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Beschreibung

Der Stellenwert von Zentralen Notaufnahmen innerhalb der akut- und notfallmedizinischen Versorgungslandschaft ist in den letzten Jahren enorm angewachsen. Das gilt für die Zahl der Patienten ebenso wie für die Komplexität der Behandlungsfälle. Das breite Spektrum der Behandlungsanlässe erfordert die Zusammenarbeit aller medizinischen Fachdisziplinen eines Hauses. Zugleich kann eine Zentrale Notaufnahme nur dann erfolgreich arbeiten, wenn die erforderlichen organisatorischen, logistischen und personellen Voraussetzungen geschaffen und standardisierte medizinische Prozesse mit funktionierenden Schnittstellen zu den Fachabteilungen etabliert werden. Das ZNA-Buch hat sich als das Standardwerk für das Fach- und Führungspersonal der Zentralen Notaufnahme etabliert und vermittelt in der 3. Neuauflage die aktuell relevanten Management-Kenntnisse, Konzepte und Methoden sowie das konkrete Handwerkszeug für die interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit. Krankenhausplanern und -managern, die an Aufbau oder Weiterentwicklung einer Zentralen Notaufnahme arbeiten, bietet das Buch eine Anleitung für die Planung, Umsetzung und Optimierung einer Notaufnahme, Notfallambulanz, Rettungsstelle eines Notfallzentrums oder einer Klinik für Notfallmedizin.

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Seitenzahl: 972

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C.K. Lackner | H. Dormann | S. Sheikhzadeh | A. Gries (Hrsg.)

Das ZNA-Buch

Aufbau, Organisation und Management der Zentralen Notaufnahme

3., erweiterte und aktualisierte Auflage

mit Beiträgen von

K. Bauer | R. Bingisser | V. Blank | M. Blaschka | M. Brachmann | D. Brammen | T. Brod | J.C. Brokmann | H.-J. Busch | S. Casu | R. Deisz | C. Dodt | H. Dormann | J. Dutzmann | P.A. Eder | A. Emisch | B. Erdmann | F.G. Fabis | M. Fandler | D. Fistera | B. Fleischer | W. Fleischer | U. von Frantzki | P. Gotthardt | J. Graf | I. Gräff | A. Gries | M. Habermann | D. Häckl | K. Heimann | M. Henninger | A. Hillert | A. Hirschfeld-Warneken | A. Hüfner | S. Huggett | M. Jaster | O. Kasch | M. Kegel | C. Kill | K. Koch | M. Koll-Krüsmann | J. Koppenberg | N. Köstler | B. Kumle | C.K. Lackner | K. Lange-Kulmann | M. Lazarovici | A. Lechleuthner | P.M. Lissel | C. Machado | M. Mäder | G. Marckmann | U. Mayer-Runge | F. Meier | J. Mersmann | M. Möckel | C.H. Nickel | P. Niebuhr | S. Pemmerl | V. Pedersen | P.-F. Petersen | M. Pin | M. Plage-Firchau | S. Pohl | S. Prückner | M. Rall | A. Ramshorn-Zimmer | A. Rashid | M. Reindl | M. Reng | J. Riße | F. Salomon | D. Sauer | J. Schäfer | A. Schießl | T. Schilling | B. Schmid | T. Schöpke | A. Schultze | T. Schumann | S. Sheikhzadeh | K. Singler | A. Stewig-Nitschke | J. Thiele | B. Urban | J.M. Vesper | D. Walker | C. Weitbrecht | S. Wolfrum | B. Wrede | C. Wrede | M. Wünning

Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft

Das Herausgeber-Team

Prof. Dr. med. Christian K. Lackner

Drees & Sommer SE

Healthcare Consulting | HCC

Geisenhausenerstraße 17

81379 München

Prof. Dr. med. Harald Dormann

Zentrale Notaufnahme

Klinikum Fürth

Jakob Henle Str. 1

90766 Fürth

PD Dr. med. Sara Sheikhzadeh

Asklepios Kliniken GmbH & Co. KGaA

Rübenkamp 226

22307 Hamburg

Prof. Dr. med. André Gries, DEAA

Zentrale Notaufnahme/Beobachtungsstation Notaufnahme

Universitätsklinikum Leipzig

Liebigstraße 20

04103 Leipzig

MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG

Unterbaumstr. 4

10117 Berlin

www.mwv-berlin.de

ISBN 978-3-95466-862-5 (eBook: PDF)

ISBN 978-3-95466-863-2 (eBook: ePub)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Informationen sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Berlin, 2024

Dieses Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Im vorliegenden Werk wird zur allgemeinen Bezeichnung von Personen nur die männliche Form verwendet, gemeint sind immer alle Geschlechter, sofern nicht gesondert angegeben. Sofern Beitragende in ihren Texten gendergerechte Formulierungen wünschen, übernehmen wir diese in den entsprechenden Beiträgen oder Werken.

Die Verfassenden haben große Mühe darauf verwandt, die fachlichen Inhalte auf den Stand der Wissenschaft bei Drucklegung zu bringen. Dennoch sind Irrtümer oder Druckfehler nie auszuschließen. Der Verlag kann insbesondere bei medizinischen Beiträgen keine Gewähr übernehmen für Empfehlungen zum diagnostischen oder therapeutischen Vorgehen oder für Dosierungsanweisungen, Applikationsformen oder ähnliches. Derartige Angaben müssen vom Leser im Einzelfall anhand der Produktinformation der jeweiligen Hersteller und anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden. Eventuelle Errata zum Download finden Sie jederzeit aktuell auf der Verlags-Website

Produkt-/Projektmanagement: Lisa Maria Pilhofer, Viola Schmitt, Susann Weber, Berlin

Copy-Editing: Monika Laut-Zimmermann, Berlin

Layout, Satz und Herstellung: zweiband.media, Agentur für Mediengestaltung und -produktion GmbH, Berlin

Coverbild: sudok1/Adobe Stock

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolsdtadt

Zuschriften und Kritik an:

MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Unterbaumstr. 4, 10117 Berlin, [email protected]

Vorwort

Zentrale Notaufnahme, integriertes Notfallzentrum oder Klinik für Notfallmedizin – quo vadis ZNA? Die Akut- und Notfallmedizin befindet sich wie das gesamte Gesundheitssystem in Deutschland in einer umfassenden Transformation.

Eine Krankenhausstrukturreform ist dabei eng verzahnt mit der Reform der Akut- und Notfallversorgung und diese wiederum mit einer Reform der Rettungsdienste. Digitalisierung, künstliche Intelligenz und telemedizinische Anwendungen erweitern das Spektrum, um Antworten auf zukünftige Herausforderungen zu finden. Die Akut- und Notfallmedizin darf auf eine erfolgreiche Entwicklung zurückblicken, die wesentlich auch durch das ZNA-Buch mit seinen fortgeschriebenen Auflagen begleitet werden konnte.

Mit den Regelungen zu einem gestuften System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern gemäß § 136c SGB V konnte der G-BA erstmals einen verbindlichen Rahmen schaffen, innerhalb dessen strukturelle Voraussetzungen für die Zentralen Notaufnahmen bundesweit definiert und zur nachhaltigen Umsetzung an gestaffelte Zuschläge gebunden wurden. Hierdurch wurde auch der Weg zur weiteren Professionalisierung der ZNA-Mitarbeiter geebnet und Mindestvoraussetzungen definiert, die es gilt, im Rahmen der Krankenhausstrukturreform auch quantitativ entsprechend den Herausforderungen einer ZNA 24/7/365 fortzuschreiben.

Dies auch vor dem Hintergrund der seit 20 Jahren regelmäßig vorgelegten Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung des Gesundheitswesens zur großen Bedeutung der akutklinischen und präklinischen Versorgung.

Die Ergebnisse der seit zwei Jahren laufenden Strukturprüfungen durch den Medizinischen Dienst als Maßstab für den Grad der Erfüllung dieser Strukturmerkmale sind einigermaßen ernüchternd. Dies gilt auch für die nach 5 Jahren nicht sehr überraschend auslaufenden Übergangsregelungen zu den Qualifikationsmerkmalen der verantwortlichen Positionen in Zentralen Notaufnahmen.

Positiv ist zu vermerken, dass mit durch den G-BA-Beschluss nun erstmalig vorliegenden verbindlichen Strukturmerkmalen als erste Bemessungsgrundlagen die Klinische Akut- und Notfallmedizin im gesundheitspolitischen Reformdiskurs voll angekommen und als erfolgskritisches Strukturmerkmal der Krankenhauslandschaft akzeptiert wird. Auch wenn es die Politik auf allen Ebenen bisher vermieden hat, systemkritische Krankenhausstrukturen und ihre Standorte zu benennen, kann man davon ausgehen, dass klinische Notfallstrukturen ein systemimmanentes Merkmal sein werden.

Auch in der Wissenschaft und in der fachlichen Gremienarbeit ist die Klinische Akut- und Notfallmedizin dauerhaft angelangt und gut etabliert.

Dies würde wohl auch unser hochgeschätzter Gründungsherausgeber Prof. Dr. Heinzpeter Moecke aus der Perspektive der Erstauflage unseres Buches aus dem Jahr 2011 im Lichte der damaligen Inhalts- und Zieldefinition als echten Erfolg verbuchen. Aber es ist noch ein Weg zu gehen.

Eine Krankenhausreform wird ohne eine Akzeptanz und nachhaltige Förderung der Notfallmedizin nicht erfolgreich sein. Die durch die aktuellen demografischen Entwicklungen aufseiten der Patient:innen als auch der an der Notfallversorgung beteiligten ambulanten Gesundheitsdienstleister führen die ZNA weiter an und über ihre Belastungsgrenzen. Schlagworte wie Exit-Block, Overcrowding, Akut- und Zwangsbelegung, der Massenanfall von Verletzten/Erkrankten oder auch pandemische Ereignisse geben ein Schlaglicht auf die Vielfalt dieser Herausforderungen, die nur durch eine proaktive Entwicklung und auskömmliche Ausstattung der Zentralen Notaufnahmen zukünftig professionell weiterentwickelt werden können.

Die Begeisterung vieler Studierenden und Pflegenden, die Akut- und Notfallmedizin und die Notfallpflege mit all ihren Facetten als Innbegriff ihres Berufes leidenschaftlich leben, wächst ständig. Curriculare Qualifikationen erlauben zusätzlich einzigartige Karrierechancen. Allerdings werden innovative Arbeitszeitmodelle gebraucht, die es den Kolleg:innen auch erlauben, jahrelang dort tätig zu sein und durch ihre eingebrachten Erfahrungen zu einer weiteren Professionalisierung beizutragen.

Die Zentralen Notaufnahmen und deren zugehörige Beobachtungsstationen stellen längst eine Plattform dar, die eine umfassende und auch aus gesundheitsökonomischen Erwägungen heraus effiziente und vor allem patientenzentrierte Akut- und Notfallversorgung ermöglicht. Die Transformation hin zu einer Klinik für Akut- und Notfallmedizin hat inzwischen begonnen und der Libero im deutschen Gesundheitssystem wird zunehmend spielentscheidend. Das Herausgeber-Team wird diesbezüglich auch den Visionsaspekt der zukünftigen Mindestvorgaben an Vorhaltungen konkret formulieren.

