Deine Entscheidung - Laura Dornheim - E-Book

Deine Entscheidung E-Book

Laura Dornheim

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Beschreibung

Ungewollt schwanger? Ein Buch, das dir zur Seite steht wie deine beste Freundin, das dich aufklärt wie eine erfahrene Ärztin und das dir alle rechtlichen und bürokratischen Fragen zum Thema Schwangerschaftsabbruch beantwortet. Für eine selbstbestimmte Entscheidung. Rund 120.000 Frauen brechen jährlich im deutschsprachigen Raum eine Schwangerschaft ab, jede 4. entscheidet sich im Lauf ihres Lebens zu einer Abtreibung. Die Gründe sind vielfältig, und es ist das gute Recht der Frauen, diese Entscheidung zu treffen und sich dabei nicht bevormunden zu lassen. Aber wie komme ich zu der für mich richtigen Entscheidung? Wie viel Zeit habe ich? Wie erhalte ich den Beratungsschein, wie finde ich eine Ärztin, die den Abbruch durchführen kann? Ist ein operativer oder medikamentöser Eingriff das Richtige für mich? Welche Kosten kommen auf mich zu? Und wie gehe ich mit der Situation um, mit all meinen Gefühlen, den Meinungen und Erwartungen von außen? Laura Dornheim klärt die Betroffenen bestärkend, zugewandt und umfassend auf. Zu den Sachinformationen hat sie persönliche Erfahrungsberichte sowie Kommentare von Expert:innen, Ärztinnen und Berater:innen gestellt. Hinter- gründe zu den biologischen Details der frühen Schwangerschaft und zur rechtlichen und politischen Situation rund um den §218 sowie ein umfangreicher Serviceteil runden das Buch ab.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 189

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Laura Dornheim

DEINE ENTSCHEIDUNG

ALLES WAS DU ÜBER ABTREIBUNG WISSEN MUSST

·

Verlag Antje Kunstmann

·

Inhalt

Vorwort von Kristina Hänel

1 – Jedes Jahr ruft eine Freundin an

Wie du dieses Buch benutzen kannst

2 – Schwanger und jetzt?

Du bist nicht allein!

Du hast nichts falsch gemacht

Ungeplant / ungewollt

Wie geht es jetzt weiter?

Eine Vertrauensperson einbeziehen

Informationen finden

Wie viel Zeit du für die Entscheidung hast

Schwangerschaftsdauer berechnen

Ein Kind oder nicht – welche Optionen du jetzt hast

Extremsituationen

3 – Es ist allein deine Entscheidung

(K)eine schwere Entscheidung

Wer oder was beeinflusst deine Entscheidung?

Gute Gründe

Es gibt keine „schlechten“ Gründe

Dein Grund ist genug!

Pro- und Contra-Liste

Schwere Entscheidungen

Wo anfangen, was bedenken?

Umentscheiden

4 – Vor dem Abbruch

Checkliste

Erstuntersuchung bei einer Gynäkologin

Die Beratungsregelung

Das Beratungsgespräch

Der Beratungsschein

Die richtige Beratungsstelle finden

Falsche Beratungsstellen

Die Wartefrist

Die richtige Ärztin finden

Die Kostenfrage

Kostenübernahme durch die Krankenkasse

Österreich: Kostenübernahme nur in Wien möglich

Organisatorisches

5 – Der Abbruch selbst

Dein Recht auf eine gute Behandlung

Das Vorgespräch

Zwei Methoden: operativer und medikamentöser Abbruch

Operativer Abbruch mittels Absaugung (Vakuumaspiration)

Operativer Abbruch mittels Ausschabung (Kürettage)

Örtliche Betäubung oder Vollnarkose?

Der medikamentöse Abbruch

Telemedizinisch begleiteter medikamentöser Abbruch

Welche Methode ist die richtige für dich?

Vor- und Nachteile der beiden Methoden

Keine sichere Methode: mit „Hausmitteln“ abtreiben

Die Nachuntersuchung

6 – Die Zeit danach

Dein Körper nach dem Abbruch

Deine Gefühle nach dem Abbruch

Darüber reden – ja oder nein?

