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Beschreibung

Dem Aufruf »Eine Geschichte für Klaus« sind viele Kollegen, Freunde und PERRY RHODAN-Fans gefolgt, um dem Chefredakteur der PERRY RHODAN-Serie – Klaus N. Frick – ein würdiges Geschenk zum 60. Geburtstag zu machen. Namhafte Autoren und Autorinnen widmen ihm ihre ganz persönlichen fantastischen Geschichten. Mal ist er Teil davon, mal wird er am Rande erwähnt, und mitunter spielt der Raumfahrer Perry Rhodan darin eine wichtige Rolle. So entstand eine Anthologie mit Storys aus unterschiedlichen Genres, versehen mit farbigen Illustrationen sowie Fotos von Klaus N. Frick aus den letzten Jahrzehnten. So ein Geburtstagsgeschenk bekommt nicht jeder. Der Titel des Buches ist Zitat aus der PERRY-RHODAN-Serie, das bei den Fans längst zum geflügelten Wort geworden ist. Welcher Spruch wäre passender für jemanden, der seit Jahrzehnten die Richtung der Serie bestimmt und beinahe alles darüber weiß? Mit einem Titelbild von Thomas Rabenstein.

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Christina Hacker & Alexandra Trinley (Hrsg.)

»Das wüsste ich aber!«

60 Jahre Klaus N. Frick

AndroSF 96

Christina Hacker & Alexandra Trinley (Hrsg.)

»DAS WÜSSTE ICH ABER!«

60 Jahre Klaus N. Frick

AndroSF 96

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar.

© dieser Ausgabe: 09. Dezember 2023

p.machinery Michael Haitel

Titelbild: Thomas Rabenstein

Layout & Umschlaggestaltung: global:epropaganda

Lektorat: Christina Hacker, Alexandra Trinley, Daniela Hesse

Korrektorat: Michael Haitel

Herstellung: global:epropaganda

Verlag: p.machinery Michael Haitel

Norderweg 31, 25887 Winnert

www.pmachinery.de

für den Science Fiction Club Deutschland e. V., www.sfcd.eu

und die Perry-Rhodan-Fanzentrale e. V., www.prfz.de

ISBN der Printausgabe: 978 3 95765 359 8

ISBN des E-Books im epub-Fomat: 978 3 95765 745 9

ISBN des E-Books im PDF-Format: 978 3 95765 738 1

Christina Hacker: Vorwort

Klaus ist ein Phänomen!

Ein Phänomen, das Planeten aus ihrer Umlaufbahn zwingen kann. Wie viele andere wurde ich von ihm aus der Bahn geworfen und auf eine Reise geschickt, die ich aus eigenem Antrieb nie angetreten hätte.

Ich traf Klaus zum ersten Mal auf einem Schreibseminar in Wolfenbüttel. Zuvor kannte ich ihn nur aus den Texten seines Blogs sowie seinen Kommentaren bei Twitter. Für meinen Geschmack hat der Mann ein zu großes Ego, dachte ich damals. Mein Eindruck schien sich zu bestätigen, als er zu meinem eingereichten Romanauszug sagte: »Das war der Text, mit dem ich am wenigsten anfangen konnte.« Dann kam die Pause und alles wurde ganz anders …

Draußen vor der Schünemannschen Mühle, auf dem Steg über der Oker, unterhielten wir uns über NEO. Seine Begeisterung für die PERRY RHODAN-Serie, ja, für alles Fantastische beeindruckte mich ebenso wie sein enzyklopädisches Wissen über alles und jeden, das er ganz beiläufig anbrachte. Sei es Literatur, Geschichte oder Punkrock – Klaus kennt zu allem eine Anekdote oder kann etwas darüber erzählen. So verblüffte er mich später am Mittagstisch mit der Information, dass die Hessen und die Thüringer bei der Völkerwanderung nicht mitgemacht hatten. Ich frage mich noch heute, ob es wohl eine fantastische Geschichte oder eine Punkband gibt, die er nicht kennt oder von der er noch nie etwas gehört hat. Wahrscheinlich nicht.

An diesem Wochenende lernte ich einen Klaus kennen, der sich komplett von dem Bild unterschied, das ich mir über ihn gemacht hatte. Seine Fähigkeit, den Finger genau auf die wunde Stelle eines Textes zu legen, half mir im Seminar und später, eine bessere Autorin zu werden. Seine Begeisterungsfähigkeit für das Fandom war so ansteckend, dass es mich zur PERRY RHODAN-FanZentrale trieb, wo ich hängen blieb und dort immer mehr Aufgaben übernahm, von denen ich niemals geglaubt hatte, dass ich sie bewältigen könnte.

Klaus sieht in Menschen Fähigkeiten, die sie selbst nicht erkennen oder wahrnehmen. Er findet immer die richtigen Leute zur richtigen Zeit und brachte damit die PERRY RHODAN-Serie ins 21. Jahrhundert. Er ist ein Redakteur, der in die Zukunft sehen kann, ein Visionär, der den Blick fürs Fandom dennoch nicht verloren hat. Er weiß, was die Leser und Leserinnen mögen, was funktioniert und was nicht, und er hat den Schneid, sich durchzusetzen, egal ob gegenüber den Autoren oder der Verlagsleitung.

Seinem Gespür und seinem Fleiß ist es zu verdanken, dass noch heute – zweiundsechzig Jahre nach Erscheinen des ersten Heftes – jede Woche ein PERRY RHODAN-Roman am Kiosk liegt. Und nicht nur das, es gibt jeden Roman schon seit Jahren zusätzlich als E-Book und als Hörbuch. Was heute selbstverständlich ist, hat Klaus schon vor zwanzig Jahren erkannt und entsprechend gefördert. Ich bin mir sicher, er wird auch noch in den nächsten Jahren dafür sorgen, dass die Marke PERRY RHODAN lebendig bleibt.

Anlässlich seines sechzigsten Geburtstages haben wir von der PERRY RHODAN-FanZentrale die Gelegenheit ergriffen, Klaus mit einem besonderen Geschenk für seine Arbeit zu danken. Mit dem Aufruf »Eine Geschichte für Klaus« haben wir vor genau einem Jahr angefangen und Fans, Freunde und Kollegen von Klaus um einen Beitrag für diese Anthologie gebeten. Viele haben sich beteiligt, und ich möchte all jenen meinen Dank aussprechen. Durch sie ist eine besondere Publikation entstanden, über die sich Klaus hoffentlich freuen wird. Ich höre ihn schon sagen: »Ich bin fassungslos!«

Lieber Klaus, ich wünsche dir viel Spaß mit den Geschichten und Bildern, die größtenteils nur für dich gemacht wurden. Alles Gute zum Geburtstag und dass du der PERRY RHODAN-Serie und uns noch lange erhalten bleiben mögest.

Christina Hacker

Dezember 2023

Arndt Ellmer: Klaus Frick zum 60.

Ein Grußwort

Anfangs dachten wir uns nichts dabei. Im Lauf der Jahre machten wir uns dann doch Gedanken und entdeckten Gemeinsamkeiten und Unvereinbares. Es ist wie beim Karussellfahren. Du rufst dem anderen etwas zu und bist schon zehn Meter weiter. Er erreicht die Stelle und hört den letzten Hauch deiner Worte. Das hat schon biblische Züge an sich mit diesen Worten Gottes. Man versteht nur die Hälfte.