Zentrale Aspekte und zahlreiche Fragestellungen im Kontext der Reform der Notfallversorgung als auch der Krankenhausreform werden in dieser 3. Auflage des ZNA-Buches thematisiert, diskutiert und Lösungswege aufgezeigt. Sie zeigt interessante und erfolgskritische Themen im Bereich der Digitalisierung, Infrastruktur und Hygieneaspekte dieser stark prozessgeführten Akutmedizin auf.

Einen Themenschwerpunkt mit zentraler Bedeutung in dieser Auflage bilden die Menschen in dieser klinischen Branche – Personalentwicklung, Teambuilding, Führung und erfolgreiches Changemanagement, aber auch Ethik, soziale Verantwortung und die Patientenperspektive.

Abgerundet wird die erweiterte und grundlegend überarbeitete Neuauflage durch Kapitel zu Qualität, Risiko und Recht.

Wir danken allen Autor:innen für ihre engagierte Mitarbeit, die innovativen Beiträge und für die gezeigte Geduld bei einer Neuauflage in Zeiten einer Pandemie im Kerngeschäft.

Ein herzlicher Dank geht nach Berlin an unseren Verleger Dr. Thomas Hopfe und das wunderbare Team der Medizinisch Wissenschaftlichen Verlagsgesellschaft für die nachhaltige und zielorientierte Unterstützung bei der Realisierung dieses Buchprojektes.

Wir freuen uns sehr, zusammen mit unserem Verleger Dr. Hopfe, Ihnen, den Leserinnen und Lesern, eine hoffentlich interessante Lektüre und hilfreiche Begleitung in bewegten Zeiten anbieten zu dürfen.

Wir freuen uns über Ihre Rückmeldungen und wünschen Ihnen alles Gute aus München, Fürth, Hamburg und Leipzig.

November 2023

Christian K. Lackner, Harald Dormann, Sara Sheikhzadeh und André Gries

In Memoriam

Der Initiator der 1. Auflage, Heinzpeter Moecke, hat mit Weitsicht und Gespür für neue Entwicklungen das Thema Zentrale Notaufnahme auf eine öffentliche Ebene gestellt. Mit der Bildung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Zentralen Notaufnahmen hat er 2004 allen in der Notaufnahme Tätigen eine Plattform zum interprofessionellen Austausch ermöglicht. Die Herausgeber der nun vorliegenden 3. Auflage haben Das ZNA-Buch in der Intention von Heinzpeter Moecke, auch in Respekt vor und Anerkennung seiner Leistung, weiterentwickelt.

München, Fürth, Hamburg, Leipzig, November 2023

Christian K. Lackner

Harald Dormann

Sara Sheikhzadeh

André Gries

Inhalt

IStellenwert der ZNA in der Gesundheitsversorgung

1Krankenhausplanung und ReformbedarfBrigitte Wrede

2Zahlen – Daten – Fakten – Zentrale Notaufnahmen in DeutschlandChristian K. Lackner

3Stellenwert der Notaufnahme in dem Wirtschaftsunternehmen KrankenhausChristoph Dodt

4Die Bedeutung der (Marketing-)Strategie des Krankenhauses in der NotaufnahmeStefanie Pohl

IINotaufnahme-Konzepte im Krankenhaus

1Umsetzung der Notfallversorgung am Standort – VersorgungsmodellePeter-Friedrich Petersen

2Notfallversorgung in der Fläche durch die kleinen Krankenhäuser der Basisversorgung?Michael Reng

3Beobachtungsstation an der ZNA nach GBAMichael Reindl

4Notfall- und akutmedizinische NetzwerkeChristian K. Lackner

IIIBetriebswirtschaftliche Aspekte der Klinischen Notfallmedizin

1Finanzplanung, Leistungserfassung und betriebswirtschaftliches Controlling eines NotfallzentrumsMatthias Brachmann und Martin Pin

2Erlösquellen einer NotaufnahmeFlorian Meier, Kathrin Bauer und Timo Schöpke

3Betriebswirtschaftliche Aspekte: Prozessbenchmarking von Notaufnahmen unter Zeit-, Qualitäts- und KostenaspektenKathrin Bauer und Florian Meier

IVProzesse und Schnittstellen

1Die medizinische Übergabe an der Schnittstelle Rettungsdienst – NotaufnahmeIngo Gräff

2Steuerung zwischen ambulantem und stationärem BereichTorben Brod und Vera Pedersen

3Konzepte für die ErsteinschätzungBernhard Kumle und Andreas Hirschfeld-Warneken

4Theorie und Praxis des Prozess managements/Flowmanagements in der Notaufnahme – standardisierte und reibungslose AbläufeChristian H. Nickel und Roland Bingisser

5Standard Operating Procedures (SOPs) in der NotfallmedizinMichael Wünning und Jana Marie Vesper

6Patientenflussteuerung und WartezeitenmanagementClemens Kill, Joachim Riße und Ute von Frantzki

 EXKURS:Der Patient kommt immer zuerst: Das Notfall-FlusskonzeptDaniel Walker

7Schnittstellen der ZNA mit den Fachabteilungen des KlinikumsBonaventura Schmid und Hans-Jörg Busch

 EXKURS:Crowding-Management – Exit BlockAndreas Hüfner

8ZNA und Massenanfall von Verletzten oder Erkrankten (MANV) und im KatastrophenfallAlex Lechleuthner

9Materiallogistik und Lagerhaltung in der Zentralen NotaufnahmeMarc Habermann und Christian K. Lackner

VDigitale Transformation der Notaufnahme

1Notfallmanagement an der digitalen Nahtstelle Rettungsdienst und Zentrale NotaufnahmePatrick Andreas Eder und Asarnusch Rashid

2Eine Reise durch die Notaufnahme im Jahr 2025Michael Plage-Firchau, Katharina Koch und Sara Sheikhzadeh

3Patientenselbstmanagement mit Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) rund um die NotaufnahmeMelanie Mäder, Dennis Häckl und Martin Blaschka

4Smart Emergency Department (smartED)Christian K. Lackner

5Elektronische Patientenakte in der Notaufnahme – Technische und organisatorische SchnittstellenRobert Deisz

6Disposition der weiteren Versorgung nach NotaufnahmeaufenthaltAlexandra Ramshorn-Zimmer

7Digitale KollaborationJörg Christian Brokmann

VINotaufnahme: Konzept, Planung, Bau, und Inbetriebnahme

1Prozessplanung der Notaufnahme und bauliche UmsetzungChristian K. Lackner

2Versorgung kritisch kranker bzw. verletzter Patienten(Schockraumversorgung)Tobias Schumann und André Gries

3Strukturdaten der klinischen NotfallversorgungTimo Schöpke

VIIPersonalmanagement und -entwicklung

1Die ZNA als attraktiven Arbeitsplatz gestaltenMartin Möckel

2Empfehlungen zur Personalqualifikation und zur Struktur von Integrierten NotfallzentrenHarald Dormann und André Gries

3Personalplanung, Personalbedarfsberechnung und Personalmix in der Pflege und anderen BerufsgruppenNatascha Köstler

4Personalentwicklung im KrankenhausJulia Schäfer

5Zum Umgang mit schwerwiegenden Ereignissen in der ZNA: Sind Resilienz-Trainings die Lösung?Andreas Schießl, Marion Koll-Krüsmann und Andreas Hillert

VIIIQualifikation und Fortbildung (in der klinischen Notfallmedizin)

1Zusatzweiterbildung Klinische Akut- und NotfallmedizinAndré Gries und Christoph Dodt

2Zusatzweiterbildung Klinische Akut- und Notfallmedizin – Konzept zur Umsetzung am Universitätsklinikum LeipzigAndré Gries

3Fachweiterbildung NotfallpflegeMichael Kegel

4BeginnerkurseKonrad Heimann

5Weitere Qualifikationen und regelmäßige Fortbildung (für die klinische Notfallmedizin)Jochen Thiele

6Weitere Qualifikationen für die Pflege in der ZNA (außerhalb der Fachweiterbildung Notfallpflege)Oksana Kasch

7Moderne Fortbildungsmethoden für die ZNAMartin Fandler und Philipp Gotthardt

8Fort- und Weiterbildung mit PodcastsSebastian Casu und Dorothea Sauer

IXFührung, Kommunikation, Teamentwicklung und Veränderung

1Das Notaufnahme-Team – Status, Herausforderungen und Anforderungen für die ZukunftJens Mersmann

2Führungsstruktur – Leitungsmodelle für die ZNAChristian Wrede

3Führungskompetenzen für Notaufnahmekräfte: Das Team als LeistungsträgerMichael Wünning und Anna Emisch

4Teamdynamik, -führung und -weiterentwicklungJoachim Koppenberg und Michael Henninger

5Förderung von Diversity (Diversität) und Interkulturalität: Umgang mit personeller Vielfalt in NotaufnahmeteamsAlexander Schultze und Ulrich Mayer-Runge

XQualitätsmanagement und Patientenorientierung

1Patientenzufriedenheit in der Zentralen NotaufnahmeHarald Dormann

2Notaufnahmedatensatz und AKTIN-NotaufnahmeregisterBernadett Erdmann und Dominik Brammen

3Qualitätsindikatoren (QI), Kennzahlen und BenchmarksSebastian Wolfrum

XIRisikomanagement

1Diagnose-IrrtümerJoachim Koppenberg und Christian K. Lackner

2Crew Resource Management (CRM) in der ZNAStephan Prückner, Marc Lazarovici und Bert Urban

3Fehlervermeidung und PatientensicherheitMarcus Rall

4Komplikations- und ZwischenfallmanagementJoachim Koppenberg und Christian K. Lackner

5Umgang mit FehlernJürgen Graf und Tobias Schilling

6CIRS und weitere Reporting-SystemeJoachim Koppenberg und Christian K. Lackner

7Krisenkommunikation – Risiken und Krisen in der Kommunikation managenWerner Fleischer und Benedikt Fleischer

8Arzneimitteltherapiesicherheit – eine conditio sine qua non für jede NotaufnahmeHarald Dormann

XIIHygienemanagement

1Allgemeine Hygienemaßnahmen in der ZNASusanne Huggett

2Spezielle Maßnahmen bei infektiösen PatientenSusanne Huggett

 EXKURS:ZNA und PandemieAndreas Hüfner und Sylvia Pemmerl

 EXKURS:ZNA und COVID-19-PandemieAlexandra Ramshorn-Zimmer

 EXKURS:Die Corona-Notaufnahmeampel Deutschland – Kapazitäten, Belastungen, Patienten-Frequenzen, Patienten-WegverlegungClemens Kill und David Fistera

XIIIZNA und Recht

1Die Vertragsbeziehungen bei der NotfallbehandlungFelix Georg Fabis

2Strafrechtliche Verantwortung und zivilrechtliche Haftung bei Patientenschäden; OrganisationsverschuldenKarolina Lange-Kulmann und Cornelius Weitbrecht

3Arbeitsteilung und rechtliche VerantwortungKarolina Lange-Kulmann und Cornelius Weitbrecht

4Aufklärung und Einwilligung des NotfallpatientenKarolina Lange-Kulmann und Cornelius Weitbrecht

5Dokumentationspflichten und Schutz der DatenKarolina Lange-Kulmann und Cornelius Weitbrecht

6Gewalt und Delinquenz von Patienten – rechtliche Aspekte in der ZNAPatrick M. Lissel

7Rechtsfragen bei Drogen- und Alkoholkonsum von PatientenPatrick M. Lissel

8ZwangsmaßnahmenPatrick M. Lissel

9Persönlichkeits- und Datenschutz als technisches, organisatorisches und ethisches ProblemMatthias Jaster

