Das Therapiehunde-Team - Inge Röger-Lakenbrink - E-Book

Das Therapiehunde-Team E-Book

Inge Röger-Lakenbrink

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Beschreibung

Therapiehunde können bei Einsätzen in Alten- oder Kinderheimen, Hospizen oder Krankenhäusern wissenschaftlich nachgewiesen erstaunlich positive Wirkungen auf die Patienten erzielen. Voraussetzung dazu ist aber eine solide Ausbildung in verschiedenen Bereichen, und zwar sowohl für den Hund als auch für den Mensch. Nur als geschultes und eingespieltes Team sind beide erfolgreich einsetzbar, ohne sich selbst und anderen zu schaden. Leider gibt es bislang in Deutschland aber weder eine einheitliche Ausbildung noch verbindliche Qualitätsstandards für diese wichtige und verantwortungsvolle Tätigkeit. Dieses Buch ist eine aktuelle Bestandsaufnahme des heutigen Therapiehundewesens in Deutschland, Österreich und der Schweiz und gibt erstmals einen umfassenden Überblick über die Ausbildungsmöglichkeiten und -inhalte. Erfahrungsberichte aus der Praxis runden die Informationen ab. Die Autorin ist diplomierte Sozialpädagogin, Journalistin und Verfasserin mehrerer Hunde- und Pferdebücher.

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Inge Röger-Lakenbrink

DasTherapiehunde-Team

Ein praktischer Wegweiser

© 2006 KYNOS VERLAG Dr. Dieter Fleig GmbH

Konrad-Zuse-Straße 3 • D-54552 Nerdlen / Daun

Telefon: +49 (0) 6592 957389-0

Telefax: +49 (0) 6592 957389-20

www.kynos-verlag.de

6. vollständig überarbeitete und erweiterte Neuauflage 2018

e-Book-Ausgabe der Printversion 2018

e-book-ISBN: 978-3-95464-179-6

ISBN der gedruckten Ausgabe: 978-3-95464-159-8

Bildnachweis: Alle Fotos stammen von der Autorin, soweit nicht anders angegeben Titelbild: fotolia@absolutimages

Mit dem Kauf dieses Buches unterstützen Sie dieKynos Stiftung Hunde helfen Menschen.www.kynos-stiftung.de

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Vorwort

1. Historische Entwicklung und Verwendung eines Therapiehundes

Die Anfänge

Die weitere Entwicklung

Die gegenwärtige Entwicklung

Die Organisationen und Vereine in den deutschsprachigen Ländern

Bestandsaufnahme

2. Der Therapiehund – eine Definition

Was ist eigentlich ein »Therapiehund«?

Was unterscheidet einen Therapiehund von anderen Hunden, die als Helfer auf vier Pfoten tätig sind?

Die Definitionen und Begriffsverwendungen in Anlehnung an die amerikanische Organisation »Delta Society«

Der Begriff »Therapie«

Definition der »tiergestützten Therapie«

Das Therapiehunde-Team (THT) und seine Tätigkeitsbereiche

3. Voraussetzungen für einen »Therapiehunde-Team« -Einsatz

4. Der Schutz des Hundes

Auszug aus den Prager Richtlinien der IAHAIO

Die Gefahren der Überforderung

Die Zeichen der Überforderung

5. Das »Therapiehunde-Team« vor der Ausbildung

6. Lernerfolge: Was Hund und Halter in der Ausbildung lernen

7. Die Fragen der Hygiene

8. Die Ausbildungsmöglichkeiten in Deutschland, der Schweiz und Österreich

Die Ausbildungsvarianten

Besuchsdienste mit Hunden in Senioren- und Pflegeheimen, Kindergärten und Schulen

Pädagogisch / therapeutische Einsätze mit Hunden

Berufsspezifischer Einsatz des Therapiehundes

Die Kosten

Die Kostenübernahme der Ausbildung

Ehrenamtliche Tätigkeit oder professioneller Einsatz, freiwillige Leistung oder angemessene Vergütung?

