Dealterms.vc - Nikolas Samios - E-Book

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Nikolas Samios

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Beschreibung

"Grandioses Buch" (Alexander Hüsing, Deutsche Startups) "Wenn man ein Startup ist und möchte von Investoren Kapital aufnehmen, dann könnte das Eure Bibel werden." (Joel Kaczmarek, digital kompakt) "Das erste Buch auf dem deutschen Markt, das sich verständlich und tiefgehend mit Startup-Finanzierungen beschäftigt. Eine Pflichtlektüre für Gründer." (Caspar Tobias Schlenk, Gründerszene) Die Venture-Capital-Finanzierung ist ein maßgeblicher wie auch verhandlungsintensiver Schritt im Lebenszyklus eines Startups. Nikolas Samios & Anja Arnold sind seit 1998 als Gründer, Investoren und Berater in der deutschen Venture-Capital- und Startup-Szene aktiv und saßen bei diesem Prozess schon über zweihundertmal auf beiden Seiten des Tisches, sowohl als Investor als auch als Gründer. Basierend auf der Erfahrung der beiden Autoren Nikolas Samios & Anja Arnold sowie einer aufwendigen Interviewreihe mit mehr als 20 Top-Gründern und Risikokapital-Investoren wie Nikita Fahrenholz (Delivery Hero, Book a Tiger), Christian Vollmann (nebenan.de, eDarling, Business Angel des Jahres 2017), Dirk Graber (Mister Spex), Erik Podzuweit (Scalable Capital) oder Dr. Christian Nagel (Earlybird) entstand mit DEALTERMS.VC ein umfassender und praxisnaher Leitfaden rund um Risikokapital-Verhandlungen und deren Deal Terms, der erstmals auch ein vollständiges Vertragswerk einer Venture-Capital-Finanzierung abbildet. Das Buch richtet sich gleichermaßen an Startup-Gründer wie Investoren, aber dank der leichten Zugänglichkeit auch an interessierte Manager, Berater, Anwälte, Banker und Politiker.

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Seitenzahl: 437

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Vorwort

Beim Lesen der ersten Manuskript-Versionen von Anja Arnold und Nikolas Samios für dieses Buch musste ich häufiger schmunzeln. Natürlich gibt es in der nicht immer leichten Investor-Gründer-Beziehung, wie im Privatleben, Ups und Downs. Aber in der Venture-Capital- und Startup-Szene gilt eine substantielle Beteiligung der Gründer an einem hoffentlich wachsenden Firmenwert als Grundvoraussetzung für ein Investment eines Business Angels oder Venture-Capital-Fonds. Diese gefühlte Selbstverständlichkeit ist jedoch abseits des Startup-Ökosystems alles andere als Usus.

Oder anderes ausgedrückt, vielen Gründern wird gar nicht bewusst sein, wie gut sie es im Vergleich zur klassischen Welt der Großkonzerne haben.

Ich will nicht klingen wie „Opa, der vom Krieg erzählt“, aber zu Beginn meiner beruflichen Karriere hätte ich viel für ein derartiges Verständnis in den Köpfen der Entscheider gegeben, das in diesem Buch nicht einmal mehr hinterfragt wird. Zu dieser Zeit gab es noch keine Handys, kein Internet, höchstens eine Schreibmaschine mit Durchschlag und einen Kopierer pro Firmen-Etage. Das Innovationspotential und die daraus resultierenden unternehmerischen Chancen, gerade zu Beginn der digitalen Revolution, waren jedoch nicht minder ausgeprägt als heute.

Damals, Ende der 1980er, war ich an Axel Springers Bemühungen beteiligt, die D2-Mobilfunklizenz zu erwerben, was den Start des privaten Mobilfunks in Deutschland darstellte. Bekanntermaßen erhielt Mannesmann schließlich den Zuschlag, was dem damaligen Röhrenproduzenten in seinem neuen Geschäftsfeld neben der Lizenz zum Funken quasi auch eine Lizenz zum Gelddrucken bescherte. Es war der Prototyp der digitalen Transformation, lange bevor dieser Begriff inflationiert wurde und nun Wirtschaftsmedien wie Berater-Anzeigen dominiert.

Später, Mitte der 1990er, baute ich als Geschäftsführer AOL Europe für die Bertelsmann AG auf, zu einer Zeit, wo wir in Business-Meetings regelmäßig erstmal „das Internet“ in schweren Koffern mitbringen und demonstrieren mussten. Der Verkauf der Geschäftsanteile an die amerikanische AOL- Muttergesellschaft brachte Bertelsmann insgesamt ca. 10 Milliarden Dollar ein.

Wie auch im Falle Mannesmann erzielte der Großkonzern Milliardengewinne, was aus kapitalistischer Sicht auch grundsätzlich gerechtfertigt ist, da diese Konzerne zunächst ein finanzielles Risiko durch anfängliche Investitionen eingegangen sind. Anderseits wurde der unternehmerische Beitrag der für diese Milliardendeals verantwortlichen Personen, vereinfacht ausgedrückt, konzerntypisch in aller Regel mit nicht mehr als einem Schulterklopfer und einem Weihnachtsbonus gewürdigt. Die in meinem Fall sogar ausnahmsweise einmal gegebene Zusage einer Beteiligung an den Exit-Erlösen musste ich in einem kräftezehrenden juristischen Prozess durchsetzen, welcher allein schon Stoff für eine Netflix-Serie geboten hätte.

Obwohl ich mich nie als Hardcore-Kapitalist gesehen habe, war es schlussendlich dieses dem Corporate-System innewohnende Ungleichgewicht, das 1997 in mir das Bedürfnis schuf, in das Venture-Capital-Geschäft einzusteigen und ins Silicon Valley zu ziehen, um mit BV Capital (heute e.ventures) sukzessiv meine eigene globale Venture-Capital-Plattform mit zwischenzeitlich mehr als einer Milliarde Dollar Investitionen und einem Vielfachen an Rückflüssen aufzubauen. Dabei faszinierte mich stets nicht nur die monetäre Aussicht, sondern vielmehr das Paradigma eines gemeinsamen Erfolges mit den Gründern im Sinne einer echten unternehmerischen Partnerschaft zwischen „Machern“ und „Kapital“, wie sie in Konzernen nach meiner Erfahrung strukturell, kulturell und politisch nicht erwünscht ist.

Diese möglichst faire Aufteilung von Kontrolle und Wertzuwachs eines Unternehmens zwischen denjenigen, die das Kapital bereitstellen und denjenigen, die die Geschäftsidee entwickeln und umsetzen, ist das Rückgrat eines jeden Venture Capital Deals. Und Venture Capital ist zugleich ein Sprungbrett, welches schlauen und fähigen Gründerinnen und Gründern egal welcher Herkunft ermöglicht, weltverändernde Unternehmen aufzubauen, was ohne diese Finanzierungsform wohl nur privilegierten Erben aus entsprechenden Wirtschafts- oder Politik-Eliten möglich wäre.

Die Gleichberechtigung zwischen Kapital und Umsetzung, die das VC-Geschäft prägt, liegt dabei nicht in einer romantischen Vorstellung begründet, dass alle Menschen per se gleichbehandelt werden sollten, und existiert bei diesem hochkapitalistischen Geschäftskonstrukt erst recht nicht aufgrund eines sozialistischen Gedankens, dass jeder gleich viel besitzen sollte. Vielmehr ist dieses sogenannte „Alignment of Interest“ eine zwingende Notwendigkeit und das Ergebnis der gegenseitigen und alternativlosen Abhängigkeit von Kapital und Gründer. Es herrscht im Optimalfall ein vollständiger Gleichlauf der Interessen, bei dem alle involvierten Parteien ohne überbordende Partikularinteressen auf den Erfolg des gemeinsamen Unternehmens hinarbeiten.

Zu ihrer Entscheidung, ein Risiko zu wagen und eine Firma aufzubauen, kann man Startup-Gründer insofern nur beglückwünschen. Denn sie befinden sich – bewusst oder unbewusst – in der privilegierten Position der völligen Gestaltungsfreiheit ihrer Geschäftsideen, Produkte, Teams und zu einem guten Grad damit auch ihres (privaten) Lebens. Das ist eine Freiheit – und Verantwortung – die im klassischen „Berufsleben“ nur ganz wenige Menschen in einem großen Unternehmen jemals erreichen werden.

Oberflächlich betrachtet stattet dieses Buch Gründer wie Investoren mit viel praktischem Wissen zu allen relevanten Aspekten, typischen Konditionen, Haken und Ösen eines Venture Deals aus und gibt damit Werkzeuge an die Hand, um effektiver über einen Beteiligungsvertrag verhandeln zu können.