Bei Klaus und mir war das auch so. Irgendwie fing es an.

Es war um die Jahre 1986/1987. Über die A 81 düste ich von meinem damaligen Wohnort Würzburg zum Freucon ins beschauliche Freudenstadt, wo sich junge Menschen zusammenrotteten, um ein bisschen frischen Wind zwischen die verstaubten Tannen zu blasen. Wie das so ist auf unserer Welt, der Wind kam aus allen Richtungen. Die Katastrophe deutete sich an.

Aber da waren auch eine Menge zielgerichtet Gesinnter von überallher. Die kamen zum Freucon, um ihre Science-Fiction-Helden zu feiern. Damals schrieben wir alle noch »Science-Fiction«, also mit Bindestrich, weil wir das in der Schule so gelernt hatten. Egal in welcher.

Unsere Helden hießen Perry Rhodan und Atlan. Spock und Kirk traf man kaum. Unser SF-Horizont endet an den Sprachgrenzen.

Aber – es gab da einen jungen Mann, dem das Abi nicht reichte. Er wollte schon damals höher hinaus und weiter fort.

Und es gab einen jungen Mann, knapp zehn Jahre älter und auf dem Weg in den Orbit. Teleskop und Auto als Rüstzeug hatte er zumindest ideell die Fahrkarte zum Mars. Mond war achtzehn Jahre nach Armstrong ja eh ein alter Hut. Der junge Mann schrieb SF-Geschichten.

Ha! Klaus tat das auch. Bei ihm mischten sich Themen aus allen seinen Lieblingskulturen, SF, Punk, Rock. Das Programm des Freucons war ein Querschnitt von alledem, was wir damals schätzten.

Manches war nicht mein Ding. Wenn der Lärm zu laut wurde, dann hat es mich hinausgetrieben an die frische Luft.

Klaus machte es Spaß.

Übrigens, der Freucon hat sich etabliert und fand regelmäßig statt. Mich trieb es zwei- oder dreimal hin. Ich lernte Mama Frick kennen und Andrea, die Schwester von Klaus. Ja doch, ich meine, sie hieß Andrea.

Sagte ich schon, dass wir geografisch auf einer Zeltbahn wohnen? Acht Grad östlicher Länge, siebenundvierzig und achtundvierzig Grad nördlicher Breite? Mein Umzug nach Herrischried stand an, und dann befanden wir uns endgültig in diesem Quadranten. Nicht Millimeter genau, aber »viral«.

Jahre vergingen. Klaus fand den Weg zu dem Verlag, in dem er noch heute arbeitet. Wir liefen uns im Verlagsgebäude über den Weg. Tja, Kreise schließen sich meist ohne eigenes Zutun.

Im Lauf der Jahre wuchsen wir zusammen – arbeitstechnisch. Es gab tolle Zeiten mit Zoff und Harmonie. Unter der Schirmherrschaft von Perry haben wir uns zusammengerauft. Gründlich. Anlässlich der Beerdigung eines Kollegen hätte es fast einen Mord gegeben. Die Zeit heilt Wunden, und, bei ES, das Gras wächst schneller drüber, als die Zeit arbeiten kann.

Tja, Klaus, wir fanden es toll. Mit der Zeit wurden wir älter und reifer. Manchmal liebten wir uns, manchmal hassten wir uns. Fast nebenbei wurde die Serie immer besser. Denn wir waren nicht allein. Es kamen viele hinzu oder waren schon da, deren Begeisterung sich auf die Serie auswirkte.

Vom arbeitstechnischen Federnlassen schreibe ich jetzt nicht oder wenig. Manchmal war es zu viel. Nicht auszuhalten. Wie ein Kampfbomber abzuschmieren, ohne abzustürzen, das schafft nicht jeder.

Klaus, ich beobachte aus der Ferne (inzwischen sitze ich in der Nähe von Hamburg), wie auch du fleißig an der Reißleine bastelst. Du bist tapfer, du bist stark, die Welt rotiert mit dir. Alles ist gut. Ich glaube, du hast es heute leichter als damals. Den Gral findet jeder von uns, nur die Wege sind verschieden. Sie führen immer wieder zusammen. Ich bin gespannt.

Herzlich

Wolfgang

Wim Vandemaan: Über Klaus Frick, seine Herkunft und die Wechselfälle des Verlagsgeschäftes

Klaus Frick oder Klaus N. Frick stammt für mich aus einer Zeit, als alle noch lebten: Walter Ernsting, Mirona Thetin, Wim Thoelke, Hoss und Ben Cartwright, Iwan Iwanowitsch Goratschin, Admiral Gecko, der echte Robin, Irmina Kotschistowa, um nur einige zu nennen.

Geboren wurde Klaus Frick im Heilkurort Freudenstadt, der sich eines prächtigen Friedrichsturms rühmt, eines Panoramabades mit Saunalandschaft und eines historischen Golfclubs. Nicht aber eines Denkmals für Klaus Frick! Warum nicht? Weil er noch keines gebaut hat. Ich missbillige das. Sehe aber andererseits ein, dass er sich mit seiner Arbeit für die Weltraumserie PERRY RHODAN ein Denkmal eigener Art gesetzt, sich einen Namen gemacht hat, den man nicht eigens in Marmor meißeln muss, wovon ja eh wieder nur die Steinmetze profitieren, oder doch vor allem, was ihnen aber durchaus gegönnt sei, ein schöner, ein schwieriger Beruf (stelle ich mir vor. Im Internet habe ich die Frage gestellt gefunden: »Ist Steinmetz ein Beruf mit Zukunft?«. Die Antwort lautet: »Ja«).

Übrigens besitzt Freudenstadt auch eine Narrenzunft – man wird ausrufen: bei diesem Namen – was denn sonst!

Meines Wissens ist Klaus Frick dann aber aus Freudenstadt weggezogen.

Seit 1992 ist er Redakteur, lange schon Chefredakteur der Serie PERRY RHODAN. Man sagt, es heißt, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hat er zahlreiche »Kommissar X« und Silber-Western redigiert:

»Guten Tag, ich ermittele in diesem Fall. Mein Name ist Kommissar X. Ihr Mann, Mister Windiscale, wurde erschossen. Hatte er irgendwelche Feinde?«

»Ach Gott – meine Güte!«

»Bitte antworten Sie auf meine Frage!«

»Ich bin ein bisschen perplex, Herr Kommissar Echse.«

»Der Name war Kommissar X, nicht Kommissar Echse.«

»X – das ist ja mal ein lustiger Name. Wenn die Klassenarbeiten zurückgegeben wurden und wenn sie alphabetisch sortiert waren, mussten Sie sicher immer lange warten, oder?«

Ich höre Klaus Frick bis hier und heute seufzen: »Leute, so geht das nicht. Da ist keine Spannung drin!«

Als »Kommissar X« erschien, wurden im Verlag, glaube ich, auch noch »Fix und Foxi«, »Bussi Bär« und »Der Landser« publiziert. Der wahre Name von »Kommissar X« lautete, wie man sich erinnert, Jo Louis Walker.

Übrigens war Lupo, der Wolf aus den »Fix-und-Foxi«-Comics, anfangs ein übler Ganove, nicht nur Tagedieb und Arbeitsloser in Schrottimmobilie, sondern Mörder! Ein Crossover mit »Kommissar X« hätte sich angeboten, aber dazu ist es nicht gekommen.