9. Die Schwerpunkte der Ausbildung zum »Therapiehunde-Team«

Die Eignungsüberprüfung

Die Ausbildung zum Therapie(begleit)hunde-Team

Die Abschlussprüfung

10. Das »Therapiehunde-Team« nach der Ausbildung

11. Die Entwicklung der wissenschaftlichen Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung und deren dokumentierte Erkenntnisse für die tiergestützte Arbeit mit Hunden

Beispiele von Forschungsprojekten an der Universität Leipzig

Die Therapiehunde

Die Forschungsprojekte

» Einfluss tiergestützter Therapie auf die Befindlichkeit von Kindern und Jugendlichen in stationärer Psychotherapie « Anke Prothmann, Manuela Bienert, Universität Leipzig, Medizin und Psychologie

12. Aktuelle Praxisbeispiele aus den Bereichen tiergestützter Pädagogik, Therapie und Fördermaßnahmen mit Hunden

    I. »Päddog« – tiergestützte Interventionen in der Jugendhilfe mit Anita und Karl Mayer, Eppingen (D)

    II. TAT-Außenstelle in Rheinhessen / D

    III. Integrative Kindertagesstätte »Regenbogen« der Lebenshilfe Bernburg GmbH (D)

    IV. Die Kinderklinik des Landeskrankenhauses »Wiener Neustadt« (A)

    V. Der »Geniushof« auf der Schwanburg in Egrus (Schleswig-Holstein)

    VI. Tiergestützte Physiotherapie in der Helios Klinik Hohenstücken (D)

    VII. Tiergestützte Ergotherapie im Rehabilitations-Zentrum des Kinderspitals Zürich in Affoltern am Albis (CH)

    VIII. Wismarer Therapiezentrum für Tiergestützte Behandlungen – Cornella, Wellnitz (D)

    IX. Vestische Kinder- und Jugendklinik in Datteln (D)

    X. Von M.U.T. zu Schmitt – Interventionen

    XI. Das tiergestützte Integrationsprojekt von THL in Wien

    XII. Listenhunde als Therapiehunde – ein Pilotprojekt in Wien

    XIII. Nash – im Einsatz für Gewaltopfer

Schlusswort

Kontaktadressen

Quellenangaben und Literaturhinweise

Literaturangaben / -hinweise

Einleitung

Therapiehunde tragen keine weißen Kittel, stellen keine Anforderungen und haben keine Erwartungshaltung. Sie nähern sich unvoreingenommen und akzeptieren jeden Menschen ohne Vorurteile. Sie schenken Vertrauen und sind auch vertrauenswürdig. Sie vermitteln Nähe, Sicherheit und Geborgenheit. Sie reagieren sensibel auf Stimmungen und Gefühle. Sie motivieren zum Leben und erleichtern das Sterben.

Sie sind keine Wunderheiler. Sie sind kein Mittel zum Zweck. Sie sind kein Therapieersatz. Sie sind kein Allheilmittel.

Sie sind zu schützen und zu schonen – ihnen gebührt uneingeschränkte Achtsamkeit. Sie müssen vor Ausbeutung jeglicher Art bewahrt werden! Ihr unendliches Vertrauen in uns darf niemals enttäuscht werden.

Menschen bilden sich mit ihren Hunden zum Therapiehunde-Team aus. Sie fördern und begleiten tiergestützte Interventionen in ganz unterschiedlichen pädagogischen und therapeutischen Bereichen und Institutionen. Daher werden sie einsatzbedingt auch als Therapiebegleithunde bezeichnet.

Der Einsatz eines Therapie(begleit)hunde-Teams wird nach wie vor weitgehend unterschätzt und oftmals nicht ausreichend anerkannt. Dieses Buch soll dazu beitragen, eine angemessene Wertschätzung und eine möglichst weit verbreitete Öffentlichkeitswirkung zu erreichen.