Viel wichtiger ist jedoch, dass Anja Arnold und Nikolas Samios aus ihrem eigenen Erfahrungsschatz und zahlreichen Gesprächen mit namhaften Gründern und Investoren einen roten Faden spinnen, der sich konsequent von Anfang (Gründung) bis Ende (Exit) der Gründer-Investoren-Beziehung zieht und der sich auch mit meiner eigenen Erfahrung und Anschauung deckt.

Den Schlüssel zum Erfolg sehen wir also vor allem in der Interessenkongruenz und einer täglich gelebten persönlichen Augenhöhe zwischen Investor und Gründer abseits des Kleingedruckten. Zugespitzt: Geht es „unserem“ Gründer schlecht (beruflich oder privat!), steht es bald auch nicht mehr so gut um unser Investment. Da helfen dann auch keine noch so ausgefeilten Beteiligungsverträge, denn auch hart verhandelte Informationsrechte bringen in der Praxis keinen Wissensvorsprung, wenn es schlicht am persönlichen Vertrauen fehlt.

Diese banale Weisheit hat schon viele angehende Venture-Kapitalisten zig Millionen Euro Lehrgeld gekostet, aber jeder ist eben auf seine Weise schlau – der eine vorher, der andere hinterher. Auch Ehepartner werden nicht glücklicher, nur weil im Ehevertrag vereinbart wurde, dass man sich einmal pro Monat Blumen zu schenken hat. Und so kann man sich umso mehr über den gelegentlichen – freiwilligen – abendlichen Anruf eines Gründers mit der Bitte freuen, über ein Übernahmeangebot zu beratschlagen, bevor es im Board zur Diskussion gestellt wird.

Das Venture-Capital-Geschäft ist insofern etwas schizophren:

Es funktioniert zwar grundsätzlich kühl, kapitalistisch, rational, mathematisch, wissenschaftlich, aber ohne Empathie und Mut zur Lücke geht letztlich doch gar nichts. Schließlich ist auch die reine Geldvermehrung früher oder später im Lebenszyklus eines jeden Unternehmers ein stark nachlassender Antrieb. Nur die wenigsten Menschen werden Geldvermehrung an sich als langfristig sinnstiftend empfinden.

Umso wichtiger, dass man – egal ob als Gründer oder Investor – Spaß an der jeweiligen Tätigkeit hat und sich auch privat die notwendige Zeit für sich selbst und seine Familie nimmt.

Denn ohne Gesundheit und positive Lebenseinstellung gibt es auch kein nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum.

In dieser Reihenfolge.

Weissenhaus, im Januar 2018

Jan Henric Buettner

Inhaltsverzeichnis

Danke, Mama

Dank an alle Mitwirkenden

Guter Zweck

Gründerinnen, fühlt Euch angesprochen!

Spread the Word

What’s the Fuzz?

Entrepreneurship: The Spark of Prosperity

Geh doch zur Bank!(?)

Die rote Laterne

Grundlagen des Venture Capital Deals

Der VC-Deal in der Nussschale: Sharing the Equity

Das Venture-Capital-Geschäftsmodell

Der Startup-Lebenszyklus

Exit: Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei

Exit Issues

Evergreen

Der Cap Table

Die Bewertung

Der Ablauf einer Finanzierungsrunde

Finanzierungsbedarf und Business-Planung

Das typische Vertragsset

Data Room & Co.: Ordnung ist das halbe Leben

Handelsregister für alle

Das bisschen Vertrag macht sich doch von alleine

Beurkundung & Notar: Von Fluch und Segen

Deutsch/Englisch/Denglisch

VC-Sprech

Deal Terms am konkreten Beispiel

Download des Beispielvertrags

Unsere Beispielgesellschaft

Let’s go – der Beteiligungsvertrag im Detail

0.

Das Rubrum

I.

Die Vorbemerkungen (Preliminary Remarks)

II.

Die Investitionsvereinbarung (Investment Agreement)

III.

Garantien (Guarantees and Related Provisons)

IV.

Corporate Governance

V.

Anteilsübertragung & Exit (Share Trans. & Exit-related Rights)

VI.

Schlussbestimmungen (Final Provisions)

Die weiteren Dokumente

Satzung aka Gesellschaftsvertrag

Geschäftsordnung der Geschäftsführung

ESOP-AGB & Zuteilungsschreiben

Geschäftsführer-Dienstverträge

Die notariellen Umsetzungsdokumente

Alternative Beteiligungsformen

Wandeldarlehen (Convertible Loans)

Media for Something

Venture Loans / Venture Debt

Equity Crowdfunding / Crowdinvesting

ICOs

Fördergelder & Pari-passu-Programme

Inkubator & Accelerator

Working-Capital-Finanzierung/Factoring

Was noch übrig bleibt

Evil Terms

Zur Wahl der richtigen Gesellschaftsform

Fazit & Plädoyer in acht Punkten

I.

Plain Vanilla

II.

Know Your Enemies

III.

Partnerschaft.vc

IV.

Bewertung ist nicht alles

V.

Staying Agile

VI.

Professional Cowboys

VII.

New Kids in Town

VIII.

The Greater Good

Die Interviewpartner

Michael Brehm

Pawel Chudzinski

Christian Claussen

Nikita Fahrenholz

Dr. Alex von Frankenberg

Dr. Carolin Gabor

Dirk Graber

Stefan Heilmann

Oliver Holle

Olaf Jacobi

Dr. Tobias Johann

Olya Klueppel

Tanja Kufner

Rainer Maerkle

Gabriel von Matuschka

Dr. Christian Nagel

Andreas Noth

Erik Podzuweit

Rayk Reitenbach

Christian Vollmann

Weitere Expertenstatements

Über die Autoren

Jan Henric Buettner

Anja Arnold

Nikolas Samios

Index

Der Beteiligungsvertrag

1. Danke, Mama

Unternehmertum ist wichtig. Richtig wichtig. Und ohne Risikokapital wäre vieles nicht realisierbar. In den USA sind VC-finanzierte Firmen bereits für 11% der Jobs in der Privatwirtschaft verantwortlich und auch unsere Bundeshauptstadt Berlin hätte eine tiefrote Arbeitsplatzbilanz ohne den Boom der primär digitalen Startups zwischen Spandau und Köpenick, von denen der Großteil in der ein oder anderen Form über Wagniskapital, also per Venture Capital, finanziert ist.

Dieses Buch soll einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass (potentielle) Gründer, Business Angels, Investoren, aber auch Journalisten, Juristen, Politiker, Mittelständler sowie DAX-Vorstände dieses Ökosystem, seine unique denglische Sprache und die Spielregeln rund um die großen und kleinen Deals auf beiden Seiten des Venture-Capital-Verhandlungstisches besser verstehen. Gleich ob Sie sich selber auf eine Verhandlung vorbereiten möchten oder einfach nur aus gesunder Neugierde verstehen wollen, ob Startup-Finanzierung Chaos oder Methode ist, was einen guten oder gar einen fairen Deal ausmacht oder weil Sie selber als Eigentümer oder Manager in Ihrem schwäbischen Betrieb nun auch „irgendwas mit Schtartaps“ machen wollen oder es mittlerweile schlicht müssen, um nicht in der analogen Versenkung zu verschwinden: Dieses Buch bietet einen grundsätzlichen Einblick in die Struktur eines Venture Deal.

Dabei war es uns ein großes Anliegen, nicht mit von eigenen Löffeln gefressener Weisheit zu prahlen, sondern vielmehr in zahlreichen Interviews mit dem „Who’s who“ der deutschen Startup-Szene zu erörtern, was eigentlich für einen erfolgreichen Deal wirklich wichtig, was hingegen überbewertet und was sogar schädlich ist. Kurzum: Wie sieht die Best Practice aus und noch einen Schritt weiter: Gibt es eine Philosophie hinter einem guten Deal, die man vielleicht erst nach vielen, vielen Jahren des Deal Makings erkennt und die folglich interessant und inspirierend für alle Praktiker ist? Urteilen Sie selber, ob dies gelungen ist.

Dank an alle Mitwirkenden

Entsprechend gebührt unser Dank zuallererst den großartigen Unternehmern, Investoren und Experten (die Kurzprofile der Gesprächspartner finden sich in Kapitel 9) wie Carolin Gabor, Christian Claussen, Nikita Fahrenholz oder Michael Brehm, die uns Rede und Antwort standen, deren Statements das Buch als roter Faden durchziehen und deren hörenswerte Interview-Langfassungen zum Nachhorchen auch auf www.dealterms.vc zur Verfügung stehen.

Weiterhin wäre dieses Buch nicht ohne die tatkräftige Mitarbeit von unserem großartigen Team in der COOPERATIVA Venture Group möglich gewesen, die uns bei Recherchen, Redaktion und dem zeitintensiven „Bug Fixing“ dieses Buches viele, viele Stunden unterstützt haben.

