Das Vermächtnis der Maya - Clive Cussler - E-Book

Das Vermächtnis der Maya E-Book

Clive Cussler

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Beschreibung

Sam und Remi Fargo sind in Mexiko, um nach einem Erdbeben zu helfen. Da werden sie Zeugen einer überragenden Entdeckung: ein Buch der Maya, größer und detailreicher als jedes andere bekannte Exemplar. Das Buch enthält geheimes Wissen, das in den falschen Händen verheerend für die Menschheit wäre. Sams und Remis Bemühungen, das Buch in Sicherheit zu bringen, treiben sie in die Arme einer kriminellen Organisation von solchen Ausmaßen, wie nicht einmal die beiden Schatzjäger sie sich jemals hätten vorstellen können …

Archäologie, Action und Humor für Indiana-Jones-Fans! Verpassen Sie kein Abenteuer des Schatzjäger-Ehepaars Sam und Remi Fargo. Alle Romane sind einzeln lesbar.

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Seitenzahl: 569

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Liste der lieferbaren Bücher

Von Clive Cussler im Blanvalet-Taschenbuch (die Dirk-Pitt-Romane):

Eisberg, Das Alexandria-Komplott,

Die Ajima-Verschwörung, Schockwelle,

Höllenflut, Akte Atlantis,

Im Zeichen der Wikinger, Die Troja-Mission,

Cyclop, Geheimcode Makaze,

Der Fluch des Khan, Polarsturm,

Wüstenfeuer

Von Clive Cussler und Paul Kemprecos im Blanvalet-Taschenbuch

(die Kurt-Austin-Romane):

Tödliche Beute, Brennendes Wasser,

Das Todeswrack, Killeralgen, Packeis,

Höllenschlund, Flammendes Eis,

Eiskalte Brandung

Von Clive Cussler und Graham Brown im Blanvalet-Taschenbuch

(die Kurt-Austin-Romane):

Teufelstor, Höllensturm

Von Clive Cussler und Craig Dirgo im Blanvalet-Taschenbuch

(die Juan-Cabrillo-Romane):

Der goldene Buddha, Der Todesschrein

Von Clive Cussler und Jack DuBrul im Blanvalet-Taschenbuch

(die Juan-Cabrillo-Romane):

Todesfracht, Schlangenjagd,

Seuchenschiff, Kaperfahrt,

Teuflischer Sog, Killerwelle

Von Clive Cussler und Grant Blackwood im Blanvalet-Taschenbuch

(die Fargo-Romane):

Das Gold von Sparta, Das Erbe der Azteken,

Das Geheimnis von Shangri La

Von Clive Cussler und Thomas Perry bei Blanvalet-Taschenbuch

(die Fargo-Romane):

Das fünfte Grab des Königs,

Das Vermächtnis der Maya

Von Clive Cussler (die Isaac-Bell-Romane):

Höllenjagd

Von Clive Cussler und Justin Scott (die Isaac-Bell-Romane):

Sabotage, Blutnetz, Todesrennen,

Meeresdonner

Clive Cussler

&Thomas Perry

Das Vermächtnis

der Maya

Ein Fargo-Roman

Aus dem Englischen

von Michael Kubiak

Die englische Originalausgabe erschien unter dem Titel

»The Mayan Secrets« bei Putnam, New York.

1. Auflage

E-Book-Ausgabe 2015 bei Blanvalet, einem Unternehmen der

Verlagsgruppe Random House GmbH, München.

Copyright © 2013 by Sandecker RLLLP

By arrangement with

Peter Lampack Agency, Inc.