Nun wird man fragen: Und »Bussi Bär«? Antwort: Der hat ein goldenes Herz und läuft bis heute. Man müsste mal wieder reinlesen.

In den frühen Jahren dachten viele Leser ja, die PERRY RHODAN-Romane seien Erlebnisberichte, aus der fernen Zukunft vom Helden selbst via Hyperfunk dem Verlag übermittelt, wo eine Stenotypistin – übrigens eine Meisterin ihres Faches, Mirona Thetinschski mit Namen – sie wortgetreu aufzeichnete; die Transkripte wurden später von Clark Darlton ins Deutsche übersetzt und von Kurt Bernhardt und Günter M(artin) Schelwokat stilistisch überarbeitet und in Kapitel eingesternchent. Dazu kamen spontane Zeichnungen des Künstlers Johannes Bruck. Aber so war das gar nicht! Woher dann diese damals verbreitete Theorie? Als das erste Heft der Weltraum-Serie erschien, musste das Erstaunen groß gewesen sein, denn im Untertitel stand: »Die grosse WELTRAUM-SERIE von K. H. Scheer und Clark Darlton«. Wo war das »ß« in »große« geblieben? Nun – im Amerikanischen gibt es kein »ß«, vielleicht auch in der Zukunft nicht? Also – ein Amerikaner, der aus der Zukunft schreibt? Womöglich aus dem Weltall? So oder ähnlich konnte man es sich erklärt haben.

Natürlich ranken sich allerlei Betriebsgeheimnisse um die redaktionelle Arbeit, und wer wäre ich, sie nicht zu verraten? Also: Während in der »guten, alten Zeit« (Adenauer, D-Mark, Spiele ohne Grenzen, Kaiserslautern Deutscher Meister und so weiter) die Autoren überwiegend aus den Physikinstituten der umliegenden Universitäten und gediegene Raketenwissenschaftler gewonnen wurden, sind es heute auch schon mal Menschen ohne solche Abschlüsse. Wie das? Bekanntlich durfte niemand Silber-Western schreiben, ohne wenigstens einen Vieh-Treck geleitet und einen Dalton-Bruder erschossen zu haben, kein »Dr. Stefan Frank«-Roman von jemandem verfasst werden, der nicht bis ins 14. Semester Gynäkologie studiert hat; kein Krimi ohne großen oder kleinen Waffenschein. Warum diese Ausnahme gerade für die Science-Fiction? Nun, dies ist eines der sogenannten Betriebsgeheimnisse, die Klaus N. Frick hütet wie seinen Augapfel.

Ich gebe zu: Wir haben uns noch auf keinem Punk-Konzert getroffen, obwohl manche Band sich dazu angeboten hätte; wir haben uns weder um einen Schluck Wasser auf einem Wüstenplaneten gerauft noch um einen Zellaktivator, wohl aber über dies und das in Exposés. Ein Beispiel aus einem aktuellen Exposé:

Klaus: »Dieses neue Volk, diese Chmzyvquqonen – könnten wir die auch anders nennen?«

Ich: »Ist das eine theoretische Frage?«

Frick: »Nein.«

Ich: »Da sie vom Planeten Chmzyvquqonenheim stammen, liegt der Name doch auf der Hand und schmeichelt sich wie von selbst in die Ohrmuschel.«

Klaus: »Und wenn wir Schakonen sagen? Schakoniden? Das würde auch den Sprechern, die die Romane einsprechen, etwas geschmeidiger über die Zunge gehen.«

Ich: seufze.

Mehr will ich nicht verraten. Man sieht: Wir fechten manchen Strauß aus. Wieso? Weil wir beide sind, was wir sind: Fans nicht der ersten Stunde, aber doch seit dem ersten Heft, das wir gelesen haben.

Dafür, dass er, Klaus N. Frick, sich diese Begeisterung bewahrt hat, diese Neugier und – ja, auch – diesen Mut, ad astra zu gehen, danke ich ihm sehr!

P. S.: Neulich saßen wir in Rastatt in unserem Lieblingsleibspeiselokal, dem China-Restaurant »Apokalypsos«, hantierten mit den Stäbchen, plauderten über dies und das, als Klausens Smartphone tönte. Er grummelte etwas, warf aber doch einen Blick auf die Nummer des Anrufers, hob die Brauen, murmelte eine Entschuldigung und meldete sich. Ich wollte nicht indiskret sein, bekam aber notgedrungen das eine oder andere mit, was hier getreulich stenografiert der Öffentlichkeit mitgeteilt sei:

Klaus: »Hallo? Hello? Oh, it’s you, sir. Major. You are … what? Where? Oh, Orion, I see. … Really? What? Why? Who? … Incredible! And you have … you really have … ? Weird! But what did … ? But … shouldn’t the enhancement of the hyperimpedancedrag … ? Oh, I see! … Okay! … Okay! … Okay! … Yes, without any doubt! That is really a surprise, and … what? Can’t believe it! But … yes, alright. Understood, sir. Boy oh boy!«

Dann legte er auf, sah eine Weile versonnen in die Ferne, schüttelte nachdenklich und wie verwundert den Kopf und sagte dann: »Leute, ich glaube, wir haben da eine wunderbare Idee für einen phänomenalen neuen Zyklus!«

Hermann Ritter: Klaus N. Frick zum 60.

Wer eine Führung durch das Museum der europäischen Fantastik bucht, wird nicht enttäuscht. Von den frühesten Zeugnissen der fantastischen Literatur bis hin zur Gegenwart des Jahres 2123 wird hier alles dokumentiert, was auch nur im Entferntesten mit dem Thema zu tun hat.

Das Museum ist glücklicherweise so konzeptioniert, dass es für einen mehrtägigen Familienausflug taugt. Während die Kleinen sich die Raumschiffmodelle des 20. Jahrhunderts anschauen oder sich lustige, zeitgenössische Filme im luxuriös im Stil der 2050er eingerichteten 3-D-Kino anschauen, können sich die Eltern anderen Dingen zuwenden. Ob man sich danach entschließt, gemeinsam in der »Laßwitz Lounge« eine Kleinigkeit zu speisen, oder ob man den Raumpatrouille-Tanzvorführungen folgt – alles hat hier seinen Platz.

Unnütz zu erwähnen, dass in der Umgebung günstige Hotelzimmer wie auch eine weit gefächerte Gastronomie zu finden sind.

Viele Besuchergruppen aus Deutschland zieht es aber in Rastatt in jenen Gebäudeflügel, der die Preziosen aus über 200 Jahren deutscher Heftroman-Geschichte beherbergt. Und natürlich ist es hier die große Ausstellung über »PERRY RHODAN«, die immer wieder begeistert und fasziniert – seien es die immer neuen Sonderausstellungen (z. B. zu den insgesamt 26 fremdsprachigen »NEO«-Ausgaben, der »PERRY RHODAN«-Filmpalast oder aber Einzelthemen wie Blues-Kochkunst oder halutische Tänze), seien es die Vitrinen mit Schätzen aus der Geschichte des »Erben des Universums«.

Immer wieder erlebt man, wie sich Reisegruppen wispernd an die Museumsführer wenden, um nach ihm zu fragen. Immer wieder erhalten sie die gleichlautende Antwort: Ganz einfach. Sie fahren mit dem Rollband bis zur nächsten Abzweigung. Dann halten Sie sich rechts am Benjamin Golling-Schrein, bis Sie am Klaus-Bollhöfener-Fach vorbeikommen. Sie müssen dann nur noch durch den Lichtbogen schreiten, und schon sind Sie da.