Besonderer Dank gebührt auch Christian Tönies (einem Anwalt!), aus dessen Standard setzenden Vertragswerken wir uns großzügig bei der Erstellung des Beispielvertrags bedienen durften, sowie den uns weiterhin unterstützenden Anwälten und Steuerberatern Annette Goldstein, Dr. Markus Sachslehner, Daniel Komo, Dr. Christian Pitzal, Dr. Thorsten Kuthe, Nicolas Gabrysch, Till-Manuel Saur und Philipp Belter. Last but not least, thank you, Brad Feld and Jason Mendelson, for your inspiring work with the definitive book Venture Deals, auch weil ihr gezeigt habt, dass ein Buch zu Venture Capital Terms und -Verträgen nicht zugleich dröge und nur für Juristen verdaulich sein muss.

Guter Zweck

Alle Gewinne der Autoren und der COOPERATIVA Venture Group aus diesem Buch gehen in vollem Umfang an gemeinnützige Projekte, die Entrepreneurship fördern, insbesondere dort, wo Hilfe zur Selbsthilfe besonders benötigt wird. Eine Aufstellung der Gewinne/Spenden und Projekte wird mindestens einmal pro Jahr auf www.dealterms.vc bereitgestellt.

Gründerinnen, fühlt Euch angesprochen!

Auch wenn wir mit diesem Buch selbstredend Gründerinnen und weibliche Investoren explizit ansprechen wollen, haben wir uns aus Gründen der besseren Lesbarkeit für den Verzicht auf die gleichzeitige oder wechselnde Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen entschieden.

Spread the Word

Wir freuen uns auf Gelegenheit zur Diskussion rund um Venture Deals und Entrepreneurship mit Unternehmern, Investoren, Studenten, Journalisten und Politikern. Kontaktieren Sie uns hierzu gerne über [email protected] oder folgen Sie Nikolas auf Twitter unter @BerlinVC.

Wir wünschen – trotz des seriösen Themas – viel Spaß mit diesem Buch.

Nikolas Samios und Anja Arnold im Januar 2018

„Ich glaube, Deal Terms sind eine der wesentlichen Voraussetzungen,

dass aus dieser ganzen Geschichte dann auch ein

erfolgreiches Unternehmen wird. Das fängt damit an, Ownership

bei den Mitgründern zu erreichen und sie sozusagen zu

incentivieren, daraus etwas Großes und Wertvolles zu machen.

Der andere Aspekt ist, dass man sich im Shareholder-Kreis

sehr früh einig sein muss, wie man die Governance gestaltet.

Schließlich ist es dann, wenn es mal eine Krisensituation

gibt, ganz besonders relevant, wer da wie zu beiträgt.

Und ganz am Ende, wenn es denn erfolgreich läuft, beim Exit,

müssen die Deal Terms und das Cap Table so gestaltet sein,

dass man das Unternehmen überhaupt verkaufen kann.”

Dr. Carolin Gabor (Geschäftsführerin FinLeap)

2. What’s the Fuzz?

Entrepreneurship: The Spark of Prosperity

10:40 Uhr, 25. Juli 2015. United-Nations-Komplex, Nairobi, Kenia. US-Präsident Barack Obama steht auf einer großen Bühne vor einer begeisterten Menge. Tausende Studenten, Unternehmer und Investoren sind zur Global Entrepreneurship Summit gekommen, um Beziehungen zu knüpfen, die ihnen helfen sollen, ihre unternehmerischen Ideen zu verwirklichen. Und um Barack Obama reden zu hören. Nach der Begrüßung der Anwesenden mit den Worten „Tango jumbo“ in der Muttersprache seines Vaters hält er sie auch. Eine breit angelegte Rede über die Bedeutung von Innovation und Entrepreneurship für die Zukunft der Welt. Darin sagt er in seinem typischen Duktus:

„Everywhere I go, across the United States and around the world, I hear from people, but especially young people, who are ready to start something of their own – to lift up people’s lives and shape their own destinies. And that’s entrepreneurship. Entrepreneurship creates new jobs and new businesses, new ways to deliver basic services, new ways of seeing the world – it’s the spark of prosperity. It helps citizens stand up for their rights and push back against corruption. Entrepreneurship offers a positive alternative to the ideologies of violence and division that can all too often fill the void when young people don’t see a future for themselves.”

Zur ungefähr selben Zeit in Berlin-Kreuzberg. Der damals 30-jährige Nikita Fahrenholz sitzt in einem schlicht-funktional eingerichteten Büro und arbeitet am Erfolg seines neuesten Startup-Geschäftsmodells. Als Sohn einer russischen Einwanderin wuchs Nikita in einer ärmlichen und rauen Plattenbausiedlung in Berlin-Hellersdorf auf. Im Alter von 19 Jahren eröffnet ihm ein Trip nach St. Tropez eine ganz andere Welt, berstend vor Wohlstand. Ein Einblick, auf den er in dem Moment gerne verzichtet hätte, war doch der Grund seines Besuchs ein Anruf seiner Freundin, die ihm während ihres Sommerjobs mitteilte, sie habe sich in einen anderen verliebt – in einen Millionärssohn. Doch die Eifersucht und der Neid auf den Lebensstil, den er seiner nun Ex-Freundin nicht hat bieten können, verwandelte er in einen fortwährenden Ansporn, sich einmal selbst einen Luxus leisten zu können, von dem er bis dato nicht einmal wusste, dass er existiert. Nach einer harten Ausbildung bei KPMG, einer Londoner Großbank und McKinsey gründete er schließlich mit der Online-Essensbestell-Plattform Delivery Hero – hierzulande bekannt als Lieferheld – eines der erfolgreichsten deutschen Startups mit.

Als seine Unternehmensanteile bereits mehrere Millionen Euro wert sind, steigt er aus – jedoch nicht, um einem Luxusleben zu frönen, sondern dem Lebensstil eines Gründers treu zu bleiben. Als Co-Founder von Book a Tiger, einer Online-Vermittlungsplattform für Reinigungskräfte, setzt er sich ein zweites Mal Vollgas-Arbeit mit reihenweise Übernachtungen im Büro aus. Für manche macht ein selbstbestimmtes Leben dann doch einen größeren Reiz aus als das Verprassen der Millionen an der Côte-d’Azur. Fragt man Nikita nach seiner Motivation, antwortet er: „Es geht nicht mehr nur um Geld. Wir wollen etwas Großes aufbauen, aus purer Arbeit.“

In der Metropolregion Rhein-Ruhr tüftelt ein 27-jähriger ehemaliger Physikstudent aus ärmlichen Verhältnissen allein an einem neuartigen Produkt. Sein Büro sieht – man würde vielleicht sagen – etwas trist aus, in jedem Fall altbacken. Doch er wirkt wie das komplette Gegenteil, er sprüht geradezu vor Elan und Innovationsgeist. Der Studienabbrecher arbeitet an einem Durchbruch im IT-Segment und konnte dafür sogar eine Seed-Finanzierung von RWE, sozusagen Corporate Venture Capital, einsammeln – allerdings nur in Höhe von 30.000 D-Mark, denn ohne den bislang ausstehenden Proof of Concept hält sich das Vertrauen in den Jungunternehmer noch in Grenzen. Kein Wunder, zählt mit IBM auch ein führender Player zu den größten Konkurrenten auf dem B2B-Markt, den er zu disrupten versucht.

Die Rede ist von Heinz Nixdorf und wir schreiben das Jahr 1952. In der Zukunft wird es Nixdorf gelingen, Großrechner auf Schreibtischformat zu schrumpfen, um sie für den Mittelstand relevant zu machen, Weltmarktführer im Bereich der sogenannten mittleren Datentechnik zu werden, einen Jahresumsatz von mehr als 4 Milliarden D-Mark zu erzielen und über 23.000 Mitarbeiter in 44 Ländern zu beschäftigen. Resümierend wird Nixdorf den Grund für seinen Erfolg auf den Punkt bringen: „Mein Dank gilt allen, die mich durch ihr Nichtstun haben gewähren lassen.“

Ob in den USA, in Kenia, in Berlin 2017 oder in Essen im Jahr 1952 – Innovation und Unternehmergeist waren schon immer die treibende Kraft hinter dem Fortschritt und dem Wohlstand innerhalb einer Gesellschaft. Während Venture Capital (VC) wie ein neuartiges Konzept anmutet, dessen Name erst 1965 im Silicon Valley geprägt wurde, existierte die Idee dahinter schon wesentlich länger und zwar lustigerweise sogar ganz ausgeprägt im heute hinterherhinkenden Deutschland:

Bereits 1844 erhielt Alfred Krupp 50.000 Taler Eigenkapital vom Investor Friedrich Sölling. Dieser wurde dadurch zu einem Gesellschafter der Firma und brachte darüber hinaus sogar buchhalterisches Know-how mit ein – heute würde er sich wahrscheinlich mit dem „Value Add“ seines „Smart Money“ brüsten. Weitere Beispiele prominenter Anschubfinanzierungen folgten 1847, als Werner von Siemens Kapital von seinem Vetter (eine klassische Friendsand-Family-Finanzierung) zur Verfügung gestellt wurde – oder etwa 1886, als Werner von Siemens selbst zu den Investoren der Gebrüder Mannesmann zählte.

