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20 Dates in einem Monat – und das Chaos nimmt seinen Lauf! Nach ihrer Scheidung steht Sina vor den Scherben ihres Liebeslebens. Männer? Nein danke! Doch ihre beste Freundin Josy hat andere Pläne. Mit ihrer unkonventionellen und chaotischen Art überredet sie Sina zu einem gewagten Experiment: 20 Dates in nur einem Monat! Widerwillig lässt sich Sina darauf ein – und stolpert in einen Strudel aus skurrilen Begegnungen, peinlichen Missverständnissen und unerwartetem Herzklopfen. Doch nicht nur ihre Dates sorgen für Chaos. Auch Josys Leben gerät plötzlich aus den Fugen. Gerade als Sina glaubt, alles unter Kontrolle zu haben, nimmt das Experiment eine überraschende Wendung – und stellt alles infrage, was sie über die Liebe zu wissen glaubte. Eine humorvolle, romantische und emotionale Achterbahnfahrt – für alle, die an die Liebe glauben! Leserstimmen: „Das unerwartete Ende deutet sich zwar immer wieder mal an, aber die letzten Seiten bescherten mir Emotionen, die ich nicht verbergen konnte.“ „Man kann es einfach nicht aus der Hand legen. Prickelnd, mitreißend und voller Überraschungen.“ „Eine emotionale Achterbahnfahrt – ich habe gelacht, geschmunzelt und am Ende sogar Tränen vergossen.“
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Seitenzahl: 412
Veröffentlichungsjahr: 2025
Perry Payne
Dates, Desaster
und ich
IMPRESSUM
Ein Buch von PerryPayneBooks (PPB)
Cover und Satz: Perry Payne
Korrektorat/Lektorat: Ilona Német, Dörte Wunsch, Britta-Chr. Engel, Perry Payne
Bilder: Gabriela Piwowarska und Merethe Liljedahl von Pixabay
Druck und Vertrieb durch Tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5 22926 Ahrensburg
1. Auflage / ISBN: Taschenbuch: 978-3-384-46615-0 Hardcover: 978-3-384-46616-7 eBook: 978-3-384-46617-4
Alle Rechte liegen bei PerryPayneBooks
Perry Payne, Ruta de Piribebuy KM70,90, Entrada Mazo IZ3040, Piribebuy / Yacarey - Colonia 6508, Cordillera, PARAGUAY, E-Mail: [email protected]
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PERRY PAYNE
DATES,
DESASTER
und ich
ROMAN
Für all jene,
die ihren eigenen Weg suchen
– möge diese Geschichte
euch ein kleines Licht sein.
Die Idee
Fast waren die Flammen niedergebrannt – wie ihr junges Leben. Die Glut war alles, was blieb: ein letzter Rest Wärme, genug, um sie einen Moment am Leben zu halten.
Sina atmete schwer durch. Dann griff sie langsam, fast wehmütig nach einem Foto in der dunkelbraunen Holzschatulle und strich mit einem Finger über das Bild, auf dem neben ihr Henry in seinem schwarzen Smoking abgebildet war. Er hatte die Arme um ihre Hüfte gelegt, während sie mit weit geöffneten Augen zu ihm aufsah. Hinter ihrem Rücken umklammerte sie einen Brautstrauß aus cremeweißen Rosen, zartem Schleierkraut und grünen Eukalyptusblättern, das wie ein stilles Versprechen in ihren Händen ruhte.
Seitdem waren knapp sieben Jahre vergangen.
Sina blickte vom Foto auf und in die Flammen. Sie spürte in diesen Erinnerungen ihre feuchten Hände, als stünde sie ein weiteres Mal vor dem Altar.
Behutsam legte sie das Foto auf den Stapel zu den anderen zurück, klappte den Deckel herunter und ließ ihre Finger sanft über den Rand gleiten. Diese kleine Schatulle barg fast ein Viertel ihres jungen Lebens.
Sina erhob sich und ging zu dem polierten weißen Flügel neben dem Kamin, setzte sich davor und klappte die Tastaturabdeckung auf. Sie tippte das mittlere C an. Eine leise Tonleiter erfüllte den Raum. Dann folgten die ersten Takte einer neuen Melodie - zuerst in ihrem Kopf, dann akustisch und schließlich summte sie leise mit.
Diese Melodie gefiel ihr. Sina lächelte und lehnte sich zurück. Sie blickte nach hinten in das Feuer und sah lange auf die Schatulle. Dann drehte sie sich dem Flügel zu und spielte feierlich, kraftvoll und triumphierend: „Da-da-da-daaaa... da-da-da-da-daaa...“ Genau das war ihre Hymne, die für eine ewige Verbindung stehen sollte und die jetzt nur noch wie ein ferner Traum klang. Sie spielte die passenden Tasten.
Der Klang hallte weich durch den Raum, getragen von einem feierlichen Rhythmus. Sie wechselte zu den nächsten Noten und der Hochzeitsmarsch entfaltete sich mit einem Echo vergangener Versprechen.
Ihre Laune verfinsterte sich. Sie hatte alles verloren. Mit voller Wucht ließ sie ihre Hände auf die Tasten los – ein scharfes, dissonantes Krachen durchbrach die Harmonie. Sina knallte entschlossen die Abdeckung zu und kehrte dem Flügel den Rücken.
Vor dem Kamin schloss sie die Augen und ließ sich einen Moment vom beruhigenden Knistern des Feuers umfangen. Dann griff sie nach der Schatulle, küsste sie zärtlich und ließ sie mit einem letzten entschlossenen Blick in die Flammen sinken. Schnell verfärbte sich das Holz, wurde schwarz und entflammte. Das Feuer tanzte in seinem eigenen, ungestümen Rhythmus, begleitet vom Zischen und Knacken der Glut.
„Ich brauche keinen Mann, um glücklich zu sein. Männer machen das Leben nur unnötig kompliziert“, sprach sie ihre Erkenntnis aus.
Die kleine Holzkiste kippte, sprang auf und entließ die alten Fotos, die sich gierig dem Feuer entgegenstreckten. Das oberste Bild verzog sich, die Farben quollen auseinander wie verblassende Träume. Ein letztes Mal zeigte es Henry, wie er sich auf der grünen saftigen Wiese über sie beugte.
Dieses Foto war kurz nach ihrer Hochzeit, Anfang Mai, im Garten seiner Eltern entstanden. Das Wetter hatte mitgespielt, was für Burscough in dieser Jahreszeit nicht selbstverständlich war. Ihr Wohnort lag eine Viertelstunde von der Westküste entfernt und nahe des Naturschutzgebietes Ribble Estuary. Genau dort traf Sina beim Beobachten der Watvögel das erste Mal auf Henry.
Das Foto verdunkelte sich. Erst wurde es braun, dann schwarz, und zerfiel zu Asche.
Mit diesem Ritual sollten die Erinnerungen in die Vergänglichkeit getragen werden.
Asche zu Asche, dachte sie mit starrem Blick zu den Flammen und versteinerte im Schneidersitz.
Die aufspringende Haustür, das Klappern und die Gelächter von Josy und einem Mann, rissen Sina aus ihren Gedanken. Sie sah zum Flur zurück.
Josy hatte wieder einmal einen Freund im Schlepptau.
„Hey Baby“, rief sie in den Salon und tanzte mit dem Typen, den sie an der Krawatte hinter sich herzog, zu Sina. Abrupt hielt sie inne, zog eine Augenbraue in die Höhe und ließ den Kerl stehen. Mit den Händen in den Hüften gestemmt, fragte sie spöttisch: „Was ist denn hier los?“
„Nichts“, murmelte Sina knapp.
Josy ließ sich davon nicht abwimmeln. „Wenn ich dich so ansehe, weiß ich genau, was nichts bedeutet.“
Sie ging auf Sina zu, ließ sich auf den wuscheligen Teppich fallen und blickte ihr forschend in die Augen.
