht. Sich in die Belange anderer an der Treffpunkt-Station einzumischen, wohin mehrere Rassen zum Zwecke des Handels und der Versorgung kamen, war schlecht beraten – zumindest solange, bis man persönlich betroffen wurde. Worum auch immer es sich hierbei handelte, es war zweifüßig, ging aufrecht, hatte zwei Arme, und war sehr schnell darin, sich unsichtbar zu machen. Sicherlich war es jemandem entlaufen, und am wahrscheinlichsten den Kif, die in allem einen Diebesfinger hatten und die sich nicht zu schade waren zum Kidnapping. Oder vielleicht war es irgendein großes und bizarres Tier; die Mahendo'sat neigten dazu, seltsame Tiere zu halten und Handel mit ihnen zu treiben, und in dieser Beziehung hatten sie schon bei mehr als nur einer Gelegenheit das Missfallen der Station erregt. Bis jetzt hatte das Wesen nichts angestellt und auch nichts gestohlen. Niemand wollte in ein Frage- und Antwortspiel zwischen den ursprünglichen Eignern und den Stationsbehörden verwickelt werden, und bislang war auch keine offizielle Bekanntmachung von diesen Stationsbehörden gekommen und auch keine Verlustanzeige von Seiten irgendeines Schiffes, was an sich schon besagte, dass eine kluge Person besser keine Fragen stellte. Die Besatzung berichtete nur dem Kapitän davon und jagte es zweimal aus dem Ladebereich der Stolz. Dann, nachdem sie das Ärgernis zu ihrer Zufriedenheit bereinigt hatte, machte sich die Besatzung an die Erledigung notwendiger Aufgaben.

Diesem exotischen Wesen galt kein Gedanke des edlen und vornehmen Kapitäns Pyanfar Chanur, als sie sich auf den Weg die Rampe hinab zu den Docks machte. Sie war eine Hani, dieser Kapitän, mit prachtvoller Mähne und rotgoldenem Bart, der ihr in seidigen Locken bis zur Mitte der nackten, glänzend bepelzten Brust reichte, und sie war bekleidet, wie es sich für eine Hani von Kapitänsrang schickte, mit blusenartigen scharlachroten Kniehosen, die um die Taille von einem breiten, goldenen Gürtel gehalten wurde, um den wiederum seidene Schnüre in allen Schattierungen von Rot und Orange gewickelt waren, jede verknotete Schnur mit einem Juwelenanhänger am baumelnden Ende. Golden war der untere Abschluss der Kniehosen. Goldfiligran war ihr Armband, und eine Reihe feiner goldener Ringe sowie ein großer Perlenanhänger schmückten den büscheligen Schwung des linken Ohres. In der Sicherheit der Eignerschaft schritt sie die eigene Rampe hinunter – das Blut noch aufgewühlt von einem Streit mit ihrer Nichte – und sie schrie auf und entblößte die Krallen, als der Eindringling auf sie zugelaufen kam.

Sie landete einen raschen und erstaunten Schlag, der einen Hani im Kampf ferngehalten hätte, aber die haarlose Haut riss auf, und das Wesen, größer als sie, stürzte an ihr vorbei. Es rutschte um die Biegung des gebogenen Rampenhohlgangs und rannte geradenwegs ins Schiff hinein, hinterließ überall eine Blutspur und einen blutigen Handabdruck auf der weißen Plastikwand der Rampe.

Pyanfar riss empört den Mund auf und stürzte hinterher, wobei ihre Krallen auf den Bodenplatten nach Halt scharrten. »Hilfy!«, rief sie nach vorne; ihre Nichte hatte sich im unteren Korridor aufgehalten. Pyanfar schaffte es in die Luftschleuse, schlug dort auf die Sperre der Kom-Tafel und schaltete auf Rundspruch. »Alarm! Hilfy! Ruf die Mannschaft herein! Etwas ist an Bord gekommen. Schließ dich in der nächsten Kabine ein und ruf die Mannschaft!« Sie riss das neben dem Kom liegende Schließfach auf, ergriff eine Pistole und machte sich an die Verfolgung des Eindringlings. Das Auffinden der Spur war nicht schwer bei der gesprenkelten roten Linie auf dem weißen Decksbelag. Die Spur führte nach links zur ersten Korridorkreuzung, die verlassen war – der Eindringling musste sich weiter nach links gehalten und die Umrundung der quadratischen Anlagen rings um die Liftschächte begonnen haben. Pyanfar hörte im Rennen einen Schrei aus diesem kreuzenden Korridor und hastete dort hinein: Hilfy! Rutschend kam sie um die Ecke und gelangte unvermittelt in eine dramatische Situation – mit dem haarlosen, blutüberströmten Rücken des Eindringlings und der jungen Hilfy Chanur, die den Flur dahinter hielt, mit nichts außer entblößten Krallen und jugendlicher Großtuerei.