551 Fifth Avenue, Suite 1613

New York, NY 10176 – 0187 USA

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2015 by

Blanvalet Verlag, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlaggestaltung: © Johannes Wiebel | punchdesign,

unter Verwendung von Motiven von Shutterstock.com

HK · Herstellung: sam

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN: 978-3-641-14550-7

www.blanvalet.de

1 – RABINAL, GUATEMALA, 1537

Nach Mitternacht saß Bruder Bartolomé de Las Casas noch immer in seinem von Kerzenschein erhellten Arbeitszimmer in der spanischen Mission des Maya-Dorfes Rabinal. Ehe er zu Bett ging, musste er noch die Tageschronik seines Berichts an Bischof Marroquin niederschreiben. Die Amtskirche vom Erfolg der von den Dominikanern gegründeten Missionen in Guatemala zu überzeugen, war nur möglich, wenn ihre Aktivitäten auch sorgfältig dokumentiert wurden. Er zog seine schwarze Kutte aus und hängte sie an einen Haken neben der Tür. Für einen Moment blieb er regungslos stehen und lauschte den nächtlichen Geräuschen – dem leisen Gurren und Zwitschern der Vögel und dem Zirpen der Insekten, das die Stille füllte.

Er trat an den hölzernen Hängeschrank an der Wand, öffnete ihn und holte das wertvolle Buch heraus. Kukulcan, ein Mann von königlichem Geblüt, der für seine große Gelehrsamkeit berühmt war, hatte dieses und zwei andere Bücher zu Bruder Bartolomé gebracht, damit er sie untersuchen konnte. Las Casas legte das Buch auf den Tisch. Seit Monaten studierte er es schon, und die Arbeit, die er sich für diese Nacht vorgenommen hatte, war von großer Bedeutung. Also legte er einen Bogen Pergament auf den Tisch und schlug das Buch auf.

Diese Seite war in verschiedene Felder unterteilt. Darin befanden sich Bilder von sechs menschenähnlichen Fantasiewesen, die, wie er vermutete, Gottheiten darstellen sollten. Sie nahmen jeweils eine sitzende Haltung ein und blickten nach links. Zu jedem Bild gehörte eine schmale Kolumne von Hand geschriebener komplizierter Symbole, die, wie ihm Kukulcan erklärt hatte, zur Maya-Schrift gehörten. Die Farbe der Buchseiten war weiß, während die Bilder in Rot, Grün und Gelb mit gelegentlichen blauen Tupfern ausgeführt worden waren. Die Schrift selbst war schwarz. Bruder Las Casas spitzte seinen Federkiel sorgfältig an, unterteilte das Blatt in sechs vertikale Abschnitte und begann die Schriftzeichen zu kopieren. Es war zwar ein schwieriges und aufwendiges Unterfangen, aber er betrachtete es als einen Teil seiner Arbeit. Diese Arbeit gehörte genauso zu seiner Berufung als Dominikaner wie seine Kleidung – das weiße Gewand, das Reinheit symbolisierte, und der schwarze Mantel als Zeichen der Buße. Er hatte keine Ahnung, welche Bedeutung die Schriftzeichen hatten, und auch die Namen der Gottheiten waren ihm unbekannt, aber er wusste immerhin, dass sich in den Bildern Mitteilungen verbargen, die die Kirche entschlüsseln musste, um ihre neuen Mitglieder zu verstehen.

Für Las Casas war die behutsame, geduldige Bekehrung der Maya eine persönliche Pflicht, eine Form von Buße. Bartolomé de Las Casas war nämlich nicht im Frieden in die Neue Welt gelangt. Er war mit dem Schwert gekommen. Im Jahr 1502 war er mit dem Gouverneur Nicolás de Ovando von Spanien nach Hispaniola in See gestochen und schließlich in einem encomienda, einem unterworfenen Land, angekommen, ausgestattet mit dem Recht, alle Indios zu versklaven, die er dort antraf. Sogar 1513, nach einem Jahrzehnt voller Grausamkeiten – durch die Eroberer hervorgerufen – und nachdem er zum Priester geweiht worden war, beteiligte er sich noch an der Unterwerfung der Indios auf Kuba und ließ sich mit einem Anteil an der Beute in Gestalt einer Übereignung von Ländereien und Indios belohnen. Wenn er jetzt über sein früheres Leben nachdachte, geschah es mit bitterer Scham und tiefem Bedauern.