10Strahlenschutz und Röntgen; Medizinproduktegesetz (MPG); HygienerichtlinieKarolina Lange-Kulmann und Cornelius Weitbrecht

11KindeswohlgefährdungPatrick M. Lissel

XIVEthische Fragen und soziale Verantwortung

1Ethisches Handeln in der NotaufnahmeJochen Dutzmann

2Ökonomische Notwendigkeiten und medizinische Verantwortung – Basiswissen für die Verantwortlichen in der ZNAGeorg Marckmann

3Choosing Wisely (Klug entscheiden) im NotfallzentrumValentin Blank

4Häusliche und sexualisierte Gewalt – Handlungskompetenz in der NotaufnahmeAlexandra Ramshorn-Zimmer

5Rechtliche Aspekte bei Patienten mit Missbrauch/sexueller GewaltAlexandra Ramshorn-Zimmer

6Management von Umgang mit Gewalt in der ZNA, DeeskalationsstrategienAndrea Stewig-Nitschke und Peter Niebuhr

7Sterben und Tod in der NotaufnahmeFred Salomon

8Interkulturelle Kompetenz in der ZNACarl Machado

9Besonderheiten des geriatrischen NotfallpatientenKatrin Singler

Sachwortverzeichnis

I

Stellenwert der ZNA in der Gesundheitsversorgung

1Krankenhausplanung und ReformbedarfBrigitte Wrede

Die Länder sind gemäß Krankenhausfinanzierungsgesetz (§6 KHG) für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige, wirtschaftliche und qualitativ hochwertige Krankenhausversorgung in ihren jeweiligen Bundesländern verantwortlich. Dies wird durch die Krankenhausplanung und die Bereitstellung von Investitionen für die Krankenhäuser umgesetzt.

Die Krankenhausplanung ermittelt die Bedarfe für die stationäre Krankenhausversorgung, wobei die zugrundeliegenden Mechanismen der Bedarfsermittlung in den einzelnen Ländern unterschiedlich sein können. In einem Krankenhausplan wird zunächst eine Krankenhaus-Zielplanung festgelegt, die im Rahmen des Gestaltungsspielraumes des KHG länderspezifische Ziele für die Versorgung festlegt. In der Regel werden hierbei Ziele für die Erreichbarkeit der Krankenhäuser für die Bevölkerung sowie der Ausgestaltung der Fachabteilungen berücksichtigt, aber auch Elemente wie eine Trägervielfalt mit Berücksichtigung der wirtschaftlichen Sicherung freigemeinnütziger und privater Träger sind bundesgesetzlich festgeschrieben (§1 Satz 2 KHG) und müssen in die Zielplanung mit eingehen. In den letzten Jahren wurde zunehmend auch die Notfallversorgung Teil der Zielplanung (s.u.).

Die Planung der Krankenhauskapazitäten wird in den meisten Bundesländern derzeit nach der Anzahl der Krankenhausbetten und der entsprechenden Fachabteilungen vorgenommen. Die Krankenhäuser haben einen Anspruch auf Förderung von Investitionskosten, wenn sie mittels Feststellungsbescheid in den Krankenhausplan des Landes nach §8 Abs. 1 Satz 3 KHG aufgenommen sind. Ein Anspruch auf Aufnahme in den Krankenhausplan besteht jedoch nicht. Vor Erlass eines Bescheides wird geprüft, ob die qualitativen Aufnahmevoraussetzungen (Bedarfsgerechtigkeit, Leistungsfähigkeit/qualitativ hochwertige Versorgung, Wirtschaftlichkeit) für ein Krankenhaus vorliegen (erste Entscheidungsstufe). Übersteigt die Zahl der beantragten Betten hierbei die benötigten Krankenhausbetten zur Bedarfsdeckung, trifft das Land in der zweiten Entscheidungsstufe eine Auswahlentscheidung, welches Krankenhaus den Zielen des Krankenhausplanes am besten gerecht wird. Die Bedarfe werden vor allem mit der prozentualen Auslastung der Betten in den einzelnen Fachabteilungen ermittelt, wobei eine Auslastung von über 80% in vielen Bundesländern einen erhöhten Bedarf anzeigt.

Die Anzahl der Krankenhäuser und der Krankenhausbetten sind in Deutschland sinkend. So waren 2021 1.887 Krankenhäuser mit 483.606 Betten verzeichnet (1991: 2.411 Krankenhäuser mit 665.565 Betten) (Destatis 2023). Die überwiegende Anzahl der Krankenhäuser hatte unter 300 Betten (1.054 Krankenhäuser in 2021), ca. 10% der Krankenhäuser hatten über 800 Betten (91 in 2021).

Trotz abnehmender Zahl an Krankenhäusern und Krankenhausbetten hat sich in dem Zeitraum die Anzahl von Krankenhausfällen von ca. 14,6 Millionen in 1991 auf ca. 16,7 Millionen in 2021 erhöht, die Verweildauer hat sich von 14,0 Tagen auf 7,2 Tage halbiert. Die Bettenauslastung wird vom Statistischen Bundesamt in 2019 als letztem Jahr vor der SARS-CoV-2-Pandemie mit 77,2% angegeben (zum Vergleich: 1991: 84,1%; 2021: 68,2%).

Die kürzeren stationären Verweildauern sind einerseits auf den medizinischen Fortschritt zurückzuführen, andererseits auf die 2003 in Deutschland eingeführte Abrechnung nach DRG (Diagnosis Related Groups), wodurch die Abrechnung pauschalisiert nach Diagnosegruppen und Schweregraden erfolgt. Hierdurch war erwartet worden, dass kleinere bzw. unwirtschaftliche oder durch geringe Leistungsfähigkeit geprägte Krankenhäuser aus der Versorgung ausscheiden und eine Bereinigung der Krankenhauslandschaft erfolgt. Allerdings wurden von den Krankenhäusern Kompensationsstrategien entwickelt, die auf eine Steigerung der Effizienz der Behandlungen, eine Ausweitung des Leistungsangebotes, Fallzahlsteigerungen und die Konzentration auf besonders lukrative Leistungen abzielen.

Ein auf Wachstum ausgelegter Krankenhausmarkt mit steigenden Fallzahlen kann zu einer erhöhten prozentualen Auslastung von Fachabteilungen und damit in dem derzeitigen Mechanismus der Krankenhausplanung zu einem höheren Bedarf mit Zulassung weiterer Bettenkapazitäten führen. Im internationalen Vergleich sind die Bettenkapazitäten pro Einwohner in Deutschland mit 7,9 Betten pro 1.000 Einwohner:innen immer noch überdurchschnittlich hoch (OECD 2020), sodass seit einigen Jahren Überlegungen angestellt werden, sowohl das Vergütungssystem anzupassen, um Fehlanreize zu reduzieren, als auch die Systematik der Krankenhausplanung und Bedarfsermittlung zu überarbeiten.

Ein erster Schritt zur Reformierung der Vergütung der Krankenhausbehandlung gesetzlich versicherter Patient:innen war die 2020 erstmals wirksame Ausgliederung der Pflegepersonalkosten aus den DRG und die unmittelbare Vergütung dieser Personalkosten über Pflegebudgets im Selbstkostendeckungsprinzip. Ein weiterer umfassender Reformansatz wurde von der im Mai 2022 durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) eingerichteten Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung vorgeschlagen. Hierbei sollte eine Aufteilung der DRG-Vergütung in einen Vorhalteanteil von 40% bzw. für einige DRG von 60% und einen fallbasierten Anteil erfolgen, um die Mengenanreize zu reduzieren. Die Planung und Vergütung soll nicht mehr nach Fachabteilungen in der Systematik der Weiterbildungsordnung der Ärztekammern, sondern nach sogenannten Leistungsgruppen erfolgen und hierdurch eine Veränderung der Krankenhauslandschaft nach sich ziehen. Die Regierungskommission hat hierzu 128 Leistungsgruppen vorgeschlagen, wobei Stand Oktober 2023 eine Umsetzung auf Basis der 60 Leistungsgruppen aus dem Krankenhausplan Nordrhein-Westfalen von 2022 mit 5 zusätzlichen Leistungsgruppen, u.a. Notfallversorgung, diskutiert wird. Eine ursprünglich geplante Einteilung der Krankenhäuser in sog. Level anhand der Leistungsgruppen zum Zweck der Planung und Vergütung wurde zwischenzeitlich wieder verlassen, das Krankenhaustransparenzgesetz sieht jedoch die Abbildung von Krankenhäusern anhand von Versorgungsstufen (Level) in einem interaktiven Klinik-Atlas für die Bevölkerung vor.

Es ist unstrittig, dass eine Krankenhausreform erforderlich ist, da steigende Kosten und ein zunehmender Fachkräftemangel das wirtschaftliche Überleben vieler Krankenhäuser gefährden.

Eine Konzentrierung von Standorten und Fokussierung von komplexeren medizinischen Leistungen auf spezialisierte Standorte, verbunden mit einer Reduzierung vermeidbarer Krankenhausaufenthalte soll zu einer gezielten und gesteuerten Veränderung der Krankenhauslandschaft führen. Ob die geplante Krankenhausreform dieses Ziel erreichen kann und wird, ist derzeit nicht abschätzbar.

Die Notfallversorgung muss bei einer Reform der Krankenhauslandschaft flächendeckend und unter Berücksichtigung einer hohen Versorgungsqualität sichergestellt werden. Das Land Berlin hat auf Basis von §6 des Berliner Landeskrankenhausgesetzes bereits in 2010 Voraussetzungen zur Teilnahme von Krankenhäusern an der Notfallversorgung definiert. Für die Teilnahme an der Notfallversorgung bestehen seitdem Anforderungen im Berliner Krankenhausplan sowohl an die vorzuhaltenden Fachabteilungen als auch Struktur- und Prozessvorgaben für die Notfallversorgung dieser Krankenhäuser. Viele von diesen Anforderungen wurden auch im Rahmen der G-BA-Richtlinie zu einem gestuften System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern, die im Mai 2018 in Kraft getreten ist, festgelegt und sind damit bundesweit gültig (G-BA 2020). Durch die in der Richtlinie aufgestellten Kriterien nehmen nur noch etwas mehr als die Hälfte der Krankenhäuser in Deutschland an der Notfallversorgung teil. Nach Daten des GKV-Spitzenverbandes beteiligten sich in 2018 1.101 Häuser und in 2023 1.068 Häuser an der Notfallversorgung. Allerdings hat sich die Verteilung innerhalb der Stufen gewandelt: Die Zahl der Häuser in der Basisversorgung (Stufe 1) ist von 860 auf 633 zurückgegangen, dagegen ist die Anzahl der Häuser in der erweiterten Notfallversorgung (Stufe 2) von 144 auf 268 und in der umfassenden Notfallversorgung (Stufe 3) von 97 auf 167 angestiegen. Das Erreichen einer höheren Stufe führt zu höheren Zuschlägen und scheint dadurch für Krankenhäuser interessant zu sein, wobei dies in der Regel nur durch einen Aufbau neuer Fachabteilungen bzw. Einrichtung eines Herzkatheterlabors zu erreichen ist. Ob dies aus Sicht der Bedarfsplanung immer erforderlich ist oder ebenfalls den Versuch einer Mengenausweitung darstellt, ist zu diskutieren.

Die Stufung der Notfallversorgung sollte über strukturelle Anforderungen und einer Vorhaltefinanzierung zu einer qualitativ hochwertigeren Notfallversorgung beitragen.