„Ich dachte, du wärst stark genug, das hinter dir zu lassen.“ Behutsam strich Josy über Sinas Haare. „Hey, ich bin hier. Du bist nicht allein.“
„Es ist so ... endgültig.“ Sinas Stimme zitterte, während sie auf den Glastisch zeigte. Dort lag ein Schreiben.
Josy folgte ihrem Blick. Ihr Herz wurde schwer, als sie die Worte auf dem Briefkopf erkannte. „Die Scheidungspapiere, nicht wahr?“
Sina nickte stumm, Tränen glänzten in ihren Augen.
„Die Scheidung war der richtige Schritt. Sie öffnet die Tür zu einer strahlenden Zukunft. Sei froh, dass du den Kerl los bist. Kopf hoch, Kleine. Jetzt beginnt dein Leben.“
Sina runzelte die Stirn und sah sie irritiert an, als hätte Josy eine fremde Sprache gesprochen.
„Hey, wo geht’s hier ins Schlafzimmer?“ Der Typ lehnte lässig im Türrahmen des Wohnzimmers, hatte die Arme verschränkt und ein freches Grinsen auf den Lippen. „Wie wär’s mit einem Dreier?“, fragte er unverblümt.
Sina und Josy schauten gleichzeitig zu ihm – und dann einander an. Ohne ein Wort zu wechseln, wussten sie genau, was die andere dachte.
Josy erhob sich, ihre Stimme war eindringlich: „Bleib kurz hier. Ich regle das.“
Sie ging auf den Typen zu, packte ihn fest an den Armen, drehte ihn mit einem Schwung um und schob ihn resolut durch den Flur Richtung Tür.
„Raus! Und zwar sofort.“
Sein Sträuben brachte ihm nichts. Kurz darauf fiel die Haustür mit einem Klick ins Schloss, und Stille legte sich über die Wohnung.
Kurz darauf folgten das Klappern von Gläsern aus der Küche und das gedämpfte Schließen einer Schranktür. Josy tauchte wieder auf – mit einer Flasche Wein in der einen Hand und zwei Gläsern in der anderen. Sie lächelte zart.
„Ich glaube, es wird Zeit, dass ich mir eine eigene Wohnung suche. Ich werde dir mit meinen Problemen nicht länger auf die Nerven gehen“, sagte Sina mit ernster Miene.
„Nicht im Traum“, entschied Josy. „Sieh dich doch um! Ich habe mehr Platz, als ich brauche, und allein sein mag ich sowieso nicht.“ Sie stellte die Gläser und die Flasche ab und drehte sich mit breitem Lächeln und ausgebreiteten Armen einmal um die eigene Achse.
„Ganz ehrlich, ich lass dich jetzt nicht hängen. In deinem Zustand? Wer weiß, was du sonst anstellst. Nein, Schätzchen, du bleibst hier – so lange, bis du wieder fest auf den Beinen stehst.“
„Aber so kann das nicht weitergehen“, sagte Sina leise. „Das dauert jetzt schon über ein Jahr, und das war so nie geplant. Ich bin dir dankbar, aber ...“
„Nein, Schätzchen“, fiel Josy ihr ins Wort, während sie entschieden den Kopf schüttelte. „Wenn hier jemand Danke sagen muss, dann bin ich das. Du bist die beste Freundin, die man sich wünschen kann. Und mal ehrlich, hast du dir den Wohnungsmarkt hier mal angeschaut? Da draußen ist nichts Besseres zu bekommen. Du musst hierbleiben. Da gibt es überhaupt nichts zu überlegen.“
Sina hob den Kopf und schmunzelte.
Josy kniete sich vor sie, ihre Miene wurde ernst. „Weißt du, was ich glaube? Ich glaube, es geht gar nicht um die eigenen vier Wände.“ Sie legte die Hand auf ihre Brust. „Es geht um dein Herz, Baby. Das wird in der Isolation sicher nicht heilen.“
Sina senkte den Blick, ein Hauch von Melancholie in ihren Augen.
„Du brauchst einen richtigen Mann“, fuhr Josy fort. „Dann lösen sich deine Probleme von alleine.“
„Oder es kommen neue dazu“, entgegnete Sina, ihre Stimme klang ein wenig sarkastisch, doch ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Was für ein absurder Gedanke.
„Ja“, sagte Josy mit gezogenem Ton. „Oder es kommen Neue dazu. Aber das ist besser, als dir beim Schrumpeln zuzusehen.“
„Ich schrumple nicht“, entgegnete Sina scharf. „Außerdem bin ich von Männern geheilt. Die Liebe und mein blödes Märchenschloss – das ist doch alles nur Einbildung. Ich werde aufwachen müssen, Karriere machen und endlich an meine Zukunft denken.“
„Das ist ein genialer Plan, sofern du ein guter Staatsbürger und Steuerzahler werden willst.“ Josy zwinkerte ihr zu. „Bedenke aber dabei, dass du nur ein paar Jahre auf dieser schönen Erde hast. Lass dir deine Träume von niemandem nehmen. Und: Weißt du was? Du bist die letzte Romantikerin, die ich kenne. Wenn du das wegwirfst, wird die Welt nicht mehr so sein, wie zuvor.“ Josy packte Sina sanft an der Schulter und sah ihr mit ernstem Blick direkt in die Augen. „Sprich mir nach: Ich bewahre die Liebe in meinem Herzen und lasse mich nie wieder von einem Mann herumschubsen.“
Sina blinzelte verwirrt und starrte ihre Freundin an, als ob sie Unsinn geredet hatte. „Ich lasse mich nicht herumschubsen“, wiederholte Sina knapp, bevor sie skeptisch nachhakte: „Aber wie genau soll das funktionieren? Dafür gibt es doch keine Garantie.“
Josy grinste und schob beherzt mit beiden Händen ihre Brüste nach oben, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. „Garantie? Pah! Wozu, glaubst du, hat uns der liebe Gott sonst diese Dinger verpasst, Schätzchen? Meinst du, wir tragen die aus reiner Nächstenliebe in der Gegend herum?“
Sina warf ihr einen strengen Blick zu, doch ein Schmunzeln zuckte verräterisch an ihren Lippen. „Hör schon auf.“ Sie winkte genervt ab.
Doch Josy ließ sich nicht beirren. „Ach komm, Henry braucht doch nur jemanden, der ihm das Bier aus dem Kühlschrank holt.“
Sinas Stimme wurde lauter, ihre Worte scharf: „So war er nicht, und das weißt du. Wir haben uns geliebt.“
„Beruhige dich.“ Josy hielt kurz inne, dann fügte sie mit gespielt ernster Miene hinzu: „Ich werde persönlich dafür sorgen, dass dir so etwas wie Henry nie wieder passiert.“
Sina murmelte unverständlich.
„Da brauchst du gar nicht zu stöhnen“, sagte Josy und nahm ein Glas vom Tisch, drückte es Sina in die Hand und goss es randvoll ein. „Wir lassen uns von den Männern nicht unterkriegen“, erklärte sie entschieden, schenkte sich selbst ein und nahm einen großen Schluck. Dann schnappte sie sich die Scheidungspapiere und hielt sie hoch, als wären sie der Beweis für ihre Worte.
„Jetzt kümmern wir uns um einen richtigen Mann für dich. Du wirst deine Schmetterlinge schon wiederfinden.“
„Das ist ja nett gemeint, aber danke, ich verzichte.“
Josy stellte ihr Glas energisch auf den Tisch, setzte sich im Schneidersitz neben Sina und sah sie mit starkem Blick an. „Nenne mich nie wieder nett, Schwester. Nett ist der kleine Bruder von langweilig.“
Sina nickte. „Nein, wirklich. Tausende andere Frauen kommen gut alleine zurecht.“
„Mit Massagestab?“
„Es geht nicht immer um sowas.“
„Weißt du, Männer sind dafür da, uns glücklich zu machen. Und wenn einer das nicht ordentlich macht, so wie dein Henry, dann nimmst du dir den Nächsten.“
„Jetzt spinnst du komplett.“ Sina sah ihre Freundin entsetzt an.