Als er sich schließlich eingestand, dass er sich einer schweren Sünde schuldig gemacht hatte, begann er aus eigenem Entschluss mit einem Werk der Reue und Läuterung. Stets dachte Las Casas an jenen Tag im Jahr 1514 zurück, als er aufgestanden war, seinen früheren Aktivitäten abgeschworen und seine Indiosklaven zum Gouverneur zurückgeschickt hatte. Wenn er sich an diesen Tag erinnerte, war es ihm, als würde er eine alte Brandnarbe berühren. Danach war er nach Spanien zurückgekehrt und hatte sich bei den Machthabern für den Schutz der Indios eingesetzt. Das lag mittlerweile dreiundzwanzig Jahre zurück, und seitdem hatte er unermüdlich gearbeitet und seine Schriften und sein Wirken der Wiedergutmachung jener schweren Verfehlungen gewidmet, derer er sich selbst schuldig gemacht oder die er wenigstens geduldet hatte.

Er brauchte mehrere Stunden konzentrierter Arbeit, um die Buchseite vollständig zu kopieren. Danach legte er die Kopie zu den anderen Seiten, die er abgeschrieben und in einer Truhe unter einem Stapel Predigten deponiert hatte. Während er durch den Raum ging, geriet die Kerzenflamme ins Flackern. Er legte ein frisches Pergamentblatt auf den Tisch, wartete einen Moment, bis die Kerze wieder ruhig und gleichmäßig brannte und die Kammer mit ihrem warmen gelben Lichtschein erfüllte, und schickte sich an, seine nächste Aufgabe in Angriff zu nehmen. Er tauchte den Federkiel in das Tintenfass und notierte zuerst das Datum: 23. Januar 1537. Dann hielt er mit dem Federkiel über dem Pergament inne.

Geräusche, die er in unangenehmer Erinnerung hatte, drangen an seine Ohren und versetzten ihn in Angst. Es war das Stampfen der Füße marschierender Soldaten auf feuchtem Erdreich, das Klingeln von Sporen und das Klimpern von Schwertgriffen, wenn sie gegen die Säume der aus Eisen geschmiedeten Kürasse der Soldaten stießen.

»Nein«, murmelte er. »Oh Gott, nicht schon wieder. Nicht hier.« Er fühlte sich persönlich angegriffen und verraten. Gouverneur Maldonado hatte sein Wort gebrochen. Wenn es den Dominikanermönchen gelang, die Eingeborenen friedlich zu stimmen und zum christlichen Glauben zu bekehren, sollten keine Kolonisten folgen, um encomiendas für sich zu beanspruchen – erst recht sollten keine Soldaten aufmarschieren. Die Soldaten, die es nicht geschafft hatten, die Indios in diesem Landstrich im Kampf unter ihre Kontrolle zu bringen, durften nicht jetzt erscheinen und sie unter ihre Knute zwingen, nachdem die Mönche sie von der Notwendigkeit, Frieden zu wahren, überzeugt hatten.

Las Casas warf sich den schwarzen Mantel über die Schultern, riss die Tür seiner Kammer auf und rannte durch den langen Korridor, wobei seine Ledersandalen auf den steinernen Bodenplatten ein rhythmisches Klatschen erzeugten. Er konnte den Trupp spanischer Kavalleriesoldaten sehen, die allesamt kampfbereit waren, mit Schwertern und Lanzen bewaffnet. Ihre aus Toledostahl geschmiedeten Brustpanzer und Cabassets funkelten im flackernden Lichtschein des Feuers, das sie auf dem Platz entfachten, der der Kirche gegenüber lag.

Las Casas rannte auf sie zu, ruderte wild mit den Armen und rief: »Was tut ihr da? Wie könnt ihr es wagen, mitten in der Mission ein Feuer anzuzünden? Die Dächer all dieser Häuser sind mit Stroh gedeckt!«

Die Männer sahen und hörten ihn, und zwei oder drei von ihnen deuteten eine höfliche Verbeugung an, aber sie waren Berufssoldaten, Konquistadoren, und wussten, dass ihnen Diskussionen mit dem Vorsteher einer Dominikaner-Mission weder zu größeren Reichtümern noch zu größerer Macht verhelfen würden.

Als er sich ihnen fast bis auf Tuchfühlung genähert hatte, wichen sie ihm aus, traten ein, zwei Schritte zurück und vermieden es, sich auf ein Handgemenge einzulassen.