Die Überlastung vieler Notaufnahmen als Missverhältnis zwischen der Anzahl der zu versorgenden Patient:innen und den eingesetzten personellen und strukturellen Ressourcen des Krankenhauses wurde hierdurch jedoch nicht reduziert. Eine Herausforderung ist hierbei, dass die Notfallversorgung gesetzgeberisch in eine stationäre Notfallversorgung in der Zuständigkeit der Krankenhäuser und einen Notdienst zu sprechstundenfreien Zeiten für ambulante Patientinnen und Patienten in der Zuständigkeit der Kassenärztlichen Vereinigungen unterteilt ist. Diese Trennung ist weder aus Sicht der Bevölkerung noch aus medizinisch fachlicher Sicht immer unmittelbar möglich. Dennoch werden in den bestehenden Lösungsvorschlägen zur Reform der Notfallversorgung diese Sektorengrenzen weitgehend beibehalten.

Die Regierungskommission hat wie auch bereits 2018 der Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege (SVR 2018) empfohlen, niedergelassene Ärzt:innen und Krankenhausärzt:innen für die Notfallversorgung in sog. Integrierten Notfallzentren (INZ) an Krankenhäusern zu konzentrieren, in denen nach einer Ersteinschätzung eine ambulante oder stationäre Notfallversorgung durch das Krankenhaus oder eine integrierte KV-Notdienstpraxis erfolgt. Obwohl das grundsätzliche Konzept bei allen an der Versorgung beteiligten Akteuren Zustimmung findet, ist die Ausgestaltung in Hinblick auf die Auswahl von Standorten und vertragsärztlichen Besetzung zu Sprechstunden- und Nachtzeiten schwierig. Eine Weiterleitung von der Ersteinschätzung direkt an vertragsärztliche Strukturen außerhalb des Krankenhausstandortes, wie von dem G-BA in der vom BMG beanstandeten Richtlinie zur Ersteinschätzung vorgesehen (Stand Oktober 2023) (G-BA 2023), wird von der Regierungskommission und auch von den Bundesländern u.a. aufgrund fehlender Daten zur Patientensicherheit und hohem Dokumentationsaufwand aktuell nicht empfohlen. Vonseiten der Krankenhausplanung ist vorstellbar, dass die Standortentscheidungen zu INZ insbesondere in den urbanen Zentren veränderte Patientenströme zur Folge haben, die Auswirkungen auf die stationäre Versorgung haben können. Daher sollte die Krankenhausplanung der Länder bei diesen Entscheidungen mit einbezogen werden.

Ein wesentlicher Punkt zur Entlastung der Notaufnahmen ist die präklinische Steuerung von Notfallpatient:innen in geeignete Versorgungsebenen. Dies wurde auch von der 4. Empfehlung der Regierungskommission aufgenommen und die Zusammenführung der Telefonnummern des KV-Notdienstes 116 117 und der Notfallrettung 112 in eine Gemeinsame Notfallleitstelle (GNLS) vorgeschlagen. Neben der Disposition von Rettungsdienst und Empfehlung zum Aufsuchen der Notaufnahmen oder vertragsärztlichen Strukturen sollen noch weitere Dienste, z.B. ambulante Notfallpflege-Dienste, zur Verfügung stehen und auch eine abschließende telemedizinische Behandlung möglich sein. Dies würde eine ganzheitliche und sektorenübergreifende Ausgestaltung der Notfallversorgung ermöglichen, die verschiedene bislang in der Notfallversorgung unterschiedlich agierende Leistungserbringer und Planungsstrukturen zusammenbringt. Die erweiterten Steuerungsmöglichkeiten werden von den meisten Ländern begrüßt und könnten eine Entlastung der Krankenhäuser bewirken, wenn möglichst viele Patientinnen und Patienten dies in Anspruch nehmen, statt direkt in die Notaufnahmen zu kommen. Derzeit wird in einer Bund-Länder-AG besprochen, wie eine gesetzliche Umsetzung solcher Vorschläge aussehen könnte.

Literatur

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G-BA (2023) Ersteinschätzungs-Richtlinie: Erstfassung. URL: https://www.g-ba.de/beschluesse/6078/ (abgerufen am 03.11.2023)

OECD (2020) Krankenhausbetten. URL: https://www.oecd.org/berlin/statistiken/krankenhausbetten.htm (abgerufen am 03.11.2023)

SVR (2018) Bedarfsgerechte Steuerung der Gesundheitsversorgung. Gutachten 2018. URL: https://www.svr-gesundheit.de/gutachten/gutachten-2018/ (abgerufen am 03.11.2023)

2Zahlen – Daten – Fakten – Zentrale Notaufnahmen in DeutschlandChristian K. Lackner

2.1Dynamische Entwicklung – Reformvorhaben

Der klinische Sektor der Zentralen Notaufnahmen erlebte in den vergangenen Jahren eine ausgesprochen dynamische Entwicklung. Während in der ersten Auflage (2011) unseres Buches über den Stellenwert und die Organisationsform, insbesondere der Notwendigkeit einer Zentralen Notaufnahme mit eigenen Leitungsfunktion auf Augenhöhe mit den anderen klinischen Fachbereichen/Abteilungen, noch kontrovers diskutiert wurde, ist seit der 2. Auflage (2017) eine gemeinsame, zentralisierte und fachübergreifende Anlaufstelle für akute Notfälle in klinischen Einrichtungen unverzichtbare Realität.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am 19. April 2018 ein gestuftes System von Notfallstrukturen nach § 136c Abs. 4 SGB V beschlossen. In dem Beschluss werden die Voraussetzungen für eine Teilnahme an der Notfallversorgung festgelegt. Dies ist die Grundlage für Verhandlungen zwischen GKV-Spitzenverband und Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) über die Höhe von Zu- und Abschlägen für die Teilnahme oder Nichtteilnahme an der Notfallversorgung.

Das System hat drei Stufen für die Teilnahme an der Notfallversorgung, die einen Zuschlag ermöglichen:

Stufe I: Basisnotfallversorgung

Stufe II: erweiterte Notfallversorgung

Stufe III: umfassende Notfallversorgung

Die Krankenhäuser, die die Mindestanforderungen an eine der drei Stufen oder eines der speziellen Notfallversorgungsmodule nicht erfüllen und sich damit nicht an der stationären Notfallversorgung beteiligen, erhalten auch keine Zuschläge. Die Vorhaltekosten für Notfallstrukturen, die finanziell unterstützt werden sollen, fallen hier nicht an.

Für Krankenhäuser, die sich nicht an der stationären Notfallversorgung beteiligen, sieht der Gesetzgeber Abschläge vor. Die Höhe der Abschläge wird nicht vom G-BA festgelegt, sondern von den Vertragspartnern auf Bundesebene vereinbart. Vertragspartner sind die DKG, der GKV-Spitzenverband und der Verband der privaten Krankenversicherung.

Im Februar 2023 empfahl die „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“, dass Patienten in medizinischen Notfällen an Krankenhäusern künftig schneller und effektiver versorgt werden sollen und zu diesem Zweck flächendeckend integrierte Notfallzentren (INZ) sowie integrierte Leitstellen (ILS) aufgebaut werden müssen.

Flächendeckender Aufbau von integrierten Leitstellen (ILS)

Hilfesuchende, die sich in einem Notfall an den Rettungsdienst (112) oder an den kassenärztlichen Notdienst (116117) wenden, sollen initial durch eine integrierte Leitstelle nach telefonischer oder telemedizinischer Ersteinschätzung der für sie am besten geeigneten Notfallstruktur zugewiesen werden.

Aufgrund unmittelbarer Erreichbarkeit rund um die Uhr, guter medizinischer Beratung und telemedizinischer ärztlicher Hilfe sowie verbindlicher Terminvermittlung sollen ILS für Betroffene so attraktiv sein, dass sie primäre Anlaufstelle in medizinischen Notfällen werden.

Durch eine von medizinisch qualifizierten Fachkräften in den ILS vorgenommene standardisierte, wissenschaftlich validierte, softwaregestützte und qualitätsgesicherte Ersteinschätzung soll eine Über- oder Unterversorgung von Notfällen verhindert werden. Gleichzeitig werden die knappen Ressourcen optimal genutzt. Notaufnahmen in Krankenhäusern sollen so möglichst nur von Hilfesuchenden genutzt werden, die diese komplexen Strukturen wirklich benötigen.

Aufbau von sog. integrierten Notfallzentren (INZ) an Krankenhäusern der erweiterten und umfassenden Notfallversorgung

INZ sollen aus einer Notaufnahme des Krankenhauses, einer KV-Notfallpraxis sowie einem „Tresen“ als zentrale Entscheidungsstelle bestehen.

Durch den Aufbau von INZ an Krankenhäusern der erweiterten und umfassenden Notfallversorgung (insgesamt derzeit rd. 420 in Deutschland) sollen Patienten durch eine bedarfsgerechte Steuerung den richtigen Strukturen zugewiesen werden – entweder in die Notaufnahme des Krankenhauses oder die Notfallpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung (KV).

Die Beteiligung sowohl der KVen als auch der Krankenhäuser am INZ ist verpflichtend. Damit ist sichergestellt, dass die Lasten gleich verteilt werden.

Zudem sollen integrierte Notfallzentren für Kinder- und Jugendmedizin (KINZ) an Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin sowie Krankenhäusern mit einer pädiatrischen Abteilung aufgebaut werden.

Trotz aller Strukturvorgaben und der Knüpfung der Vorgabenerfüllung an die Zuweisung des Notfall-Strukturzuschlages (nach MD-Prüfung) verbergen sich hinter dem Begriff „Zentrale Notaufnahme“ (ZNA) weiterhin differente Strukturen, und die Begriffe „interdisziplinär“ und „zentral“ sind bis heute in diesem Versorgungssektor keineswegs homogen realisiert. Die Ergebnisse der seit 2021 angelaufenen Strukturprüfungen mit einer Durchfallquote von bis zu 50% je nach Bundesland zeigen die noch existente Strukturheterogenität in Deutschland.

Zentrale Notaufnahmen sind bei genauerer Analyse strukturell sehr different und individuell, da sie häufig tradiert gewachsen sind und in direkter Abhängigkeit zu den sie umgebenden klinischen Strukturen des jeweiligen Akutkrankenhauses oder Klinikums stehen.

Die widerspiegelt sich auch in den heterogenen Ergebnissen der ZNA-Strukturprüfungen (G-BA-Strukturerfordernisse). Häufigster Anlass für sogenannte kritische Abweichungen und gar das Nicht-Bestehen der G-BA-Strukturprüfung waren die Nichteinhaltung der Qualifikationserfordernisse der Ärztlichen Leitung der ZNA und der obligaten 10-Minuten-Frist für die triagierende Erstbeurteilung samt digitaler Dokumentation. Auch die Vorgabe des 30-Minuten Eintreff-Intervalls definierter Fachärzte würde immer wieder als Mangel detektiert.

Es bleibt die Erkenntnis aus dem Scheitern vieler – auch großer – Kliniken im Rahmen der ersten MD-Strukturprüfungen, dass bei vielen ZNAs dokumentierte und gelebte klinische Struktur- und Organisationskonzepte fehlten, wodurch die Erfüllung der vorgegebenen Prozess-Zeitintervalle sichergestellt wird.