Als ich vor 14 Jahren mit der Recherche zur Erstauflage dieses Buches begann, haben mich die Menschen und ihre Hunde während der Ausbildung und im Einsatz völlig begeistert. Auch heute noch ist meine hohe Achtung und uneingeschränkte Unterstützung maßgebend für die Überarbeitung des vorliegenden Werkes. Dies war umso mehr notwendig, da sich im Laufe der Jahre in vielen Bereichen doch Einiges geändert hat. Dies betrifft einerseits die ganze Bandbreite der Ausbildung und des Einsatzes von Therapiehunde-Teams und andererseits haben sich die vorgestellten Praxisbeispiele und Projekte auch weiterentwickelt. Neue Einsatzbereiche sind darüber hinaus dazugekommen und verlangen als bemerkenswerte Pilotprojekte nach entsprechender Aufmerksamkeit.

Inge Röger-LakenbrinkNovember 2017

Anmerkung des Verlages: Weil Schreibweisen wie Besitzer / innen oder Ausbilder / innen auf Dauer zu schwerer Lesbarkeit des Textes führen, haben wir auf sie verzichtet. Wenn also von »dem Hundebesitzer« die Rede ist, so sind die Hundebesitzerinnen natürlich gleichermaßen gemeint!

Vorwort

Der Einsatz von Tieren in der Therapie hat eine lange Tradition. Bereits am Ende des 18. Jahrhunderts wurde versucht, Tiere für therapeutische Zwecke zu verwenden, aber erst seit Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde dieser Möglichkeit der Therapie verstärktes Augenmerk geschenkt und die praktischen Erfahrungen vor allem in den USA, Australien und England durch wissenschaftliche Studien untermauert. In Europa, mit Ausnahme England, begann man vor etwa 20 Jahren mit dieser Form der Therapie.

Der Einsatz von Tieren erfolgt in drei verschiedenen Bereichen: in der tiergestützten Therapie, der tiergestützten Pädagogik und in Form von tiergestützten Fördermaßnahmen.

Unter tiergestützter Therapie versteht man alle Maßnahmen, bei denen durch den gezielten Einsatz eines Tieres positive Auswirkungen auf das Erleben und Verhalten von Menschen erzielt werden. Das gilt für körperliche wie für seelische Erkrankungen.

In der Heilpädagogik hat sich der Einsatz von Tieren bei verhaltensauffälligen Kindern, insbesondere bei hyperaktiven und autistischen Kindern, bewährt. Neben der Heilpädagogik haben sich auch günstige Effekte in der normalen Pädagogik gezeigt, in der Salutogenese, der Erhaltung der Gesundheit, spielt der Kontakt mit Tieren eine bedeutende Rolle. Die positiven Einflüsse von Haustieren auf die Gesundheit des Menschen werden in mehreren Studien belegt, wobei auch die Einsparungen an Sozialausgaben teilweise quantifiziert werden. Die Verbesserung der Lebensqualität durch den Kontakt mit Tieren wird vor allem in der Betreuung von älteren Menschen verdeutlicht.

Das verantwortungsvolle tiergestützte Arbeiten verlangt eine fundierte Ausbildung der Teams in Theorie und Praxis. Es wird daher notwendig sein, einen eigenen Berufsstand zu bilden, wobei die Anforderungen an Ausbildung und Qualifikation geregelt werden müssen. Es wäre zu begrüßen, wenn dies nicht nur national, sondern in der Europäischen Union in harmonisierter Form erfolgte.

Es ist daher sehr zu begrüßen und der Autorin zu danken, dass in dem vorliegenden Buch eine umfassende Information über den gegenwärtigen Stand der Ausbildung und über die wünschenswerte Entwicklung dieser sehr effektiven Form der Therapie und Pädagogik vermittelt wird. Zum Nutzen der tiergestützten Aktivitäten wünsche ich dem Buch einen großen Erfolg.

Josef Leibetseder†

Josef Leibetseder, 1934–2009. Univ. Prof. Dr. Dr. h.c. mult. – vormals Rektor der Veterinärmedizinischen Universität Wien – war Obmann des Vereins »Tiere als Therapie« (TAT) in Österreich und Präsident der »European Society for Animal Assisted Therapy« (ESAAT). Er hat sich in zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen mit dem Thema »Tiergestützte Therapie« befasst.