»Wo ist euer Kommandant?«, fragte er. »Ich bin Pater Bartolomé de Las Casas.« Er benutzte nur selten seinen geistlichen Titel, aber schließlich war er ein Priester, und zwar der erste, der in der Neuen Welt sein Amt ausübte. »Ich verlange, mit euerm Kommandanten zu sprechen.«

Die beiden Soldaten an der Spitze des Trupps wandten sich zu einem hochgewachsenen Mann mit dunklem Vollbart um. Las Casas fiel auf, dass die Rüstung dieses Mannes prächtiger aussah als die Kürasse und Helme der anderen Soldaten. Kunstvolle vergoldete Gravierungen bedeckten seinen Brustpanzer. Während Las Casas auf ihn zuging, befahl der Mann: »In Reih und Glied antreten!«, woraufhin sich die Soldaten in Viererreihen vor ihm aufstellten. Las Casas trat zwischen ihn und seine Truppe.

»Was hat es zu bedeuten, dass mitten in der Nacht Soldaten in die Mission eindringen? Was habt Ihr hier zu suchen?«

Der Mann musterte ihn gelangweilt. »Wir haben einen Auftrag auszuführen. Wenn Ihr Euch beschweren wollt, müsst Ihr Euch an den Gouverneur wenden.«

»Er hat mir versprochen, dass hier niemals Soldaten aufmarschieren werden.«

»Wahrscheinlich geschah das, ehe er von den teuflischen Büchern erfuhr.«

»Was hat denn der Teufel mit Büchern zu tun? Nichts. Wer so etwas glaubt, ist ein Idiot. Ihr habt kein Recht, hier zu sein.«

»Nun sind wir aber hier. Heidnische Bücher wurden gefunden und Fra Toribio de Benevente gemeldet. Er bat den Gouverneur um Hilfe.«

»Benevente? Er hat gar keine Befehlsgewalt über uns. Er ist noch nicht einmal Dominikaner, sondern Franziskaner.«

»Eure internen Streitigkeiten sind allein Eure Angelegenheit. Mich interessieren nur die sündigen Bücher, die ich suchen und vernichten soll.«

»Sie sind nicht sündig. Sie enthalten das Wissen dieser Menschen und alles, was über sie, ihre Vorfahren, ihre Nachbarn, ihre Philosophie, ihre Sprache und ihre Kosmologie bekannt ist. Diese Menschen haben hier einige tausend Jahre gelebt, und ihre Bücher sind ein wertvolles Geschenk für die Zukunft. Sie vermitteln uns Wissen und Erkenntnisse, an die wir auf anderen Wegen niemals gelangen würden.«

»Ihr unterliegt einem Irrtum, Bruder. Einige dieser Bücher habe ich mit eigenen Augen gesehen. Darin finden sich ausschließlich Bilder und Zeichen von Dämonen und Götzen, die sie verehren.«

»Diese Menschen werden zum Christentum bekehrt, einer nach dem anderen und freiwillig. Nicht so, wie die Franziskaner es tun, indem sie zehntausend Menschen gleichzeitig taufen. Die alten Götter der Maya sind nur noch als Symbole erhalten. Wir haben damit innerhalb kurzer Zeit viel Erfolg gehabt. Lasst unsere Bemühungen nicht vergebens gewesen sein, indem Ihr ihnen zeigt, dass wir Wilde sind.«

»Wir? Wilde?«

»Ja, Wilde. Ihr wisst schon – Leute, die Kunstwerke zerstören, Bücher verbrennen, Menschen töten, die sie nicht verstehen, und deren Kinder zu Sklaven machen.«

Der Kommandant wandte sich zu seinen Männern um. »Schafft ihn mir aus den Augen.«

Drei Soldaten nahmen Las Casas in die Mitte und dirigierten ihn so sanft und gewaltlos wie möglich vom Platz weg. Einer von ihnen meinte: »Pater, ich bitte Euch. Haltet Euch von dem Kommandanten fern. Er hat seine Befehle, und eher würde er sterben, als sie nicht zu befolgen.« In ausreichender Entfernung ließen sie ihn los und eilten zum Platz zurück.