2.2Zahlen – Daten – Fakten

Mit 11 Millionen Patienten jährlich übernehmen Zentrale Notaufnahmen in Deutschland den größeren Anteil der zusammen mit dem Ärztlichen Besuchsdienst ambulant behandelten 19 Millionen Akut- und Notfallpatienten. Zusammen mit 8,7 Millionen nach Diagnostik und Behandlung stationär verbleibenden Patienten liegt die Hauptlast der Akut- und Notfallversorgung in Deutschland weiterhin in den Zentralen Notaufnahmen der deutschen Kliniken.

Trotz oder aufgrund dieser sehr dynamischen Entwicklungen der strukturellen Implementierung von ZNAs gibt es bis zum heutigen Tag keine umfassende und aktuelle zentrale Datenbank, die verlässlich über Anzahl, Struktur- und Prozessqualität deutscher Notaufnahmen Auskunft geben könnte. Das AKTIN-Register (s.o.) könnte hier als in der Praxis erprobtes Rollenmodel gelten.

Eine ungebrochene Zunahme der Inanspruchnahme bringt insbesondere Notaufnahmen in Ballungszentren seit Jahren über ihre Kapazitätsgrenzen. Die Patientensicherheit ist in diesem Kontext eine erhebliche Herausforderung.

An einer Stichtagserhebung im Sommer 2022 der DGINA, an der sich 34% aller Notfallkliniken in Deutschland beteiligten, bezeichneten nur 7,6% der Befragten ihr Patientenaufkommen am Vortag als normal oder gering. 65,7% berichteten dagegen im gleichen Zeitraum von einer Überlastung bis hin zu einer schwerwiegenden oder sogar gefährlichen Überfüllung („Overcrowding“). Ein sogenanntes Overcrowding wird nicht alleine dadurch induziert, dass viele Patienten in eine Notaufnahme kommen, sondern vor allem dadurch, dass die Patienten nicht rasch genug auf Normal- oder Intensivstationen weiterverlegt werden können, weil dort Betten fehlen. Von einem solchen „exit block“ in den vergangenen 24 Stunden berichteten 84% der Umfrageteilnehmer. Dies zeigt, dass das Problem der fehlenden Betten für Notfälle in den Kliniken gegenüber den Vorjahren noch einmal deutlich zugenommen hat. Den Kliniken fehlen seit Corona im Gesamtdurchschnitt 24% der möglichen Planbetten als tatsächlich belegbare Ressource, und das spüren ZNAs sehr deutlich.

Immer mehr ZNAs sind deshalb im kontinuierlichen Austausch mit ihren zuständigen Integrierten Leitstellen. Obwohl in knapp 60% der Fälle exit-block-Situationen und damit eine aktuell bestehende Kapazitätserschöpfung an die zuständige Integrierte Leitstelle gemeldet worden war, wurden fast allen „abgemeldeten“ Kliniken (94,4%) weiterhin Notfallpatienten zugewiesen. Gleichzeitig fehlt den befragten Notaufnahmen Personal. In der Umfrage gaben 98,6% an, von Personalengpässen betroffen zu sein – verursacht durch unbesetzte pflegerische und/oder ärztliche Stellen (82,3%) und krankheitsbedingte Ausfälle (75,4%).

2.3Einweisungs- und Fallarten

Es gibt aktuell eine ganze Reihe von Befunden in der Literatur, die Patientenkollektive untersuchen, die innerhalb von definierten Intervallen mehrfach eine Notaufnahme aufgesucht haben. Grundsätzliche Zielparameter sind in der Regel Krankenhausmortalität, die Aufnahme auf Intensivstationen und die Gesamtaufenthaltsdauer im Krankenhaus sowie die spezifischen case-basierten Krankenhauskosten. Was bei diesen Studien auffällt: Obwohl vergleichbare Zielparameter zur Anwendung kommen, werden sehr unterschiedliche Ergebnisse und daraus resultierende Schlussfolgerungen publiziert. Dieses Kollektiv stellt in fast allen westlichen Notaufnahmen einen erheblichen Anteil dar, doch ist es noch nicht gelungen, die wesentlichen Charakteristika und Einflussgrößen konsistent darzulegen.

Haupteinweiser in Zentrale Notaufnahmen sind mit knapp 50% Rettungs- und Notarztdienst (RD 36%, NEF 11%, RTH 1%), gefolgt von Selbsteinweisung (45%). Lediglich 8–10% der Patienten werden von niedergelassenen Ärzten eingewiesen, davon die Mehrzahl (60%) im Zeitraum zwischen 7–14 Uhr.

Nach Diagnostik und Behandlung in der ZNA wurden 63% der Patienten direkt wieder entlassen und 37% zur weiteren Behandlung stationär aufgenommen. Neben den klassischen und klinischen Untersuchungsmethoden und der Anamnesebildung sind bildgebende bedside-Verfahren sowie eine fokussierte und effiziente Labordiagnostik in jeder modernen deutschen Notaufnahme ein gleichermaßen zielführender wie erfolgskritischer Faktor. Die sichere Beherrschung dieser diagnostischen Methoden ist für Mitarbeiter in einer Zentralen Notaufnahme das Fundament risikoarmen und patientensicherheitsorientierten Handelns in der ZNA-Routine.

Bei rettungsdienstlichen Zuweisungen liegt die stationäre Aufnahmerate mit bis zu 80% höher als bei Zuweisungen durch einen Arzt (38%) bzw. bei Selbsteinweisungen (16%). Daten des AKTIN-Projektes zeigen eine deutliche Abhängigkeit von der Versorgungsstufe: Kliniken der umfassenden Notfallversorgung verzeichnen rund 35% rettungs- bzw. notärztliche Zuweisungen und einen mit 47% mit dem UKL vergleichbaren Anteil an Selbsteinweisern. Eine Analyse von 525.000 Behandlungsfällen in Münchener Notaufnahmen ergab, dass rund 60–85% der Patienten nach Diagnostik und Behandlung aus der ZNA wieder entlassen werden.

Im niedergelassenen bzw. KV-Sektor scheint eine akutmedizinische Abklärung selbst zu Praxisöffnungszeiten überwiegend nicht möglich: In der Studie von A. Gries erfolgten über 60% der Zuweisungen aus dem niedergelassenen Bereich während der Vormittagsstunden, in welchen die Praxen de facto geöffnet waren. Wiederum über 60% dieser aus dem niedergelassenen Bereich zugewiesenen Patienten konnten die ZNA nach der Behandlung wieder verlassen. Eine im niedergelassenen Bereich nicht sicher mögliche Diagnosestellung und Einschätzung hinsichtlich der Notwendigkeit einer stationären Aufnahme zeigen auch Daten früherer Untersuchungen mit weniger als 50% Übereinstimmung zwischen Einweisungs- und ZNA-Diagnose. Bestätigt wurden diese Befunde auch durch die PiNo-Studie in fünf norddeutschen Notaufnahmen. Sie ergab bei als „nicht sofort“ bzw. „nicht sehr dringend“ eingeschätzten Selbsteinweisern mit chronischen Erkrankungen kein unnötiges Aufsuchen der Notaufnahme.

Der hohe Anteil der direkt aus der ZNA wieder entlassenen Patienten unterstreicht die Notwendigkeit einer verbesserten Steuerung dieser Patientengruppen sowie den akuten Innovations- und Strukturbedarf an weiteren ambulanten Versorgungsmöglichkeiten. Die Etablierung von Notfall-, Allgemeinarzt- oder auch Portalpraxen an oder in der Klinik oder ihrer unmittelbaren Nähe werden bundesweit seit dem Gutachten des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (2018) als mögliche Lösungen etabliert.

2.4Beständige Kapazitätsüberforderung

Zu einem grundsätzlichen Problem ist das kontinuierlich anwachsende Patientenaufkommen geworden.

Aufgrund der überbordenden Inanspruchnahme der Zentralen Notaufnahmen – und dieser Trend wird sich in den nächsten Jahren aus soziodemographischen Gründen nochmals beschleunigen – rücken die Triage und ökonomisch beherrschbare und zielführende diagnostische Verfahren, die schnelles und gezieltes Handeln, gerade unter Zeitdruck, risikoarm gestalten, in den Vordergrund. Die verschiedenen Trägersysteme sind heutzutage gut evaluiert und geben auch für weniger geübte Anwender ein hohes Maß an sicherheitsorientierten Korridoren des Handelns vor. Dennoch bleibt Unsicherheit eine konstante Variable der Notaufnahme.

Ein erheblicher Anteil der Patienten benötigte nicht die Notfallversorgungen in einem Krankenhaus. Diese Unterscheidung der Dringlichkeit in Diagnose und Therapie ist zu einer zentralen Herausforderung für die immer knapper werdenden Ressourcen in Zentralen Notaufnahmen geworden.

Auch die zum Teil noch veralteten Binnenstrukturen von Krankenhäusern – hier insbesondere das Belegungsmanagement – stehen dieser zunehmenden Inanspruchnahme nicht selten substanziell entgegen. Insbesondere in den Winter- und Frühjahrsmonaten ist der verzögerte Patientenabfluss aus der Notaufnahme ein substanzielles Problem der zu diesem Zeitpunkt hoch frequentierten Einrichtungen. Negative Auswirkungen auf den gesamten Versorgungsprozess sind implizit. Bis heute wird in vielen Kliniken die Notwendigkeit eines kontinuierlichen Belegungs- und Entlassmanagement nicht konsequent umgesetzt.

Die Etablierung von Beobachtungsstationen, organisatorisch zugeordnet zu Strukturen der zentralen Notaufnahmen, waren häufig auch nicht in der Lage, hier entsprechend Abhilfe zu schaffen. Die vorgegebene Verweildauer von maximal 24 Stunden wird in großen Kliniken regelmäßig geradezu ignoriert. Nicht selten liegen Patienten auf diesen Beobachtungsstationen für mehrere Tage, sodass der Eindruck entsteht, als würden die Beobachtungsstationen an Zentralen Notaufnahmen von den Leitungspersonen der klinischen Abteilungen als eine Art „verlängerte Werkbank“ wahrgenommen.

2.5Anhaltender Reformbedarf

Bis 2025 wird sich die Zahl der niedergelassenen Kollegen etwa um 15.000 Ärzte im Bundesgebiet vermindern – bereits heute haben 10% aller berufstätigen Ärzten das 65. Lebensjahr vollendet. Weitere 13% seien zwischen 60 und 65 Jahre alt. Mehr als jeder fünfte berufstätige Arzt wird mittelfristig aus dem Berufsleben ausscheiden.

Im gleichen Zeitraum werden nach aktuellen Berechnungen etwa 20.000 Klinikärzte das 65. Lebensjahr erreichen und damit mehrheitlich in den Ruhestand gehen. Parallel hierzu ist die Entwicklung der anhaltenden Anpassung – zumeist Reduzierung – von Stellenkegeln in den klinischen Bereichen ein weiterer determinierender Faktor, der die immer dynamischere Entwicklung verschärft. So wird spätestens ab 2025 eine epidemiologisch induzierte höhere Anzahl ernsthaft Erkrankter einer immer geringer werdenden Zahl an Behandlern gegenüberstehen.