1. Historische Entwicklung und Verwendung eines Therapiehundes

Die Anfänge

Soweit sich die Geschichte der Menschheit zurückverfolgen lässt, besteht eine enge Beziehung zwischen Mensch und Hund. Zwar wandelte sich die Rolle des Hundes im Laufe der Jahrtausende immer wieder, aber kein anderes Tier war in die Domestikation des Menschen und in die Weiterentwicklung des menschlichen Lebens so intensiv eingebunden wie der Hund.

In der Mythologie einiger Urvölker finden sich zahlreiche Beispiele dafür, wie sie den Hund in ihren Vorstellungen durch unterschiedliche Erscheinungsbilder in ihren Glauben und ihre Kulthandlungen miteinbezogen.

Schon im Altertum, während der assyrisch-babylonischen Kultur und Religion im alten Orient, wurde die Göttin »Gula« als Göttin der Heilung verehrt – in der Gestalt eines Hundes. Aus Überlieferungen ist bekannt, dass diese Göttin sehr geachtet war und ihrem Abbild in Hundegestalt große Ehrfurcht entgegengebracht wurde.

In verschiedenen Religionsgemeinschaften, wie beispielsweise dem Hinduismus oder dem Buddhismus, entwickelten sich lange vor dem Christentum ethische Normen, die den Umgang mit Tieren im allgemeinen, so auch mit Hunden, ausdrücklich regelten. Ihre Sozialordnung gestaltete sich im Sinne des Wohlergehens der Tiere. Aber nicht überall auf der Welt schätzte man den Hund als Helfer und Begleiter des Menschen. Selbst in den christlichen Religionen spielten Tiere allgemein eine eher nebensächliche und untergeordnete Rolle – erst im 18. Jahrhundert wurden durch tierschutzähnliche Regelungen ihre Lebensbedingungen allmählich verbessert. In anderen Glaubensrichtungen, wie zum Beispiel dem Islam, hat der Hund in den ethisch-religiösen Normen auch heute noch einen niederen Stellenwert und wird verachtet. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelte sich langsam eine Einstellung unter der Menschheit, dass »ein tier dem herze wol macht«, wie es der Lyriker und Minnesänger Walther von der Vogelweide um 1200 n. Chr. in einem seiner Texte formulierte. Die Verwendung als reines Nutztier – dem Jagdhelfer, der das Überleben sicherte – wandelte sich zunehmend in eine Rolle als Gefährte und Begleiter des Menschen, die über ein reine zweckgebundene Abhängigkeit hinaus ging. Vom reinen Arbeits- und Nutztier änderte sich seine Stellung vielerorts in ein beliebtes Statussymbol. Der Kontakt mit Hunden intensivierte sich für den Menschen in vielfältiger Beziehung – als therapeutische Begleiter wurden seine Qualitäten allerdings erst in der Mitte des vorigen Jahrhunderts verbreitet, ernsthaft wahrgenommen und ansatzweise auch wissenschaftlich belegt.

Die enge Beziehung zwischen Mensch und Hund besteht seit Jahrtausenden – in der heutigen Zeit hat sich ein Hund für viele Kinder auch zum engen Sozialpartner entwickelt.

In Einzelfällen lassen sich bis ins 8. Jahrhundert die ersten konkreten therapeutischen Einsätze von Tieren im Umgang mit Behinderten zurückverfolgen. In belgischen Klöstern wurden geistig kranke Waisenkinder vor allem durch die Mithilfe von Hunden erfolgreich therapiert.

Aus dem 18. Jahrhundert ist aus England überliefert, dass Quäker eine Anstalt für Geisteskranke gründeten, das »York Retreat«, welches in seinen Außenanlagen die Möglichkeit anbot, verschiedene Kleintiere zu halten. Die Patienten wurden in die Betreuung und Versorgung der Tiere gezielt mit einbezogen.

Der therapeutische Nutzen von Tieren für den Heilungsprozess wurde im Bereich der Krankenpflege insbesondere von Florence Nightingale im 19. Jahrhundert erkannt, die sich als Reformerin der allgemeinen Krankenpflege stark engagierte.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde erstmals in Deutschland eine unterstützende Therapie durch unterschiedliche Tierarten bei Epileptikern angewandt. In den Krankenanstalten von Bethel bei Bielefeld entwickelte sich ein beachtenswertes Engagement der Therapeuten – bis hin zum Einsatz einer Reittherapie.