„Nein, nein. Ich meine das durchaus ernst.“ Josy legte ihre Finger an die Unterlippe und überlegte einen Augenblick. „Natürlich ist mir klar, dass nicht jeder Typ zu jeder Frau passt. Die Frage ist doch, auf welchen Typ Mann du stehst.“
Sina schwieg. Sie schüttelte nur den Kopf und nahm einen kleinen Schluck Wein.
„Ach komm schon!“ Josy richtete sich auf, ihre Augen funkelten vor Neugier. „Beschreib mir deinen Traummann! Wie könnte er aussehen? Welche Hobbys soll er haben? Stehst du eher auf Abenteurer oder lieber auf den Kuschelbär-Typ?“ Jetzt grinste sie breit und stupste Sina leicht an. „Na los, solche Sachen eben.“
„Ich habe keinen besonderen Typ. Es reicht, wenn alles irgendwie passt.“
„Irgendwelche Favoriten musst du haben. Ist es eher Leonardo DiCaprio oder Brad Pitt?“
Sina zuckte mit den Schultern. „Die würde ich beide nehmen, wenn sie jung wären.“
Josy zog die Augenbrauen hoch und grinste. „Gleichzeitig?“
Verständnislos verdrehte Sina die Augen und hob die Hände. „Herrgott, ja. Wenn’s sein muss, dann auch gleichzeitig.“
Josy schmunzelte breit. „Das ist ja eine außerordentlich gute Neuigkeit.“ Ihr Lächeln verblasste, während sie theatralisch nachdachte. „Blöderweise ist DiCaprio vergeben, und wie man hört, wechselte er seine Häschen öfter als seinen Jahreskalender.“ Sie strich ihre langen, glatten Haare hinter die Ohren, zupfte an ihrem schwarzen T-Shirt und ließ sich lässig auf dem geräumigen Sofa nieder.
„Brad Pitt müsste doch wieder zu haben sein“, konterte Sina trocken.
„Schlage ihn dir aus dem Kopf. Im wahren Leben gibt es keine Brad Pitts. Lass uns ernsthaft überlegen, wie ein Mann an deiner Seite aussehen könnte.“
„Hm …“, Sina grübelte. „Sportlich, zuvorkommend, liebevoll und intelligent?“
„Klar, und gutaussehend, mit einem weißen Ross hinterm Schloss. Du hast doch keinen blassen Schimmer von Männern, oder?“ Sie schüttelte den Kopf. „So kommen wir nicht weiter.“
„Lass mich“, wehrte Sina ab. „Ich habe jetzt keine Lust, darüber nachzudenken. Unterstütze mich lieber bei der Wohnungssuche.“
Josy legte selbstbewusst den Kopf schräg und schenkte ihr ein gespieltes Lächeln. „Pass auf, da fällt mir etwas Großartiges ein, schöne Frau.“
Sina stöhnte genervt. „Ich will gar nicht wissen, was dein versautes Hirn jetzt wieder ausgeheckt hat.“
„Warte, lass mich erklären!“ Josy hob die Hände beschwichtigend und grinste zufrieden. „Du ziehst erst dann in eine eigene Wohnung, wenn wir deinen Traumpartner haben.“ Sie breitete die Arme aus, als hätte sie die Lösung für alle Probleme der Welt gefunden, und legte abwartend den Kopf schief.
Sina sah sie mit großen Augen an. „Das ist alles? Keine verrückten Sexspielchen, Orgien oder irgendwas Unanständiges?“
Josy grinste frech. „Nein, Baby. Ich will dich nur glücklich sehen. Aber dafür müssen wir herausfinden, auf welchen Typ du stehst. Also wirst du sie testen.“ Flink riss Josy eine Tüte Scones auf, stopfte sich zwei der Küchlein in den Mund und hielt Sina kauend die Tüte entgegen.
Abwehrend wedelte Sina mit der Hand. „Ich hab’s geahnt, dass da mehr dahintersteckt.“
„Das ist nicht weiter schlimm“, antwortete Josy. „Du kennst doch Amber von der Datingagentur in Southport. Ein Anruf genügt, und schon bekommst du die besten Männer der Stadt auf einem Silbertablett serviert.“
Sina wedelte mit dem Finger. „Nein. So etwas mache ich nicht.“
„Warte, ich bin noch nicht fertig“, griff Josy ein.
„Was denn noch?“
„Damit du letztlich den Richtigen findest, ermitteln wir zunächst deinen Bedarf. Du triffst dich mit ein paar Männern und erstellst eine Checkliste. So können wir gezielt deinen Traumprinzen herausfinden, mit dem du zusammen sein kannst.“
„Das wird niemals funktionieren“, sagte Sina skeptisch. Abgesehen davon, dass sie es für eine völlig blöde Idee hielt.
„Doch, das funktioniert.“
„Jeder zeigt sich beim ersten Treffen von seiner Schokoladenseite“, entgegnete Sina und legte sich auf die Couch.
„Stimmt, aber genau darum geht es – du musst lernen, die Männer zu durchschauen, damit du nicht wieder auf denselben Typ reinfällst.“
„Und was meinst du, wie viele Männer soll ich testen?“ Sie legte beide Hände unter den Kopf, damit sie ihre Freundin besser sehen konnte.
„Ganz einfach“, sagte Josy. „Du wirst einen Monat lang jeden Tag einen anderen Mann testen und katalogisieren. Für jeden schreibst du auf, was du an ihm magst und was absolut nicht geht. Am Ende wissen wir genau, wie dein Märchenprinz im echten Leben aussehen muss.“
Josy setzte sich neben Sina, legte ihre Füße auf den Tisch und drückte das Plüschkissen hinter ihren Rücken, als wäre das alles das Normalste der Welt.
„Ich wusste immer, dass du verrückt bist.“
„Mache es. Du bist attraktiv und wirst deinen Spaß haben. Schlag ein, Baby. Deal?“ Sie hielt Sina die flache Hand entgegen und schob sich einen weiteren Scones in den Mund.
„Dreißig mal Sex in einem Monat?“ Sina kniff ihre Augen zu schmalen Schlitzen zusammen.
„Du sollst nicht jedes Mal Sex haben. Nur ein nettes Date, ein kleiner Flirt, vielleicht einen Kuss. Und falls es sich ergibt, kannst du klar Schiff machen. Das liegt bei dir.“
„Da bin ich aber beruhigt. Also nur einen Tee?“ Sina rutschte hoch und setzte sich aufrecht.
„Ja. Sagen wir, für mindestens eine halbe Stunde mit jedem. Mehr nicht. Die Zeit ist gut investiert. Und wenn alles vorbei ist, suchen wir dir eine schicke Bude.“
Eine Weile schaute Sina ihr in die Augen, dann lächelte sie und schlug ein.
„Gut so, du wirst es nicht bereuen. Ach ja, falls du doch mit einem Typen im Bett landest, muss ich unbedingt alle Details wissen. Besonders, wenn sein Ding tätowiert ist.“
Sina lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. Sie kannte die wilden Fantasien ihrer Freundin recht gut, aber das schien ihr jetzt doch ein wenig zu exzentrisch.
„Hab ich mich verhört?“
„Nein, ich stehe total auf so etwas.“ Josy trank einen Schluck, tat unschuldig und zuckte mit den Schultern. „Ich rufe gleich Amber an. Sie wird alles klarmachen.“
Sina spitzte ihre Lippen: „Ist schon okay, aber belassen wir es bei drei, vier Dates.“
„Nein, nein, das macht überhaupt keinen Sinn. Zum einen geht es um die Vielfalt und zum anderen hast du eingeschlagen.“
„Ja, schon gut, ich weiß. Aber dreißig? Ehrlich?“ Sina bettelte.