Erschwerend kommt hinzu, dass ein großer Anteil der nun in den Markt eintretenden jungen Facharztkollegen keine eigene Praxisgründung oder -übernahme mehr anstreben. Sie bevorzugen vielmehr das Angestelltenverhältnis in Kliniken oder medizinischen Versorgungszentren vor allem in Ballungsräumen und suburbanen Regionen. Dies bedeutet, dass eine Vielzahl der aktuell niedergelassenen Kollegen – vor allem in ländlichen und ohnehin strukturarmen Regionen - keinen Nachfolge finden werden und somit eine weiter ansteigende Anzahl von den Patienten entweder über MVZ-Strukturen oder in noch weiter ansteigen Maße den klinischen Strukturen ihre größeren und kleineren akutmedizinischen Probleme werden zu lösen versuchen.

Eine signifikante und zunehmend schwierig zu meisternde Herausforderung für den sicheren Betrieb von Zentralen Notaufnahmen ist die Ressourcenplanung für einen angepassten Personaleinsatz. Aufgrund der starken und kontinuierlichen Inanspruchnahme klinischer Notaufnahmen insbesondere wochentags in den Abendstunden sowie an den Wochenenden sind abgestimmte Personalorganisationsmaßnahmen gefordert.

Hierfür muss eine kontinuierliche und ausreichend lange Einsatzzeit von Assistenzärzten in der ZNA gewährleistet werden, was zu zunehmender Kompetition mit anderen Fachgebieten führt. Denn in Zeiten knapper werdender Personalressourcen und zunehmenden Nachwuchsmangels entwickeln diese selbst Probleme bezüglich der Sicherstellung von ausreichender personeller Besetzung in Abteilungen, Stationen und Funktionsbereichen.

Hinzu kommen ein noch in vielen Kliniken vorgefundenes, nicht effektives oder auch nicht umfassend etabliertes Risikomanagement, bauliche Unzulänglichkeiten mit unzureichenden Überwachungsmöglichkeiten und eine unübersichtliche Wegeführung innerhalb der Kliniken. An vielen Schnittstellen sieht sich die Zentrale Notaufnahme strukturellen und prozessualen Problemen der eigenen Klinik gegenüber. Besonders ausgeprägt ist dies in Kliniken, in denen ein systematisches und in der Routine sich ständig etabliertes Belegungsmanagement noch nicht störungsfrei implementiert ist. Die Fortentwicklung klinischer Strukturen und Prozesse eines Krankenhauses ist und bleibt wohl auch zukünftig für die dort situierte Notaufnahme ein erfolgskritisches Moment.

Dies wird wohl in Zukunft weiterhin dazu führen, dass sich zahlreiche Kliniken informell von der Akut- und Notfallversorgung verabschieden, dies nicht ausreichend kommunizieren und damit einen schleichenden Beitrag leisten, dass die akutklinische Versorgung zu Gunsten des elektiven Versorgungsportfolios weiter arrodiert.

Neben ökonomischen Aspekten, wie der Anpassung der Krankenhausfinanzierung unter angemessener Berücksichtigung der Vorhaltekosten Zentraler Notaufnahmen und einer überregionalen Strukturplanung, ist die abgestimmte Kooperation mit dem kassenärztlichen Sektor innerhalb der transsektoralen Zusammenarbeit und dies insbesondere mit den sogenannten kassenärztlichen Notdiensten ein zentraler und erfolgskritischer Aspekt.

Literatur

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3Stellenwert der Notaufnahme in dem Wirtschaftsunternehmen KrankenhausChristoph Dodt

Medizinisch und wirtschaftlich erfolgreiche Krankenhäuser haben eine klare strategische Ausrichtung. Sie nehmen in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld die Herausforderungen der sich ständig weiterentwickelnden modernen Medizin an und stellen sich der Aufgabe, zu jeder Zeit die optimale Lösung für die gesundheitlichen Probleme der ihnen anvertrauten Patienten zu finden und so effizient wie möglich umzusetzen.

Unter dem aktuell vorherrschenden Prinzip der pauschalierten Vergütung nach dem Diagnosis Related Groups (DRG) System sind Krankenhäuser auf der Einnahmeseite wirtschaftlich besonders erfolgreich, wenn dort Patienten mit einer klar umschriebenen Diagnose mit einem definierten, gut planbaren Behandlungsprozess, der eine besonders hohe Vergütung im Verhältnis zu den aufgewendeten Kosten garantiert, behandelt werden. Idealerweise stellen sich die Patienten geplant bereits mit allen relevanten Befunden in der Klinik vor und dort wird punktgenau die erforderliche Intervention durchgeführt. Falls erforderlich ist auch schon eine Anschlussheilbehandlung zu planen. Diese stringente Prozessorganisation kann insbesondere in der operativen Medizin hervorragend umgesetzt werden und erklärt den wirtschaftlichen Erfolg einiger Kliniken, die sich auf spezielle operative Leistungen, die sie in überdurchschnittlicher Zahl erbringen, spezialisiert haben. Teilweise nehmen derart spezialisierte Kliniken nicht an der Notfallversorgung teil, um die optimierte Prozesskette für die geplante Spezialleistung nicht zu stören.

Aber auch Kliniken mit einem weiten Versorgungsspektrum und Teilnahme an der Notfallversorgung bieten ein breites Spektrum hoch spezialisierter Leistungen, die von unterschiedlichen Fachabteilungen angeboten werden, an. Es entstehen komplexe Krankenhausorganismen, in denen sich ärztliche Spezialisten fokussiert um Teilaufgaben in der Patientenversorgung kümmern. In dem Bereich der elektiven Medizin sind diese Häuser oft genauso erfolgreich wie die Spezialkliniken mit einem reduzierten Versorgungsspektrum.

Die Teilnahme an der Notfallversorgung ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht für diese Häuser eine besondere Herausforderung. Einige Gründe dafür sind offensichtlich: Die Kranken sind oft deutlich schwerer erkrankt, älter, häufig multimorbid und instabil sowie diagnostisch noch nicht abgeklärt. Es ist eine sofortige Abschätzung des individuellen Gesundheitsrisikos, des Versorgungsaufwandes und der notwendigen Behandlung erforderlich. Die Prozessorganisation für diese Patienten ist aufwändiger als bei geplanten Elektivpatienten, benötigt hohe Vorhaltungskosten und steht nicht selten in Konkurrenz zu dem lukrativen, gut planbaren Elektivgeschäft. Je spezialisierter ein Krankenhaus ist, umso wichtiger wird eine gute Bahnung diagnostischer und therapeutischer Schritte bei Patienten mit in der Ursache ungeklärten Notfallsymptomen.

Das erfordert eine fachübergreifend organisierte notfallmedizinische Abteilung, die die notwendige Prozessorganisation unter dem Aspekt der Beschleunigung und dem Bewusstsein der Ressourcenschonung vorantreibt. Auch unter diesem Aspekt wurden unter dem Aspekt der Sicherung der notfallmedizinischen Strukturqualität seitens der Politik über den Gemeinsamen Bundesausschuss Regelungen erlassen, welche Voraussetzungen Krankenhäuser erfüllen müssen, um an der Notfallversorgung teilnehmen zu dürfen. Im Zentrum dieser Reglungen stehen dabei die notfallmedizinischen Spezialabteilungen, die unabhängig von spezifisch qualifizierten pflegerischen und medizinischen Personal besetzt werden müssen (G-BA 2020).

Auch die ambulante Behandlung muss gerade in den Notfallkliniken besonders gefördert werden. Wenn die Notfallklinik diese Aufgaben als „Gate Keeper“ und Prozesskatalysator gut erfüllt, ist sie ein Eckstein für eine medizinisch aber auch betriebswirtschaftlich erfolgreiche Klinikorganisation für Notfallpatienten.

3.1Vorhaltekosten für Notfallkliniken

Allgemeine Krankenhäuser sind zur Beteiligung an der Notfallversorgung gesetzlich verpflichtet. Diese Krankenhäuser übernehmen in ihrer Region einen sehr wichtigen Teil der Daseinsfürsorge für medizinische Notfälle und diese Aufgabe begründet das hohe Interesse der Öffentlichkeit an dem Bestand der Krankenhäuser. Wie bereits ausgeführt, benötigt die Notfallmedizin Vorhaltungen, die es erlauben, rund um die Uhr auch auf seltene und besonders schwere Krankheiten sehr schnell zu reagieren. Notfallkliniken dürfen zudem nie zu 100% ausgelastet sein, weil ansonsten der Patientenfluss stockt und Patientengefährdung droht.

Die Kosten für diese Vorhaltungen an Personal, Reservekapazitäten und sonstiger medizinischer Infrastruktur sind beträchtlich und sind in der aktuellen noch gültigen fallpauschalierten Vergütung nicht ausreichend abgebildet. Überhaupt nicht berücksichtigt sind die Kosten, die dadurch entstehen, dass auch für Katastrophensituationen und außerordentliche medizinische Krisensituationen, die die gesamte Bevölkerung betreffen, wie z.B. Pandemien Vorhaltungen notwendig sind. Erst im Jahr 2023 hat das Bundesministerium für Gesundheit Schritte unternommen, die Vorhaltekosten für die Teilnahme an der Notfallversorgung über einen festgelegten prozentualen Anteil an der gesamten Fallpauschale auszugleichen. Die Höhe dieses prozentualen Anteils soll von dem Aufgabenspektrum des Krankenhauses in der Struktur der Notfallversorgung abhängen (Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung 2022). Betriebswirtschaftlich relevant ist für Krankenhäuser auch die Idee der Regierungskommission, bestimmte spezialisierte Leistungen, die nicht der Notfallversorgung zuzuordnen sind wie z.B. die Pankreaschirurgie, an Häuser zu konzentrieren, die auch der höchsten Notfallversorgungsstufe zuzuordnen sind. Dies geschieht wohl unter der Annahme, dass auf diese Weise die Ressourcennutzung in diesen Fällen optimiert wird. All das unterstreicht, dass es zukünftig unter dem Aspekt der Erlössicherung wichtig ist, an der Notfallmedizin aktiv teilzunehmen und sie gut zu organisieren.

Solange diese Regelungen noch nicht umgesetzt sind, erhalten die Häuser, die sich an der Notfallversorgung beteiligen, aktuell für jeden stationären Patienten 60 € mehr als Krankenhäuser ohne Notfallversorgung. Zusätzlich erhalten die Häuser je nach Notfallversorgungsstufe, die der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) definiert hat, einen Pauschalbetrag (G-BA 2020) (s. Tab. 1). Krankenhäuser, die aufgrund regionaler Besonderheiten im Rahmen der Sicherstellung weitere Kosten decken müssen, können zudem weitere Zuschüsse erhalten.

Tab. 1 Vorhaltekostenstufung für die Teilnahme an der Notfallversorgung nach GBA Beschluss (G-BA 2020)

StufeZuschlagpauschalen (€)Notfallpauschale pro stationärem Fall (€) Basisnotfallversorgung 153.000 60 Erweiterte Notfallversorgung 459.000 60 Umfassende Notfallversorgung 688.500 60

3.2Wirtschaftliche Bedeutung der notfallmedizinischen Prozesssteuerung

Die Notfallzentren stellen in Notfallkrankenhäusern die zentrale Schaltstelle in der Notfallversorgung dar. Sie sind Anlaufpunkt für alle akut erkrankten Patienten, und in vielen Krankenhäusern stellen die Notfallpatienten den prozentual höchsten Anteil der stationär aufgenommenen Patienten.

Einschätzung der Krankheitsschwere, Lebensrettung, Diagnosestellung und Koordination des weiteren Behandlungsganges sind die Kernaufgaben von Notaufnahmen.