»Idiot!«, schrie Pyanfar sie an, und plötzlich wandte sich der Eindringlich ihr zu, und ihr stand er viel näher. Auf einmal erbrach er sich in einer kauernden Stellung, in der er schwankend hockte, erblickte dann die mit beiden Händen auf ihn gerichtete Pistole. Vielleicht hatte er genug Intelligenz, sich nicht auf die Waffe zu stürzen; vielleicht … aber das würde ihn direkt wieder zu Hilfy wenden, die unbewaffnet dahinter stand. Pyanfar nahm festen Stand ein, um bei der geringsten Bewegung zu schießen.

Er blieb völlig reglos in seiner Hockstellung und keuchte aufgrund seines Laufes und seiner Wunde. »Verschwinde von hier!«, wies Pyanfar Hilfy an. »Zieh dich zurück!« Der Eindringling wusste jetzt Bescheid über Hani-Krallen und Pistolen, aber vielleicht unternahm er doch etwas, und Hilfy, mit Unsicherheit im Blick, der gänzlich auf den Eindringling geheftet war, blieb hartnäckig stehen. »Los!«, schrie Pyanfar.

Auch der Eindringling schrie, ein Knurren, das ihm fast den Todesschuss einbrachte, raffte sich dann auf und deutete mitten auf seine Brust, zweimal und trotzig. Los, schieß doch!, schien er sie einzuladen.

Das verlockte Pyanfar. Der Eindringling war nicht attraktiv. Die goldene Mähne und der Bart waren verschmutzt, und sein fast unsichtbarer Brustpelz verengte sich zu einer Linie, die über den wogenden Bauch hinab verlief und in etwas verschwand, was einwandfrei ein Kleidungsstück war, ein so stark zerlumpter Fetzen, dass er kaum noch vorhanden war und kaum zu erkennen in all dem Dreck, der das übrige haarlose Fell bedeckte. Das Wesen stank widerlich. Aber eine aufrechte Haltung und eine wildäugige Einladung an seine Feinde – das verdiente einen zweiten Gedanken. Es kannte Pistolen; es trug zumindest einen Hauch von Kleidung; es zog seine Linie und beabsichtigte, sein Territorium zu halten. Männlich, möglicherweise. Es hatte dieses über den Rand Schauende in seinem Blick.

»Wer bist du?«, fragte Pyanfar langsam und nacheinander in mehreren Sprachen einschließlich Kif. Der Eindringling gab bei keinem Mal ein Zeichen des Verstehens. »Wer?«, wiederholte sie.

Langsam kauerte er sich wieder hin und runzelte mürrisch die Stirn, neigte sich ganz zum Boden hinunter, streckte einen Finger mit stumpfem Nagel aus und schrieb mit seinem eigenen Blut, das reichlich in Lachen um seine nackten Füße lag. Er schrieb eine präzise Symbolreihe, mit zehn Zeichen, und dann eine zweite Reihe, in der das zweite Symbol dem ersten vorausging, dann das zweite mit dem zweiten, das zweite mit dem dritten … geduldig und mit zunehmender Konzentration, trotz des immer stärker werdenden Zitterns seiner Hand, tauchte den Finger in das Blut und schrieb, vertieft in eine verrückte Fixierung auf seine Aufgabe.

»Was macht es?«, fragte Hilfy, die es von ihrer Seite aus nicht sehen konnte.

»Ein Schriftsystem, wahrscheinlich numerische Notierung. Es ist kein Tier, Nichte.«

Der Wortwechsel ließ den Eindringling aufblicken – dann aufstehen, eine abrupte Bewegung, die sich nach seinem Blutverlust als unklug erwies. Ein glasiger, verzweifelter Ausdruck trat in seine Augen, und er fiel mit ausgebreiteten Gliedern in die Pfütze und auf die Schriftzeichen, glitt in seinem eigenen Blut aus, als er versuchte, sich wieder aufzurichten.

»Ruf die Besatzung!«, sagte Pyanfar ruhig, und diesmal eilte Hilfy in großer Hast davon. Pyanfar blieb stehen, wo sie war, die Pistole in der Hand, bis Hilfy einen anderen Korridor hinab und außer Sicht war, und kauerte sich dann mit der Gewissheit, dass niemand ihren Mangel an Würde sehen konnte, nieder, die Pistole mit beiden Händen locker zwischen den Knien gehalten. Der Eindringling mühte sich immer noch, stützte sich mit dem blutigen Rücken gegen die Wand, hielt den Ellbogen gegen den tieferliegenden Ausgangspunkt der Kratzer an seiner Seite gedrückt, von dem das meiste Blut herrührte. Seine blassblauen Augen schienen trotz all ihrer Glasigkeit Intelligenz zu signalisieren. Wachsam erwiderte er ihren Blick mit anscheinend verrücktem Zynismus.