„Na gut, dann fünfundzwanzig“, gestand ihr Josy zu.
„Elf.“
„Schätzchen. So wird das nichts. Du musst dir schon ein bisschen Mühe geben, wenn du jemals deinem Traummann begegnen willst. Mein letztes Angebot sind zwanzig Dates in diesem Monat.“
Sina holte hörbar Luft und nickte vor sich hin.
Das erste Date
Die Sonne fand ihren Weg durch den schmalen Spalt zwischen den zugezogenen Vorhängen und ließ einen feinen Staubstrahl in der Luft tanzen, der bis zu Sinas Bett reichte. Die Nacht hatte Kälte ins Zimmer gebracht und der Raum wirkte wie eingefroren.
Sina blinzelte verschlafen, zog sich die Decke bis über den Kopf und versuchte, die Stille noch ein wenig zu genießen. Doch ohne Vorwarnung stürmte Josy herein, polterte gegen den Türrahmen, und die friedliche Ruhe war passé. „Aufwachen, Schätzchen. Das Frühstück ist fertig und du hast einen Termin“, rief sie laut und energiegeladen.
„Lass mich schlafen. Ich habe keine Termine“, murmelte Sina schlaftrunken und zog die Zudecke fester um sich.
„Irrtum, Kleine. Du hast eine Verabredung mit Tom Corey“, antwortete Josy, ohne mit der Wimper zu zucken.
Die Zudecke flog mit einem Ruck zurück, und Sina schoss hoch. Sie legte eine Hand auf ihre Stirn. „Wie viel Wein war das gestern?“ Ihre Augen waren rot und verschlafen, doch Josy konnte nicht umhin, sie belustigt anzusehen.
„Du hast ein Date!“, sang Josy vergnügt, wobei ihre Stimme triumphierend klang.
„Oh nein. Ich habe das nicht geträumt?“, fragte Sina und erinnerte sich an den vergangenen Abend. Sie starrte ihre Freundin an, als könnte sie es nicht fassen.
„Tja“, bestätigte Josy mit einem breiten Lächeln und klatschte in die Hände. „Hop, Hop! Raus aus den Federn.“
Sina seufzte und flehte: „Ich kann mich nicht mit so vielen fremden Männern treffen.“
„Doch!“, entgegnete Josy, mit einem lang gezogenen o, dass ihre Entschlossenheit nur noch mehr unterstrich. „Genau das ist der Plan.“
Sina verdrehte die Augen. „Ich war betrunken und das Ganze war eine blöde Idee. Sag dem Typen ab und wir vergessen die Sache.“ Stöhnend ließ sie sich auf die weiche Matratze zurückfallen.
„Nichts da, Schätzchen. Dein Termin wartet um elf im Lanés Café. Ein Rückzieher ist nicht drin. Wir haben einen Deal.“ Josy beugte sich über sie und hielt ihr einen Zettel entgegen.
Sina runzelte die Stirn und blinzelte müde. „Was ist das?“
Mit freundlichem Enthusiasmus zeigte Josy geschwind auf die eingezeichneten Spalten. „Ich war schon fleißig. In diese Liste trägst du Namen, Alter und einen Smiley für das Aussehen und den Charakter ein. Die hinteren Spalten sind für seine Lieblingseigenschaften und ... na ja: Hier schreibst du alles rein, was dich an ihm nervt. Okay?“
Sina, mittlerweile wieder senkrecht im Bett sitzend, stöhnte: „Mein Kopf bringt mich um.“
Josy ignorierte Sinas Bemerkung und sagte: „Aus den Federn. Das Frühstück wartet.“ Sie grinste, drehte sich schwungvoll um und schritt mit einem selbstzufriedenen Lächeln aus dem Zimmer.
Schwerfällig stieg Sina aus dem Bett, dehnte sich und ließ einen verschlafenen Seufzer entweichen. Dann rief sie zur offenen Tür: „Und so etwas will meine Freundin sein!“
Mit dicken Hauslatschen und einem Bademantel über ihrem Nachthemd schlurfte Sina in die Stube, den Kopf vom Schlaf benommen.
Sina starrte ihre Freundin an, als würde sie träumen, gähnte und stellte sich mit verschränkten Armen an den reich gedeckten Tisch.
Josy grinste verschmitzt und zog Sina einen Stuhl zurück. „Stärke dich erstmal und komm zu dir. Du willst doch einen guten Eindruck machen, oder?“
„Warum um Himmelswillen muss ich mich mit diesem ganzen Dating-Kram quälen?“, murmelte Sina mehr zu sich selbst, während sie sich langsam auf den Stuhl setzte.
„Weißt du schon, was du anziehen möchtest?“, fragte Josy und nahm sich ein duftendes Brötchen aus dem Korb.
Sina war genervt. „Egal, irgendwas. Das ist überhaupt kein richtiges Date.“ Sie schaute auf den Unterteller, stockte, sah zu Josy und nahm die kleine, glänzende Packung in die Hand. „Echt jetzt? Ein Kondom?“
Josy beobachtete, wie Sina das Kondom in der Hand drehte und breit grinste. „Na, so gefällst du mir. Bist du schon ein kleines Bisschen nervös?“
Sina schnaubte und legte das Kondom zurück auf den Teller. „Das ist nicht das, was ich im Kopf habe, Josy. Irgendwie habe ich das Gefühl, das es ein total peinlicher Tag wird.“
„Ach Quatsch“, erwiderte Josy. „Manchmal muss man raus und sich selbst überraschen. Wer weiß, vielleicht ist dieser Tom Corey ja genau der Richtige für dich und hat den nötigen Humor, um mit deiner Laune klarzukommen.“
Sina verdrehte die Augen. „Aber nicht, weil ich ständig an solche Sachen denken möchte.“
„Das ist die große Frage“, sagte Josy nachdenklich. „Mach dir keine Sorgen, mit ein wenig Mut bekommst du das hin.“
Sina nahm ihre Kaffeetasse in die Hand. „Mut. Ja, den könnte ich gebrauchen.“ Sie trank einen Schluck. „Übrigens ...“, sie nahm sich ein Brötchen, riss es auf und pulte ein Stück aus dem Inneren heraus. „... wenn ich mich in einen dieser Typen verlieben sollte, werde ich sofort mit diesem Experiment aufhören.“ Den Teig tunkte sie in die selbstgemachte Traubenmarmelade und steckte sich das Bällchen in den Mund. Dann fuhr sie mit dem Zeigefinger in das Gläschen und leckte ihn genüsslich ab und nuschelte: „Lecker.“
Josy beobachtete sie einen Moment lang, dann schüttelte sie grinsend den Kopf. „Du bist mir eine Nummer, Sina. Aber das ist genau der Punkt. Wenn du jemanden findest, bei dem du spürst, es ist mehr, dann habe ich nichts dagegen, wenn du aufhörst – versprochen.“
Sina leckte die Reste der Marmelade von ihrem Finger. „Ja, mal sehen.“
„Eins ist gewiss: Es wird unterhaltsam“, erklärte Josy mit frechem Grinsen. „Und du wirst dir hinterher sicher sein, was du wahrhaftig willst.“
„Ich habe keine Ahnung, was ich will“, murmelte Sina und lehnte sich zurück.
„Die Auswahl dort draußen ist gigantisch groß. Durchschnittlich ist jeder zweite Mensch auf der Erde ein potenzieller Liebhaber“, stellte Josy fest.
Sina biss vom Brötchen ab und leckte sich Krümel von den Lippen. „Also Prinz Charles und Ringo Starr sollten wir von der Liste streichen.“
Josy schmunzelte, nahm Sina das angebissene Brötchen vom Teller, aß davon und legte es zurück. „Ich finde, Ringo ist im Alter recht attraktiv geworden.“
„Reichst du mir mal die Sharonfrucht?“ Sina zeigte auf den üppigen Obstteller.