In der darauffolgenden Zeit existierten einzelne Therapieprojekte relativ unbeachtet und ohne Öffentlichkeitswirkung in verschiedenen Teilen der Welt.

Die therapeutisch Aktiven in den unterschiedlichen Einrichtungen haben deren Bedeutung nicht erkannt – oder haben es schlichtweg versäumt, genauere Aufzeichnungen zu überliefern.

Erst seit etwa 1960 wurde der gezielte Einsatz von Hunden als therapeutische Helfer und Begleiter dokumentiert. Vor allem in England, Amerika und Australien setzten sich Psychologen, Ärzte und Therapeuten mit dem Hund als Co-Therapeuten verstärkt auseinander und formulierten ihre Erkenntnisse aus der Praxis in unterschiedlichen Veröffentlichungen. Allen voran Boris M. Levinson, ein Kinderpsychologe aus New York, der seinen Hund auch in die eigene Praxis mitnahm und eher durch einen Zufall feststellte, welchen gravierenden Einfluss die Anwesenheit seines Golden Retrievers auf den Behandlungs- und Heilungsprozess der kleinen Patienten hatte.

1969 erschien sein richtungsweisendes Werk »Pet oriented Child-Psychiatry«, welches den therapeutischen Einsatz von Hunden im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie der Psychotherapie beschrieb.

In einem seiner vielen Vorträge prognostizierte er vor über 30 Jahren, dass die Nachfrage und das Bedürfnis der Menschen nach einer Tier-Beziehung im Jahre 2000 zu einem »Tierverleihservice« führen würde – er ahnte es damals schon, wie intensiv sich die therapeutisch geprägte Mensch-Tier-Beziehung tatsächlich entwickeln würde.

In der folgenden Zeit, den siebziger Jahren, entstand in Amerika – parallel zu den Erkenntnissen von B. M. Levinson – eine Vereinigung, in der sich Tierärzte, Verhaltensforscher, Psychologen, Therapeuten und Mediziner, Sozialpädagogen und Gerontologen aus England und den Vereinigten Staaten mit der wissenschaftlichen Erforschung von positiven Effekten der Mensch-Tier-Beziehung befassten. Zwar gestaltete sich diese Entwicklung nicht unproblematisch, denn vielerorts existierten enorme Vorbehalte, und anhaltende Überzeugungskraft war notwendig, die nur durch den Erfolg von praktischen Einsätzen entkräftet werden konnten.

Es gründete sich 1977 in Portland / Oregon die Stiftung »Delta Society«, die mit ihrem sogenannten »Pet Partner Program« die tiergestützte (»pet-facilitated«) Therapie flächendeckend in den USA ins Leben rief. Innnerhalb kürzester Zeit arbeiteten Hunderte von »pet partner teams« mit den unterschiedlichsten Organisationen zusammen, die insbesondere Hunde als Co-Therapeuten einsetzten. Heute arbeiten diese Teams im ganzen Land anerkannt und erfolgreich – ständig weitergebildet und mit den neuesten Erkenntnissen ausgestattet, die insbesondere durch die wissenschaftlichen Forscherteams der »Delta Society« fortlaufend erarbeitet und aktualisiert werden.*

Während dieser Epoche warnten schon die ersten Stimmen vor einer Ausnutzung und Überforderung der Hunde – lediglich als Mittel zum Zweck benutzt, ohne Rücksichtsnahme auf ihre individuellen Bedürfnisse, sollten und durften die Helfer auf vier Pfoten nicht verschlissen werden! Es sollte allerdings noch einige Jahre dauern, bis auf nationaler und internationaler Ebene eine Problematisierung dieses Themas aktuell wurde und diesbezüglich klare Forderungen formuliert werden konnten.