Sex, Verhütung und Familienplanung nach dem Abbruch

7 – Was du als Partner tun kannst

Wie du helfen kannst

Wer dir hilft

8 – Biologische Details – von der Eizelle zur Schwangerschaft

Wann beginnt das menschliche Leben?

Was in deinem Körper passiert

Die Entwicklung des Embryos

Lebensfähigkeit

9 – § 218 und weitere Gesetze – die rechtliche Situation

Die aktuelle Rechtslage in Deutschland

Das Schwangerschaftskonfliktgesetz

Die aktuelle Rechtslage in Österreich

Die aktuelle Rechtslage in der Schweiz

Rechtslage in Europa

Rechtslage weltweit

Welche Rechte hat ein Embryo?

Der Kampf gegen das Abtreibungsverbot – seit über 150 Jahren

Was passiert, wenn Abtreibungen rechtlich erlaubt werden

10 – Beratungsstellen, Ärzt*innen- und Klinikfinder, nützliche Links und Quellen

Danksagung

VORWORT VON KRISTINA HÄNEL

Als Ärztin erlebe ich es jeden Tag, wie wichtig es ist, dass Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch machen wollen, die richtigen Informationen bekommen. Zeit spielt in dieser Situation eine entscheidende Rolle, und oft verlieren Frauen viel zu viel Zeit, weil es ihnen schwer gemacht wird, an die notwendigen, korrekten Informationen zu kommen.

Wenn ein Unfall passiert, wissen alle, unter welcher Nummer sie einen Rettungswagen rufen können. Genauso sollte es bei einer ungeplanten Schwangerschaft sein. Aber die meisten Menschen beschäftigen sich nicht vorher damit, denken vielleicht sogar, dass ihnen das nie passieren wird. Wenn es dann eben doch passiert, stehen sie unter Stress, der Zeitdruck kommt dazu, vielleicht sogar noch ein Konflikt in der Beziehung, Ambivalenz oder andere zusätzliche Belastungen. Das alles macht es dann noch schwieriger, an vernünftige Informationen zu kommen.

Es beginnt damit, dass viele Frauen glauben, ihr Verhütungsmittel wäre sicher, und dann denken, sie hätten etwas falsch gemacht, und sich selbst Vorwürfe machen. Dabei haben sie überhaupt nichts falsch gemacht, denn es gibt einfach keine absolut sicheren Verhütungsmittel. Trotzdem denken sie, sie wären die Einzigen, denen so etwas passiert, und trauen sich nicht, darüber zu reden, obwohl ungeplante Schwangerschaften so häufig sind.

Vor allem, welche Schritte notwendig sind, um einen Abbruch zu machen, wo sie gut beraten werden, welche Methoden es gibt, welche für die jeweilige Frau am besten geeignet ist und was das alles kostet, das ist den wenigsten vorher bekannt.

Es sind aber nicht nur die Informationen vor dem Abbruch, die fehlen, sondern auch die Informationen darüber, wie es danach weitergeht. Es gibt immer noch viele, die denken, ein Abbruch wäre ein gefährlicher Eingriff, weil sie gehört haben, dass früher Frauen daran gestorben sind und es auch dazu viel zu wenig Aufklärung gibt. Fakt ist, dass Abbrüche zu den sichersten, risikoärmsten medizinischen Eingriffen gehören.

Das gilt auch für diese Geschichten, dass Menschen nach einem Abbruch traumatisiert wären. Es gibt keine einzige Studie, die das belegt, aber mehrere Studien, die zeigen, dass es diese Traumatisierung nicht gibt, sondern die meisten Frauen einfach nur erleichtert sind. Lediglich die Umstände, unter denen Frauen abtreiben, unter denen sie manchmal schlecht behandelt werden, können zu einer Traumatisierung führen.

Für mich begann die gemeinsame Geschichte mit Laura Dornheim, als sie bereit war, als Betroffene für eine Talkshow zum Thema Abtreibung ins Fernsehen zu gehen. Bis dahin war oft ich es gewesen, die über die Situation der Betroffenen berichtet hatte, niemand von ihnen wollte ja selbst ins Licht der Öffentlichkeit. Dass Laura Dornheim es tat, veränderte die Situation. Viele haben inzwischen über ihre Erfahrungen gesprochen. Dass sie es jetzt ist, die diesen Ratgeber für andere schreibt, berührt mich, und ich begrüße es sehr.