Josy gab sie ihr beiläufig, zog sich die Tageszeitung heran und trank einen Schluck.
„Danke“, sagte Sina. „Weißt du, wie alt der Typ ist?“ Sie nahm die Frucht und begann, sie in dünne Scheiben zu schneiden. „Du solltest unbedingt sicherstellen, dass der Typ nicht aussieht, als würde er in einem Seniorenheim wohnen.“ Sie schmunzelte und ließ den Blick auf Josys hektischer Bewegung ruhen.
Josy sah auf die große Standuhr. „Verdammt, ich muss los. Also elf Uhr im Lanés Caféhaus.“ Eilig schob sie die restliche Brötchenhälfte in ihren Mund und spülte mit Kaffee nach. „Du bekommst das schon hin.“ Sie sprang auf, küsste Sina auf die Stirn und sagte: „Mach dir keine Sorgen. Es wird ein gut aussehender Typ sein. Außerdem – wenn er nicht deinem Geschmack entspricht, hast du trotzdem einen guten Tee oder leckeren Kuchen. Je nachdem: Win-win!“
„Ein großartiger Plan“, antwortete Sina ironisch und biss vom Brötchen ab.
„Wir sehen uns heute Abend. Dann will ich Details hören. Du hast das ganze Haus für dich alleine. Nutze die Gelegenheit.“ Sie grinste eine Spur zu provokant.
„Dazu wird es auf keinen Fall kommen“, rief Sina ihr nach und hörte die schwere Haustür ins Schloss fallen.
Sie musste sich jetzt langsam anziehen und ließ das angebissene Brötchen auf dem Teller liegen. Den Brotkorb und die Tasse nahm sie gleich in die Küche mit, sah das Kondom auf der Untertasse liegen und nahm es an sich.
Nach einer Dreiviertelstunde kam Sina gebürstet und dezent geschminkt aus dem Badezimmer. Sie schlüpfte in ihr schwarzes Kleid und betrachtete sich vor dem raumhohen Spiegel. So aufgedonnert hatte sie sich das letzte Mal zu Les Mis in London. Das lag vier Jahre zurück.
Der Anblick gefiel ihr. Sie sah bezaubernd aus. Der edle Stoff schmiegte sich an ihren Körper, wie eine zweite Haut. Ihre langen, brünetten Haare flossen über ihre Schultern und betonten ihre Weiblichkeit in sanften Wellen. Sie hatte kein Pfund zugelegt.
„Sie sind eine begehrenswerte Frau, Mrs. Sina Hamlin“, sagte sie zu ihrem Spiegelbild und musterte sich von allen Seiten.
„Jetzt aber los“, feuerte sie sich an und warf lächelnd einen letzten Blick über ihre Schulter zum Spiegel.
Zufrieden verließ sie das Herrenhaus, doch als sie an sich herabblickte, zögerte sie. Ein kurzer Gedanke durchfuhr sie, und sie drehte sich entschlossen um. Nein, so konnte sie unmöglich zu ihrem Treffen gehen. Was würde er nur von ihr denken? Also verschwand sie wieder im Haus.
Augenblicke später trat sie heraus – diesmal mit einer leichten Bluse, einer ausgewaschenen Jeansweste und einem luftigen Rock. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Jetzt fühlte sie sich wohl.
Mit neuem Schwung lief sie zum Grundstückstor, bog auf die Straße ein und eilte zielstrebig zum Caféhaus.
Die Uhr zeigte, dass sie siebzehn Minuten zu spät war – für Sina absolut im Rahmen ihrer Definition von Pünktlichkeit.
Das Lanés Caféhaus war das letzte Gebäude in der Straße, das die vergangenen zweihundert Jahre unversehrt überstanden hatte. Ringsum hatten moderne Bauten aus Glas und Metall längst die Oberhand gewonnen, doch das Caféhaus stand verloren, wenngleich würdevoll, zwischen den hohen Bürogebäuden.
Sina kannte diesen Ort gut. Während ihrer dreijährigen Ausbildung zur Grafikdesignerin - nur ein paar Schritte entfernt - war sie oft hier gewesen. Sei es, um in den Pausen einen Milchkaffee zu genießen oder nach Feierabend kurz abzuschalten.
Von Anfang an hatte sie sich in die dunkelblaue Holzfassade und die goldverzierten, geschwungenen Säulen verliebt. Sie verliehen dem Lanés Caféhaus eine zeitlose Eleganz, die sich gegen die Moderne stemmte.
Vor dem Eingang saß ein Teenager auf dem Bordstein, gekleidet in zerrissene Jeans, mit einem schmutzigen Gesicht. Vor ihm standen zwei umgedrehte, verbeulte Kochtöpfe, eine Holzkiste und ein Plastikeimer, auf dem Schlagstöcke lagen – ein improvisiertes Schlagzeug, bereit für die nächste Aufführung.
Ohne bewusst hinzusehen, eilte Sina an ihm vorbei und öffnete die schwere Holztür.
Drinnen empfing sie ein wohliger Duft nach frischgebackenem Kuchen und frisch gemahlenem Kaffee. Leises Klirren von Tassen und gedämpfte Stimmen vermischten sich zu einem vertrauten Melodieverbund.
Sina blieb stehen und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Die wenigen Gäste saßen verstreut an den Tischen, die meisten in sich gekehrt. Ein alleinsitzender, älterer Mann bemerkte sie und drehte sich langsam zu ihr um. Seine hoffnungsvollen Augen hielten den Blick für einen Moment fest.
„Das darf doch nicht wahr sein!“ Innerlich fluchend dachte sie an Josy. Hatte sie ihr ernsthaft diesen alten Mann geschickt? Seine Haare waren grau und die tiefen Falten in seinem Gesicht erzählten Geschichten eines langen Lebens, die Sina gar nicht hören wollte.
Natürlich geht es nur um den Charakter, also gute und schlechte Eigenschaften, die sie in ihre Liste eintragen sollte – rein beruflich, selbstverständlich. Aber musste es ausgerechnet so jemand sein?
Trotz ihrer großen Enttäuschung zwang sie sich zu einem Lächeln und ließ sich ihm gegenüber auf den Stuhl fallen. „Entschuldigen Sie meine kleine Verspätung, aber ...“ Sie deutete mit einer flüchtigen Handbewegung nach draußen zur Straße, wo der Verkehr als Entschuldigung dienen sollte, selbst wenn derzeit kaum Fahrzeuge unterwegs waren. Dabei hoffte sie, dass ihre Andeutung ausreichte.
Unbewusst zupfte sie an ihrer Weste, ihre Finger suchten Halt an dem rauen Stoff.
„Schickt Sie Evelyn, verehrte Ma’am?“, fragte er mit überraschend klarer Stimme und einem höflichen Nicken.
Sina blinzelte irritiert und musterte ihn genauer. „Vermutlich meinen Sie Amber oder Josy“, erwiderte sie und versuchte, den Ton neutral zu halten. Dabei wanderte ihr Blick über seine gebogene Nase, die sie seltsam faszinierte – oder vielleicht nur ablenkte.
„Amber? Nein.“ Er lächelte höflich, doch seine Miene wirkte fragend. „Aber ich freue mich, Sie hier zu sehen. Was kann ich für Sie tun?“
Sina zog die Augenbrauen zusammen und lehnte sich unbewusst etwas zurück. „Bitte? Was Sie tun können? Hören Sie, ich bin nicht hier, um es mir … besorgen zu lassen.“ Ihre Stimme war schärfer, als sie es beabsichtigt hatte, doch die Situation irritierte sie zu sehr.
Der alte Mann blinzelte, scheinbar unbeeindruckt von ihrem Tonfall. Langsam schob er seine Hände über das makellose weiße Tischtuch in ihre Richtung. Seine Finger zitterten leicht.
Sina zog sich instinktiv zurück.
