Gesellschaft der Gegenwarten - Armin Nassehi - E-Book

Gesellschaft der Gegenwarten E-Book

Armin Nassehi

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Beschreibung

Alles, was geschieht, geschieht in einer Gegenwart. Und alles, was geschieht, geschieht in einer Gesellschaft. Zwischen diesen beiden Sätzen herrscht eine Spannung. Denn alles, was geschieht, geschieht hier und jetzt und zugleich im Kontext von Abwesendem und Unsichtbarem, es wird in einer Gesellschaft räumlich und zeitlich transzendiert. Genau diese Erfahrung ist es, die das Besondere der modernen Gesellschaft ausmacht. Die Soziologie hat die Spannung zwischen Gegenwart und Gesellschaft stets aufzulösen versucht und dabei den Akzent entweder auf die Gegenwart oder auf die Gesellschaft gelegt. Mit einem Konzept einer "Gesellschaft der Gegenwarten" unternimmt Armin Nassehi den Versuch, diese Spannung praxis-, system- und gesellschaftstheoretisch aufzulösen.

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Alles, was geschieht, geschieht in einer Gegenwart. Und alles, was geschieht, geschieht in einer Gesellschaft. Zwischen diesen beiden Sätzen herrscht eine Spannung. Denn alles, was geschieht, geschieht hier und jetzt und zugleich im Kontext von Abwesendem und Unsichtbarem, es wird in einer Gesellschaft räumlich und zeitlich transzendiert. Genau diese Erfahrung ist es, die das Besondere der modernen Gesellschaft ausmacht. Die Soziologie hat die Spannung zwischen Gegenwart und Gesellschaft stets aufzulösen versucht und dabei den Akzent entweder auf die Gegenwart oder auf die Gesellschaft gelegt. Mit einem Konzept einer Gesellschaft der Gegenwarten unternimmt Armin Nassehi den Versuch, diese Spannung praxis-, system- und gesellschaftstheoretisch aufzulösen.

Armin Nassehi ist Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Zuletzt im Suhrkamp Verlag erschienen: Geschlossenheit und Offenheit. Studien zur Theorie der modernen Gesellschaft (stw 1636), Bourdieu und Luhmann. Ein Theorienvergleich (stw 1696, hg. zusammen mit Gerd Nollmann) und Der soziologische Diskurs der Moderne (stw 1922).

Armin Nassehi

Gesellschaft derGegenwarten

Studien zur Theorieder modernen Gesellschaft II

Suhrkamp

Zur Gewährleistung der Zitierbarkeit zeigen die grau hinterlegten Ziffern die jeweiligen Seitenanfänge der Printausgabe an.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet

über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2011

© Suhrkamp Verlag Berlin 2011

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form

(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren)

ohne schriftliche Genehmigung des Verlages

reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme

verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

eISBN 978-3-518-76770-2

www.suhrkamp.de

quellabella

Vorwort

Mit meinem Buch Geschlossenheit und Offenheit. Studien zur Theorie der modernen Gesellschaft habe ich 2003 eine Sammlung von zehn Aufsätzen vorgelegt, in denen es vor allem um die Entfaltung eines systemtheoretischen Programms ging, das sich für die operative Geschlossenheit von Formenbildung und Weltperspektiven interessiert. Mit diesem zweiten Band präsentiere ich nun unter dem Titel Gesellschaft der Gegenwarten mit wiederum zehn Beiträgen eine Weiterentwicklung. Die Formulierung Gesellschaft der Gegenwarten habe ich das erste Mal in jenem ersten Band verwendet, um auf die Operativität gesellschaftlicher Ordnung hinzuweisen. Dieser Frage habe ich in der Zwischenzeit mit meinem Buch Der soziologische Diskurs der Moderne eine größere Studie gewidmet, die die Theoriefigur des Operativen als einen Diskursstrang der Geschichte unseres Faches herausarbeitet. Die nun hier vorliegenden Aufsätze führen dieses Programm weiter, dessen Grundfrage lautet, wie sich Gegenwart im Sinne konkreter Situationen und Gesellschaft so zusammendenken lassen, dass daraus kein dichotomisches oder gar topologisches Modell von Akteur und Struktur oder Handlung und System wird.