Geh doch zur Bank!(?)

Wo immer ein kreativer Kopf eine Vision hatte, die groß genug war, ein Marktsegment, eine Branche, ein Land oder sogar die Welt zu verändern, brauchte er in der Regel Kapital. Ist er nicht mit kapitalkräftigen Eltern oder Freunden gesegnet, liegt der Gedanke nahe, sich Geld zu leihen, also Fremdkapital aufzunehmen.

Dass eine solche bankenartige Finanzierung (falls man sie denn überhaupt bekommt) Risiken mit sich bringt, musste schon im Jahr 1448 ein gewisser Johannes Gutenberg erfahren. Dieser lieh sich 1.600 Gulden von einem Anwalt zur Herstellung der ersten Druckerpresse, konnte jedoch die fälligen Zinsen nicht zahlen. Wie nicht anders von einem Anwalt zu erwarten, verklagte dieser Gutenberg und bekam einen Großteil seines Unternehmens zugeschrieben.

Das Konzept des Venture Capital bzw. Risiko- oder Wagniskapitals basiert hingegen auf der Kernprämisse, dass der Kapitalgeber Eigenkapital gibt, also mit ganz ähnlichem Risiko, aber auch ähnlicher Renditeaussicht wie der Unternehmer selbst investiert. Sicherheiten, wie im Bankenbereich üblich und oft Grundvoraussetzung für einen Kredit, gibt es hier nicht. Und erst so bekommen auch Unternehmer Kapital, die nicht schon mehrere Häuser zum Verpfänden besitzen, zugespitzt gesagt also substanziell geerbt haben. Auf den Punkt gebracht, bekommt man das Geld von der Bank also nur, wenn man es schon hat, was volkswirtschaftlich gesehen nur einen sehr begrenzten Wert schafft.

Der Venture-Capital-/Eigenkapital-Investor beteiligt sich also am Unternehmen und bekommt entsprechend Anteile an dieser Unternehmung. Somit stimmen die Interessen des Entrepreneurs und des Investors erstmal grundsätzlich überein, denn beide Seiten profitieren direkt vom Erfolg. Soweit zumindest die Theorie. Die Praxis ist – wie so oft – „geringfügig“ komplexer: Das Erreichen eines möglichst harmonischen Miteinanders zwischen Unternehmer und Investor ist sowohl Kunst als auch Wissenschaft und wird dadurch noch komplizierter, dass in aller Regel nach einer Finanzierung vor einer Finanzierung ist, ein Unternehmer also eine Vielzahl an Investoren mit teils ganz unterschiedlichen Anlagemotiven und -horizonten zu koordinieren hat. Und auch das Verhältnis zwischen den Unternehmern selbst – denn statistisch sind ca. 73% der Gründungen in Deutschland keine Solo-Gründungen, sondern Team-Work1 – ist erfahrungsgemäß nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen, denn wenige Lebenssituationen sind stressiger und damit konfliktträchtiger als die ersten Jahre einer Unternehmensgründung.

Die rote Laterne

In einem Wirtschaftszeitalter, das zweifelsohne von zunehmender Technologisierung und Digitalisierung dominiert wird, assoziiert man das Wort Innovation unweigerlich mit den USA, insbesondere mit dem Silicon Valley. Vier der fünf gemessen an ihrer Marktkapitalisierung wertvollsten Unternehmen der Welt sind derzeit mit Apple, Alphabet (der Google-Dachkonzern), Microsoft und Facebook amerikanische Digital-Konzerne. Doch war der Innovationsgedanke seit jeher auch ein grundlegender Bestandteil der deutschen Wirtschaftskraft.

August Thyssen, August Borsig, Graf Zeppelin oder die bereits genannten Alfred Krupp, Werner von Siemens oder Max und Reinhard Mannesmann während der industriellen Revolution, Werner Otto, Rudolf August Oetker, Josef Neckermann oder Max Grundig während der Zeit des Wirtschafswunders oder Heinz Nixdorf, Konrad Zuse, Hasso Plattner und Karlheinz Brandenburg während der frühen Digitalisierung – sie alle stehen für weitreichende, oft globale wirtschaftliche Erfolge der Vergangenheit. Doch irgendwie haben wir dann stark nachgelassen: So waren die durch den DAX repräsentierten 30 wertvollsten Unternehmen Deutschlands im Jahr 2013 zumindest noch mehr wert als die fünf größten US-Tech-Unternehmen, während heute allein Apple und Alphabet mehr wert sind als der gesamte DAX 30.

Der Umstand, dass Deutschland mit dem Beginn des digitalen Zeitalters keinen global wegweisenden Konzern wie Google oder Facebook hervorgebracht hat, ist sicher zumindest zum Teil auch dem hierzulande vergleichsweise schwach ausgeprägten Venture-Capital-Markt geschuldet und damit dem Mangel an Equity Culture. In den USA wird, gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, (je nach Studie) acht- bis dreizehnmal mehr Risikokapital investiert als in Deutschland.

In der Praxis äußert sich das so, dass wir zum Stand 01.01.2017 weniger als eine Handvoll aktive Venture-Capital-Gesellschaften in Deutschland haben, die mehr als 250 Millionen EUR Mittel in einem aktiven Fonds verwalten. Kleinere Fonds gibt es zum Glück wieder etwas mehr. 2016 und 2017 waren gute Jahre für neue Fonds-Manager und die Business-Angel-Szene ist erfreulich aktiv, aber ein 10-bis-30-Millionen-Ticket in einer späteren Wachstumsrunde erhält ein deutsches Startup fast ausschließlich aus dem Ausland. Das funktioniert zwar durchaus, aber ist doch für den Standort beschämend bis peinlich. Und natürlich ist das Argument, dass damit deutsche (oder europäische Startups) einen Nachteil gegenüber ihren US-Peers haben, nicht vom Tisch zu wischen.

Die Gründe für die starke Diskrepanz zwischen den beiden Nationen sind sowohl in der Business-Kultur als auch in gesetzlichen Reglementierungen zu suchen. Während in den USA zum Beispiel im Jahr 1978 die „Prudent Man Rule“ gelockert wurde, wodurch Pensionsfonds ermöglicht wurde, in die Assetklasse Venture Capital zu investieren, dürfen hierzulande Pensionskassen und Versicherungen nach wie vor nur homöopathische Prozentsätze ihres verwalteten Vermögens in Risikokapital investieren.

Ebenfalls haben unsere europäischen Nachbarn bereits vor Jahren die Weichen „pro“ Venture Capital gestellt. So hat Frankreich 1997 mit der Einrichtung der FCPI/FIP-Fonds ein attraktives System von Steueranreizen implementiert, welches dazu führt, dass fast zwangsläufig jeder durchschnittlich bis gut verdienende Franzose von seinem Steuerberater geraten bekommt, zumindest ein paar Tausend Euro pro Jahr in einen Venture-Capital-Fonds zu investieren, um bis zu 50% dieses Investments durch die Einkommen- und/oder Vermögenssteuer erstattet zu bekommen. Dies hat nicht nur dazu geführt, dass in Frankreich jährlich zusätzlich zu weiterhin bestehenden, klassischen VC-Fonds bis zu 1 Milliarde EUR von privaten Investoren in die steuergeförderten Fonds investiert wurde. Weiterhin wurde Venture Capital in Frankreich damit aus der elitären Nische als Anlage-Produkt für lediglich die reichsten Familien herausgeführt und ist damit zwischenzeitlich ein demokratisches Massenprodukt für alle, welches gerade in Zeiten der Niedrigst- und Negativzinsen damit auch einen Beitrag zum eigenen Vermögensaufbau und der wirtschaftlichen Absicherung in Richtung Rente und Ruhestand leisten kann.

So bleibt der deutsche Venture-Capital-Markt wohl trotz guter Signale noch eine ganze Weile ein vergleichsweise unterentwickelter Emerging Market. Doch diese Situation muss nicht zwangsläufig ein Nachteil sein, sondern stellt zugleich eine Chance dar. Da Finanzierungsrunden deutscher Startups aufgrund der klammen lokalen VC-Liquidität naturgemäß nicht so üppig ausfallen, wird hierzulande zwangsläufig schwäbischer, also kosteneffizienter, gearbeitet.