„Halt! So etwas mache ich nicht, alter Mann. Das geht entschieden zu weit.“ Ihre Stimme war laut genug, dass sich einige Gäste nach ihr umdrehten. Mit einem Ruck schob sie den Stuhl zurück, dessen Beine über den Boden schurrten, und stand auf. Ärgerlich zog sie ihr Handy aus der Tasche und tippte mit gezieltem Druck Josys Nummer ein.
Wieder blinzelte er, bevor er etwas sagte: „Bringen Sie eine Nachricht von Evelyn?“ Seine Stimme war sanft, als würde er eine andere Unterhaltung führen.
Sina hielt inne. Ihr Blick wurde schmal, während sie das Handy langsam auf Hüfthöhe sinken ließ. „Moment, wer ist Evelyn?“, fragte sie misstrauisch. Ein Gedanke machte sich breit und sie runzelte die Stirn. „Haben Sie vielleicht auch gerade ein Date?“
„Selbstverständlich, Ma’am. Jeden Tag.“ Seine Stimme war tief, als wäre nichts Ungewöhnliches passiert.
„Immer?“ Sina gefiel der Gedanke nicht, dass dieser alte Sack jeden Tag ein Date hatte.
„Ja, immer“, bestätigte er.
„Oh, Moment. Sie ... Sie warten gar nicht auf mich.“ Sina wurde nervös. „Entschuldigen Sie bitte. Ich dachte, Sie ... ich meine: Ich habe ebenso ein Date.“ Unsicher lächelte sie und versuchte, die Situation zu entschärfen. „Ist mir jetzt peinlich.“
Hektisch ließ sie ihren Blick durch das Café schweifen, um zu sehen, mit wem sie sich eigentlich treffen wollte.
„Das macht doch nichts. Leisten Sie mir ein wenig Gesellschaft“, schlug der Mann plötzlich vor.
Sina zögerte und gestand ihm etwas Zeit zu, auch wenn sie schon viel zu spät für ihr eigenes Date war. Nur war das jetzt irgendwie auch egal. „Aber nur kurz“, sagte sie mit leichtem Lächeln. „Wann sind Sie denn verabredet?“
„Um zehn.“ Seine Antwort kam beiläufig, als hätte er alle Zeit der Welt.
„Es ist schon nach elf. Sie warten schon ziemlich lange.“
Er sah auf seine Uhr und nickte. „Vier Stunden, neununddreißig Tage und zweiundvierzig Jahre.“ Dabei blieben seine Worte nach wie vor gelassen, nur sein Blick wirkte jetzt dumpf.
„Das ist nicht Ihr Ernst? Sie warten schon zweiundvierzig Jahre auf ihre Evelyn?“ Sina machte große Augen.
Er trank genüsslich einen Schluck Tee.
Hinter dem Alten entdeckte Sina einen jungen Mann im schwarzen Anzug, am Fenster sitzen. Er rutschte auf seinem Stuhl hin und her, sein Blick wanderte ständig zwischen der Uhr am Handgelenk und der Straße draußen hin und her.
Sina atmete tief ein, ließ die Luft langsam ausströmen und spürte, wie sich ihre Anspannung in Entschlossenheit wandelte. Jetzt geht’s los, dachte sie und bereitete sich innerlich auf das Abenteuer vor.
„Es war schön, Sie kennengelernt zu haben, Mister“, sagte sie höflich und schenkte dem alten Mann ein aufrichtiges Lächeln. Ihr Blick verweilte einen Moment auf der Mundharmonika mit den geschnitzten Holzseiten, die unter seiner Hand hervorschaute.
Doch sie hatte jetzt keine Zeit, sich länger aufzuhalten und erhob sich. Entschlossen straffte sie die Schultern und marschierte auf den elegant gekleideten Mann zu. Mit jedem Schritt klopfte ihr Herz schneller, ein unerwartetes Kribbeln breitete sich in ihrem Magen aus.
Jetzt wird es ernst.
Sein kurz geschorenes Haar ließ seinen Kopf wie einen Fußball wirken, und der altmodische Schnitt seines Anzugs erinnerte an eine vergangene Ära. Doch seine Augen – warm und treu – milderten den ersten Eindruck.
„Wartest du hier auf dein Date von Amber und der Agentur?“, fragte sie nervös und spürte deutlich ihre Unsicherheit.
Wie von einer Feder geschnellt, stand er auf, straffte sich und streckte ihr die Hand entgegen, fast wie ein Soldat beim Appell. „Ja, genau! Ich bin Tom.“ Seine Lippen formten ein breites Grinsen, das etwas zu eifrig wirkte.
Sina nahm seine Hand und lächelte entschuldigend. „Tut mir leid, ich bin ein bisschen spät dran. Aber ich dachte … der alte Herr dort drüben wäre mein Date.“ Mit einem verlegenen Lächeln deutete sie in Richtung des alten Mannes.
Tom folgte ihrem Blick, winkte lässig ab, wobei seine Hand schlackerte, er runzelte kurz die Stirn und lachte. „Der? Nein, nein, ich bin’s.“
Sein unsicheres Grinsen wirkte wie eingefroren, genau wie sein Blick auf ihren Brüsten. Der Kerl starrte sie an. Oh je, der ist entweder furchtbar schüchtern … oder einfach nur unverschämt, dachte sie und hob eine Augenbraue.
„Hier oben“, sagte sie trocken und deutete auf ihr Gesicht. „Es gibt mehr an mir zu entdecken als das, was du da suchst.“
Verwirrt blinzelte er, seine Wangen liefen rot an. Hastig wanderten seine Blicke für einen Moment zu ihrem Gesicht, bevor er die Tischplatte direkt vor sich fixierte.
„Sag mal, Tom. Wieso bist du heute hier?“, fragte sie spontan, nur um irgendetwas zu sagen. Das brachte ihn zumindest dazu, wieder zu ihr aufzusehen.
„Weil wir ein Date haben?“
„Ja, aber warum haben wir das?“, fragte Sina, die Stirn in Falten gelegt.
Er ruckte mit den Schultern, war definitiv unsicher. „Ich hatte nie eine Frau.“
Sina hielt kurz inne. Sie spielte leicht nervös mit ihrem klobigen Armreif und musste erstmal ihre Gedanken ordnen. War diese Eigenschaft gut oder schlecht?, dachte sie und fragte weiter: „Wie hast du das bisher gemacht? Ich meine, du bist doch … ein Mann, oder?“
Ein schüchternes Lächeln huschte über sein Gesicht. „Oh ja. Ganz sicher. Aber ich sehne mich nach einer Frau. Jemandem wie dir. Ich würde dich jeden Tag verwöhnen … mit Kerzenschein, Kuscheln … einfach alles, was dich glücklich macht.“
Sina verdrehte die Augen, hielt sich aber tapfer. Dieses Desaster war es gerade noch wert, bis zum Ende durchgezogen zu werden. „Ich bin eine hoffnungslose Romantikerin“, sagte sie schließlich und lächelte. „Vielleicht bin ich sogar die Letzte im Universum, die all die alten Klischees auslebt. Zumindest behauptet das meine Mitbewohnerin. Aber genug von mir.“ Sie hob den Kopf und sah ihn prüfend an. „Was erwartest du von unserem Treffen?“
Er zögerte kurz, ehe er die Hände ineinander verschränkte. „Ich möchte … eine Frau an meiner Seite. Jemanden, mit dem ich Spaß haben kann.“
„Wie sieht denn der Spaß in deinem Leben aus?“, fragte Sina und verschränkte die Arme, während sie sich neugierig zurücklehnte. „Was treibst du so? Was magst du? Erzähl mal ein bisschen von dir.“
Tom hüstelte mit der Hand vor dem Mund. „Also“, begann er bedächtig, fast schon träge, „ich habe ein kleines Appartement mit Balkon. Eigentlich ganz nett.“ Er hielt kurz inne, als wäre das schon alles, beschloss dann aber doch, weiterzusprechen. „Und beruflich arbeite ich bei einem Dienstleistungsunternehmen. Dort ist es recht okay.“
Sinas Anspannung war zwar gewichen, allerdings keimte stattdessen ein gewisser Ärger auf. War es die Wut auf sich selbst, weil sie hier saß, oder die Wut auf Josy oder Amber, die sie in diese Situation gebracht hatten? Sie wollte nichts von dem Typen und eigentlich gar nicht hier sein. Es war schlicht und ergreifend anstrengend und ganz bestimmt nicht das, was sie sich vorgestellt hatte.