Wissen ist Macht. Aktuell verhindern Gesetze und Tabus, dass dieses Wissen verfügbar ist und verbreitet wird. Wenn wir ungewollt Schwangeren helfen wollen, wenn wir nicht wollen, dass sie ohnmächtig sind, dann müssen wir dafür sorgen, dass sie im Ernstfall schnell an alle Informationen kommen. Darum danke ich Laura Dornheim, dass sie sich dieses Themas angenommen hat und einen so notwendigen wie fachkundigen Ratgeber geschrieben hat, der alle wichtigen Aspekte übersichtlich, korrekt und prägnant abhandelt und dabei auch noch Betroffene mit allen ihren Facetten des Erlebens und der Verarbeitung zu Wort kommen lässt.

1 – Jedes Jahr ruft eine Freundin an

·

Mein Handy vibriert. Ein Anruf von einer Freundin, mit der ich sonst eigentlich nicht so viel telefoniere, wir schreiben uns eher Nachrichten. Der Anruf kommt zu einer Zeit, zu der man nicht einfach mal zum Quatschen anruft, spätabends. Solche Anrufe bekomme ich fast jedes Jahr. Einmal saß ich gerade im Zug, ein anderes Mal hatte ich verschmierte Hände, weil ich dabei war, mein Fahrrad zu reparieren, wieder ein anderes Mal war ich bei einer Geburtstagsfeier in einer Bar. Auch jetzt bin ich erst irritiert, als das Telefon klingelt. Aber dann fragt mich die Freundin mit zittriger Stimme, ob ich kurz Zeit hätte, und ich weiß sofort, worum es geht: Sie ist schwanger und will es nicht sein. Sie hat bereits zwei Kinder und kann sich ein drittes nicht vorstellen. Die meisten Freundinnen und Bekannten, die mich in dieser Sache anrufen, sind bereits Mutter, manche sind in meinem Alter, manche deutlich jünger. Es kann jede betreffen.

Schwangerschaftsabbrüche sind immer noch ein riesiges Tabu in unserer Gesellschaft. Dass ich seit Längerem offen darüber spreche, ist eine Ausnahme. Eine Ausnahme, die mich zur Ansprechpartnerin macht. Als ich selbst in der Situation war, von einer unerwarteten Schwangerschaft überrascht zu werden, hatte ich das Glück, eine Freundin zu kennen, die schon einmal abgetrieben hatte. Mit der ich offen darüber reden konnte, deren Erfahrung für mich in dieser Zeit eine wichtige Orientierung war. Solange Schwangerschaftsabbrüche tabuisiert und stigmatisiert werden, bin ich froh, für andere diese Freundin sein zu können.

Meine Freundin sagt, sie traut sich nicht, online nach Beratungsstellen vor Ort zu suchen, aus Angst davor, mit Fotomontagen von blutigen Babys konfrontiert zu werden. Wir beide wissen, dass befruchtete Eizellen nach sechs Wochen nicht die entfernteste Ähnlichkeit mit einem niedlichen Baby haben, aber ich kann gut verstehen, dass sie sich gerade jetzt nicht irgendwelche kruden Sachen ansehen will. Ich rate ihr, direkt Pro Familia zu kontaktieren, und biete an, eine Beratungsstelle für sie zu suchen und gegebenenfalls auch gleich einen Termin auszumachen. Es ist der Samstag des langen Pfingstwochenendes, was heißt, dass sie drei Tage warten muss, bis sie einen Termin bekommen kann. Drei Tage mit den falschen Hormonen, mit Übelkeit und einer sich entwickelnden Schwangerschaft, die sie nicht möchte.

Selbst ohne Feiertage müssen ungewollt Schwangere oft mehrere Tage auf das Beratungsgespräch warten. Erst danach beginnt die Frist von drei Tagen vorgeschriebener Wartezeit zwischen Beratungsgespräch und Abbruch. Das verpflichtende Beratungsgespräch und die vorgeschriebene Wartezeit bedeuten, dass Frauen in diesem Land, in diesem Jahr immer noch nicht allein über ihren Körper entscheiden dürfen. Denn selbst wenn eine Frau eine Entscheidung getroffen hat, gilt ihre Entscheidung offenbar nicht so wirklich, oder eben erst nach gesetzlich verordneter Bedenkzeit.