Natürlich lässt sich dies keiner entgehen. Und nachdem man durch den in Regenbogenfarben flimmernden »Klaus N. Frick«-Lichtbogen geschritten ist, erwarten einen drei Türen, zwischen denen man sich entscheiden muss. Links ist der »frühe Klaus« zu sehen, in der Mitte der »mittlere Klaus«, rechts dann »Klaus der Ältere«, wie er auch heute noch ehrfurchtsvoll genannt wird.

Natürlich kann man nacheinander alle Gänge besichtigen. Aber der Weg führt erst zurück zum Anfang, bevor man in einen anderen Gang hineingehen kann. Warum? So wie das Leben des Klaus in seiner Tiefe ein Mysterium bleibt, so ist auch diese Wegführung eines.

Der rechte Gang wird am wenigsten besucht, denn immerhin ist das literarische Spätwerk von Klaus N. Frick immer noch Pflichtlektüre an allen Schulen. Wer kennt nicht seine »Ghazir«-Trilogie zumindest in den Verfilmungen? Wer weiß nicht von seiner (ersten) Biografie »Vom Schwarzwald ins Sextadim«? Viele der Biopics, die sein Leben schildern, sind online verfügbar und dank der umfassenden »oral history«-Datenbank mit Erzählungen von Zeitzeugen und vielen, vor der Vernichtung geretteten Originalmitschnitten (Ton und/oder Bild) ist dieser Teil seines Lebens wohl dokumentiert.

Der mittlere Gang schildert Klaus in der vollen Kraft seiner verlegerischen Fähigkeiten. Bis zu seinem siebzigsten Geburtstag hat er nach Anpassung der deutschen Rentenregeln »PERRY RHODAN« lektoriert und in seinen schwieligen Händen jene Zügel gehalten, mit denen eine von späteren Literaturnobelpreisträgern nur so strotzende Autorenschaft geführt wurde. Hier gibt es ein von ihm bearbeitetes Originalmanuskript und sogar eine Flasche mit jenem Haargel, mit dem er auch noch in hohem Alter eine Irokesenfrisur erzeugen konnte.

Aber es ist der linke Gang, über den wir ein paar Worte verlieren wollen. Es ist der »frühe Klaus«, in dessen jungen Jahren nur wenige den Keim der Genialität erspüren konnten, der in ihm schon früh brannte. Einer der wenigen Apologeten der Weisheit dürfte – neben Christian Knirchenbrecher, Maria von Schlock und Karl-Otto Prinzler – Hermann Ritter sein, der Klaus seit dem Jahr 1979 erst postalisch (so nannte man damals das analoge Schreiben und Versenden von Nachrichten), dann persönlich auf dem FreuCon genannten »event« in Freudenstadt begleitete.

Wir wollen nicht zu viel von dem reproduzieren, was in Werken wie »Der Klausch und isch« oder »Damals in Freudenstadt« breit ausgewalzt wird. Die gemeinsamen FreuCons, die in einer riesigen, Gäste aus ganz Europa bewirtenden Veranstaltung kulminierten. Die »PERRY RHODAN«-Veranstaltungen, auf denen beide brillieren durften (wobei Hermann Ritter immer wusste, wann er zu brillieren und wann er zu schweigen hatte – jedenfalls meistens).

Doch hier gibt es auch die seltenen Dokumente aus den gemeinsamen Jahrzehnten in FOLLOW und besonders im EinhornClan, der eine mittelalterliche Kultur zur Zeit Karls des Großen mit fantastischen Elementen simuliert … wir verstehen uns.

Vielleicht war es seine Vorbildung als Historiker, die Hermann Ritter früh den Zeitlauf kommen sehen ließ, der an Klaus’ sechzigstem Geburtstag kulminierte. Wie anders soll man verstehen, dass an diesem Morgen im Jahr 2023 niemand überraschter war als Klaus N. Frick, als ihm eine Delegation der UNESCO an seinem Arbeitsplatz drei in Schweinsleder gebundene Bände (Goldschnitt, Lesebändchen) übergab, um das Antragsverfahren und die Genehmigung der Aufnahme von »PERRY RHODAN« in das Weltkulturerbe zu besiegeln. Niemand war erfreuter als Hermann Ritter über das überraschte Gesicht seines alten Freundes … und genau dieses Foto ist es, das am Ende des mittleren Ganges prangt. Der sprachlose Klaus N. Frick, überrascht vor Freude.

So soll es sein.

Norbert Fiks: Der Heftromanmord

Ein Schlag mit einem stumpfen Gegenstand. Die Todesursache war eindeutig. Er brauchte keinen Mediziner, um das festzustellen.

Hauptkommissar Johannes Brunner nahm alle Details vom Tatort auf. Am Hinterkopf der Leiche war eine böse Wunde, ein blutverschmierter Stein, an dem ein Haarbüschel klebte, lag daneben auf dem Boden. Er stammte augenscheinlich von einem Haufen ein paar Schritte entfernt, wo eine schadhafte Stelle im Weg repariert werden sollte.

Der Tote war schlank, trug Jeans, ein dunkelrotes Hemd und helle Halbschuhe. Die dunkelblonden Haare waren zu einem kurzen Zopf zusammengebunden. Er lag mit dem Gesicht nach unten vor einer Parkbank. Auf deren Sitzfläche stand eine geöffnete Plastikdose mit einem angebissenen Butterbrot und einer Möhre darin. Eine kleine Thermoskanne war umgekippt, der Inhalt ausgelaufen und auf den Boden getropft.

Wie von selbst entstand in Brunners Kopf ein Bild vom Ablauf der Ereignisse, die zum Tod des Mannes geführt hatten. Zwischen dem Opfer, das dort seine Mittagspause verbrachte, und dem Täter hatte es einen Streit gegeben. Es war zu Handgreiflichkeiten gekommen, dann ein Schlag mit dem Stein. Die Umstände sprachen für eine Affekthandlung.

Was aber war der Anlass?

Unter der Bank lag etwas Helles. Kommissar Brunner ging schnaufend in die Knie und fischte ein Heft mit einem bunten Umschlag hervor. Das Titelbild zeigte ein Raumschiff, das über einer futuristisch anmutenden Stadt aus Kuppeln und Türmen schwebte und mit einer Strahlenkanone auf ein Gebirgsmassiv im Hintergrund feuerte. In großen gelben Buchstaben stand »Das Regenbogen-Quant« darauf und etwas kleiner darunter »Ein Roman von Daniel Braun«. Die Pausenlektüre des Opfers, vermutete Brunner.

Er winkte Moltke zu sich. Sein Assistent legte einen kurzen Sprint hin. Brunner konnte ihn nicht leiden, er war ihm zu ergeben, zu eifrig, zu pingelig.

»Haben wir einen Namen?«

Moltke nickte und hielt seinem Chef eine ID-Karte vors Gesicht.

»Stefan König, dreiundvierzig Jahre alt, ledig, wohnhaft Hauptstraße fünfzig, von Beruf Systemanalytiker. Er arbeitet bei einer Firma Frick hier um die Ecke. Steht jedenfalls auf den Visitenkarten, die wir bei ihm gefunden haben.« Moltke hielt mit der anderen Hand einen Asservatenbeutel hoch. Darin sah Brunner eine Brieftasche, ein Smartphone und einen Schlüsselbund.