Kleinere Finanzierungsrunden führen fast automatisch zu geringeren Bewertungen, was jedoch nicht automatisch bedeutet, dass ein Startup bei einem Exit oder einem Börsengang relativ gesehen weniger wert ist als sein Gegenstück aus dem Silicon Valley. Für Investoren bildet sich dadurch ein interessantes Marktumfeld. Mit weniger Kapitaleinsatz beim Einstieg in eine konservativere Finanzierungsrunde und entsprechend weniger Risiko erhalten sie trotzdem ein attraktives Gewinnpotential. Aus diesem Grund begeben sich immer mehr US-amerikanische, aber auch vorgenannte französische oder auch UK-basierte Investoren auf die Suche nach attraktiven Startups aus Deutschland.

Hinzu kommen noch enorme Unterschiede bei den Gehältern, die sich auf eklatant unterschiedliche Lebenshaltungskosten zurückführen lassen. Während die Durchschnittsmiete in San Francisco bei fast 4.000 Dollar im Monat liegt, lässt es sich in Berlin trotz steigender Preise für 1.000 EUR angenehm leben. Dabei sind wir zugleich keine Bananenrepublik, haben eines der verlässlichsten Rechtssysteme der Welt, eine moderate Unternehmensbesteuerung und ein effizientes und vergleichsweise einfach nutzbares Blue-Card-System zum „Import“ qualifizierter Arbeitskräfte aus der ganzen Welt (ein in Zeiten der globalen politischen Abschottung dank der Zunahme der Regierungsbeteiligung von schwachsinnigen, rückwärtsgewandten Populisten, zunehmend wichtiger und unterschätzter Standortvorteil!). Ungläubig betrachten wir Deutsche, dass Deutschland immer wieder zum Standort #1 für Entrepreneurship weltweit gewählt wird, ein „Hidden Champion“ quasi.

Für Investoren und Gründer ist Deutschland also ziemlich attraktiv. Und gute Unternehmer finden erfahrungsgemäß auch im vergleichsweise engen deutschen Venture-Capital-Markt ihre Finanzierung. Kein Grund zum Heulen also. Packen wir es an.

„Wenn man fast forward guckt, dann hat sich das natürlich

dramatisch verändert. Heute würde ich sagen, sind wir – gerade

hier in Berlin – fast on par mit den USA was die Team-Qualität

betrifft. Weil die Teams, die man hier jetzt trifft,

keine deutschen Teams mehr sind, sondern ein Mix, der von

überall herkommt – mit ganz anderem Anspruch, mit ganz

anderem Background, mit ganz anderem Erfahrungsschatz,

viel vernetzter auch, viel internationaler, viel diverser.“

Dr. Christian Nagel (Co-Founder & Partner Earlybird)

1 Deutscher Startup Monitor 2017

3. Grundlagen des Venture Capital Deals

Der VC-Deal in der Nussschale: Sharing the Equity

Venture Capital, also die Finanzierung mit Risikokapital, egal ob aus privaten Quellen (Business Angels) oder von institutionellen Investoren (in der Regel Venture-Capital-Fonds), ist wie bereits angesprochen der Treibstoff für die meisten schnell wachsenden, disruptiven Innovationen.

Zum besseren Verständnis der im folgenden Kapitel besprochenen Venture Capital Terms, also der konkreten Vertragsbestandteile einer VC-Finanzierung, ist die Vergegenwärtigung einiger grundsätzlicher Aspekte sehr hilfreich:

Venture Capital finanziert Unternehmen – im Gegensatz zur klassischen Bankfinanzierung – praktisch ausschließlich ohne Sicherheiten,

Venture Capital partizipiert mit voller Upside und voller Downside,

Venture-Capital-Investoren investieren in Unternehmen zu einer Firmenbewertung, die stark von der positiven Erwartung der Zukunft geprägt ist,

Venture-Capital-Investoren investieren primär in das Vertrauen in die Fähigkeiten der Unternehmerteams,

Venture-Capital-Investoren investieren nur, wenn es konzeptionell einen zu erwartenden Exit gibt,

Venture-Capital-Investoren sind somit Partner auf Zeit und in dieser Zeit – weitestgehend – „im gleichen Boot“ wie die Gründer.

Vor dem Hintergrund dieser Grundsätze lässt sich der Gestaltungsbedarf bzgl. der vertraglichen Venture Terms in folgende Bereiche aufteilen:

Wirtschaftliche Konditionen der Finanzierung, zu erhaltender Gegenwert für das Investment des Investors und Schutz dieses wirtschaftlichen Gegenwertes bei negativen Entwicklungen,

unternehmerische Mitsprache und Corporate Governance,

Regelungen zur Förderung bzw. Absicherung eines Exits,

logistische Aspekte zur Sicherstellung der Handlungsfähigkeit des Unternehmens bei allen folgenden Vorgängen.

Bei allen Punkten schwebt dabei zwischen den Zeilen mit, dass im Rahmen der Möglichkeiten für den Zeitraum der Zusammenarbeit und auch den abschließenden Exit ein möglichst weitreichender Gleichlauf von Interessen zwischen Investoren und Gründern, aber auch zwischen den Investoren der verschiedenen Runden untereinander hergestellt werden soll.

Gibt es keine weiteren Faktoren, die im Exit-Fall die Erlösverteilung beeinflussen, erhalten, bei einem vollständigen Exit, also dem idealtypischen Verkauf von allen Anteilen an der Gesellschaft durch alle Gesellschafter an einen Käufer für einen Gesamtpreis von beispielsweise 100 Millionen EUR, die Gründer in Summe also 57,6 Millionen EUR, der Seed-Investor 6,4 Millionen EUR (also das 32-fache seines Einsatzes), der Early-Stage-Investor 16 Millionen EUR (das 16-fache seines Einsatzes) und der Growth-Investor 20 Millionen EUR (das Zehnfache seines Einsatzes). Für alle ein sehr gutes Geschäft.

Bevor wir uns im zweiten Teil des Buches dem Hauptvertrag einer typischen Finanzierungsrunde im Detail widmen, folgen nun einige für das bessere Verständnis des Warums hilfreiche Grundlagen sowie ein paar Praxistipps, die das Leben eines jeden Gründers, Angels und VCs rund um Transaktionen einfacher machen.

Das Venture-Capital-Geschäftsmodell

The Reason Why

Eine der wesentlichen Daseinsberechtigungen von Startups ist die zunehmende Unfähigkeit von großen Systemen, Innovationen in ausreichender Quantität, Qualität und vor allem Geschwindigkeit zu entwickeln und auszurollen. Denn theoretisch hätte ein großer Konzern alle Zutaten – finanzielle und personelle Ressourcen, Kunden, Vertriebswege etc. – die es benötigt, um eine Innovation an den Start zu bringen. Gut für die Startup-Szene, dass vor allem disruptive Innovation eine Umkehrfunktion von Unternehmensgröße zu sein scheint und die großen Unternehmen sich damit effizienter als durch (eben oftmals scheiternde) interne Entwicklung von Innovationen durch den Zukauf von reiferen Startups wieder verjüngen.

Die Rolle des Venture-Capital-Gebers in diesem Spiel ist es, den Treibstoff einzubringen, den die meisten Unternehmensgründer zur Entwicklung, dem Roll-Out und der Skalierung ihrer Modelle benötigen: Kapital, Cash, Zaster, Moneten. Denn nur die wenigsten der ja oftmals jungen Gründer können die Investitionsmittel aus der eigenen Tasche zahlen und keine Bank gibt einem (abgebrannten) Gründer ohne Sicherheiten auch nur einen Cent Kredit.

Portfoliotheorie & -praxis

Der Venture Capitalist bringt also monetäre Mittel in verschiedenen Stufen der Firmenentwicklung eines Startups ein und muss dabei das Ausfallrisiko, welches die vorgenannten Banken scheuen, methodisch korrekt verarbeiten, obwohl er eben keine Sicherheiten hat. Zugleich weiß jeder VC, dass Scheitern bei Startups nun mal zu einem gewissen Prozentsatz dazugehört, also fester Teil der Kalkulation ist. Entsprechend unemotional gehen VCs auch damit um. Ergo müssen die erfolgreichen Startups mit ihrem Wachstum und der daraus beim Exit erzielten Rendite für den VC die scheiternden (und die zahlreichen so lala laufenden) Startups im Portfolio des Investors ausgleichen.

Damit muss die Soll-Rendite für ein jedes frühphasige VC-Investment in der Größenordnung von 40% Wertsteigerung pro Jahr oder einem Rückfluss-Faktor von 7 bis 10 auf das eingesetzte Kapital beim Exit nach ca. fünf bis sieben Jahren liegen. Diese Betrachtungsweise ist essentiell auch für Gründer, die ihr Gegenüber verstehen wollen.