Jeder abzuwartende Tag macht einen medikamentösen Abbruch ohne Operation unrealistischer, da dieser nur bis zur neunten Woche möglich ist. Also muss sich meine Freundin wahrscheinlich unter Narkose setzen lassen und einen operativen Eingriff überstehen, um die Selbstbestimmung über ihren Körper wiederzuerlangen.

Ich muss meine Wut in Schach halten, denn in diesem Moment geht es nicht um meine Gefühle. Es geht jetzt nicht darum, wie wir diese menschenverachtenden Gesetze endlich abschaffen können. Jetzt geht es darum, wie meine Freundin bestmöglich durch die Situation kommt. Wie sie sich fühlt, jetzt, während des Abbruchs und danach. Wie ihr beigestanden wird. Davon hängt maßgeblich ab, ob sie irgendwann auf diese Zeit als eine schwierige, aber gut bewältigte Erfahrung zurückblicken kann oder ob all der Druck, der direkt und indirekt auf sie ausgeübt wird, sie traumatisiert.

Also erzähle ich von meiner Erfahrung, von meinen Gefühlen vor und nach der Entscheidung, ich gehe mit ihr alle Schritte durch und versuche alle Fragen, so gut ich kann, zu beantworten. Ich erzähle, dass Abtreibungen innerhalb der ersten Wochen früher schlicht als „Blutungsregulierung” galten, und erinnere sie daran, dass sie nicht allein ist: Jede vierte Frau entscheidet sich im Laufe ihres Lebens gegen eine Schwangerschaft. Die Freundin erzählt mir, wie schlecht sie sich fühlt, dass ihr „so was” passiert ist, und ich betone, dass es nicht ihre Schuld ist. Etwas, das ich erst lange nach meiner eigenen Abtreibung verstanden habe. Die Selbstvorwürfe – „Wie konnte mir das passieren?” – sind nichts anderes als die verinnerlichte Verachtung gegenüber Frauen in unserer männerdominierten Gesellschaft, in der ungewollte Schwangerschaften angeblich nur verantwortungslosen Teenagerinnen passieren und natürlich nie etwas mit den beteiligten Männern zu tun haben.

Ich rate ihr, sich erst einmal abzulenken, mit einer guten Serie oder auch einem Drink. Wenn ich das Gefühl habe, das geht und hilft vielleicht, scherze ich, dass das die einzige Schwangerschaft ist, in der sie hemmungslos trinken kann.

In den nächsten Tagen telefonieren wir immer wieder. Ich erfahre, dass auch für ihren Partner total klar ist, dass sie nicht noch ein Kind wollen, nicht jetzt. Dort wo sie lebt, gibt es nur eine Privatklinik, die Abbrüche vornimmt und die dafür einen ziemlich hohen Preis verlangt. Meine Freundin verdient genug, um das bezahlen zu können. Aber am Telefon sind wir uns einig, dass es nicht ok ist, dass man diesen medizinischen Eingriff aus eigener Tasche bezahlen muss.

Kurz nach der OP schreibt sie mir: „Alles hat geklappt, und es geht mir sehr gut!“ In den knappen Zeilen kann ich ihre Erleichterung spüren.

Ich war 31, als ich das erste Mal schwanger war. Die Nachricht kam für mich absolut überraschend, und im ersten Moment fühlte ich mich völlig überfordert. Nach intensivem Nachdenken entschied ich mich gegen die Schwangerschaft. Ich hatte das große Glück, eine unterstützende Ärztin gefunden zu haben, die mir einen medikamentösen Abbruch ermöglichte. Als die Abbruchblutung einsetzte, war ich mit meinem damaligen Partner zu Hause in meinen eigenen vier Wänden.

Ich habe abgetrieben. Ich bin weder stolz darauf, noch schäme ich mich dafür. Ich habe diese Entscheidung nie bereut. Genauso wenig wie ich bereue, zwei spätere Schwangerschaften ausgetragen und zwei wunderbare Kinder auf und in die Welt gebracht zu haben. Ich weiß, was es heißt, neun Monate lang einen neuen Menschen in sich heranwachsen zu lassen, eine Geburt durchzumachen und die volle Verantwortung für das Leben und die Zukunft eines Kindes zu tragen.