Las Casas warf einen letzten langen Blick auf die Soldaten, die damit fortfuhren, ihr Feuer erst anzufachen und dann am Brennen zu halten. Die Männer in ihren Rüstungen, die hin und her rannten und alles zerkleinerten, was aus Holz bestand, und es in die hellen Flammen warfen, die über ihnen zum Himmel hochloderten, sahen eher wie Dämonen aus als wie die Gottheiten, die in den Büchern der Maya dargestellt waren. Er wandte sich ab und ging an den Lehmgebäuden der Mission vorbei. Dabei hielt er sich in ihrem Schatten, um für etwaige Beobachter unsichtbar zu bleiben. Als er den Rand des Geländes erreichte, das seinerzeit gerodet worden war, um für den Bau der Missionsstation Platz zu schaffen, gelangte er auf einen Pfad, der in den Urwald führte. Das Dickicht rechts und links des schmalen Weges war derart dicht, dass er sich bald vorkam, als durchquere er eine Felsenhöhle. Der Pfad schlängelte sich zum Fluss hinunter.

Als Las Casas dessen Ufer erreichte, sah er, dass viele Bewohner des Indiodorfs aus ihren Hütten gekommen waren und dass einige von ihnen ein Feuer angezündet hatten. Die Ankunft der fremden Soldaten war ihnen nicht verborgen geblieben, und jetzt hatten sie sich in der Mitte des Dorfes versammelt, um zu beraten, was sie tun sollten. Als er sich an sie wandte, tat er das in K’iche’, der Sprache der Maya in dieser Region. »Ich bin es – Bruder Bartolomé«, rief er. »Soldaten sind in die Mission gekommen.«

Er entdeckte Kukulcan, der noch im Eingang seiner Hütte saß. Er war in Cobán ein wichtiger Häuptling gewesen, ehe er sich entschieden hatte, zur Mission zu kommen, und nun betrachteten ihn alle anderen als ihren Anführer. Er sagte: »Wir haben sie gesehen. Was wollen sie von uns? Gold? Sklaven?«

»Sie haben es auf Bücher abgesehen. Sie verstehen sie zwar nicht, aber jemand hat ihnen erzählt, dass die Bücher der Maya böse Dinge und Magie enthalten. Aus diesem Grund wollen sie alle Bücher, die ihr besitzt, einsammeln und vernichten.«

Heftiges Murmeln wurde laut, unterbrochen von vereinzelten bestürzten Ausrufen. Die Nachricht stieß bei den Dorfbewohnern auf völliges Unverständnis, als wäre jemand erschienen, um sämtliche Bäume zu fällen, die Flüsse trocken zu legen oder die Sonne zu verdunkeln. Ihnen erschien es wie ein willkürlicher Akt reiner Bosheit, der den Soldaten ganz und gar keinen Nutzen brachte.

»Was sollen wir tun?«, fragte Kukulcan. »Uns wehren? Kämpfen?«

»Wir können nichts anderes tun, als zu versuchen, wenigstens ein paar Bücher zu retten. Sortiert die wichtigsten aus und bringt sie von hier weg.«

Kukulcan winkte seinen Sohn Tepeu zu sich, einen Mann von dreißig Jahren, der ein angesehener Krieger war. Aufgeregt flüsterten sie miteinander. Tepeu nickte. Kukulcan sagte zu Las Casas: »Es kann kein Zweifel bestehen, dass es um das Buch geht, das ich in die Mission mitgebracht habe, um es Euch zu zeigen. Es ist mehr wert als alle anderen Bücher.«

Las Casas wandte sich um und ging zum Waldweg hinüber. Tepeu holte ihn ein. »Wir müssen dort sein, bevor sie das Buch finden«, sagte er. »Beeilt Euch.« Dann rannte er los.

Tepeu schlug ein Tempo an, als könnte er im Dunkeln sehen, und da er seine Silhouette deutlich ausmachte, war Las Casas in der Lage, ihm einfacher und schnell zu folgen. Sie überwanden die Anhöhe, auf der die Mission lag, im Laufschritt. Als sie die Ebene erreichten, konnte Las Casas eine Kolonne Soldaten erkennen, die sich auf der Hauptstraße der Indiosiedlung näherte.