Der VC investiert also – sagen wir in der Seed Stage – 200.000 EUR in das Startup und erhält dafür z.B. 20% der Anteile. Seine Mittel werden dabei in aller Regel bilanziell als Eigenkapital investiert, d.h. sie sind praktisch nicht rückforderbar, werfen auch keine Zinsen ab und gehen in Insolvenzen regelmäßig aufgrund ihrer Nachrangigkeit hinter allen externen Gläubigern des Unternehmens unter. Das einzige Motiv des Investments ist die Partizipation an der Wertsteigerung des Unternehmens, welche hoffentlich über mehrere Phasen und viele Jahre passiert und dann im Verkaufsfall des Unternehmens, dem sogenannten Exit, realisiert wird. Aus den vorgenannten 20% am Unternehmen, die für 200.000 EUR erworben wurden, könnten so vielleicht einmal 2 Millionen EUR werden. Das wäre ein erfolgreicher Venture Case (Faktor-10-Rückfluss auf das eingesetzte Kapital), wenn auch noch kein Super-Hit.

Da – wie schon erwähnt – das Risiko eines Totalausfalls stetiger Beifahrer eines Startups ist, kann sich der VC also nicht auf „einen Schuss“ verlassen. Im Sinne der Risikodiversifikation werden also typischerweise zehn bis 20 Investments aus einem Investment-Topf getätigt, um statistisch mit einer guten Chance, ein paar (wenige) „Hits“ zu landen, bei denen ein Faktor von 10 und mehr auf das Investment zurückgewonnen wird, einige „Okay“-Erfolge mit z.B. Faktor 2 bis 4 und dann eben eine Reihe von „Geld-zurück“-Fällen (Faktor ca. 1) und den unvermeidlichen Totalausfällen (Faktor 0).

Rendite eines Beispielfonds

Die klassische Struktur eines Venture-Capital-Investors ist dabei der geschlossene Fonds, bei dem in einem Jahrgang, dem sogenannten Vintage, eine gewisse Summe Geld eingesammelt wird, z.B. 100 Millionen EUR, die dann über typischerweise 3-4 Jahre investiert wird, bevor der Fonds dann nur noch bestehende Investments betreut, auf den Exit wartet und letztendlich nach acht bis zehn Jahren abgewickelt wird.

Erwirtschaftet der Vintage also bei beispielhaften neun gleich großen Investments:

„Money back“ mit Faktor 1 auf eingesetztes Kapital,

„Vollausfall“ mit Faktor 0 auf eingesetztes Kapital,

„Guter Exit “ mit Faktor 4 auf eingesetztes Kapital,

„Vollausfall“ mit Faktor 0 auf eingesetztes Kapital,

„Sehr guter Exit “ mit Faktor 8 auf eingesetztes Kapital,

„Vollausfall“ mit Faktor 0 auf eingesetztes Kapital,

„Money back“ mit Faktor 1 auf eingesetztes Kapital,

„Guter Exit “ mit Faktor 3 auf eingesetztes Kapital,

„Hit-Exit “ mit Faktor 25 auf eingesetztes Kapital

Da der Fonds selbst noch Kosten für die laufende Verwaltung, Rechts- und Steuerberatung sowie für das Investment-Management-Team hat, verbleiben vom vorgenannten Brutto-Gewinn vielleicht netto 300 Millionen EUR, also eine Netto-Rendite in Höhe von 25 % p.a. Diese Mittel stehen nun allen Gesellschaftern des Fonds zur Ausschüttung zur Verfügung.

Besonders relevant für den Venture-Capital-Manager ist hier nun seine Gewinnbeteiligung, der sogenannte Carried Interest oder kurz Carry. Das Vergütungsmodell sieht in aller Regel vor, dass neben einer laufenden Management-Gebühr (die z.B. während der Investmentphase pro Jahr 2% bis 2,5% der verwalteten Mittel beträgt) als Anreiz und Bonus für das VC-Team in der Regel 20% bis 25% der Gewinne (oftmals erst nach Überschreitung einer Mindestrendite, der sogenannten Hurdle Rate) an eben dieses gehen. In unserem vereinfachten Beispiel würden also z.B. 20% von 300 Millionen EUR – also 60 Millionen EUR – an den Fonds-Manager gehen (auf Englisch: den General Partner).

Dieses Ergebnis für die Fonds-Investoren wäre durchaus gut.

Zum Vergleich: Bei einem gleichen Anlagezeitraum von sechs Jahren auf den Aktienindex DAX mit einem Anlagestart zwischen 1999 und 2009 wäre eine Rendite zwischen -4,1% p.a. (Start 1999) und 12,6% p.a. (Start 2008) mit einem Mittelwert von 5,3% p.a. erwirtschaftet worden. Im Vergleich also zur Assetklasse „Aktien“ wäre unser Beispiel-Fonds ein richtig gutes Investment gewesen, auch wenn es ab und zu Fabel-Fonds, vor allem in den USA, gibt, die durchaus auch mal eine Investoren-Rendite jenseits der 40% p.a. erwirtschaften.

Ebenfalls wären die 22,6% p.a. innerhalb der Assetklasse aller (europäischen) Venture-Fonds auch ziemlich gut. So veröffentlicht der European Investment Fund (EIF), der europaweit größte Investor in Venture-Capital-Fonds, immer wieder einige Daten zu der durchschnittlichen Performance seiner Fonds-Investments. Hiernach wäre unser Beispielfonds unter den Vintages 2006 – 2012 unter den „Top 20“, bei einer Grundgesamtheit von 104 Fonds, wobei der Mittelwert der jährlichen Fonds-Investoren-Rendite (der Net IRR) bei 5,3% p.a. lag.2

Für einen VC ist also besonders wichtig, dass:

pro Fonds-Vintage mindestens ein „Hit“ realisiert werden kann,

die Anzahl der (unvermeidbaren) Totalausfälle nicht zu hoch ist und

es eine relevante Anzahl an Arbeits-Exits mit einer mittleren Rendite gibt, insbesondere damit auch bei Ausbleiben eines echten „Hits“ immer noch eine positive Rendite erwirtschaftet wird

und somit unterm Strich auch nach Abzug aller Kosten die Limited Partner eine risikoadäquate Verzinsung erhalten und der General Partner über die Hurdle Rate kommt und einen schönen Bonus mit nach Hause nimmt.

„Damals, als wir eben als VC angefangen haben, wussten wir

auch nicht, wie das Business funktioniert. Wir haben damals

dann gedacht, wir müssen ins Silicon Valley fahren und mal

gucken: Wie machen die das denn da so? Und dann haben

wir da unter anderem auch mit dem Gründer von NEA gesprochen.

Dick Kramlich. Und der hat gesagt: Nett, dass ihr

das jetzt in Deutschland macht, da ist ja so weit weg, da

kommen wir sowieso nie hin, wir machen nur Deals um den

Schornstein herum bei uns. Toll, nette Leute und so weiter,

viel Spaß. Und dann haben wir uns verabschiedet und beim

Herausgehen sagt er: Und don’t forget, ihr müsst – also jeder

Partner – 50 Millionen verloren haben, bevor er die Reife hat,

ein guter VC zu werden. Wir hatten noch nicht einmal 50 Millionen

im Fonds. Jeder Partner? Und heute wissen wir, dass

er gar nicht so Unrecht hatte, ehrlich gesagt.”

Dr. Christian Nagel (Co-Founder & Partner Earlybird)

From Zero to Hero

Die Philosophie des klassischen US-amerikanischen Venture-Modells kann man beispielsweise sehr schön bei Peter Thiel nachlesen (sollte man seine Bücher nicht wegen seiner Unterstützung Donald Trumps bereits entsorgt haben). Simplifiziert argumentieren Thiel und viele angloamerikanisch geprägte Kollegen, dass jeder Schuss aus einem Fonds das Potential für einen „Super-Hit“ haben muss. Dieser Super-Hit muss einen so großen Gewinn bringen, dass er den ganzen Fonds in die substanzielle Gewinnzone bringt, auch wenn alle(!) anderen Investments ausfallen. Folgerichtig dienen alle Investments auch nur diesem einen Zweck: ein weiteres Los ziehen, um die Wahrscheinlichkeit für einen Volltreffer, einen Fundmaker, zu erhöhen.

Diese Denkweise ist erstmal mathematisch verständlich, jedoch bei einem größeren Fonds – und da diese Unicorns (also Startups mit Milliardenbewertung) auch durch ihren Kapitalhunger einiges an Verwässerung für den (frühen) Investor mit sich bringen – durchaus sportlich und nur möglich, wenn man auch von Exits im Multi-Milliardenbereich ausgeht. Once-in-a-Lifetime-Fonds wie z.B. der 1994er Jahrgang von Kleiner Perkins Caufield & Byers schafften es sogar mit Investments in Google, Amazon und Netscape mehrere Super-Hits in einem einzigen Vintage zu vereinen und erwirtschafteten damit legendäre Renditen von bis zu 125% IRR (p.a.) für ihre Anleger, was ihre Manager zu wahren Pop-Stars der Szene werden ließ. Jedoch wachsen in Summe auch in den USA die Bäume nicht sooo hoch in den Himmel. Im Schnitt über die letzten zehn Jahre haben US-amerikanische VC-Fonds eine IRR von 11% erwirtschaftet3, was zwar die bekannten Aktienindizes und andere Assetklassen schlägt, aber auch keine Mond-Rendite darstellt.