»Er hatte fast hundert Euro bei sich«, fügte Moltke hinzu.

Also kein Raubüberfall.

»Irgendwelche Zeugen?«

Moltke machte ein unglückliches Gesicht und schüttelte den Kopf.

»Das ist schwer vorstellbar bei all den Leuten, die hier im Park immer rumlaufen.« Brunner zeigte auf die Schaulustigen, die in einiger Entfernung hinter dem Flatterband standen und eifrig Smartphones in die Höhe hielten.

Sein Assistent sah ihn einen Moment lang irritiert an, dann schoss er davon. Manchmal war Moltke etwas schwer von Begriff. Immerhin war er fleißig.

Brunner seufzte.

Er steckte das Romanheft mit dem bunten Umschlag in eine Asservatentasche und reichte sie einem der Kollegen von der Kriminaltechnik, die gerade ihre Sachen auspackten.

»Umgebracht? Das ist unfassbar. Wer macht so etwas?« Die Frau, die sich als Abteilungsleiterin des Opfers vorgestellt hatte, war sichtlich erschüttert. Brunner ließ ihr ein paar Sekunden, um die Nachricht sacken zu lassen.

»Was hat Herr König bei Ihnen gemacht?«

Die Frau atmete ein paar Mal kräftig durch, bevor sie zu einer Antwort ansetzte.

»Er hat in erster Linie unsere ausländischen Kunden betreut. Wir entwickeln Steuerungssoftware vor allem für Überwachungssysteme. Ihre Dienststelle haben wir auch ausgerüstet.«

Brunner nickte. Er konnte sich gut an den Umbau vor ein paar Jahren erinnern. Seitdem waren in allen Räumen Kameras angebracht. Jeder, der ins Gebäude kam, wurde gescannt und dessen Bild durch die Gesichtserkennungssoftware gejagt. Funktionierte erschreckend gut.

»Gab’s im Betrieb irgendwelchen Ärger? Was für ein Mensch war König?«

Die Frau legte den Kopf leicht zur Seite, als überlegte sie.

»Herr König ist, äh, war ein Einzelgänger. Er galt als ein wenig sonderbar oder sagen wir unnahbar. Aber er machte seinen Job tadellos. Mir ist nie etwas Negatives über ihn zu Ohren gekommen. Und Ärger? Es gab bestimmt mal Meinungsunterschiede, aber wo gibt’s die nicht? Oder ist das bei der Polizei anders?«

Brunner hatte Mühe, ein Grinsen zu unterdrücken. Allein auf seiner Dienststelle kannte er ein Dutzend Leute, die sich am liebsten täglich an die Gurgel gehen würden. Er schüttelte den Kopf.

»Woran hat Herr König zuletzt gearbeitet?«

Die Frau griff nach einem Pad, um nachzuschauen.

»Das Bankhaus Müller in Echternach, das ist in Luxemburg, bekommt eine neue Alarmanlage, nichts Besonderes, ein Routineauftrag.«

Das war alles nichts. Brunner hatte das Gefühl, dass er seine Zeit verschwendete, und wandte sich zur Tür.

»Eine Frage noch: Wissen Sie etwas über Königs familiäre Verhältnisse?«

Die Frau schüttelte den Kopf.

»Stefan kam vor zwei Jahren zu uns. Er ist nicht von hier. Seine Eltern leben irgendwo in Süddeutschland, glaube ich.«

Im schummrigen Flur von Königs Wohnung, die Brunner und Moltke am nächsten Morgen aufsuchten, empfing sie eine fast nackte Schönheit. Brunner zuckte zusammen, fing sich aber gleich. Es handelte sich bloß um einen lebensgroßen Pappaufsteller, der eine leicht bekleidete Frau zeigte.

»Das ist diese Prinzessin aus Krieg der Sterne«, stieß Moltke hervor. Als er Brunners Verwirrung bemerkte, fügte er schnell hinzu: »Ein Film aus den 70er-Jahren.«

Alle Wände im Flur waren zugepflastert mit Filmplakaten. Sie zeigten Raumschiffe, Roboter, Aliens. Brunner kamen einige vage bekannt vor. Er war früher oft ins Kino gegangen, da hatte er vielleicht den einen oder anderen dieser Filme gesehen. Jetzt konnte er sich kaum einmal dazu aufraffen, vor die Tür zu gehen, geschweige denn ins Kino. Den Fernseher schaltete er nicht mehr ein, weil zu viele Krimis liefen.

Die Wohnung war klein. Zwei Zimmer, eine Küche, ein winziges Badezimmer. Das Wohnzimmer war vollgestopft mit Büchern. Hunderte füllten, offenbar nach Größe sortiert, die Regale, die an allen Wänden standen. Auch auf dem Fußboden stapelten sich Bücher und Heftromane. Moltke nahm wahllos zwei, drei in die Hand und zeigte sie Brunner. Die knallbunten Umschläge ähnelten dem vom Tatort.

»Die sind auch von diesem Daniel Braun«, sagte Moltke. »War wohl ein Fan, der Tote.«

Brunner legte die Hefte zurück und sah sich weiter um. Vor dem Fenster stand ein alter, wuchtiger Schreibtisch. Im Unterschied zum Rest des Zimmers war er fast leer. Eine Lampe stand darauf, ein Glas mit Stiften und ein großer, teuer aussehender Monitor, von dem ein Kabel auf den Schreibtisch führte. Aber kein Computer. Auf einem Zettel, der am Monitor klebte, stand etwas in einer schlecht lesbaren Handschrift.

Der Hauptkommissar drehte sich zu seinem Assistenten um, der noch immer mit den Heften und Büchern beschäftigt war, und hielt ihm den Zettel hin.

»Was für eine Sauklaue. Können Sie das lesen?«

Moltke beugte sich über das Blatt Papier.

»Hm, das heißt ›Kurier nach …‹, äh, das dritte Wort kann ich nicht lesen, könnte Weinau heißen oder Weimar, und dann steht da noch ›35000 An.‹. Vielleicht: Kurier nach Weimar, fünfunddreißigtausend Euro Anzahlung?«

»Jetzt geht die Fantasie mit Ihnen durch, Moltke. Fragen Sie mal in Königs Firma nach, ob er seinen privaten Laptop im Büro gelassen hat. Besorgen Sie ein Foto von dem Mann, die haben bestimmt eins in der Personalakte.«

Moltke ging zum Telefonieren auf den Flur, war aber schnell wieder da.

»Sie sagen, dass er sein MacBook immer dabeihatte, selbst wenn er zur Toilette ging. Er war da sehr eigen.«

Der Täter hatte den Computer mitgenommen. Das war doch schon mal was. Brunner rieb sich die Hände. Das erste Puzzleteil war gefunden.

»Wir müssen den Computer haben. König ist damit bestimmt ins Netz gegangen.«

»Ich werde eine Funkzellenauswertung veranlassen, dann haben wir zumindest eine IP-Adresse«, erwiderte Moltke.

Manchmal war der Assistent doch zu etwas nütze.