Die weitere Entwicklung

Im Jahre 1990 gründete sich der erste »Internationale Dachverband für die Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung« – die »IAHAIO« (International Association of Human Animal Interaction Organisations) mit Sitz bei der Delta Society. Der Dachverband fördert weltweit den Austausch wissenschaftlicher Erkenntnisse und deren Weiterentwicklung.

In den darauffolgenden Jahren erschienen zahlreiche internationale Veröffentlichungen, die sich mit der Erforschung der therapeutischen Wirkung von Tieren im Allgemeinen – und Hunden im Besonderen – beschäftigten, was dazu führte, dass sich auch in den europäischen Ländern das Interesse am Einsatz von Therapiehunden stärker entwickelte.

Das Engagement einzelner Personen, die mit starkem Willen und viel Überzeugungskraft gegen harte Widerstände ankämpfen mussten, bewirkte eine zunehmend öffentliche Aufmerksamkeit, die dazu führte, dass sich erste kleinere Organisationen und Vereine bildeten. Die Mitglieder organisierten anfangs mit ihren Hunden vorwiegend Patientenbesuche in Altenheimen und Krankenhäusern, später auch in Schulen und Kindergärten.

So wurde 1983 in England beispielsweise die Wohlfahrtsorganisation »Pet as Therapy« von Lesley Scott-Ordish gegründet, welche die ersten »Pet Visiting Programms« organisierten.

In Österreich konstituierte sich nach vierjähriger Aufbauarbeit aufgrund der Initiative von Dr. Gerda Wittmann im Jahre 1991 der Verein »Tiere als Therapie« (TAT). In der Schweiz waren einige Einzelkämpfer zu dieser Zeit auch aktiv und unter der Leitung von Ursula Sissener, die sich von der »Delta Society« damals schon hatte ausbilden lassen, wurde 1992 – in Zusammenarbeit mit der SKG (»Schweizerische Kynologische Gesellschaft«) – ein gemeinsames Konzept erarbeitet. Die ersten Kurse für THTs wurden 1993 durchgeführt und 1994 wurde der »Verein Therapiehunde Schweiz« (VTHS) gegründet.

Auch in Deutschland entwickelten sich zeitlich parallel organisierte Vereinstätigkeiten, beispielsweise wurde schon 1987 durch die Initiatorin Dr. Brigitte von Rechenberg in Würzburg der Verein »Tiere helfen Menschen e.V.« begründet und 1988 durch PD Dr. Christian Große-Siestrup »Leben mit Tieren e.V.« in Berlin initiiert. Die ersten Einsätze wurden vor allem mit Therapiehunden durchgeführt.

Das erste deutsche Institut wurde 1991 von Ingrid Stephan in Wedemark gegründet – das »Institut für soziales Lernen mit Tieren«. Und erst 10 Jahre später, im Jahre 2001, wurde eine Initiative eigens nur für den Einsatz mit Hunden – die »Interessengemeinschaft Therapiehunde« (IGTH) – von Elke Schmid, Susanne Müller und Nicole Simetria organisiert.

Die verschiedenen Organisationen bewegten sich in ihrer Anfangszeit in einer schwierigen Situation – eine echte Pionierarbeit wurde gegen viele Widerstände von den engagierten Mitgliedern und ihren Hunden geleistet. Eine willkommene Unterstützung waren daher die wissenschaftlichen Forschungsergebnisse, die weltweit für Aufsehen sorgten. Während zunächst nur einzelne Ergebnisse die praktische Arbeit vor Ort förderten und unterstützten, so intensivierten sich die Tätigkeiten der Wissenschaftler auf verschiedenen Gebieten mit ständig neuen Erkenntnissen.

Es ist festzuhalten, dass zwar die Verbreitung dieser wissenschaftlichen Studien die erfolgreichen Einsätze von Therapiehunden untermauerten, aber es steht außer Frage, dass auch heute noch – in vielen unterschiedlichen Bereichen – die aktuelle Praxis der Theorie weit voraus ist!