Swabian Ventures

Was jedoch tun, wenn die Exit-Märkte für deutsche/europäische Startups nur in absoluten Ausnahmefällen Unicorn-Exits hergeben? Laut Dow Jones VentureSource gab es in Europa im Jahr 2016 genau einen solchen Fall, nämlich der Verkauf der schottischen Online-Flugsuchmaschine Skyscanner an das chinesische Online-Reiseportal Ctrip.com für 1,66 Milliarden EUR. Ansonsten blieben ein M&A Deal der Kommunikations-Software Acano in Höhe von 650 Millionen EUR und ein IPO des niederländischen E-Trading-Services Flow Traders mit einem Emissionserlös von 520 Millionen EUR das Höchste der Gefühle. Es bedarf also für hiesige Märkte durchaus eines lokalisierten Konzeptes – nennen wir es „schwäbisches Venture Capital“ – welches nicht in dieser Form von den Extremen lebt, also keinen Super-Hit mit einem Return-Faktor von 50+ erfordert, sondern – wie in unserem Beispiel – auch bei mehreren „guten“ Exits und ohne Totalausfall von 90% der Deals eine schöne, attraktive Rendite einspielt.

Due Diligence mal andersrum

Die Investmentstile und damit entsprechend die Anlagehorizonte, Erwartungshaltungen, Freiheitsgrade und somit letztlich die Kompatibilitätsaussichten eines jeden Investors zum eigenen Startup können sich deutlich unterscheiden. Für Gründer ist bei der Anbahnung mit einem VC also durchaus relevant, die Situation ihres Gegenübers zu verstehen, insbesondere:

Aus welchem Fonds/Vintage würde in mein Startup investiert?

Wie viele Mittel hat dieser Fonds/Vintage noch für potentielle Follow-On-Investments?

Wie viele Jahre darf der Fonds noch (in mein Startup) investieren?

Wie viele Jahre hat der Fonds noch Laufzeit? Wann ist also zu erwarten, dass der Exit-Druck zunimmt?

Hat der Fondsmanager auch weitere Fonds / neue Vintages und kann er auch über diese neuen Vintages in mein Startup Follow-On-Investments tätigen (Cross-Investment-Verbot)?

Investiert der Fonds nur in ganz frühen Phasen oder auch in späteren?

Gibt es reglementierte Maximal-Investments oder ein maximales Alter der Gesellschaft?

Gute VCs stehen hier bei allen Fragen offen Rede und Antwort. Gründer sollten daher keine zu große Scheu haben, vielleicht nicht zu Beginn des allerersten Gespräches, aber gerne, wenn die Diskussion sich etwas vertieft, auch den Spieß einmal umzudrehen und etwas Due Diligence über ihren Investor zu betreiben.

„Es gibt nichts Schlimmeres, als aus Kapitalnot Investoren

mit den falschen Deal Terms hereinzuholen. Das wird man

nie wieder los. Ein Riesenfehler. Ich würde eher einen Abschlag

in der Bewertung akzeptieren oder

weniger Geld einsammeln.”

Dr. Carolin Gabor (Geschäftsführerin FinLeap)

2https://twitter.com/BerlinVC/status/817354518769889280

3 Cambridge Associates LLC U.S. Venture Capital Index

Der Startup-Lebenszyklus

Venture-Capital-finanzierte Startups (und nicht nur diese) folgen einem typischen Lebenszyklus, wobei naturgemäß der Übergang zwischen den Phasen fließend ist und kaum eindeutig festgelegt werden kann.

Vorgründungs-Phase

In der Vorgründungs-Phase, die zwischen Tagen und Jahren jeden Zeitraum einnehmen kann, werden konzeptionelle, planerische und sonstige Vorbereitungen durch die (zukünftigen) Gründer durchgeführt, ohne einen festen Gesellschaftsrahmen hierfür zu haben. Dies passiert teilweise auch noch parallel zu alten Jobs, Studium, in Sabbaticals oder sonstigen Aggregatzuständen, die ausreichend Zeit für die Vorbereitung auf die Gründung erlauben. Die Finanzierung in diesem Stadium erfolgt in der Regel rein durch die Gründer und das nähere Umfeld – die sogenannte 3F-Finanzierung: Friends, Family & Fools – auch da es zu dieser sehr frühen Phase noch kaum Unterlagen oder gar Belege für das Geschäftsmodell gibt, die ein externer Investor beurteilen könnte und weiterhin auch noch kein passendes Gefäß für die strukturierte Aufnahme von Kapital vorhanden ist. Generell ist anzuraten, dass die Vorgründungs-Phase nicht zu lange läuft, die Gründung der Gesellschaft also zeitnah stattfinden sollte, da vor der Gründung einer Gesellschaft aus Sicht von Investoren alles doch noch sehr unverbindlich wirkt und eine zu lange Vorlaufphase auch als Zeichen von Unsicherheit ausgelegt werden könnte.

Seed Stage

Somit kommen wir zur Gründungsphase bzw. der Seed Stage, also der Phase, in der das Saatgut in Hoffnung auf möglichst kräftiges Keimen ausgebracht wird. Klassischerweise gibt es nun also schon eine Gesellschaft (in Deutschland in aller Regel eine GmbH/UG, andere Gesellschaftsformen spielen für Startups in den ersten Jahren keine Rolle, siehe hierzu auch Kapitel 7 / Zur Wahl der richtigen Gesellschaftsform), somit haben ein oder mehrere Gründer Anteile übernommen und sich auf eine Geschäftsführung geeinigt. Es gibt auch mindestens ein erstes Pitch Deck, welches das geplante Projekt umreißt, Markt, Produkt, Wettbewerb, Roll-Out-Strategie und das Star-Team beschreibt, eventuell auch einen Prototyp oder ein Minimum Viable Product (MVP), also ein – nach der Lean Startup-Philosophie von Eric Ries – erstes, stark reduziertes Produkt, welches live am Markt mit echten Kunden getestet wird. Einer ersten strukturierten Finanzierung steht damit nichts mehr im Wege. Typische Investoren der Seed Stage sind Business Angels, also vermögende Privatpersonen, in der Regel (Ex)-Unternehmer sowie auf diese frühe Phase spezialisierte Seed-Investoren/-Fonds.

In der Seed Stage werden Finanzierungsrunden derzeit in Deutschland nach unserer Beobachtung ganz grob hälftig als Wandeldarlehen (Convertible Loans, siehe dazu auch Kapitel 6 / Wandeldarlehen) oder als klassische Barkapitalerhöhungen strukturiert. Eine typische Bewertung für ein Seed-Stage-Internet-Startup mit einer gut ausgearbeiteten Idee in einem attraktiven Segment und einem schlüssig wirkenden Plan und Team-Setup liegt derzeit zwischen 1 Million und 4 Millionen EUR (pre-money). Im Fall von Serial Entrepreneurs (Seriengründer), die schon einen guten Track Record vorweisen können, kann die Bewertung auch bis zu 8 Millionen EUR, in Ausnahmesituationen vielleicht 10-12 Millionen EUR betragen. Eine typische Seed-Runde ist in der Regel zwischen 200.000 EUR und 1 bis 2 Millionen EUR groß. Ebenfalls denkbar sind mehrere Seed-Runden (z.B. Seed-1, Seed-2) mit ansteigender Bewertung bei Kapitalerhöhungen oder sich reduzierenden Discounts auf Convertibles.

„Gerade in der Seed-Runde ist es unendlich wichtiger, den

richtigen Investor an Board zu haben – jemand, der die

nächsten ein, zwei Runden wirklich helfen kann – im Vergleich

zur Bewertung. Man muss es sich nur einmal durchrechnen

und wird darauf kommen, dass die Seed-Bewertung

keine Aussagekraft hat für das persönliche Lebensszenario

des Gründers. Diese Art von Gier muss man

einfach hinter sich lassen.”