Die beiden Polizisten durchstöberten Königs Wohnung noch eine Weile, fanden aber nichts, was ihnen wichtig erschien. Der Tote besaß nichts als Bücher, der Kleiderschrank war sehr übersichtlich und enthielt nur das Nötigste, die Küche war fast leer, und der Herd sah aus, als sei er nie benutzt worden. Es gab keine persönlichen Unterlagen, keine Rechnungen oder Kontoauszüge. Brunner vermutete, dass König alles auf seinem Laptop gesichert und diesen deshalb wie seinen Augapfel gehütet hatte.

Mit einiger Mühe hatten die Kollegen in Baden-Württemberg inzwischen die Eltern von Stefan König ausgemacht. Aber deren Befragung führte zu nichts. Sie hatten ihren Sohn seit Jahren nicht gesehen. Er schickte ihnen nur zu den Feiertagen Grußkarten, und an den Geburtstagen rief er an.

König hatte offenbar überhaupt keine sozialen Kontakte gehabt. Im Adressbuch seines Smartphones fand Brunner fünf Einträge: die Eltern, die Firma, einen Zahnarzt, eine Pizzeria und die Taxizentrale.

Brunner rief bei der Taxizentrale an, er kannte den Chef und bekam umgehend eine Antwort. König hatte sich ab und zu zum Bahnhof bringen lassen. Ah, immerhin hat er mal das Haus verlassen. Noch ein Puzzleteil, aber Brunner hatte inzwischen aufgegeben, auf einen schnellen Abschluss des Falles zu hoffen. Was sie bisher wussten, war nach zwei Tagen einfach zu wenig.

Kurz vor Feierabend legte Moltke ihm seinen Bericht über die Befragung der Schaulustigen am Tatort auf den Schreibtisch. Sein Assistent hatte tatsächlich alle dreiundzwanzig Gaffer befragt und deren Personalien notiert. Brunner überflog die Aussagen, die im Wesentlichen darauf hinausliefen, dass niemand etwas gesehen haben wollte. Er hatte nichts anderes erwartet. Aber es hätte ja sein können.

Am nächsten Morgen empfing ihn Moltke, der immer als erster im Büro war, mit einem breiten, zufriedenen Grinsen.

»Wir haben den Täter. Ein Junkie. Er sitzt in Verhörraum vier, streitet natürlich alles ab.«

Brunner ging, wie er es immer tat, zuerst zum Kaffeeautomaten. Erst nachdem er den ersten Schluck genommen hatte, wandte er sich Moltke zu.

»Morgen, Moltke.«

»Äh, Morgen, Chef.«

Geht doch.

Der Junkie, der Mattes Kolbe hieß, war den Kollegen der Bundespolizei aufgefallen, weil er am Bahnhof versucht hatte, einen Laptop zu verkaufen. Jetzt saß er wie ein Häufchen Elend im Verhörraum, ein spindeldürrer Mann unbestimmbaren Alters mit wirren Haaren und fahrigen Bewegungen.

»Es ist definitiv Königs Rechner«, versicherte Moltke, »aber er ist passwortgeschützt.«

War ja klar. Brunner seufzte innerlich.

Der Junkie sprang auf, als Brunner eintrat.

»Ja, ich hab den Laptop mitgenommen, aber der Typ war schon tot. Lag da blutend im Park. Ich war’s nicht.«

Brunner drückte den Mann auf den Stuhl zurück und setzte sich ihm gegenüber.

»Jetzt beruhigen Sie sich erst mal, und dann gehen wir das alles der Reihe nach durch. Wollen Sie einen Kaffee?«

Als Brunner eine Stunde später den Verhörraum verließ, war er so schlau wie vorher. Kolbe war keinen Millimeter von seiner Aussage abgewichen. Ein zäher Bursche.

Die Indizien sprachen gegen ihn. Brunner ließ mögliche Tathergänge vor seinem inneren Auge wie einen Film ablaufen. Kolbe und König waren in Streit geraten, vielleicht hatte der Junkie König angeschnorrt oder sich einfach neben ihn auf die Bank gesetzt und dabei die Thermoskanne umgeworfen. Oder König hatte eine abfällige Bemerkung gemacht, Brunner würde es nicht wundern, nach allem, was er von dem Toten wusste. Es war zu Handgreiflichkeiten gekommen, Kolbe war vielleicht gestolpert, hatte den Stein in die Finger bekommen und zugeschlagen.

Andererseits, fand Brunner, war der Verdächtigte bei seiner Geschichte geblieben und hatte sich nicht in Widersprüche verwickelt. Je länger das Verhör gedauert hatte, desto selbstsicherer war er geworden.

»Moltke, lassen Sie Kolbe laufen. Er soll sich alle zwei Tage auf der Wache melden.«

»Aber er ist der Täter!«

Brunner schüttelte den Kopf.

»Eher nicht.«

»Und wenn er abhaut?«

»Wo soll er hin? Er ist hier geboren, seine Eltern wohnen hier, seine Kumpane, sein Dealer. Der bleibt.«

Als Brunner am Montagmorgen ins Büro kam, stand Birte Sanders vor dem Whiteboard und studierte das Material. Sie war Brunners Assistentin gewesen, bis sie als Chefin ins Betrugsdezernat gewechselt war. Brunner freute sich immer, wenn sie vorbeischaute. Sie war ein ganz anderes Kaliber als Moltke.

Birte klopfte mit dem Knöchel auf das Bild des Toten, als sie Brunner bemerkte.

»Das ist Daniel Braun.«

»Was?« Brunner verschluckte sich an seinem Kaffee und musste husten.

»Daniel Braun, der Science-Fiction-Schriftsteller.«

Brunner schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Ein Pseudonym. Das änderte alles.

»Du kennst dich mit dem Kram aus?« Brunner sah sie mit großen Augen an.

»Hab’ ich von meinem Vater geerbt. Der hat sich jeden Freitag sein Schundheft, wie er es nannte, vom Kiosk geholt. Ich glaube, das macht er immer noch, dabei ist er bald achtzig.«

Sie lachte.

Brunner wühlte in dem Stapel mit den Akten auf seinem Schreibtisch. Er hielt ihr den Beutel mit dem Heftroman hin, den er unter der Bank gefunden hatte.

»Das lag am Tatort. Er wird wohl kaum seinen eigenen Roman in der Mittagspause gelesen haben.«

Birte nahm das Heft heraus und blätterte darin.

»Du meinst, dass es der Mörder mitgebracht hat?«

Brunner nickte.

»Ich guck mal, ob mir was auffällt, das dir helfen könnte. Gib mir eine Stunde.«

Es dauerte nur eine halbe Stunde, bis Birte ihn anrief.

»In dem Roman wird Ron Gallagher, eine der langjährigen Hauptfiguren der Serie, von einem Außerirdischen umgebracht. Das hat im Transgalaktischen Forum für einen Aufschrei gesorgt. Ich könnte …«

»Was für’n Forum?«, fuhr Brunner dazwischen.

»Das ist eine Chatplattform im Internet, auf der sich die Fans der Serie austauschen. Da geht es gelegentlich richtig zur Sache, Pöbeleien, Beschimpfungen, Beleidigungen, Verleumdungen, das ganze Spektrum. Morddrohungen sind mir aber keine aufgefallen. Das Heft ist übrigens mehr als zwei Jahre alt, das hat das Opfer mit Sicherheit nicht selbst mitgebracht.«

»Das ist gut, ich danke dir. Hast mir sehr geholfen. Kannst gerne mal wieder vorbeikommen.«

Er ließ sich von Birte die Anschrift des Verlags von Stefan König alias Daniel Braun geben, dann legte er auf.