Las Casas brauchte die Soldaten gar nicht erst zu beobachten. Er hatte an der Ausrottung der Tainos auf Hispaniola teilgenommen und konnte sich sehr gut vorstellen, wie sie zu diesem Zeitpunkt vorgingen. Der erste Trupp brach in eine Hütte ein. Kurz darauf kam einer der Soldaten heraus, unterm Arm eines der gesuchten Bücher der Maya. Er hörte einen Mann auf Ch’olan rufen: »Ich habe es aus Copán mitgenommen, damit es keinen Schaden nimmt!« Der Schuss einer Arkebuse ließ die Erde erzittern, und ein Papageienschwarm erhob sich laut kreischend mit wildem Flügelschlag aus einer Baumkrone. Gleichzeitig sank der Mann vor seiner Hütte tödlich getroffen zu Boden.

Während Las Casas und Tepeu über das unzureichend erleuchtete Gelände hinter der Mission eilten, dachte Las Casas an Tepeus Familie. Kukulcan war Hohepriester gewesen, ein Gelehrter. Seine Familie gehörte zu der herrschenden Klasse und war von königlichem Geblüt. Als der letzte Herrscher von einer Krankheit dahingerafft worden war, hatte man ihn zum neuen Stammesführer gewählt. Er und Tepeu hatten auf ihren königlichen Federschmuck verzichtet, als sie ihr Zuhause verließen, aber Tepeu trug weiterhin die Ohrringe und die Armbänder aus grüner Jade sowie die Perlenhalskette, all dies, womit sich nur die Angehörigen des Adels der Maya zeigen durften.

Sie rannten an den Rückfronten der Gebäude entlang zu den Unterkünften der Dominikaner und trafen auf die Soldaten, die ihre Suche mit der sorgfältig zusammengetragenen Sammlung künstlerischer und kultischer Objekte der Eingeborenen beendet hatten. Beladen mit Büchern, religiösen Artefakten und Holzschnitzereien eilten sie zum Feuer auf dem Dorfplatz und warfen die Fundstücke in die Flammen.

Die Bücher der Maya waren Ergebnisse eines aufwendigen Verfahrens. Sie wurden aus langen, ziehharmonikaartig gefalteten Streifen der Rinde eines bestimmten Feigenbaums hergestellt. Die Rinde wurde mit Stärke getränkt, dann mit einem Schlägel mit geriffelter Oberfläche geglättet und gehärtet und anschließend mit einer dünnen Schicht weißer Kalkfarbe überzogen. Die Schrift- und Malfarben gewannen die Maya aus den Pigmenten, die sie in vielfältiger Form in der Natur fanden. Was die Soldaten an Büchern gefunden und aus den Gebäuden der Mission geholt hatten, warfen sie ins Feuer. Die ältesten Bücher, aufgrund ihres Alters völlig ausgetrocknet, wurden sofort ein Raub der Flammen – mit einem grellen Auflodern –, und fünfzig oder gar einhundert Buchseiten, die bis zu diesem Augenblick Jahrhunderte überstanden hatten, waren für immer verloren. Kukulcan hatte ihm erklärt, dass einige dieser Bücher mathematische Berechnungen, Ergebnisse astronomischer Untersuchungen, Angaben über die Lage längst versunkener Städte, Beschreibungen vergessener Sprachen und königliche Erlasse und Anordnungen enthielten, die gut tausend Jahre alt sein mussten. Innerhalb von Sekunden war von diesem Wissen, sorgfältig von Hand aufgeschrieben und gezeichnet, nicht mehr übrig als ein Funkenregen, der mit einer Rauchwolke zum nächtlichen Himmel aufstieg.

Tepeu bewegte sich mit nahezu traumwandlerischer Sicherheit durch die Dunkelheit. Er öffnete die schwere Holztür der Kirche weit genug, um durch den Spalt ins Innere des Kirchenraums zu schlüpfen. Las Casas hatte den Vorteil, dass er die schwarze Kutte der Dominikaner trug, die die Konturen seines Körpers verhüllte und dunkler als ein Schatten war. Einen kurzen Moment später holte er den Maya in der Kirche ein.