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass jeder Mensch, jede Frau das Recht haben sollte, selbst zu entscheiden, ob, wann und wie sie Kinder bekommt. Selbstbestimmung über den eigenen Körper und die eigene Familienplanung sind essenzielle Voraussetzungen für die Gleichberechtigung aller Geschlechter. Das war mir schon lange vor meiner Abtreibung bewusst. Ebenso war mir bewusst, dass wir auch hierzulande noch weit von echter Gleichberechtigung entfernt sind. Aber meine eigene Erfahrung hat mir drastisch vor Augen geführt, wie sehr ungewollt Schwangere immer noch gegängelt, bevormundet und stigmatisiert werden. Von Gesetz und Gesellschaft gleichermaßen. Die Tabuisierung von Schwangerschaftsabbrüchen führt dazu, dass sich Betroffene allein fühlen und nur schwer an hilfreiche Informationen gelangen.

Ratgeber für werdende Mütter gibt es unzählige. Aber es gibt keinen einzigen Ratgeber für die, die noch nicht, gar nicht oder nicht noch einmal Mutter werden wollen. Als mir das klar wurde, wusste ich, dass ich dieses Buch schreiben muss. Denn Schwangerschaftsabbrüche sind alles andere als selten, auch wenn immer noch kaum darüber gesprochen wird.

Jeder einzelne Schwangerschaftsabbruch hat seine eigene Geschichte, und doch ist der Eingriff an sich so alltäglich wie eine Blinddarm-OP. Beide Eingriffe werden in Deutschland jedes Jahr etwa 100.000 Mal vorgenommen.

Dabei durften Ärztinnen lange nicht selbst über die medizinischen Details der verschiedenen Methoden zum Schwangerschaftsabbruch informieren. Öffentliche Stellen, Beratungsorganisationen und Aktivistinnen haben diese Aufgabe übernommen und viele wertvolle Informationen im Internet und in Broschüren veröffentlicht. Gerade online finden sich aber leider auch viele falsche, manipulative und erniedrigende Inhalte zum Thema Abtreibung, die einzig zum Ziel haben, ungewollt Schwangere von einem Abbruch abzuschrecken. Und gerade in der akuten Situation einer ungeplanten Schwangerschaft finden es viele Betroffene unerträglich, die Flut an Informationen nach hilfreichen sachlichen Inhalten durchsuchen zu müssen und dabei immer wieder mit Photoshop bearbeitete Bilder von angeblich toten Föten zu sehen zu bekommen. Deswegen habe ich mich entschieden, alle wichtigen, relevanten und hilfreichen Informationen zu einem Schwangerschaftsabbruch in Form eines Buches zusammenzustellen.

Dieses Buch ist weder pro noch contra Abtreibung. Die Entscheidung über die Fortsetzung oder den Abbruch einer Schwangerschaft kann und darf einzig von der schwangeren Person getroffen werden. Deshalb versammelt dieses Buch neutrale, überprüfte Informationen, die allen Menschen in der Situation einer ungewollten Schwangerschaft ermöglichen sollen, die beste Entscheidung für sich selbst zu treffen.

Wer in Deutschland, Österreich oder der Schweiz eine Schwangerschaft abbrechen will (oder darüber nachdenkt), muss vieles beachten. In einer Situation, die für die meisten Betroffenen ohnehin schon belastend ist, müssen Fristen eingehalten und Auflagen erfüllt werden. Jede Einzelne muss sich selbst auf die Suche nach einer Beratungsstelle und einer Ärztin machen. Viele wissen nicht, dass es unterschiedliche Methoden für einen Abbruch gibt, geschweige denn, wie genau der Eingriff abläuft und was sie danach erwartet.

Dieses Buch will bei diesen Fragen Unterstützung und Begleitung sein für alle, die in der Situation einer ungeplanten Schwangerschaft sind. Für direkt Betroffene genauso wie für ihre Partner*innen, Freund*innen und Angehörige.