Noch ein Puzzleteil.

Der zuständige Mitarbeiter in dem Heftromanverlag, den Brunner kurz darauf anskypte, brachte kaum einen Ton raus, nachdem Brunner ihm erklärt hatte, worum es ging. Der Mann musste dreimal ansetzen, bis er den ersten Satz unfallfrei rausbrachte. Er konnte nur mühsam ein Schluchzen unterdrückten.

»Das ist nicht Ihr Ernst. Es bringt doch niemand einen Autor um, nur weil ihm der Roman nicht gefällt.«

Brunner lachte kurz auf.

»Sie glauben gar nicht, aus welch banalen Gründen schon Menschen umgebracht wurden. Tut mir leid, wenn sich das etwas hart anhört. Aber wir können das nicht ausschließen.«

»Wenn Sie meinen.«

Brunners Gegenüber schien nachzudenken, er kratzte sich am Kinn und runzelte die Stirn. Zögernd begann er, zu sprechen.

»Es gab wegen dieses Romans einen ziemlichen Trubel. Für viele Leser ist die Serie ein Teil ihres Lebens, und sie identifizieren sich mit den Figuren. Einige haben es uns übel genommen, dass wir Ron Gallagher haben sterben lassen. Daniel Braun, also Herr König, hat das sehr drastisch geschildert, er hat so eine leicht sadistische Ader. Wir haben einen Haufen böser Briefe bekommen, darunter waren bestimmt auch einige Drohungen. Das haben wir nicht ernst genommen, solche Empörungswellen gibt’s immer mal, vielleicht verliert man ein paar Leser dabei, aber die Leute beruhigen sich wieder. Es ist auch schon einige Zeit her.«

»Wann haben Sie König das letzte Mal gesehen oder gesprochen?«

»Das ist Monate her, bei einer Autorenkonferenz. Zuletzt haben wir E-Mails ausgetauscht.«

»Worum ging’s dabei?«

»Um seinen letzten Roman, das ist ganz normal. Und, bevor Sie fragen, über Privates haben wir nie geredet.«

»Sie haben die Zusendungen doch bestimmt aufbewahrt. Die hätten wir gern.«

Der Verlagsmensch nickte.

»Die müssten in unserem Archiv sein. Ich lasse Sie Ihnen raussuchen, aber das kann ein paar Tage dauern.«

Brunner verzog den Mund und legte den Kopf schief.

»Gestern wäre früh genug. Hier ist meine E-Mail-Adresse.«

Der Polizist hielt eine seiner Visitenkarten vor die Optik des Laptops. Als sein Gegenüber die Adresse abgeschrieben hatte, winkte Brunner ihm kurz zu und schaltete ab.

Moltkes Fleißarbeit am Tatort zahlte sich nun doch aus. Auf der Liste der Schaulustigen stand ein Name, der in zwei Hassmails an Königs Verlag auftauchte. Brunner ließ den Mann auf die Wache holen.

»Ich will ein Geständnis«, sagte er zu Birte, als sie in den Verhörraum gingen. Brunner hatte sie um Hilfe gebeten, weil sie sich mit Science-Fiction auskannte. Er hatte keine Lust gehabt, sich in die Materie einzuarbeiten. »Ich möchte, dass du ihn mit Bemerkungen zu diesem toten Raumfahrer aus der Reserve lockst, wenn es nötig ist.«

Peter Lilienthal war eine unauffällige Erscheinung, ein Mann Mitte dreißig mit Bart, in Jeans, einem schwarzen T-Shirt mit asiatisch anmutenden Schriftzeichen und Turnschuhen. Er tat uninteressiert, als Moltke mit ihm hereinkam. Brunner kannte diese Typen, die ihre Verunsicherung mit aufgesetztem Gleichmut zu tarnen versuchten.

»Guten Tag, Herr Lilienthal. Ich bin Hauptkommissar Brunner. Wir haben wegen des Toten im Stadtpark ein paar Fragen an Sie. Das ist meine Kollegin, Hauptkommissarin Sanders. Herrn Moltke kennen Sie ja schon.«

Lilienthal zuckte nur leicht mit den Schultern, als ginge es ihn nichts an.

»Sie wissen, was am Mittwoch im Park passiert ist?«

Der Mann nickte.

»Warum waren Sie dort?«

Brunners Gegenüber zögerte einen Moment, bevor er antwortete.

»Ich war spazieren.«

»Machen Sie das jeden Tag?«

»Ne, nur hin und wieder. Wenn ich gerade Lust habe.«

»Und Mittwoch hatten Sie Lust?«

Lilienthal nickte. »Ja, war schönes Wetter, und ich hatte Zeit.«

»Wissen Sie, wer der Tote ist? Kannten Sie Stefan König?«

Lilienthal schüttelte mit einer ruckartigen Bewegung den Kopf.

»Aber Sie wissen, wer Daniel Braun ist?«

Lilienthal schüttelte wieder den Kopf, jetzt aber viel heftiger, als wolle er einen lästigen Gedanken vertreiben.

»So, und weshalb haben Sie dann diese E-Mail geschrieben?«

Aus dem Aktendeckel, der vor ihm lag, zog Brunner ein Blatt Papier, auf dem einige Zeilen Text zu sehen waren, hervor. Moltke hatte ein paar Zitate aus einer elendig langen Mail notiert, die Lilienthal an den Heftromanverlag geschickt hatte.

»Da haben Sie geschrieben: Dieser Braun soll aufpassen, dass er mir nicht über den Weg läuft. Sonst ergeht es ihm so wie Ron Gallagher. Das ist doch der, der in dieser Science-Fiction-Story …«

Brunner schlug den Aktendeckel auf und hielt den Heftroman mit dem bunten Umschlag in die Höhe.

»… umgebracht wird.«

Der Mann rutschte auf seinem Stuhl hin und her und vermied es, einen der Polizisten anzusehen. Brunner wusste in diesem Augenblick, dass er Lilienthal am Haken hatte. Er sah kurz zu Birte Sanders. Sie nickte leicht. Jetzt war sie an der Reihe.

»Also, ich fand den Roman gut. Der war sehr spannend. Daniel Braun hat den Leser bis ganz zum Schluss im Unklaren gelassen, worum es geht, und uns immer wieder an der Nase herumgeführt. Finden Sie nicht auch?«, sagte Birte im Plauderton.

Lilienthal nickte zögernd.

»Wie Braun Gallaghers verzweifeltes Bemühen, die Gefahr durch das Regenbogen-Quant von der Erde abzuwenden, schildert, hat mich echt beeindruckt. Ein wahrer Held. Und am Ende reißt ihm dieser widerliche Mutant das Herz aus der Brust und zerquetscht es wie eine weich gekochte Kartoffel.«

Lilienthal hatte sich bei Birtes Worten versteift. Seine Gesichtszüge waren hart und angespannt geworden, als kämpfe er mit aller Kraft darum, nicht die Beherrschung zu verlieren.

»Das kann man sich doch nicht gefallen lassen, nicht wahr, Peter? Ich darf Sie doch Peter nennen?«

Der Angesprochene zuckte zusammen, als er seinen Namen hörte. Mit einem Schlag fiel die Erstarrung von ihm ab. Er sprang auf und fuchtelte mit den Armen.

»Er hat ihn umgebracht, er hat ihn einfach umgebracht, er ist ein Mörder. Ein Mörder! Ein Mörder!«

Lilienthal brüllte.