Er führte Tepeu durch den Mittelgang zum Altar und dann rechts daran vorbei. Sie gelangten zu einer Tür, die zur Sakristei gehörte. Im gedämpften Mondlicht, das durch die hohen Fenster drang, gingen sie an den Chorhemden und der Albe, die an Wandhaken hingen, und auch an der Kiste vorbei, in der die restlichen Messgewänder zum Schutz vor der feuchten Luft des guatemaltekischen Dschungels aufbewahrt wurden. Las Casas dirigierte Tepeu durch die kleine Tür am anderen Ende des Raums wieder hinaus.

Sie ließen die Kirche hinter sich und bogen in die überdachte Galerie ein, in der sich die Wohnzellen der Dominikaner befanden. Hier streiften sie die Sandalen ab und tappten barfuß über den Ziegelboden, um nicht durch einen verräterischen Laut auf ihre Anwesenheit aufmerksam zu machen. Am Ende der Galerie betraten sie Las Casas’ Arbeitszimmer. Tepeu ging gleich auf den schlichten Schreibtisch zu, auf dem er das Buch liegen sah. Er nahm es behutsam hoch und betrachtete es mit einem Ausdruck freudiger Erleichterung wie eine lebende Person, die unversehrt wiederzusehen er längst nicht mehr zu hoffen gewagt hatte.

Tepeu blickte sich in der Zelle um. Las Casas besaß einen Tonkrug, der mit den Darstellungen eines Maya-Königs bei alltäglichen Tätigkeiten verziert war. Las Casas hatte die Seite nach vorn gedreht, die den Herrscher bei seinen rituellen Waschungen zeigte, während auf der Rückseite, die dem Betrachter verborgen blieb, zu sehen war, wie der König seine Zunge durchbohrte, um ein Blutopfer darzubringen. Der Krug diente dem Mönch als Trinkwasserbehälter und war mit einer Art Schlinge versehen, mit deren Hilfe ihn der indianische Messdiener tragen konnte.

Tepeu schüttete das restliche Wasser in Las Casas’ Waschschüssel, dann wischte er das Innere des Topfes mit einem Lappen trocken. Anschließend legte er das wertvolle Buch in den Krug.

Las Casas trat zu einem Wandregal, in dem mehrere Bücher lagen, die er als Nächstes kopieren wollte. Er suchte zwei Maya-Bücher aus und reichte sie Tepeu. »Wir sollten so viele wie möglich vor der Vernichtung retten.«

Tepeu schüttelte bedauernd den Kopf. »Sie passen nicht mehr hinein. Aber das erste Buch ist so viel wert wie hundert von den anderen.«

»Dann werden sie ein Raub der Flammen.«

Tepeu zuckte hilflos die Achseln. »Ich bringe das Buch an einen fernen Ort, wo die Soldaten es niemals finden werden.«

»Lass dich nicht von ihnen erwischen. Sie glauben, dass du Worte des Teufels in deinem Gepäck hast.«

»Das weiß ich, Vater«, erwiderte Tepeu. »Gebt mir Euren Segen.« Er kniete nieder.

Las Casas legte eine Hand auf Tepeus Kopf und sagte auf Lateinisch: »Gnädiger Gott, halte deine schützende Hand über diesen rechtschaffenen Menschen. Er hat nichts anderes im Sinn, als das Wissen seines Volkes für spätere Generationen zu erhalten, Amen.« Er wandte sich um, ging zum Wandregal und kehrte mit drei Goldmünzen zurück. Diese ließ er in Tepeus Hand fallen.

»Das ist alles, was ich habe. Sie sollen dir helfen, alles zu beschaffen, was du auf deiner beschwerlichen Reise brauchen wirst.«

»Danke, Vater.« Tepeu ging zur Tür.