»Sprichst du Kif?«, fragte Pyanfar wieder. Ein Aufflackern dieser Augen, was vielleicht etwas bedeutete. Nicht ein Wort von ihm. Er fing an zu zittern, wobei es sich um den einsetzenden Schock handelte. Schweiß war auf seiner nackten Haut ausgebrochen. Nicht ein einziges Mal ließ er den Blick von ihr.

Laufschritte ertönten in den Korridoren. Pyanfar erhob sich rasch, um nicht dabei erwischt zu werden, wie sie sich derart mit der Kreatur beschäftigte. Hilfy kam zurückgerannt, die Besatzung näherte sich aus der anderen Richtung, und Pyanfar trat zur Seite, als sie ankamen und der Eindringling versuchte, sich davonzumachen. Die Mannschaft packte ihn und zerrte ihn rutschend durch die blutige Pfütze. Er schrie auf und versuchte, sich zu widersetzen, aber schon beim ersten Zupacken hatten sie ihn auf dem Bauch und mit einem Schlag benommen gemacht. »Vorsichtig!«, schrie Pyanfar sie an, aber da hatten sie ihn schon fest, banden ihm die Arme mit einem ihrer Gürtel auf den Rücken, banden seine Knöchel zusammen und ließen von ihm ab, ihre Pelze so blutig wie das des Eindringlings, der sich weiterhin kraftlos bewegte.

»Verletzt es nicht noch mehr!«, sagte Pyanfar. »Ich will es sauber haben, wenn ich darum bitten darf. Gebt ihm zu essen und zu trinken und seht zu, dass es gesund wird, aber haltet es in Gewahrsam. Denkt euch Erklärungen aus, wie es möglich war, dass es mir im Rampengang gegenüberstand, und wenn einer von euch außerhalb des Schiffes hierüber ein Wort verliert, dann verkaufe ich euch an die Kif.«

»Kapitän«, murmelten sie und ließen ehrerbietig die Ohren hängen. Es handelte sich bei ihnen um Pyanfars Kusinen zweiten und dritten Grades, zwei Schwesterpaare, ein großes und ein kleines und beide gleichermaßen gekränkt.

»Raus!«, sagte sie. Sie packten den Eindringling an den Armfesseln und machten sich daran, ihn wegzuschleifen. »Vorsichtig!«, zischte Pyanfar, und daraufhin gingen sie sanfter vor, als sie ihn fortschleppten.

»Du«, sagte Pyanfar dann zu Hilfy, der Tochter ihres Bruders, die die Ohren senkte und ihr Gesicht wegdrehte – eine kurze Mähne hatte sie und den beginnenden Bart einer Jugendlichen, und sie legte jetzt das Betragen einer Märtyrerin an den Tag. »Ich schicke dich rasiert zurück, wenn du noch einmal einen Befehl missachtest! Hast du mich verstanden?«

Hilfy verbeugte sich pflichtgemäß zerknirscht vor ihr. »Tante«, sagte sie und richtete sich wieder auf, brachte es fertig, alles mit bedächtiger Würde zu vollziehen, blickte ihr dann mit gekränkter Verehrung direkt in die Augen.

»Still!«, sagte Pyanfar. Hilfy verbeugte sich ein zweites Mal und tappte so leise wie möglich an ihr vorbei. Hilfy war genau wie die Besatzung in gewöhnliche blaue Kniehosen gekleidet, aber ihr Gebaren war ganz Chanur und gar nicht einmal lächerlich bei einer so jungen Frau. Pyanfar schnaubte und brachte mit den Fingern wieder die Seide ihres Bartes in Ordnung, blickte dann ernst und nachdenklich hinab auf die verwischte Schmiere, wo der Außenseiter gestürzt war und die ganzen Schriftzeichen ausgelöscht hatte, bevor die Besatzung sie sehen konnte.

So so so.

Pyanfar verschob ihren Gang zu den Stationsämtern, ging zurück zum Operationszentrum des Unterdecks und setzte sich inmitten all der Kontrollanzeigen für den Stand der Ladearbeiten und die Kabel und Greifer und die automatisch von der Stolz durchgeführten Routine-Operationen an das Kom-Pult. Sie gab das Signal für die aktuellen Mitteilungen, ging diese durch und fand nichts, vertiefte sich dann in die Schiffsaufzeichnungen aller Mitteilungen, die seit dem Andocken empfangen worden waren, und obendrein alles, was an andere gerichtet durch die Kommunikationskanäle der Station geflossen war. Sie suchte zuerst nach etwas, das von den Kif stammte, ein rasches Aufflackern von Zeilen auf dem Schirm vor ihr, sämtliche Operationsgespräche in Transkription – eine ganz schön große Menge. Dann fragte sie nach irgendwelchen Verlustanzeigen, und danach, ob irgendetwas entflohen war.