Moltke war mit einem Satz bei ihm und packte ihn mit einem Klammergriff.

Lilienthal beruhigte sich so schnell, wie er aus der Haut gefahren war.

Moltke drückte ihn zurück auf den Stuhl. Brunner stellte sich neben ihn und beugte sich zu Lilienthal runter. Der Mann war in sich zusammengesunken und schien leise zu schluchzen.

»Wie war das genau? Erzählen Sie.«

Lilienthal richtete sich auf und blickte die drei Polizisten einen nach dem anderen an. An Brunner blieb sein Blick hängen.

»Ich hatte zufällig herausgefunden, dass Daniel Braun bei uns in der Stadt wohnt und mittags immer in den Park geht. Ich wollte mit ihm reden, nur mit ihm reden. Aber er hat mir gar nicht zugehört, wollte nur seine Ruhe haben. Und dann hat er mir das Heft aus der Hand geschlagen und gesagt, ich solle verschwinden.«

»Da haben Sie zugeschlagen.«

»Ja. Da lagen Steine rum.«

Brunner war erleichtert. Das war schneller gegangen, als er erwartet hatte. Das Protokoll konnte Moltke aufnehmen. Er packte seine Unterlagen zusammen. Das Heft legte er in den Aktendeckel zurück. Lilienthals Hand zuckte nach vorne.

»Kann ich das Heft wiederhaben?«

Brunner schüttelte den Kopf.

»Nein, das ist ein Beweismittel. Tut mir leid.«

Lilienthal stöhnte wie gequält auf.

Brunner begriff.

»Deshalb waren Sie nach der Tat noch im Park. Sie wollten das Heft holen, das Sie in Ihrer Panik liegen gelassen hatten.«

Lilienthal straffte sich. In den Augen des Mannes sah Brunner so etwas wie Leidenschaft aufblitzen.

»Ja, sonst ist meine Sammlung doch nicht vollständig.«

Rüdiger Schäfer: Audienz beim dunklen Herrscher

 

Irgendwie hatte ich mir Rastatt immer anders vorgestellt. Heller. Freundlicher. Mit viel touristischem Flair. Als typische Kreisstadt in der oberrheinischen Tiefebene an der Grenze zu Frankreich. Als der Nahverkehrszug nun jedoch den Karlsruher Hauptbahnhof verließ, um mich die letzten rund 25 Kilometer bis an mein Ziel zu bringen, verdunkelte sich der Himmel und das Land schien in rötlich glimmenden Feuerschein getaucht.

In der Ferne konnte ich den Berg des höchsten Anspruchs erkennen, die mächtigste Erhebung des Stilgebirges. Sein Gipfel war von grauen Wolken verhüllt, und ich erinnerte mich wieder an die Worte meines Freundes Klaus Bollhöfener, die er mir zur Vorbereitung meines ersten Besuchs der Redaktionsfestung mitgegeben hatte. Er hatte lange Jahre unter dem dunklen Herrscher gedient und zum innersten Zirkel gezählt.

»Die Festung der sprachlichen Perfektion wird an drei Seiten von Gebirgszügen umschlossen; von den Stilbergen im Norden und den Dramaturgiebergen im Süden und im Westen. Im Nordwesten liegt das Tiefe Tal der verbotenen Begriffe, welches den einzigen Zugang zum intimsten Bereich des Anspruchsbergs bildet und dessen Boden von Redigierleichen bedeckt ist. Dort hat der dunkle Herrscher das Schwarze Tor der letzten Korrektur erbauen lassen. Jeder, der sein Reich betreten will, muss es durchschreiten.«

Ich hatte meinen Rucksack von den Schultern genommen und klammerte mich an ihm fest, als würde ich im Ozean schwimmen und er wäre ein Rettungsring, doch das wachsende Gefühl der Beklemmung wollte nicht weichen. Für einen Moment spielte ich sogar mit dem Gedanken, meinen Romantext hervorzuholen und ihn – zum wievielten Mal eigentlich? – erneut zu lesen. Vielleicht hatte ich einen winzigen Fehler übersehen, war mir ein falsches Komma oder ein Schachtelsatz durchgerutscht. Hatte ich tatsächlich alle Passivierungen entdeckt und eliminiert? War ich der Erzählperspektive immer treu geblieben? Aber das wäre sinnlos gewesen; schließlich lag dem dunklen Herrscher mein Manuskript längst vor. Je länger sich der Zug durch die ausgedörrte Ebene der abgelehnten Konzepte schob, desto ängstlicher wurde ich.

Hin und wieder sah ich Ansammlungen von flachen Hütten, die sich im Schatten der Berge zu kleinen Dörfer zusammenkauerten und in schneller Folge an mir vorbeihuschten. Aus Kaminen strebten dünne Rauchfahnen dem düsteren Himmel entgegen. Hier und da konnte ich in braune Gewänder gehüllte Gestalten ausmachen, die mit gebeugten Rücken und gesenkten Köpfen dahinschlichen. Gescheiterte Autoren, die sich dem Urteil des dunklen Herrschers unterworfen und versagt hatten. Ihre Kapuzen verhüllten kaum die schwärenden Wunden des Misserfolgs, die ihnen der Herrscher mit dem Schwert der Kritik in die Haut geschnitten hatte.

Der Zug rumpelte und quietschte. Auf den letzten Kilometern vor dem Bahnhof Rastatt waren die Gleise schon lange nicht mehr erneuert worden. Niemand wagte sich in die Nähe der Festung, wenn es sich vermeiden ließ. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich allein im Waggon war.

Die Erkenntnis, dass ich einen Fehler gemacht hatte, traf mich mit furchtbarer Gewissheit. Ja, ich hatte schon als jugendlicher PERRY RHODAN-Leser davon geträumt, einmal selbst an dieser einmaligen Serie mitschreiben zu dürfen, hatte die Autoren, die mit ihrer Kunst und Hingabe mehr als sechzig Jahre lang ein unvergleichliches Universum geschaffen hatten, verehrt und bewundert. Doch nun wurde mir klar, dass ich diese Reise in einem Anfall von Größenwahn angetreten hatte. Wie hatte ich auch nur entfernt annehmen können, dass ich würdig war, in diesen elitären Kreis aufgenommen zu werden? Wie hatte ich glauben können, dass meine Texte dem Wahrspruch des dunklen Herrschers standhalten, ja, dass er sie sogar einer Veröffentlichung wert befinden würde?

Doch es war zu spät. Ich hatte das Schwarze Tor der letzten Korrektur bereits passiert. Seine mächtigen Pfeiler, die aus Myriarden von verbrauchten Rotstiften geformt worden waren, fielen bereits hinter dem Zug zurück. Nun konnte ich diesen Ort ohne die Zustimmung des Mächtigsten unter den Mächtigen der literarischen Sphären nicht mehr verlassen.

Als der Zug schließlich zum Halten kam, blieb ich zunächst sitzen. Zum Aufstehen waren meine Knie auch viel zu schwach – und mein Magen zu unruhig. Vielleicht geschah ein Wunder. Vielleicht setzte er sich wieder in Bewegung und fuhr nach Karlsruhe zurück. Doch natürlich erfüllte sich diese Hoffnung nicht. Es blieb mir nur noch übrig, mich ins Unvermeidliche zu fügen und auszusteigen.