Dehnungsfugen und Reservelücken - Armin Nassehi - E-Book

Dehnungsfugen und Reservelücken E-Book

Armin Nassehi

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Beschreibung

Das Kursbuch 212 beschäftigt sich mit der Frage, wie der Umgang mit knappen Gütern beziehungsweise mit Knappheit vor sich geht. Armin Nassehis Beitrag plädiert für die Notwendigkeit knapper Kalkulationen in einer komplexen Gesellschaft, in der die Dinge nicht immer vollständig berechenbar zueinander passen – weswegen auch hier Formen der Unschärfe eingebaut werden müssen. Sie heißen Dehnungsfugen und Reservelücken, und das gilt nicht nur fürs Ökonomische.

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Seitenzahl: 24

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Inhalt

Armin NassehiDehnungsfugen und ReservelückenSzenen einer knapp kalkulierten Welt

Der Autor

Impressum

Armin NassehiDehnungsfugen und ReservelückenSzenen einer knapp kalkulierten Welt

Kann man nicht knapp kalkulieren? Sobald man überhaupt kalkuliert oder kalkulieren muss, wird knapp kalkuliert, denn das Kalkulieren setzt schon voraus, dass die Dinge, für die bestimmte Parameter stehen, nicht in unendlichem Maße zur Verfügung stehen. Dass sie nicht zur Verfügung stehen, heißt nicht, dass es sie nicht gibt, sondern dass man gerade darüber nicht verfügen kann. Knappheit ist keine objektive Größe – auch wenn es durchaus objektive Knappheit geben kann. Knappheit ist vielmehr etwas, das dadurch hergestellt wird, dass die Verfügung über Güter geregelt, das heißt verknappt wird. Es ist eine Binsenweisheit, dass Geld knapp ist – nicht in dem Sinne, dass man immer zu wenig Geld hat, sondern in dem Sinne, dass Geld Knappheitsfragen reguliert oder bearbeitbar macht. In einer Wirtschaftsform, die auf Realtausch basiert, ist Knappheit noch etwas, das unmittelbarer mit der Verfügung über Dinge zu tun hat, die schon durch den Tausch Kalkulationen erzwingt. Knappheit fällt hier eher als ein an den Dingen hängendes Problem auf und natürlich daran, ob man die Verfügungsgewalt über ein Eigentum besitzt oder nicht. Mit der Geldwirtschaft wird Knappheit auf eine andere Ebene gehoben. Es mag genügend Güter geben, aber wenn deren Preis so steigt, dass diese Güter für bestimmte Gruppen nicht mehr erschwinglich sind, werden diese Güter knapp, obwohl sie prinzipiell vorhanden sind. Knappheit wird in Preisen ausgedrückt, und Preise drücken aus, was gerade knapp ist und was nicht – und zusätzlich regeln Preise noch, für wen was knapp ist.

Güter sind per se knapp, sie sind begrenzt vorhanden, man kann ihre Endlichkeit sehen. Geld dagegen erzeugt stets eine künstliche Knappheit, denn man könnte Geld im Überfluss erzeugen, geradezu grenzenlos, würde dann aber nicht mehr auf die Funktion des Geldes zurückgreifen können, nämlich Knappheit zu bearbeiten. Nur dadurch, dass Geld knappgehalten wird, können Zahlungen auf Entscheidungen zurückgeführt werden, die ihrerseits nicht nur Knappheit verringern (beim Empfänger), sondern auch erhöhen (beim Zahler).1

Kontingente Knappheit

Knappheit ist nicht nur ein wirtschaftliches Problem, aber das Ökonomische ist der Spezialbereich dafür, mit Knappheit umzugehen.2 Nun soll es hier weniger um eine ökonomische Analyse von Knappheit gehen, auch nicht um das Verhältnis der Medien zu Eigentum und Geld und auch nicht um angemessene Geldpolitik. Hier soll viel einfacher der Frage nachgegangen werden, wie eine Gesellschaft intern mit ihren Knappheitsproblemen umgeht. Knappheit ist kontingent, das heißt, sie ist ein Resultat gesellschaftlicher Prozesse, und zwar nicht nur auf einer stofflichen Ebene von Gütern, Boden, Dingen, Nahrung, Wasser usw., sondern vor allem auf einer operativen Ebene sozialer Prozesse, in denen Knappheit umso mehr auftritt, je komplexer diese Prozesse sind. »In diesem Sinne ist in der ›Überflussgesellschaft‹ viel mehr knapp als früher« 3