Zu danken habe ich dem sehr produktiven Umfeld meines Arbeitsbereichs am Münchner Institut für Soziologie, wo wir in gemeinsamen Forschungsprojekten sowie in unserem colloquium sociologicum die meisten der hier behandelten Themen ausführlich und produktiv diskutieren konnten, sowie dem Vorstand des Humanwissenschaftlichen Zentrums der Ludwig Maximilians-Universität (bis vor kurzem) unter der Leitung von Ernst Pöppel, dessen interdisziplinärer Zuschnitt ein großer Gewinn für meine Arbeit ist. Namentlich danken möchte ich Iryna Klymenko, die mich bei der technischen Herstellung des Manuskripts unterstützt hat, bei Julian Müller, dem ich hilfreiche Anregungen für die Komposition des Bandes verdanke, bei Jutta Steinbiß als stets kritische Leserin, insbesondere aber über die Jahre wiederholt bei Irmhild Saake. Den Gesprächen mit ihr verdanken viele der hier vorgetragenen Gedanken eine Präzision, die sie ohne Irmhilds Kritik nicht gehabt hätten.

Eva Gilmer und dem Suhrkamp Verlag danke ich sehr für die Möglichkeit, einen zweiten Band meiner Studien zur Theorie der modernen Gesellschaft vorlegen zu können.

München, im April 2011

Armin Nassehi

11Einleitung: Gesellschaft der Gegenwarten. Vom Sinn einer theoretischen Figur

Es geht hier um eine einfache Frage, für die es auf den ersten Blick eine einfache Antwort gibt: Ist »Gesellschaft« ein empirisch gehaltvoller Gegenstand? Die einfache Antwort lautet: Ja! Schon was hier geschieht, nämlich dass mit Hilfe von Schrift kommuniziert wird, dass diese Schrift sich auf andere Schrift und anderes Gesprochenes bezieht, dass es technisch auf Papier gedruckt wurde, mit Hilfe weiterer technischer Verfahren gebunden wurde, dass das daraus entstandene Buch von einem Verlag ökonomisch kalkuliert wurde und der Inhalt im Hinblick auf seine Verwertungsrechte vertraglich fixiert wurde, dass der Verlag das ökonomische Risiko eingeht, in Vorlage zu gehen und Geld für die Produktion auszugeben, von dem er hofft, es auf einem Markt maximieren zu können, dass der Autor dieser Zeilen in der Erwartung schreibt, dass wissenschaftliche Fachkolleginnen und -kollegen auf den Text reagieren werden und womöglich Notizen oder gar Rezensionen in außerfachlichen Massenmedien erscheinen werden – all das sind elementare Bedingungen dafür, dass so etwas Banales wie ein Buch wie das vorliegende entstehen kann. Und es ist keineswegs nur eine abstrakte, vorempirische, in diesem Sinne apriorische oder gar transzendentale Setzung, dass all das, was ich hier angedeutet habe, in einer Gesellschaft stattfindet. Noch mehr: Es ist keineswegs so, dass all diese Dinge statthaben und als zusätzliches Akzidens auch noch ihre Gesellschaftlichkeit zu betonen wäre. Was ich hier behaupten möchte, ist vielmehr dies: All das Angedeutete findet nicht nur in einer Gesellschaft statt, sondern es findet als Gesellschaft statt. Dass all dies überhaupt möglich ist, setzt eine Gesellschaft voraus, die bereits eine gesellschaftliche Struktur hat, bevor das Buch wissenschaftlich geschrieben, vertraglich ermöglicht, ökonomisch kalkuliert sowie verkauft und medial verbreitet werden kann. Schon dieses banale Beispiel zeigt, dass man sich der Empirizität, der Erfahrbarkeit einer Gesellschaft gar nicht entziehen kann. Insofern erscheint die Frage, ob Gesellschaft ein empirischer Gegenstand sei oder sein könne, tatsächlich trivial.