Mahendo'sat?, wollte sie anschließend wissen und hielt sich ausschließlich an die eigenen Schiffsaufzeichnungen einkommender Mitteilungen von der Art, wie sie ständig in einer geschäftigen Station umgingen, und sandte in keiner Weise irgendeine Anfrage an das Computersystem der Station. Schließlich ging sie den gesamten Bericht noch einmal durch, ließ ihn mit blickverwischender Geschwindigkeit ablaufen, hielt dabei Ausschau nach einem Schlüsselwort über Fluchtfälle oder Warnungen betreffs der Anwesenheit von Fremdwesen im Treffpunkt.

Also tatsächlich. Niemand wollte ein Wort über diesen Fall verlieren. Die Eigner wollten immer noch nicht öffentlich bestätigen, dass sie dieses Besitzstück verloren hatten. Die Chanur waren nicht so dumm, öffentlich bekanntzugeben, dass sie es gefunden hatten. Oder darauf zu vertrauen, dass die Kif oder wer immer sonst es verloren hatte, in diesem Moment nicht damit beschäftigt waren, auf verstohlener Suche das Innere der Station nach außen zu wenden.

Pyanfar blendete die Maschine aus und zuckte mit den Ohren, so dass die Ringe am linken Ohr beruhigend klimperten. Sie stand auf und lief in der Mitte des Raumes umher, steckte die Hände hinter den Gürtel und dachte über Alternativen und mögliche Gewinne nach. Es würde wirklich ein dunkler Tag sein, wenn eine Chanur zu den Kif ging, um eine Erwerbung zurückzugeben. Sie könnte gerechtfertigterweise einen Anspruch darauf erheben in Anbetracht rechtlicher Verpflichtungen und der Invasion eines Hani-Schiffes. Öffentliche Gefährdung wurde das genannt. Aber es gab keine außenstehenden Zeugen für das Eindringen, und die Kif, die beinahe mit Sicherheit dahinter steckten, würden nicht ohne Kampf nachgeben … und das bedeutete ein Gerichtsverfahren und einen verlängerten Aufenthalt in der Nähe der Kif, deren graues, runzelhäutiges Äußeres sie verabscheute; deren von Natur aus schmerzlichen Gesichter sie verabscheute; deren Klagelieder über ihnen angetane Nöte und Ungerechtigkeiten unaufhörlich und unerträglich waren. Eine Chanur im Stationsgericht, und das zusammen mit einem heulenden Mob von Kif … und zu diesem Extremfall würde es kommen, wenn Kif kamen und den Eindringling für sich beanspruchten. Die ganze Geschichte war in all ihren Verästelungen unangenehm.

Was immer es war und wo immer es herkam, das Geschöpf war auf jeden Fall erzogen. Das wiederum gab Hinweise auf andere Dinge, auf zwingende Gründe, warum die Kif vielleicht tatsächlich aufgebracht waren über den Verlust dieses Gegenstandes und warum sie bei der Suche so wenig auf Öffentlichkeit bedacht waren.

Sie schaltete auf Intraschiff. »Hilfy.«

»Tante?«, kam nach einem Moment Hilfys Antwort.

»Erkundige dich nach dem Zustand des Eindringlings!«

»Ich beobachte gerade, wie sie ihn behandeln. Tante, ich glaube, es ist ein er, wenn es irgendeine Analogie der Form und …«

»Kümmere dich jetzt nicht um Zoologie! Wie schwer ist es verletzt?«

»Es hat einen Schock, aber es scheint wieder kräftiger zu sein als noch vor einem Moment! Es – er – wurde ruhig, als wir es geschafft haben, ein Narkotikum auf die Kratzer zu tun. Ich glaube, er konnte sich dann ausrechnen, dass wir zu helfen versucht haben, und hörte auf zu kämpfen. Wir dachten schon, die Droge hätte ihn geschafft, aber sein Atem geht jetzt besser.«

»Wahrscheinlich wartet es nur auf seine Gelegenheit. Wenn du es sicher eingesperrt hast, dann übernimm deine Schicht bei den Dockarbeiten, da du so eifrig darauf aus warst, einen Blick nach draußen zu werfen. Die anderen werden dir deine Arbeit zeigen. Sag Haral, sie soll zum Unterdeck-Op kommen! Sofort!«

»Ja, Tante.« In Hilfys Stimme lag kein Schmollen. Der jüngste Verweis durfte sich noch nicht verschlissen haben. Pyanfar unterbrach die Verbindung und lauschte in der Zwischenzeit auf das Stationsgeschwätz, sehnte sich vergeblich nach etwas, das Klarheit in die Sache brachte.

Haral kam herbeigeeilt, schweißdurchtränkt, blutbespritzt und atemlos. Sie verbeugte sich kurz unter der Tür und richtete sich wieder auf. Sie war die Älteste der Mannschaft, groß und mit einer dunklen Narbe über die breite Nase hinweg sowie einer weiteren auf dem Bauch, aber die stammten noch aus ihrer wilden Jugend.