Aus medizinischer und aus wirtschaftlicher Sicht ist es entscheidend, dass bereits in der Notfallabteilung der weitere stationäre Behandlungsbedarf antizipiert und vorbereitet wird. In einem ersten Schritt ist es die Aufgaben der Notfallmediziner:innen die Gefährdung der Patienten zu erkennen und eine sofortige Stabilisierung zu erreichen. Dazu muss die notfallmedizinisch erforderliche Diagnostik für die Entscheidung, ob eine stationäre Aufnahme erforderlich ist und welche fachliche Zuordnung im Falle einer stationären Aufnahme sinnvoll ist, durchgeführt/veranlasst werden. In Zeiten der Bettenknappheit müssen alle Möglichkeiten genutzt werden, eine weitere ambulante Behandlung zu erreichen. Dabei müssen auch die Möglichkeiten der Ausweitung des Katalogs von ambulanten Operationen zunehmend genutzt werden (GKV, DKG, KBV 2022). Die Notfallzentren sind wichtige Gatekeeper, die erreichen können, dass nur diejenigen Notfallpatienten aufgenommen werden, für die eine stationäre Therapie erforderlich ist. Aktuell ist eine stationäre Aufnahme von Patienten in Grenzfällen wirtschaftlich sinnvoller als eine Verweisung in den ambulanten Bereich. Im Rahmen der anstehenden Notfallreform gibt es Überlegungen, die Vergütung dieser Gate Keeping Funktion zu verbessern. Momentan werden die ambulant zu behandelnden Patienten im Rahmen einer Übertragung des Versorgungsauftrages von den kassenärztlichen Vereinigungen nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) vergütet. Diese Vergütung ist unzureichend und liegt annähernd 100 € unter den für die Versorgung notwendigen Kosten (Haas et al. 2015). Die demografische Entwicklung, die Professionalisierung der Notfallmedizin und der Rückzug vieler Vertragsärzte aus der Notfallversorgung haben in den letzten Jahren zu einer regelmäßigen Steigerung der Patientenzahlen in der Notfallversorgung um bis zu 5% per annum geführt. Ein Teil dieser Patienten benötigen die Ressource Krankenhaus nicht, hier ist die primäre Aufgabe der Notaufnahme die eines „gate keepers“, der dafür sorgt, dass nur die Patienten stationär aufgenommen werden, die auch einer stationären Behandlung bedürfen.

Erfolgreiche Notfallzentren sind dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht nur die stationäre Patientenversorgung im Auge behalten, sondern auch die Möglichkeiten der vertragsärztlichen Notfallversorgung integrieren.

Die Sektorengrenzen zwischen stationärer und ambulanter Medizin werden in Zukunft mit dem Ziel einer ganzheitlichen Notfallversorgung zunehmend aufgelöst werden, und die Notaufnahmen entwickeln sich zu Integrierte Notfallzentren, die nicht nur die stationären, sondern auch die ambulanten Versorgungsprozesse von Notfallpatienten gestalten, gerade auch im ländlichen Bereich (Sachverständigenrat Gesundheit 2018). Die Krankenhäuser müssen/können sich in dieser Situation überlegen, ob sie sich über MVZ Strukturen an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligen.

Die Qualität der notfallmedizinischen Versorgung ist ein klarer Indikator für die Qualität des gesamten Krankenhauses und wird auch so wahrgenommen.

Notfallzentren sind aber nicht nur Knoten- und Kommunikationspunkte für die Notfallprozesssteuerung in die Klinik hinein und in den ambulanten Bereich hinaus, sie sind auch wichtige Einheiten der medizinischen Aus- und Weiterbildung. An keinem Ort der Klinik stellen sich in kurzen Zeitabständen so viele Patienten mit einem so vielfältigen Krankheitsspektrum in unterschiedlichstem Schweregrad vor. Was in diesem Bereich gelernt und gelehrt wird, ist eine prägende Erfahrung für das gesamte Berufsleben der Pflegenden und Ärzte. Eine strukturierte Weiterbildung in diesem Bereich beeinflusst direkt die weitere Versorgungsqualität durch die weitergebildeten Pflegenden und Ärzte und kann auch der Personalbindung dienen. Dieser Aspekt wird in Zukunft für die Krankenhäuser besonders wichtig.

Damit lässt sich zusammenfassen, dass im Unternehmen Krankenhaus die Notfallzentren eine besonders wichtige Rolle spielen. Hohe Patientenzahlen, hohe diagnostische Dichte, zeiteffizientes Arbeiten, strikte Konzentration auf den Patientennutzen, garantierte Patientensicherheit, reibungslose medizinische und organisatorische Prozesse, gekonnte Kommunikation mit Vertragsärzten und Fachabteilungen, Teilnahme an Versorgungsnetzwerken, Einweiser- und Mitarbeiterbindung, all dies sind Punkte, die eine erfolgreiche Notaufnahme quasi als Paradigma für das Gesamthaus bewältigen und gestalten muss. Ist der Unternehmensteil Notfallzentren in diesen Punkten erfolgreich, dann ist er nicht nur wichtiger Baustein eines erfolgreicheren Unternehmens. Er ist dann ein Aushängeschild, das spüren lässt, wie gut und stimmig das gesamte Krankenhaus es schafft, die Kompetenzen auch in schlecht planbaren Situationen zum Wohle der akut erkrankten Patienten zu bündeln.

Literatur

Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA) (2020) Regelung des Gemeinsamen Bundesausschusses zu einem gestuften System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern gemäß § 136c Absatz 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). URL: https://www.g-ba.de/downloads/62-492-2340/Not-Kra-R_2020-11-20_iK-2020-1101.pdf (abgerufen am 28.07.2023)

GKV, DKG, KBV (2022) Vertrag nach § 115b Absatz 1 SGB V. Ambulantes Operieren, sonstige stationsersetzende Eingriffe und stationsersetzende Behandlungen im Krankenhaus (AOP-Vertrag). URL: https://www.dkgev.de/fileadmin/default/Mediapool/2_Themen/​2.2_Finanzierung_und_Leistungskataloge/​2.2.4._Ambulante_Verguetung/​2.2.4.2._Ambulantes_Operieren_115b_SGB_V/Neuer_AOP-Vertrag_zum_01.01.2023.pdf (abgerufen am 28.07.2023)

Haas C, Larbig M, Schöpke T, Lübke-Naberhaus KD, Schmidt C, Brachmann M, Dodt C (2015) Gutachten zur ambulanten Notfallversorgung im Krankenhaus–Fallkostenkalkulation und Strukturanalyse der Management Consult Kestermann GmbH (MCK) erstellt in Kooperation mit der Deutsche Gesellschaft interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin e.V. Hamburg 2015

Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung (2022) Grundlegende Reform der Krankenhausvergütung URL: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/​fileadmin/Dateien/​3_Downloads/K/​Krankenhausreform/​3te_Stellungnahme_Regierungskommission_​Grundlegende_Reform_KH-Verguetung​_6_Dez_2022_mit_Tab-anhang.pdf (abgerufen am 28.07.2023)

Sachverständigenrat Gesundheit (2018) Bedarfsgerechte Steuerung der Gesundheitsversorgung. Gutachten 2018. Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Berlin

4Die Bedeutung der (Marketing-)Strategie des Krankenhauses in der NotaufnahmeStefanie Pohl

Mittwochnachmittag, Notaufnahme: Volle Behandlungsräume, ein gut gefülltes Wartezimmer. Ungeduld und Frustration bei Patienten und Angehörigen. Es kommt zu Beschwerden: Am Tresen, bei Familie und Freunden, online. Die Wartezeit beträgt durchschnittlich 40 Minuten. Ferienzeit, Flughafen: Reisende schieben sich durchs Terminal zum Gate. Ob Viel- oder Erstflieger, ob Individual- oder Gruppenreisender: Den für die Abläufe am Flughafen kommunizierten Zeitraum von zwei Stunden kennen und befolgen alle.

Zwei Räume mit unterschiedlichen Aufträgen und doch einer wesentlichen Gemeinsamkeit: Beide sind Mittel zum Zweck, werden als Transit von Reisenden, bzw. Patienten in Kauf genommen – Ziel ist Erholung, bzw. Gesundheit. Aufhalten möchte sich in beiden Räumen niemand länger als nötig.

Das Bild der „Reise“ hat als Prinzip der Customer Journey längst auch Einzug in Marketingkonzepte von Kliniken gefunden: Was konkret können Notaufnahmen trotz unterschiedlicher Voraussetzungen vom Marketing der Flughäfen lernen? Und was bedeutet das für Ärzte und Pflegekräfte vor Ort?

4.1Marketing für Lebensretter

Die schlechte Nachricht: Ohne Marketingstrategie kommt keine Notaufnahme aus. Als zentrale Anlaufstelle für Patienten sind Notaufnahmen immer auch Visitenkarten der Klinik – ihr Image hat unmittelbare Wirkung auf die öffentliche Wahrnehmung der Einrichtung.

Die gute Nachricht: Führungskräfte in Zentralen Notaufnahmen benötigen kein Zusatzstudium „Marketing“, um ihre Notaufnahme intern und extern positiv zu positionieren.

Marketing umfasst alle Aktivitäten eines Unternehmens, die den Absatz seiner Produkte fördern – dazu zählen sowohl strukturelle als auch kommunikative Maßnahmen. Eine Marketingstrategie gilt für das gesamte Unternehmen, dabei sind die zentrale Botschaft und die individuellen Maßnahmen für das Produktportfolio aufeinander abgestimmt (Tiffert 2019).

Das „Produkt“ der Notaufnahme ist die medizinische Behandlung der Patienten („Kunden“): Patienten sind unmittelbar und wesentlich mit der Herstellung des „Produkts“ verbunden – ohne ihre Mitwirkung entsteht kein „Produkt“. Sie stellen somit die primäre Zielgruppe der spezifischen Marketingmaßnahmen von Notaufnahmen dar. Daneben bedienen Notaufnahmen weitere – sekundäre – Zielgruppen, dazu zählen: Rettungsdienste, Einweiser, Angehörige und Fachabteilungen der Klinik.

Kundenzufriedenheit ist für jede Organisation das übergeordnete Ziel. Erfolgreiches Marketing bindet die Bedürfnisse der Kunden ein. In der Notaufnahme können und sollten Marketingmaßnahmen also dazu beitragen, die Patientenzufriedenheit zu erhöhen.

4.2Im Fokus: Primäre Zielgruppe

Kliniken treffen zunehmend auf eine geänderte Nachfrage und gesteigerte Erwartungshaltung der Patienten. Die Marketingstrategie bewegt sich in diesem Konfliktbereich und schließt dabei Kommunikationsdefizite zwischen dem Anbieter „Notaufnahme“ und dem Kunden „Patienten“ zum beiderseitigen Nutzen (Pop-Micle et al. 2021). Studien belegen, dass mit einer zielgruppengerechten Marketingstrategie die Patientenzufriedenheit gesteigert werden kann (Asnawi et al. 2019).

Modernes Klinikmarketing stellt deswegen den Patienten in den Mittelpunkt – mit dem Ziel nachhaltiger Bindung (Purcarea 2019). Konkret für Notaufnahmen bedeutet dies, dass die Klinik auch für weitere, elektive, Aufenthalte ausgewählt wird. Mittels Analyse der Notfallpatienten können die Bedürfnisse der Zielgruppe ermittelt, sowie entsprechende Marketingmaßnahmen abgeleitet werden.