»Warte. Geh noch nicht hinaus. Ich kann sie bereits hören.« Las Casas öffnete die Tür und trat nach draußen. Beißender Brandgeruch lag in der Luft, und vom Dorf unten am Fluss drangen laute Rufe herauf. Er schirmte die Tür ab, während gerade ein Trupp Soldaten drei seiner Ordensbrüder, die versuchten, den Zugang zur Missionsstation zu versperren, zur Seite drängten. Dann brachen vier Soldaten die Tür eines Lagerraums am Ende der Galerie auf, um ihn zu durchsuchen.

Las Casas griff hinter sich und öffnete die Tür seiner Zelle. Aus den Augenwinkeln sah er flüchtig, wie Tepeu durch den Türspalt hinausschlüpfte. Er trug den Wasserkrug auf dem Rücken und hatte ihn mit einem Bauchgurt und einer Schlinge um seinen Kopf fixiert, so dass die Last gleichmäßig verteilt war. Im Laufschritt überquerte er die Waldlichtung, war nur noch für einen kurzen Moment zu sehen, und verschwand dann völlig lautlos zwischen den Bäumen.

2 – VOR DER ISLA DE GUADALUPE, MEXIKO: GEGENWART

Tausende silbern glänzende Fische schwammen an Sam und Remi Fargo vorbei, änderten unvermittelt den Kurs, schwenkten gemeinsam hierhin und dorthin, als gehorchten sie den Befehlen eines einzigen Verstandes. Das Wasser war warm und klar, und Sam und Remi, die sich in einem stählernen Käfig befanden, in dem sie vor Angriffen durch Haifische geschützt waren, hatten eine ungewöhnlich weite Sicht.

Sam hielt einen ein Meter langen Aluminiumstab mit einem kleinen scharfen Haken am Ende bereit. Es war ein Werkzeug zum Einpflanzen von Peilsendern und Erkennungsmarken in die Haut der Jäger der Ozeane. In den Wochen, seit er und Remi sich auf dieser Forschungsreise befanden, hatte er im Umgang mit diesem Hilfsmittel ein beachtliches Geschick entwickelt. Nachdem er seine Frau mit einer Geste auf den Fischschwarm aufmerksam gemacht hatte, widmete er seine Aufmerksamkeit nun wieder ihrer weiteren Umgebung.

Plötzlich entstand am Rand ihres Gesichtsfeldes ein dunkler Schatten, als kämen winzige Partikel im Wasser zusammen, um eine feste Form zu schaffen. Es stellte sich als ein Haifisch heraus. Und wie Sam und Remi dank ihrer Erfahrungen aus den letzten Wochen erwarten konnten, weckten sie seine Neugier. Er kam in einem weiten Bogen auf sie zu, wahrscheinlich angelockt von den glitzernden Fischen, die sich um den Stahlkäfig versammelt hatten und zwischen den Gitterstäben hindurchflitzten. Es stand jedoch außer Zweifel, dass sein Interesse ausschließlich Sam und Remi galt.

Beide Fargos waren erfahrene Taucher, und sie waren sich stets der Tatsache bewusst, dass man nirgendwo auf der Welt ins Meer springen konnte, ohne damit rechnen zu müssen, dass ein Haifisch auf den unerwarteten Besuch aufmerksam wurde. Im Laufe der Jahre hatten sie zahlreiche Begegnungen mit Haien gehabt, gewöhnlich mit Blauhaien, die ganz nahe herankamen, um die Badegäste in ihren Neoprenanzügen, die zu den Kelpwiesen unweit ihres Zuhauses in San Diego hinabtauchten, zu inspizieren, als mögliche Beute zu verschmähen und desinteressiert in der Weite des Ozeans zu verschwinden. Dieser Hai hingegen verkörperte die andere Möglichkeit – den albtraumhaften Räuber, ständig in Bewegung, damit das Wasser durch seine Kiemen strömte, ausgestattet mit Gesichts-, Geruchs- und Hörsinn sowie einem seinen gesamten Körper umspannenden dichten Netzwerk von Nervenfasern in der Haut, die die geringsten Schwingungen im Wasser wahrnahmen und die Fähigkeit hatten, winzigste elektrische Entladungen in den Muskeln ihrer potentiellen Opfer aufzuspüren.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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