»Mach dich sauber«, sagte Pyanfar, »nimm dir Geld und geh Einkaufen, Kusine! Geh zu den Zweithandmärkten und tue so, als wärest du auf eigene Faust unterwegs. Die Ware, die ich haben möchte, wird vielleicht schwer zu finden sein, aber an einem Ort wie Treffpunkt nicht unmöglich, wie ich meine. Ein paar Bücher, wenn du so willst – ein Mahendo'sat-Lexikon, eine Mahendo'sat-Version ihrer heiligen Schriften. Den Philosophen Kohboranua oder einen anderen von dieser Sorte, das ist mir völlig egal. Und einen Mahendo'sat-Symbolübersetzer, seine Module und Handbücher, von den elementaren an aufwärts, so viele Niveaus, wie du nur finden kannst … und vor allem diese Ware. Der Rest dient nur der Bemäntelung. Wenn man dir Fragen stellt – ein Klient hat ein religiöses Interesse.«

Haral verneigte sich in Annahme des Befehls und fragte nichts. Pyanfar steckte die Hand tief in die Tasche und brachte eine kunterbunte Sammlung von Münzen mit großem Nennwert zum Vorschein, einen ganzen Haufen davon.

»Und vier goldene Ringe«, fügte sie hinzu.

»Kapitän?«

»Um euch alle daran zu erinnern, dass sich die Stolz um ihre eigenen Angelegenheiten kümmert. Drück das so aus, wenn du sie ihnen gibst. Es wird eure Gefühle besänftigen, hoffe ich, wenn wir es uns entgehen lassen müssen, uns hier eine Freiheit herauszunehmen, wie es sehr gut sein kann. Aber wenn du redest und Argwohn bezüglich dieser Dinge erregst, Haral Araun, dann wirst du kein Ohr mehr haben, um sie daran zu tragen.«

Haral grinste und verneigte sich ein drittes Mal.

»Geh!«, sagte Pyanfar, und Haral huschte in eifriger Hingabe hinaus.

So. Es war ein Risiko, aber eines von der kleineren Sorte. Pyanfar ließ sich die Dinge kurz durch den Kopf gehen, ging dann aus dem Op-Raum hinaus und den Korridor hinab, nahm den Lift zur mittleren Ebene, wo sich ihre Quartiere befanden, hinaus aus dem schrecklichen Gestank der Desinfektionsmittel, der das Unterdeck erfüllte.

Mit einem Seufzer schloss sie die Tür hinter sich, ging ins Bad und wusch sich die Hände – achtete darauf, dass kein Fleischfetzen an der Unterkrümmung der Krallen hängenblieb –, untersuchte die feinen seidenen Kniehosen, um sicherzugehen, dass sie keine Blutspritzer abbekommen hatten. Mit Hilfe einer Dosis Parfüm beseitigte sie die Erinnerung in der Nase.

Dummheit. Sie wurde schwerfällig wie ein Stsho, da sie es nicht geschafft hatte, zu allererst den Eindringling festzuhalten. Alt war kein Wort, an das sie gerne dachte. Langsam im Kopf, zerstreut, deshalb hatte sie zugeschlagen wie eine Jugendliche auf ihrem ersten Beutezug. Faul. Das hörte sich eher danach an. Sie tätschelte sich den flachen Bauch und entschied, dass der jahrelange erfreuliche Umfang ihres Gürtels erneut verengt werden musste. Sie verlor ihre Kanten. Ihr Bruder Kohan war noch fit genug, so planetengebunden er auch war und ohne die Gabe der Zeitdehnung des Sprunges; er schaffte es. Zank mit anderen Männern und zwei Söhne aus dem Haus zu werfen hielt sein Blut in Schwung, und es gab üblicherweise jederzeit ein Trio von Gefährtinnen im Haus, mit Nachwuchs, der zu züchtigen war. Es wurde langsam Zeit, dachte sie, die Stolz ins Heimatdock von Anuurn zu bringen, damit das Schiff sorgfältig überholt werden konnte und sie selbst den Aufenthalt mit ihrem eigenen Gefährten Khym hoch in den Kahin-Bergen verbringen konnte, auf den Liegenschaften der Mahn. Den Duft der Heimatwelt für ein paar Monate wieder in die Nase zu bekommen. Ein wenig jagen, sich das zusätzliche Loch in ihrem Gürtel ablaufen. Nach ihrer Tochter Tahy schauen und nachsehen, ob dieser Sohn von ihr immer noch umherwanderte oder ob ihm schließlich jemand dazu verholfen hatte, sich das Genick zu brechen. Gewiss hätte der Bursche die übliche Höflichkeit aufgebracht, durch Khym oder Kohan eine Nachricht zu schicken, wenn er sich irgendwo niedergelassen hatte; und vor allem nach ihrer Tochter schauen, die – die Götter wussten es – erwachsen war und weich wurde, weil sie im Haus ihres Vaters hängenblieb, und das zwischen einem Dutzend anderer Töchter, die überwiegend bruderlos waren. Sohn Kara sollte sich mit irgendeiner noch verfügbaren Ehefrau niederlassen und seiner Schwester eine gewinnbringende Beschäftigung geben, die ihn reich machte – das vor allem: sich niederlassen und seinem Vater und seinem Onkel nicht in die Quere kommen. Ambitiös, so war Kara. Sollte der junge Wüstling doch versuchen, sich seinem Onkel Kohan zu nähern, und es wäre seine letzte Tat. Pyanfar bog die Krallen bei diesem Gedanken und erinnerte sich daran, warum alle ihre Heimatferien immer nur kurz waren.