Erheben Sie im ersten Schritt mittels der folgenden Checkliste die Charakteristika Ihrer Zielgruppe:

Ermitteln Sie via vorhandener Kennzahlen den Durchschnittspatienten Ihrer Notaufnahme: Alter, Geschlecht, Nationalität, Wohnort

Sortieren Sie die Top 10-Einweisungen Ihrer Notaufnahme nach Dringlichkeit

Notieren Sie das Verhältnis zwischen Fußgängern und Liegendanfahrten

Erstellen Sie das Tagesganglinien-Profil Ihrer Notaufnahme

4.3Die Bedeutung der Customer Journey für die Notaufnahme

Im Gesundheitsbereich ist die Qualität der medizinischen Behandlung maßgeblich, aber auch die sogenannte Servicequalität hat an Bedeutung gewonnen. Für die Notaufnahme gelten die untergeordneten Aspekte als ausschlaggebend für die Patientenzufriedenheit: Neben der medizinischen Kompetenz in Analgesie und Technik, zählen dazu insbesondere Freundlichkeit, Information und Wartezeit (Fleischmann et al. 2014). Für die Gewichtung der einzelnen Aspekte ist die Eingruppierung der Patienten maßgeblich: Insbesondere das Konsumverhalten niedrigdringlicher Patienten hat sich in den letzten Jahren gewandelt und stellt eine besondere Herausforderung für Notaufnahmen dar. So wird bspw. die Schnelligkeit der Behandlung von dieser Patientengruppe wesentlich höher bewertet als von Notfallpatienten (Schmiedhofer et al. 2017). Im Rahmen der Customer Journey steht für das Klinikmarketing und die Teams der Notaufnahmen insbesondere die Touchpoint-Analyse im Fokus. Bei der Touchpoint-Analyse werden sämtliche Berührungspunkte des Kunden mit dem Produkt auf Zugänglichkeit, Verständlichkeit und Interaktionspotenzial geprüft. Die Touchpoints sind essenziell, um die Botschaft des Unternehmens zu transportieren. Ziel ist es, dass der Kunde jeden Touchpoint mit einem positiven Erlebnis verbindet.

Grundsätzlich wird zwischen direkten und indirekten Interaktionspunkten unterschieden: Direkte Interaktionspunkte zeichnen sich dadurch aus, dass sie von der Klinik unmittelbar beeinflusst werden können – hierzu zählt bspw. die Unternehmenswebseite, aber auch die Räumlichkeiten der Notaufnahme. Indirekte Kontaktpunkte können von Kliniken nur mittelbar beeinflusst werden – hierzu zählen etwa Bewertungsportale, die von Patienten als Möglichkeit für Information und Feedback genutzt werden.

Der Kontakt mit dem Unternehmen beginnt auf dem Weg zur Klinik und endet mit der Entlassung. Mit jedem Touchpoint verbinden Patienten konkrete Fragen:

Wo muss ich hin, wo bin ich hier?

Wer ist mein Ansprechpartner?

Was passiert mit mir?

Warum werden diese Maßnahmen durchgeführt?

Wie lange dauert es?

Diese Leitfragen haben an jedem Kontaktpunkt Relevanz für den Patienten und werden idealerweise jeweils – aktiv oder passiv – beantwortet. Ziel ist es, dass Patienten sich während ihres Aufenthalts in der Notaufnahme wahrgenommen und sicher fühlen und am „Produkt“ erfolgreich mitwirken können.

Prüfen Sie im nächsten Schritt mittels der folgenden Checkliste den Status Quo Ihrer Touchpoints:

Durchlaufen Sie die „Reise“ des Patienten: Anfahrt, Ankunft, Aufnahme, Wartezone, U+B, Entlassung …

Prüfen Sie dabei Ihre direkten Touchpoints: Digital und analog.

Orientierung: Haben Sie alles gefunden?

Information: Haben Sie alles verstanden?

Service: Wie haben Sie Ihre Ansprechpartner erlebt?

Prüfen Sie Ihre indirekten Touchpoints: Wie bewerten Patienten Sie?

4.4Die Bedeutung von Servicequalität in der Notaufnahme

Mit dem Begriff „Service“ verbinden die meisten Menschen freundlich lächelnde Mitarbeiter im Einzelhandel oder Hotel- und Gaststättengewerbe – Bereiche, in denen gemeinhin der Kunde als König gilt. Mittlerweile hat die Anspruchshaltung „Kunde ist König“ auch Einzug in Notaufnahmen gefunden – und trifft dort auf Mitarbeiter, deren primärer Fokus „Leben retten“ ist.

In diesem Spannungsfeld ist es wichtig, den Patienten als Kunden ganzheitlich zu betrachten und so das Bedürfnis nach Service in der Notaufnahme besser einordnen zu können. Klinikmarketing kann Notaufnahmen dabei unterstützen, den Service für Patienten zu verbessern – denn Service ist hier weit mehr als „freundlich lächeln und nett sein“ (Worthington 2004). Patienten in der Notaufnahme befinden sich in einer emotionalen Ausnahmesituation. Während Klinikdienstleistungen nur bedingt freiwillig in Anspruch genommen werden, weisen Patienten gleichzeitig ein hohes emotionales Involvement auf (Ullrich 2013). Für viele geht der Aufenthalt mit Schmerzen, Angst und Stress einher. Die Unkenntnis über den eigenen Gesundheitszustand macht insbesondere das Warten in der Notaufnahme zur Belastung. Hinzu kommt die Unkenntnis über Strukturen und Abläufe: Aus der Patientenperspektive wirkt es, als gehe nichts voran und als kümmerten sich die Mitarbeiter nicht um das Wichtigste.

Studien zeigen insbesondere bei niedrigdringlichen Patienten eine geänderte Inanspruchnahme und damit Erwartungshaltung an die Notaufnahme: Ob „doc to go“, „one stop shop“ oder „all inclusive“ – die unmittelbare Befriedigung der Bedürfnisse steht für diese Gruppe im Vordergrund (Schmiedhofer et al. 2017, Somasundaram et al. 2018). Die Patienten weisen vielfach eine verminderte Toleranzschwelle gegenüber Verzögerungen auf: Begründet liegt dies darin, dass Menschen der Wartezeit den Wert gegenüberstellen, den sie für das Warten erhalten. Der Wert ist für niedrigdringliche Patienten deutlich geringer als für schwerkranke Patienten (Fleischmann et al. 2014).

Marketingmaßnahmen in der Notaufnahme sollten daher einen Service bieten, der maximale Transparenz über Abläufe und Aufgaben der Notaufnahme in Bezug auf den Patienten herstellt und somit für ein besseres Verständnis von Wartezeiten sorgt.

4.5Die Customer Journey optimieren: Von Flughäfen lernen

Eine der Gemeinsamkeiten von Flughäfen und Notaufnahmen zeigt sich darin, dass an beiden Orten Menschen mitunter auf einer begrenzten Fläche zusammenkommen. Die Aufgabe für beide Settings besteht darin, die heterogene Kundengruppe sicher und effizient durch das eigene komplexe System zu steuern, um so auch ökonomisch möglichst großen Nutzen zu erzielen.

Während Reisende wissen, dass zu Beginn der Schulferien ein größerer Andrang am Flughafen herrscht und dementsprechend mehr Zeit für den Abflug eingeplant werden muss, ist das Wissen um zeitliche und logistische Abläufe in Notaufnahmen bei Patienten kaum vorhanden.

Warten ist für viele verschwendete Zeit und so besteht das Risiko, dass Wartezeiten dem Image eines Unternehmens oder einer Einrichtung Schaden zufügen und in der Folge Kunden abschrecken. Damit kommt Wartezeiten auch immer eine strategische Bedeutung zu. In Kliniken führt die Verkürzung der Wartezeit allein nicht zwangsläufig zu einer Verbesserung der Patientenzufriedenheit. Wichtig ist, die Zeit so zu gestalten, dass sie positiver empfunden wird (Fleischmann et al. 2014).

Flughäfen – als vergleichbare Transitzone – setzen auf einen Mix aus Information und Unterhaltung, um den Aufenthalt für Reisende unkompliziert und angenehm zu gestalten.

Information

Bereits vor Abflug werden Reisende flächendeckend an zahlreichen Touchpoints über die Abläufe am Flughafen informiert. Vor Ort nutzen Flughäfen ein intuitives Leitsystem, um Reisende durch das Gebäude zu führen. An den jeweiligen Stationen weisen Mitarbeiter den Weg im Ablauf.

Prüfen Sie mit den relevanten Bereichen Ihrer Klinik die Einrichtung folgender Maßnahmen:

Webseite: Können aktuelles Patientenaufkommen und durchschnittliche Wartezeit dort eingebunden werden? Sind Informationen über Alternativen zur Notaufnahme kommuniziert – ggf. mehrsprachig?

„Check-In“: Nutzen Sie Laufzettel, die Abläufe und die dazugehörigen Behandlungszeiten angeben.

Abläufe: Können Sie verbindliche Zeiten für die Triage-Kategorien festlegen und diese kommunizieren?

Wartebereich: Können Sie über Screens Informationen über das aktuelle Patientenaufkommen und Wartezeiten einspielen?

Untersuchungs- und Behandlungsräume: Geben Sie durch Wandtafeln Orientierung, wo der Patient sich befindet und was in diesem Raum geschieht.

Kommunikation vor Ort: Inhalte mittels Piktogrammen vermitteln, Einbinden von Dolmetscher-Apps, Kommunikationstrainings für Mitarbeiter

Unterhaltung

Für ein positives Erlebnis „Flughafen“ nutzen Betreiber Entertainment-Angebote, um die Zufriedenheit der Reisenden zu erhöhen. Wartezonen werden von einem ereignislosen Ort („come in and wait“) zu einem erlebnisreicheren Ort („come in and find out“).

Prüfen Sie mit den relevanten Bereichen Ihrer Klinik die Einrichtung folgender Maßnahmen:

Nutzung von Screens für gesundheitsbezogene Inhalte, Kommunikation weiterführender Angebote Ihrer Klinik, Erfolge und Auszeichnungen …

Internet: Kostenloses WLAN, unterhaltsame Klinik-App

Wartebuzzer für mehr Bewegungsradius

Kaffeeautomat, Kaffee-Gutscheine

Spielecke für Kinder

4.6Am Ziel

Eine Marketingstrategie berücksichtigt immer die lokalen Gegebenheiten, um erfolgreich wirken zu können. Die vorgestellten Fragen und Checklisten sollen Notaufnahmen dabei unterstützen, das Profil ihrer Zielgruppe besser einschätzen und anhand der Touchpoint-Analyse Verbesserungspotenziale eruieren zu können. Die Erkenntnisse können genutzt werden, um im Team eine realistische Vision für die Notaufnahme zu entwickeln und geeignete Marketingmaßnahmen abzuleiten. Die Voraussetzung für den Erfolg sind Teamwork und Commitment: Gemeinsam mit Geschäftsführung, Klinikmarketing und eventuell weiteren Bereichen kann Marketing dazu beitragen, die Patientenzufriedenheit nachhaltig sicherzustellen.

Literatur

Asnawi A, Awang Z, Afthanorhan A, Mohamad M, Karim F (2019) The influence of hospital image and service quality on patients’ satisfaction and loyalty. Management Science Letters 9, 911–920

Fleischmann T, Amler, N, Schöffski, O (2014) Notaufnahme: Ökonomie und Psychologie des Wartens. Deutsches Ärzteblatt 111(39): A-1642/B-1420/C-1352