Oliver Holle (Gründer & Managing Partner Speedinvest)

Early Stage

In der Frühphase der Firmenentwicklung wird das in der Seed-Phase konzipierte oder schon entwickelte Produkt an den Markt gebracht. Investoren erwarten nun schon einen klareren Proof of Concept für das erste Produkt/ Modell. Vereinfacht gesagt reicht also eine hübsche PowerPoint-Präsentation hier nicht mehr aus, um eine Finanzierungsrunde durchzuführen. Vielmehr müssen erste Belege, am besten in Form aussagekräftiger KPIs (Key Performance Indicators) und, je nach Modell, einer guten Sales Pipeline vorliegen. Die Finanzierungsrunden werden ab der ersten „echten“ Early-Stage-Runde in der Regel mit lateinischen Großbuchstaben benannt. Die erste Runde, welche auch den typischen Schwerpunkt der Early Stage darstellt, wäre also die Series-A, es folgt die schon eher in Richtung Wachstumsphase gehende Series-B, dann C, D etc. Analog mehrere Seed-Runden kann man aber natürlich auch hierbei von der Bewertung eher zusammenliegenden Runden von Series-A, Series-A2, Series-A3 sprechen.

In Deutschland sind typische Series-A-Runden zwischen 1 und 10 Millionen EUR groß. Ausnahmen bestätigen die Regel, aber US-amerikanische Verhältnisse, in denen eine Series-A auch mal 100 Millionen US-Dollar und größer sein kann, gibt es hier (zum Glück) nicht. Entsprechend moderat sind auch die Firmenbewertungen zwischen etwa 4 und etwa 25 Millionen EUR anzusiedeln. Series-A-Runden werden in aller Regel als klassische Kapitalerhöhungen durchgeführt, in denen dann auch eventuell Wandeldarlehen aus der Seed-Phase in Equity, also Anteile am Unternehmen, gewandelt werden und bilanziell somit aus nachrangigem Fremdkapital Eigenkapital wird.

Later Stage

In der Wachstumsphase (bzw. Growth Stage, Later Stage) hat das Unternehmen in der Regel bereits substanzielle Umsätze und eine Vielzahl von Datenpunkten, die belegen, dass weiteres Wachstum wirtschaftlich sinnvoll gestaltbar ist, also insbesondere die Erhöhung des Budgets für die Kundenakquise sich nach einer gewissen Zeit durch die entstehenden Erlöse mehr als rechnet. Die Grundfrage, ob das Modell funktioniert, ob Kunden für das Produkt zu sinnvollen Preisen akquirierbar sind, ob Service, Technik, Produktion etc. zu sinnvollen Kosten darstellbar sind und, last but not least, ob das Unternehmer-Team die Herausforderungen des Gründer- und nun zunehmend auch Manager-Alltags stemmen kann, müssen nunmehr für Investoren nachvollziehbar, positiv beantwortet worden sein. In den typischen B- und C-Runden spielt auch wie in der A-Runde Eigenkapital die Hauptrolle. Nicht selten anzutreffen sind aber auch hier Wandeldarlehen, vor allem dann, wenn Gründer und Bestandsinvestoren gemeinsam zu dem Schluss kommen, dass in einer sehr begrenzten Zeit (z.B. 6 Monate) sich durch ein „Anschieben“ mit Kapital die Firmenbewertung für die nächste, dann primär von neuen, externen Investoren gezeichnete Runde deutlich steigern lässt, sodass unterm Strich sowohl Gründer als auch Alt-Investoren weniger Verwässerung ihrer Anteile erfahren (Bridge).

Abhängig vom Geschäftsmodell gibt es in der Wachstumsphase zunehmend auch die Möglichkeit, Fremdkapital- und Mezzanine-Finanzierungen mit sogenannten Venture-Debt-Fonds durchzuführen, die sehr oft auch in Kombination mit klassischen Eigenkapital-Investments (anderer VC-Fonds) genutzt werden können, um z.B. ein wachsendes Volumen von Umlaufvermögen (Vorräte/Lagerbestand oder in der Zukunft sicher kommende Erlöse von Kunden) etwas kostengünstiger als mit Eigenkapital finanzieren zu können. Zu guter Letzt werden Startups in der Wachstumsphase zunehmend „bankable“, können sich also insbesondere zur ergänzenden Finanzierung von Umlaufvermögen auch – aber in der Regel doch immer noch nur im Verhältnis zum Volumen der VC-Runden vergleichsweise bescheidenen Umfang – bei Banken oder Factoring-Anbietern bedienen.

Exit: Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei

Das große Ziel der VC-finanzierten Gründung ist der Exit, also der möglichst gewinnbringende Verkauf der Anteile am Unternehmen durch die Gesellschafter an einen oder (sehr viel seltener) mehrere Käufer.

Ein großer Teil der Regelungen jedes Beteiligungsvertrages kreist entsprechend um dieses Thema und soll die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Exits durch entsprechende Verkaufsmöglichkeiten der Investoren forcieren, das Ausräumen von logistischen Stolpersteinen sowie wirtschaftliche Regelungen zur Verteilung des Bärenfelles optimieren und dabei möglichst einen Gleichlauf der Interessen aller Parteien fördern.

Beim Exit unterscheidet man in der Regel nach der Art des Käufers und damit dem Charakter des Deals:

Trade Sale an einen Strategen

Der bei weitem häufigste (erfolgreiche) Exit ist der Verkauf an einen sogenannten „Strategen“, also einen Käufer, der im Gegensatz zu den in der Regel vormals beteiligten Finanzinvestoren ein „strategisches“ Interesse am Unternehmen hat und nicht nur die Realisierung einer Finanzrendite. Ca. 75% der Exits VC-finanzierter Unternehmen sind Verkäufe an solche Konzerne, die sich zumindest aus dem Deal zum Teil einen strategischen Vorteil erhoffen, während sich die restlichen 25% auf Börsengänge und Secondary-Transaktionen zwischen Finanzinvestoren aufteilen4. Klassische Interessen wären z.B. für einen Handelskonzern, der bisher primär im physischen Handel tätig ist, die digitale Transformation des eigenen Geschäftes und damit z.B. der Zugewinn von jüngeren, online-affinen Kunden und den passenden Vertriebswegen. Gleiches gilt etwa für ein Medienhaus, eine Bank oder eine Versicherung.

Bei einem Trade Sale verkaufen in aller Regel mindestens alle Investoren an den Käufer, oft auch die Gründer und Manager, wobei der Käufer für gewöhnlich ein starkes Interesse daran hat, die noch aktiven Gründer bzw. Manager zumindest für eine Übergangszeit von ein bis drei Jahren an das Unternehmen zu binden. Dies führt dann in der Praxis oft dazu, dass der Kaufpreis für die aktiven Gründer/Manager über einen Earn-Out Deal zeitlich gestreckt, im Gegenzug aber auch mit einem Bonus versehen wird, wenn das Unternehmen unter dem neuen Eigentümer (weiter) gut läuft und gewisse Ziele erreicht.

Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch, dass (aktive) Gründer mit ein bisschen Selbstbewusstsein und langfristigem Horizont keine zu große Angst vor Exit-Klauseln in Beteiligungsverträgen haben sollten, denn unabhängig von den hier und da fies klingenden vertraglichen Rechten, die Investoren in der Regel haben, um auf die Herbeiführung eines Exits hinzuwirken, sind es doch die (aktiven) Gründer, denen eine besondere Bedeutung zukommt – sie müssen sich über den Investoren-Exit hinaus zeitlich verpflichten und in der Regel auch weiterreichendere Garantien abgeben als die Investoren – etwas, zu dem man sie nur sehr schwer vorab vertraglich verpflichten kann. Ergo hat der (aktive) Gründer also zum Exit-Zeitpunkt viel mehr Gewicht, als es rein beim Lesen der Exit-Regeln in einem Beteiligungsvertrag den Anschein hat.

Asset Deal

Eine technische Variante des Exits ist der sogenannte Asset Deal, in dem nicht die ganze Gesellschaft von den Gesellschaftern an einen Käufer verkauft wird, sondern nur die wesentlichen Werte (Assets) der Gesellschaft. Die Gesellschaft an sich bleibt im Anschluss als (leere) Hülle zurück und wird im Rahmen einer Liquidation abgewickelt. Der Exit-Erlös wird in diesem Fall in erster Instanz folglich nicht von den Gesellschaftern vereinnahmt wie bei den anderen Exit-Formen, sondern von der Gesellschaft, die die Assets an den Käufer verkauft. Erst durch die Liquidation, also die Auflösung der Gesellschaft, werden dann die eingenommenen Mittel nach Abzug aller Kosten pro-rata – aber wie in allen Exits auch unter Berücksichtigung eventueller Liquidationspräferenzen – an die Gesellschafter ausgeschüttet. Asset Deals werden als Exit-Form vor allem dann gewählt, wenn der Käufer nicht alle Werte/Geschäfts-bereiche/Mitarbeiter etc. übernehmen will, sondern nur ein paar Kirschen aus der Gesellschaft herauspflücken will, oder aus juristischen-, Haftungs- und Steuer-Gedanken heraus.

IPO