Aber das jetzt, diese Geschichte mit diesem bisschen entflohenen Leben, das sich an Bord verirrt hatte und das vielleicht Besitztum der Kif war … der ehrenwerte Lord Kohan Chanur, ihr Bruder, würde ein Wort über diese Sorglosigkeit der Besatzung seines Schiffes zu sagen haben, dass sie es zugelassen hatte, in einen solchen Zwischenfall verwickelt zu werden. Und es würde eine größere Umstrukturierung im Haushalt erfolgen, wenn Hilfy etwas zustieß – der bruderlosen Hilfy, die zu sehr zu einer Chanur geworden war, um noch einem Bruder zu folgen, wenn ihre Mutter ihr jemals noch einen verschaffen würde. Hilfy Chanur par Faha, die sich mehr als nach allem anderen nach den Sternen sehnte und die sich an ihren Vater klammerte als den einen, der sie ihr geben konnte. Es war Hilfys lebenslang erwartete Gelegenheit, diese Reise, diese Ausbildung auf der Stolz.

Es hatte Kohans verliebte Seele zerrissen, Abschied von seiner Favoritin zu nehmen; das war deutlich dem Brief zu entnehmen, den er Hilfy mitgegeben hatte.

Pyanfar schüttelte den Kopf und ärgerte sich. Diese Besatzung aus vier Lumpen-Ohrigen im Gefolge dieser Angelegenheit um einen Heimaturlaub zu bringen, war eine Sache, aber Hilfy zurück nach Anuurn zu schicken, während sie einen größeren Streit mit den Kif austrug, eine andere. Es würde teuer werden, den heimwärtigen Kurs abzukürzen. Und mehr, Hilfys Stolz würde sterben, wenn sie der Grund für diese Neufestsetzung des Kurses wäre, wenn sie gezwungen sein sollte, nach plötzlicher Rückkehr in den Haushalt wieder ihren Schwestern gegenüberzustehen; und Pyanfar gestand sich selbst ein, dass sie an diesem Fratz hing, der wollte, was auch sie in diesem Alter gewollt hatte, die wahrscheinlich tatsächlich einmal ein Chanur-Schiff befehligen würde, vielleicht sogar – mochten die Götter die Stunde hinauszögern – die Stolz selbst. Pyanfar dachte an ein solches Vermächtnis … eines Tages, an dem Kohan seine Blütezeit hinter sich ließ und sie ebenfalls. Andere im Haus der Chanur waren eifersüchtig auf Hilfy, warteten auf eine Gelegenheit, ihre Eifersucht auszulassen. Aber Hilfy war die Beste. Die Klügste und Beste, wie Pyanfar und Kohan, und bis jetzt hatte niemand etwas anderes beweisen können. Welcher junge Mann auch immer nach Kohans Niedergang die Chanur-Holding gewann, er wäre gut beraten, wachsam zu sein und Hilfy zu gefallen, oder Hilfy mochte sich einen Gefährten nehmen, der dem Eindringling die Ohren abriss. So war Hilfy eben, ihrem Vater und dem Haus treu.

Und diesen Geist zu zerstören oder ihr Leben wegen dieses beschmutzten Außenseiters zu riskieren, war es nicht wert. Vielleicht, dachte Pyanfar, sollte sie die bittere Pille schlucken und die Kreatur auf dem nächsten Kif-Schiff absetzen. Sie überlegte das ernsthaft. Wenn sie dabei das falsche Kif-Schiff aussuchte, dann gab es unter Umständen einen lebhaften Spaß; es würde Aufruhr geben bei den Kif und Bestürzung auf der Station. Aber im Grunde blieb Nachgeben verabscheuenswert.

Götter! Auf diese Weise hatte sie also vor, der jungen Hilfy den Umgang mit Schwierigkeiten beizubringen. Das war das Beispiel, das sie gab: – übergeben, was sie besaß, weil sie glaubte, dass es vielleicht gefährlich war, es zu behalten.