Die gegenwärtige Entwicklung

Infolge der zunehmenden Präsenz von Hunden in der tiergestützten Therapie wurde einigen Aktiven langsam bewusst, dass eine halbwegs anerkannte Tätigkeit von Therapiehunde-Teams nur dann langfristig akzeptiert werden wird, wenn allgemein gültige Qualitätsstandards geschaffen werden. Insbesondere deshalb, weil die einzelnen Begriffe, wie beispielsweise »Therapiehund« oder »Therapiehunde-Team«, in den europäischen Ländern nicht geschützt sind. Damit ist jedweder Missbrauch der Begriffe und damit auch ein unqualifizierter Einsatz unkontrolliert möglich.

Um das Jahr 2000 herum ist eine wachsende Anzahl von Vereinen, Verbänden, Instituten und Akademien entstanden, deren Initiatoren alle sichtlich bemüht sind, Ausbildungskriterien, Schulungsformen und Prüfungsrichtlinien zu etablieren – eine halbwegs einheitliche Basis ist allerdings bisher nicht entstanden! Es besteht eine Szene aus vielfältigen kleinen Initiativen einzelner Gruppen, die sich zum Teil untereinander gar nicht kennen, geschweige denn miteinander kommunizieren.

Immerhin bemühen sich einige wenige Aktive unermüdlich, miteinander ins Gespräch zu kommen und allgemeine Strukturen zu finden. Leider besteht ein oftmals anzutreffendes Konkurrenzdenken, welches der Weiterentwicklung und Etablierung im Sinne einer anerkannten pädagogisch / therapeutischen Arbeit mit Hunden nicht dienlich ist!

Einige nationale und internationale Symposien haben mittlerweile dazu geführt, dass sich einerseits die Wissenschaftler und die Praktiker etwas näher gekommen sind und sich fachlich austauschen konnten, andererseits haben diese Veranstaltungen bewirkt, dass zumindest die Notwendigkeit von Netzwerken erkannt worden ist. So hatte beispielsweise das internationale »TAT-Symposium 2006« in Wien das Thema »Networking« als Schwerpunkt.

Die erste Netzwerkgründung in Deutschland erfolgte im Jahre 2005 durch die Forschungsgruppe »TiPi« – Tiere in Pädagogik integrieren. Unter der Leitung von Dr. Klaus Fitting-Dahlmann gründeten einige engagierte Studenten an der heilpädagogischen Universität von Köln eine Gruppe, die sich mit wissenschaftlichen Fragestellungen zur Integration von Tieren in die Pädagogik befasst. Der wissenschaftliche Forschungsbereich beschäftigt sich mit dem Thema »Tiergestützte Förderpädagogik« – auch unter Einsatz und mit der Unterstützung von Hunden. Eine erste nationale Initiative, die eine tragfähige Konzeption entwickelt hat und beispielhaft für andere tiergestützte Einsatzbereiche sein kann.

Das notwendige Bedürfnis nach nationalem und internationalem Austausch führte in letzter Zeit auch zur Durchführung von ersten gezielten, landesübergreifenden Symposien. Unter der Leitung des deutschen Forschungskreises »Heimtiere in der Gesellschaft« wurde im Jahre 2005 das 1. D.A.CH. Symposium von Fachleuten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz organisiert, mit dem erklärten Ziel, »die horizontale kommunikative Vernetzung zwischen den wissenschaftlichen Institutionen« deutlich zu machen.

Etwa zeitgleich gründeten sich zwei überregionale Dachverbände – ESAAT und ISAAT. Im Jahre 2004 wurde in Wien erstmals ein europäischer Dachverband gegründet – die »European Society for Animal Assisted Therapy« (ESAAT), mit dem erklärten Ziel, eine Harmonisierung der Qualifikationsstandards in der tiergestützten Therapie innerhalb Europas zu erreichen. Gemeinsame Mindestanforderungen an Ausbildung und Kompetenz sollen zukünftig auch auf Brüsseler Ebene entsprechende Anerkennung finden.