„Soso, du arbeitest also beruflich“, wiederholte sie mit einem spöttischen Unterton. „Das ist ja faszinierend.“ Sie wartete ab, ob Tom doch noch etwas mehr aus seinem langweiligen Leben hinzufügen wollte.
Doch nichts kam. Er saß da und sah sie mit einer Mischung aus Unbehagen und Ahnungslosigkeit an, die sie nur mehr reizte.
„Sammelst du zufällig Briefmarken?“, fragte sie fast schon genervt. „Oder führst du abends deinen Goldfisch Gassi?“ Sie zog eine Augenbraue hoch, fast so, wie es Spock all die Jahre im Fernsehen getan hatte. Und sie sah, wie er seine Stirn kräuselte, und fragte sich, ob da irgendwelche Reaktionen kommen würden, oder zumindest ein beliebiges Lebenszeichen.
„Hallo, Tom? Bist du noch anwesend?“
„Äh, ja klar. Ich musste nur überlegen. Aber ich sammle keine Briefmarken und ... kann man das mit einem Fisch ohne Witz machen? Das hab ich so bisher gar nicht gesehen.“
Das ist jetzt nicht dein Ernst, dachte sie und stützte den Kopf auf die Handfläche. Sie holte tief Luft und erklärte ihm, was eigentlich nicht erklärungswürdig war: „Das war rein rhetorisch. Ich wollte einfach wissen, welche Hobbys und Haustiere du hast.“
„Ach so. Was hast du denn für Hobbys?“
Jetzt war sie echt genervt. Er antwortete mit einer Gegenfrage. „Du zuerst“, sagte sie schnell, bevor sie aufspringen und weglaufen würde.
„Ich höre gerne Musik und gucke Fernsehen“, sagte er mit einschläfernder, monotoner Stimme.
Was sollte das werden?, fragte sich Sina. Womöglich dachte er, sie beide würden in die Kiste springen, heiraten und in aller Ewigkeit zusammenbleiben. Dieser Gedanke war schon ein wenig seltsam, fast gruselig.
„Ich denke, wir beenden unser Date.“ Sie sah auf die Uhr. Nun, die vereinbarte halbe Stunde war fast geschafft, den Rest würde sie auch durchhalten. Egal wie schräg es noch werden könnte.
„Okay. Hättest du morgen wieder Lust auf ein Date?“, fragte er und ergänzte: „Wenn du magst. Ich hätte bestimmt Zeit, falls ich nichts anderes zu tun habe.“
„Nein, lass mal, Tom. Du bist ein netter Kerl, aber das wird nichts mit uns.“
Sina sah ihn einen Moment lang an und spielte gedankenverloren mit ihrem Glas. Seine Bemerkung war so abstrus, dass sie nicht wusste, ob sie beeindruckt oder gelangweilt sein sollte.
„Warte! Ich kann dir noch etwas erzählen.“
Sie lehnte sich zurück und sagte schließlich trocken: „Ach, ist dir dein großer Traum vom Abenteuer eingefallen?“
„Na ja, ich reise gerne. Eventuell würde ich mal eine Weltreise machen, wenn ich ein Boot und ganz viel Geld hätte. Aber ansonsten … ich bin ein einfacher Mann. Ich schätze die kleinen Dinge im Leben.“
„Die kleinen Dinge“, wiederholte Sina und nickte langsam. Sie notierte in der Liste stumm: Zufriedenheit – langweilig. Ja, das traf es recht gut.
„Und du?“, fragte Tom plötzlich. „Was erwartest du vom Leben?“
Sina hielt inne und legte den Stift auf den Tisch. „Ach, das weiß ich selbst nicht so genau“, antwortete sie ausweichend. „Womöglich finde ich es bei einem dieser Dates heraus.“
Tom lachte, doch Sina spürte, dass ihre Worte ihm nicht viel bedeuteten oder auf irgendeine Weise nicht seinen Verstand erreichten. Das macht den Abschied einfacher, dachte sie und trank ihre Tasse aus.
„Sehr schön. Du scheinst insgesamt mit dir zufrieden zu sein.“
Was labert der Typ nur? Sie sah auf die Liste. Dort fehlte der Eintrag für sein dunkles Geheimnis. Obwohl, das wollte sie gar nicht wissen.
Er sprach weiter: „Dann würde ich gerne groß im Lotto gewinnen.“
Sina verschränkte die Arme, lehnte sich entspannt zurück und dachte an ihre Einkaufsliste. Sie musste Saftgläser besorgen und den Bilderrahmen für das schräge Foto aus dem Pub, als Josy völlig betrunken dem Typen an der Bar mit ihrem Hotdog die Hose beschmiert hatte. Dieser Gedanke ließ sie unwillkürlich schmunzeln.
„Hallo?“ Tom holte sie aus den schönen Erinnerungen in die reale Welt zurück.
Sie winkte beiläufig ab.
„Würdest du mal im Lotto gewinnen wollen?“, hakte er nach.
„Die Chancen sind nicht besonders hoch“, sagte sie flugs. „Weißt du, mit einem Los kaufst du dir nur die Hoffnung. Geldverdienen funktioniert anders.“
„Ja ich weiß. Die Chancen sind gering. Besonders, wenn man überhaupt nicht spielt.“
Sina verschlug es die Sprache. Tja, was konnte sie bei solchen schlagkräftigen Argumenten überhaupt erwidern? Ich denke, dass alles damit gesagt war, was sie mit diesem Mann besprechen könnte. Sie schaute erneut auf die Uhr. Noch drei Minuten, dann war es geschafft. „Okay, Tom. Was hältst du allgemein von Frauen?“
„Oh, ich mag Frauen sehr gerne und würde mit einer zusammenleben wollen. Kenne keinen Mann, der nichts von Frauen hält.“
„So meine ich das nicht.“ Sie erklärte es ihm: „Leider gibt es nicht viele Männer, die eine Frau richtig wertschätzen. Die Frau verkommt in der Partnerschaft schnell zu einer reinen Putzkraft. Was du meinst, ist die Fixierung auf Sex. Ich bin aber der Meinung, dass es weit mehr als Sex gibt, um glücklich zu sein.“
„Nur fixiert auf Sex, kannst du so nicht sagen. Ich achte Frauen, möchte aber mit ihr glücklich sein.“ Er sah sie so komisch an, dass es aussah, als wäre sie sein Nachtisch.
Sina wechselte besser das Thema: „Übrigens liebe ich gehaltvolle Gespräche. Über welche Themen hättest du dich gerne mit mir unterhalten, wenn wir uns öfters treffen würden?“
„Kommt darauf an. Eigentlich alles, außer Politik“, sagte Tom spontan.
„Was heißt alles?“
„Das ist unterschiedlich und kann ich nicht so genau sagen. Das hängt halt vom Thema ab, über das gerade geredet wird.“
Beide sahen sich daraufhin einander an. Das wollte sie einfach mal sacken lassen. Ist der Typ Comedian? Na ja, egal. Sie brauchte die Information für Ihre Liste.
„Schräger Standpunkt. Welche Schwächen hast du?“
„Ich trinke manchmal Bier oder Schnaps. Und du so?“ Er fuchtelte bei seinen Worten bizarr mit den Händen.