Sie wurde tatsächlich weich. Erneut tätschelte sie ihren Bauch und entschied sich gegen einen Heimaturlaub am Ende der Reise, gegen eine weitere Liegezeit und gegen einen weiteren Mahn-Nachkommen, der die Dinge durcheinanderbrachte. Entschied sich gegen den Rückzug. Sie holte tief Atem und setzte ein grimmiges Lächeln auf. Das Alter kam, und die Jungen wurden alt, aber nicht zu alt, den Göttern sei es gedankt. Auf dieser Reise würde die junge Hilfy Chanur das Gebaren zu rechtfertigen lernen, mit dem sie durch die Korridore des Schiffes marschierte, wirklich.

An ein Verlassen des Schiffes war nicht zu denken, solange die Dinge an Bord noch im Fluss waren. Pyanfar ging in die kleine, zentral gelegene Küche, die Steuerbordkrümmung von ihrem Quartier und der Brücke hinauf, und fuhrwerkte herum, um sich eine Tasse Gfi aus dem Spender zu holen, sich an den Tisch neben dem Ofen zu setzen und das Zeug in Ruhe zu genießen, während sie wartete, bis ihre Besatzung reichlich Zeit gehabt hatte, sich um den Außenseiter zu kümmern. Sie gab ihnen noch ein wenig zu, warf schließlich die leere Tasse in den Sterilizer, stand auf und ging wieder zum Unterdeck hinab, wo die Korridore stark nach Desinfektionsmitteln stanken und Tirun herumlungerte, an die Wand neben der Tür zum Unterdeckswaschraum gelehnt. »Nun?«, fragte Pyanfar.

»Wir haben es da hineingesteckt, Kapitän. Am leichtesten sauberzumachen, mit deiner Erlaubnis. Haral ist gegangen. Chur und Geran und Ker Hilfy sind draußen beim Laden. Dachte, jemand sollte bei der Tür bleiben und lauschen, ob die Kreatur auch wirklich in Ordnung ist.«

Pyanfar legte die Hand auf den Schalter und blickte zurück zu Tirun – Harals Schwester und genauso breit und solide, mit den schon gut verwitterten Narben der Jugend und dem Gold erfolgreicher Reisen am linken Ohr. Sie beide zusammen konnten mit dem Alien fertigwerden, überlegte sie, unter allen Umständen. »Gibt es irgendwelche Anzeigen, dass es den Schock überwindet?«

»Es verhält sich ruhig; flacher Atem, der Blick an irgendeinen anderen Ort gerichtet – aber sich dessen bewusst, was vorgeht. Hat uns einen Moment lang erschreckt; wir dachten, es habe durch die Medizin einen Schock erlitten, aber ich glaube, es wurde einfach ruhig, als der Schmerz aufhörte. Wir haben versucht, ihm mit unserer Umgangsweise verständlich zu machen, dass wir es nicht verletzen wollen. Vielleicht hat es das kapiert. Wir haben es hier hineingetragen, und es hat sich niedergelegt und nicht mehr bewegt – außer während unserer Behandlung, aber nicht widerspenstig, sondern mehr, als hätte es zu denken aufgehört, als hätte es auch aufgehört, irgendwas zu tun, wozu es nicht gezwungen war. Erschöpft, würde ich sagen.«

»Hm.« Pyanfar drückte gegen den Riegel. Das dunkle Innere des Waschraumes roch ebenfalls antiseptisch, nach dem Stärksten, was sie in der Beziehung hatten. Die Lichter waren herabgedimmt, die Luft erstickend warm und trotz des antiseptischen Gestanks mit einem Geruch durchsetzt. Ihre Augen verfehlten die Kreatur einen Augenblick lang, suchten ängstlich und machten sie in der Ecke aus, ein Haufen Decken zwischen der Duschbox und der Waschküche … schlafend oder wachend – das konnte sie nicht erkennen –, den gesenkten Kopf in den Unterarmen geborgen. Ein großer Wasserbehälter und ein Plastikteller mit ein paar Fleischstreifen und übriggebliebenen Krümeln stand neben ihm auf den Fliesen. Na ja, wiederum. Es war also ein Fleischfresser und letztlich gar nicht so empfindlich, wo ihm der Appetit verblieben war. Soviel zu seinem Zusammenbruch. »Ist es gefesselt?«

»Die Kette reicht bis zur Toilette, wenn es begreift, wozu die gut ist.«

Pyanfar trat zurück und wieder nach draußen und schloss die Tür. »Das begreift es sehr wahrscheinlich. Tirun, es ist intelligent, oder ich bin blind. Geh nicht davon aus, dass es keine Schalter bedienen kann. Niemand darf allein hineingehen, und niemand darf Feuerwaffen in seine Nähe bringen. Gib diesen Befehl persönlich an die anderen weiter, auch an Hilfy! Besonders an Hilfy.«

»Ja, Kapitän.« In Tiruns breitem Gesicht war keine Meinung erkennbar. Die Götter mochten wissen, was sie mit der Kreatur nur machen sollten, wenn sie sie behielten. Tirun fragte nicht. Pyanfar schlenderte davon, dachte über die Szene hinter der Tür des Waschraumes nach, den Haufen täuschender Decken, das so gesund verzehrte Essen, den überwundenen Zusammenbruch … es war nicht dumm, dieses Geschöpf, das zweimal das Sicherungssystem ihres Schiffes auf die Probe gestellt und beim dritten Versuch Erfolg darin gehabt hatte, an Bord zu gelangen. Warum die Stolz?, fragte sie sich. Warum ihr Schiff und nicht eines der anderen am Dock? Weil sie die letzten in der Sektion waren, bevor das Schott des Dockverschlusses die Kreatur möglicherweise zwang, irgendein Versteck zu verlassen, und sie die letzte Chance gewesen waren? Oder gab es irgendeinen anderen Grund?