12Freilich stellt sich tatsächlich die Frage sofort anders, wenn man den Fokus weniger auf die Gesellschaftlichkeit der hier angedeuteten Phänomene lenkt, sondern auf die Frage ihrer empirischen Erfassbarkeit. Es geht dabei um nichts Geringeres als um das Verhältnis von empirischer Forschung und soziologischer Theoriebildung. Schon die wenigen Sätze, die ich über die Gesellschaftlichkeit dieses Buches angedeutet habe, legen etwa nahe, wie sich dieser Text eine Gesellschaft vorstellt. Es geht offensichtlich um zweierlei: zum einen darum, dass Gesellschaft stets auf etwas Abwesendes Bezug nimmt, also auf Möglichkeitsbedingungen, die in konkreten Situationen nicht unmittelbar beobachtbar sind, zum anderen darum, dass die Beschreibung etwa der wissenschaftlichen, rechtlichen, ökonomischen und medialen Relationalität des vorliegenden Buches bereits theoretische Vorannahmen enthält, die den Kenner der Materie an differenzierungstheoretische Figuren erinnern wird. Was kann man also sehen? Nur konkrete Situationen, nur konkret und situativ Sichtbares, nur das Anwesende, wie spätestens seit Karl Poppers Situationismus die Gefahr transzendentaler, das heißt nichtempirischer Beschreibungen gebannt werden soll? Und in der Tat gilt: Alles Sehen und Wahrnehmen findet stets gegenwärtig statt – es gibt nichts, was nicht jetzt und hier stattfindet, wenn man sich tatsächlich für Operatives, für Empirisches, für Konkretes interessiert. Was kann man also sehen? Nur Gegenwarten oder mehr? Nur Gegenwarten in einer Gesellschaft? Letzteres würde schon wieder das Problem entstehen lassen, dass Gegenwarten und die Gesellschaft Gegenstände unterschiedlicher ontologischer Art seien. Was ich hier vorschlagen möchte, ist weder ein neuer positivistischer Situationismus noch der bloße Versuch, Gegenwarten in einer Gesellschaft zu verorten, sondern Gesellschaft selbst als den Zusammenhang von Gegenwarten zu beschreiben – als Gesellschaft der Gegenwarten eben.

Nehmen wir einmal empirizistisch an, dass sich tatsächlich nur Situationen, also Gegenwarten unmittelbar beobachten lassen, so stellt sich soziologisch in der Tat die Frage danach, wie unterschiedliche Gegenwarten miteinander verbunden sind, das heißt, wie unterschiedliche empirische Phänomene und damit ihre Befunde in Relation zueinander stehen. Wie geht man mit der banalen Tatsache um, dass die Verbreitung des hier Geschriebenen eine »gesellschaftliche« Infrastruktur voraussetzt, also einen Markt, 13Papierproduktion und Druckmaschinen, Leute, die diese Maschinen bedienen, Leute, die weder die Leser noch der Autor dieses Buches je zu Gesicht bekommen werden? Wie geht man damit um, dass die Sätze, wie sie hier geschrieben vorliegen, einer bestimmten materialen Form und sinnhaften Erwartungen genügen müssen, um zu funktionieren, ohne dass dieser Art Form und Sinn der Situation selbst entstammen? Wie fasst man soziologisch die empirisch evidente Erfahrbarkeit, dass alles, was in dieser Gegenwart geschieht, von gleichzeitigen und ungleichzeitigen Gegenwarten andernorts hochgradig abhängig ist? Mir geht es nicht darum, diese Selbstverständlichkeiten eigens zu begründen, denn es sind in der Tat Selbstverständlichkeiten, die sich schon daran ablesen lassen, dass die Erörterung dieser Fragen das voraussetzt, was hier zur Erörterung steht. Abstrakt lässt sich dann formulieren, dass bereits die Beschreibung, auch die soziologische Beschreibung, der Gesellschaft in der Gesellschaft stattfindet und auf eine Geschlossenheit hinweist, aus der es kein Entkommen und zu der es keine Alternative gibt – außer jener, auch dies innerhalb jener »gesellschaftlichen« Geschlossenheit zu vollziehen.

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