Der Gründungspräsident von »ESAAT« war der Obmann des österreichischen Vereins »Tiere als Therapie« (TAT), em. Univ. Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Josef Leibetseder, der ehemalige Rektor der Veterinär Universität Wien, dem über sein nationales Engagement hinaus die Etablierung eines anerkannten Berufsstandes in der tiergestützten Arbeit sowohl in Österreich als auch in Europa allgemein ein großes Anliegen war – leider ist er zwischenzeitlich verstorben. Für die aktuelle Weiterentwicklung des Verbandes setzt sich der derzeitige Präsident Dr. Rainer Wohlfarth ein.

Da es unter den Gründungsmitgliedern aber inhaltliche Differenzen über verschiedene Aspekte gab – insbesondere der Qualitätssicherung von Ausbildungsstandards und deren struktureller Organisation und Umsetzung – spaltete sich ein Teil der Mitglieder ab. Es handelte sich dabei um Vertreter eines deutschen (Institut für soziales Lernen mit Tieren) und zwei schweizerischer Projekte (I.E.T. und GTTA). Sie konstituierten im Jahre 2006 in Zürich eine eigenständige, internationale Organisation, die »International Association für Animal Assisted Therapy« (ISAAT); die derzeitige Präsidentin ist Dr. Andrea Beetz.

Nach anfänglicher Spaltung bewegen sich beide Organisationen nun heute schrittweise aufeinander zu – so ist zumindest 2016 erstmalig ein großer, gemeinsamer Kongress in Hannover abgehalten worden, der vom »Institut für soziales Lernen« unter der Leitung von Ingrid Stephan organisiert wurde – mit immerhin über 400 Teilnehmern! Im Vordergrund stand die gemeinsam entwickelte Konzeption zur Entwicklung und Sicherung von Qualitätsstandards, die eine verbindliche Basis für die Zertifizierung und eine grundlegende Orientierung für die Praxis darstellt.

Den nächsten Jahren kann jedenfalls mit Interesse entgegengeblickt werden ‘Weitermachen’ heißt allgemein die Devise! – im Rückblick auf die vergangenen 35 Jahre hat sich ein enormer Quantensprung vollzogen, der international und besonders in Europa der Bedeutung der tiergestützten Interventionen – und hier vor allem dem Einsatz der Therapiehunde-Teams – zum endgültigen Durchbruch verholfen hat. Das erste umfangreiche deutschsprachige Werk von Dr. Sylvia Greiffenhagen »Tiere als Therapie« hat seit 1991 ebenfalls maßgeblich dazu beigetragen, die Öffentlichkeit vermehrt zu sensibilisieren und allgemeines Interesse zu bewirken. Allerdings lässt, besonders in Deutschland, die Akzeptanz durch eine breite Öffentlichkeit noch sehr zu wünschen übrig.

Die Organisationen und Vereine in den deutschsprachigen Ländern

In Österreich, der Schweiz und in Deutschland beschäftigen sich seit Anfang der achtziger Jahre Menschen mit ihren Hunden in unterschiedlichster Weise ehrenamtlich als »Therapiehunde-Teams« – mit stetig wachsendem Engagement.

Zunächst in kleineren Gruppen organisiert, erfolgten die Gründungen der ersten gemeinnützigen Vereine, Verbände und Interessengemeinschaften. Die Grundlage für die aktiven Einsätze waren die Richtlinien der »Delta Society«, an denen man sich weitestgehend orientierte.

Helga Widder ist Gründungsmitglied und Geschäftsführerin von »Tiere als Therapie« (TAT) in Wien – ihr ungarischer Hütehund »Paprika« begleitet sie als Therapiehund.Foto: Alexander Widder

Susanna Haitzer ist Obfrau im Vorstand von »Tiere helfen Leben« (THL) in Österreich und leistet mit Therapiehündin Aimee unterschiedliche Einsätze in sozialen Einrichtungen.Foto: Privat

Von der Theorie zur Praxis lag ein weiter Weg, der allen engagierten Pionieren der ersten Jahre einen langen Atem abverlangen sollte. Die drei wichtigsten und größten Vereine gründeten und entwickelten sich auf ehrenamtlicher Basis in der Schweiz und in Österreich – der ‘VTHS’ (Verein Therapiehunde Schweiz), ‘TAT’ (Tiere als Therapie) und ‘THL’ (Tiere helfen leben) in Wien.