Sie durchquerte den Korridor zur Luftschleuse und dann den Rampengang, kam schließlich aus dessen gekrümmter und gerippter Länge hinaus in die kalte Luft der Dockanlagen. Beim Herauskommen blickte sie nach links, und dort war Hilfy, die zusammen mit Chur und Geran Kanister verlud, die großen Frachtcontainer vom seitlichen Transportgestell der Station auf das Fließband rollte, das die Güter in die Laderäume der Stolz trug, bezahlte Fracht auf ihrem Weg nach Urtur und Kura und Touin und Anuurn selbst, Stsho-Fracht, Gebrauchsgüter und Textilien und Arzneimittel, gewöhnliches Zeug. Hilfy hielt bei ihrem Anblick inne, atmete schwer vor Anstrengung und schien bereits dicht vor einem Zusammenbruch zu stehen, richtete sich völlig auf, die Hände an den Seiten und die Ohren zurückgelegt, mit wogendem Bauch. Es war eine harte Arbeit, mit diesen Kanistern umzugehen, besonders, wenn man ungeschickt war und nicht daran gewohnt. Chur und Geran arbeiteten weiter, waren von kleiner Statur und drahtig, kannten die Gleichgewichtspunkte genauestens. Pyanfar täuschte vor, ihre Nichte nicht zu bemerken, und ging mit weit ausholenden Schritten weiter, lässig und dabei vor sich hin lächelnd. Hilfy war mächtig empört gewesen, dass es ihr verwehrt wurde, hinaus zum Stationsmarkt zu rennen, uneskortiert umherzuschweifen und bei diesem ihrem ersten Besuch in Treffpunkt, wo Spezies andockten, die niemals die Heimatwelt besuchten, eine Besichtigungstour zu machen – Anblicke, die sie auf Urtur und Kura vermisst hatte, wo sie ebenfalls an Bord des Schiffes eingepfercht gewesen war oder dicht am Liegeplatz der Stolz festgehalten. Dieser Fratz besaß mehr Enthusiasmus, als gut für ihn war. Also bekam sie den Blick auf die berühmten Docks von Treffpunkt, den sie hatte haben wollen – jetzt, an genau diesem Tag –, aber nicht die Besichtigungstour ihrer jugendlichen Vorstellungswelt.

Beim nächsten Besuch in der Station, dachte Pyanfar, beim nächsten Besuch würde ihre Nichte vielleicht genug gelernt haben, um ohne Begleitung losgelassen werden zu können, wenn dieser wild blickende Eifer nachgelassen hatte, wenn sie aus diesem Zwischenfall gelernt hatte, dass in Docks Gefahren lauerten und ein wenig Vorsicht unumgänglich war, selbst wenn man den freundlichsten aller Häfen durchstreifte.

Sie selbst nahm den direkten Weg, nicht ohne ihre Umgebung im Auge zu behalten.

Zweites Kapitel

Ein Besuch bei den Beamten der Treffpunktstation war normalerweise eine gemächliche und angenehme Sache. Die ruhigen und würdevollen Stsho betrieben die Ämter und Büros auf dieser Seite der Station, wo die Sauerstoffatmer andockten. Da allzu methodisch, konnten die Stsho ermüdend sein, voller grenzenlos feinsinniger Bedeutungen in ihren Pastellverzierungen und den Tätowierungen ihrer perlenfarbenen Häute. Sie waren eine weitere haarlose Spezies stängeldünn, dreigeschlechtlich und nur unter äußerster Strapazierung der Vorstellungskraft als hani-ähnlich zu betrachten, wenn auch Augen, Nase und Mund in biologisch passender Ordnung eine Ähnlichkeit begründeten. Ihre Verhaltensweisen waren in ihren eigenen Reihen bizarr. Aber die Stsho hatten es gelernt, ihre methodische Arbeitsweise und ihre Zeremonienhaftigkeit dem Hani-Geschmack anzupassen, was bedeutete, einen weichen Sessel zu haben, eine bereitstehende Tasse mit Kräutertee, eine Platte voller exotischer Esswaren und ein Individuum, das so angenehm wie möglich war bezüglich der Form und der Statistiken und das alles wie ein gemütliches Schwätzchen gestalten konnte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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