„Wenn ich gut drauf bin, quatsche ich, bis die Leute Ohrensausen bekommen. Ich esse bewusst, trinke kaum Alkohol, rauche nicht und halte mich von Gummibärchen fern. Zählt ein Massagestab als Laster?“ Kaum ausgesprochen, biss sie sich auf die Lippen. Das wollte ich doch gar nicht sagen, dachte sie.
Er starrte sie an, schweigend, bis ein Räuspern die Stille durchbrach. „Mit Sexspielzeug habe ich kein Problem. Willst du meine Frau werden und mit mir Sex haben?“
Sina blinzelte, brauchte einen Moment und schüttelte dann deutlich den Kopf. „Langsam, Sunnyboy. So weit wird es garantiert nicht kommen.“
„Ich würde vorher in die Wanne springen, Haare waschen und mich stylen.“
Sina spürte, wie ihr linkes Ohr zu jucken begann, aber sie widerstand dem Drang, sich zu kratzen. „Okay, Josy. Ich bring dich um“, murmelte sie leise und schob den Zettel vor sich. In die letzte Spalte trug sie ein: niedriger Intelligenzquotient.
Vorsichtig faltete sie das Blatt und beendete damit dieses Kapitel. Sie stand auf, streckte ihm die Hand entgegen und lächelte höflich. „Manchmal gibt es einen guten Grund, warum es nur ein einziges Treffen im Leben gibt. Ich wünsche dir alles Gute – und viel Erfolg bei der Partnersuche.“
Er schüttelte ihre Hand, schien kurz zu überlegen und fragte dann völlig unbeeindruckt: „Um welche Zeit treffen wir uns morgen?“
Sie stützten sich auf die Tischplatte, hielt kurz inne um es ihm nochmal genau zu erklären, ließ es aber sein. „Es war schön“, sagte sie mit gezwungenem Lächeln. „Alles Gute, Tom.“
Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte sie sich auf dem Absatz um, bezahlte ihren Tee und eilte mit großen Schritten Richtung Ausgang. Geschafft, dachte sie erleichtert und schob die Tür hinter sich zu.
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Flink sprang Sina von der Couch auf, als Josy am späten Abend endlich nach Hause kam. Noch immer sauer auf das heutige Date, stemmte sie die Hände in die Hüften und presste die Lippen aufeinander.
Josy trat ins Zimmer ein, beladen mit zwei prall gefüllten Einkaufstaschen, aus denen Salatköpfe, ein Baguette und Kohlrabiblätter herausragten.
„Warum hast du mir das angetan?“, fuhr Sina sie ohne eine Begrüßung an.
Josy blinzelte irritiert, blieb aber völlig ruhig und drückte die Tür mit der Ferse zu. „Hilfst du mir oder guckst du nur böse?“
Sina reagierte nicht und wartete auf eine Erklärung. Sie kochte innerlich und schaffte es nur schlecht, es zu verbergen.
Josy stellte die Einkäufe auf der Anrichte ab und legte ihre Umhängetasche daneben. „Na, wie ist es gelaufen, Schätzchen?“ Josy grinste breit.
Sina verschränkte die Arme und fixierte sie mit einem Blick, der Eiszapfen schmelzen lassen könnte. „Du wagst es, mich das zu fragen? Es war eine Katastrophe, Josy! Eine einzige Katastrophe!“
Josy öffnete den Mund, aber Sina ließ sie gar nicht erst zu Wort kommen.
„Denkst du, ich bin so verzweifelt, dass ich jeden dahergelaufenen Trottel nehme? Du und deine glorreichen Ideen!“ Sie atmete tief ein, bevor sie mit erhobener Stimme weitermachte: „Das nächste Mal gehst du selbst zu so einem Date! Ich verzichte.“ Mit einem frustrierten Seufzer lehnte sie sich gegen den Schrank, verschränkte die Arme enger und funkelte Josy an.
„Jetzt halt mal die Luft an.“ Josy hing ihre Jacke an die Garderobe. „Ich weiß Bescheid. Amber hat angedeutet, dass sie auf die Schnelle nichts Passendes auftreiben konnte. Sie dachte aber, das geht erstmal in Ordnung so. Das kommt nicht wieder vor.“
Sina blies sich eine gewellte Strähne aus dem Gesicht, die sich gelöst und vor ein Auge gelegt hatte. „Das geht in Ordnung? Was denkt die sich? Sie hätte mich warnen, oder besser das Treffen absagen müssen.“ Ihre Stimme schwankte. Sina war aufgeregt.
„Leider war es dafür schon zu spät. Jetzt beruhige dich erst mal. Morgen haben wir für dich einen rattenscharfen Kerl organisiert. Der ist gut durchtrainiert und ein richtiger Mann.“ Josy brachte frische Amaryllis und Rosen ins Wohnzimmer und gestikulierte, da Sina ihr folgen sollte.
Sina sah ihr trotzig hinterher. „Dann schnapp ihn dir doch selber, wenn der so heiß ist.“
„Er wird dir gefallen. Ich habe sein Profil gesehen. Einundvierzig, Muckibude, ungebunden und er ist wirklich heiß.“ Sie leckte sich über die Lippen.
Sinas Gesicht verfinsterte sich. „Einundvierzig? Das sind neun Jahre Unterschied.“ Sie seufzte.
„Jetzt rege dich nicht schon wieder auf. Sieh es positiv. Du musst ihn wenigstens nicht anlernen. Hey, dieses Alter hat durchaus seine Vorzüge.“ Josy schnappte sich eine Vase, füllte Wasser ein und drapierte den Blumenstrauß darin. Sie hielt ihn Sina entgegen. „Stell die bitte auf den Tisch, ich hole uns Gläser und Wein. Dann erzählst du mir in aller Ruhe, was passiert ist.“
Widerwillig nahm Sina die Vase entgegen: „Da gibt es nichts zu erzählen. Der war total schüchtern und ich glaube, der wollte nur Sex.“ Sina dachte an seinen Fußballkopf und den altertümlichen Anzug.
„Ja, solche Typen gibt es. Kommt schon vor. Zeig mal deine Liste her.“
Sie setzten sich beide auf die Couch. Sina schob ihre Hand in die Hosentasche, wobei sie umständlich ihren Po von der Couch hochstemmte, um besser ranzukommen. Den Zettel reichte sie Josy.
„Na bitte. Das sieht doch schon gut aus.“ Josy schmunzelte. „Niedriger Intelligenzquotient.“ Ihr Grinsen war kokett.
„Um das herauszufinden, hätte ich kein Date gebraucht“, sagte Sina zickig und musste unwillkürlich an ihren Henry und seine lebenserfahrenen Sprüche denken.
„Morgen, um elf im Lanés. Du gehst da hin, Baby, und du wirst dich gut amüsieren. Das verspreche ich dir.“
„Gib schon her“, Sina zeigte auf die Liste. „Ich hoffe, dass es diesmal besser wird.“ Sie trank einen großen Schluck aus ihrem Weinglas.
Hoodie
Sina steuerte zielstrebig auf das Café zu, als die Eingangstür schwungvoll aufging. Ein adretter Mann trat heraus, zwei dampfende Kaffeebecher in den Händen. Gedankenverloren streifte er sie leicht an der Schulter.
„Oh, Verzeihung“, murmelte er knapp, ohne stehen zu bleiben.
Mit eiligen Schritten ging er über die Straße, geschickt zwischen den Autos hindurch und verschwand in Richtung Rivington Drive.
Sina blieb noch stehen und schaute ihm hinterher. Schade, Schnuckiboy, dachte sie mit einem amüsierten Lächeln. Den zweiten Kaffee hätte ich dir gerne abgenommen.
Heute trug sie ihren kurzen, roten Pullover, der knapp über dem Bauchnabel endete. Sina strich unbewusst über den Saum, hielt auf der anderen Straßenseite nach dem jungen Mann Ausschau und zog die Tür hinterrücks auf. Mit einem leichten Lächeln, das ihre innere Aufregung verbergen sollte, betrat sie das Café.