WIE DU DIESES BUCH BENUTZEN KANNST

Wenn du ungewollt schwanger bist, gibt es schon genug Menschen und Gesetze, die dir vorschreiben oder vorschreiben wollen, was du tun und was du lassen sollst. Dieses Buch gehört nicht dazu. Es geht hier vielmehr darum, was du darfst. Was du fühlen, denken und entscheiden darfst – nämlich alles! –, wie du dich verhalten und welche Behandlung du erwarten darfst. Dementsprechend darfst du dieses Buch genau so lesen und benutzen, wie es für dich gut ist! Fang mit den Themen an, die dich gerade am meisten beschäftigen, überspringe, was du nicht brauchst, lies das, was dir weiterhilft.

Das Buch ist im ersten Teil in fünf Kapitel gegliedert, die dem zeitlichen Ablauf einer ungeplanten Schwangerschaft und eines Abbruchs entsprechen. In jedem Kapitel findest du alle relevanten Informationen zur jeweiligen Phase.

Darüber hinaus geben dir persönliche Berichte von Menschen, die auch schon einmal in dieser Situation waren, einen Einblick, wie es für andere war. Sie sind blau hinterlegt und so leicht zu finden.

In den gelb hinterlegten Kommentaren teilen Ärzt*innen, Berater*innen und weitere Expert*innen ihr Wissen und ihre Erfahrungen. Sie ergänzen und vertiefen die Informationen in diesem Buch aus der Perspektive erfahrenerer Fachkräfte.

Zusätzliche Informationen liefern dir folgende hervorgehobene Kategorien:

Wichtig! Achtung!

Es gibt Dinge, die jede Frau, die ungeplant schwanger ist, unbedingt wissen muss. Dinge, die essenziell wichtig für die Betroffene, also für dich und deine Gesundheit sind. Manchmal sind das auch Warnungen vor falschen Angaben oder Vorgehensweisen. Diese Informationen sind mit einem Ausrufezeichen markiert.

Gut zu wissen

Die Entscheidung für oder gegen einen Abbruch ist an sich schon komplex. Medizinische, rechtliche und nicht zuletzt bürokratische Hürden machen es leider noch komplizierter. Mit der Glühbirne sind Hinweise markiert, an die du vielleicht nicht sofort gedacht hättest, die dir aber oft weiterhelfen können.

Zum Mitschreiben

Jede Schwangerschaft und jeder Abbruch sind anders. Nur du weißt, was für dich richtig ist, was du brauchst und willst. Deshalb gibt es einige Stellen in diesem Buch, die dich mit kleinen Aufgaben einladen, deine Gedanken zu Papier zu bringen. Manchmal sind das auch Checklisten, die dir helfen, den Überblick zu behalten.

Nach den Kapiteln, die das Davor, Währenddessen und Danach des Abbruchs begleiten, findest du in diesem Buch folgende Informationskapitel:

Was Partner und Freund*innen tun können

An jeder ungeplanten Schwangerschaft waren zwei Menschen beteiligt. Dieses Kapitel richtet sich an die Partner der Schwangeren und zeigt, wie sie die Betroffene am besten unterstützen und wo sie selbst Unterstützung bekommen können. Alle diese Tipps sind natürlich auch für Freund*innen und Angehörige hilfreich.

Detailwissen Biologie und Rechtliches

Zusätzlich zum Ratgeberteil gibt es noch jeweils ein ausführlicheres Kapitel zu den biologischen Details der frühen Schwangerschaft und des Abbruchs sowie zu den rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Hier kannst du dich in weiterführende Informationen vertiefen.

Nützliche Links und Kontakte

Hier findest du Kontaktdaten von vertrauenswürdigen Beratungen und Informationsstellen sowie hilfreiche Websites mit weiterführenden Informationen und Angeboten und Lektüretipps. Das Buch, das du in der Hand hältst, versucht, alle Fragen zum Schwangerschaftsabbruch zu beantworten, aber manchmal bleibt doch etwas offen, und manchmal willst du vielleicht einfach mit einer anderen Person sprechen. Auf den letzten Seiten findest du deshalb die richtigen Ansprechpartner*innen dafür.

Eins noch: Nicht nur Frauen können schwanger werden, und nicht nur Ärztinnen führen Abbrüche durch. Die Sprache in diesem Buch soll gleichzeitig leicht lesbar und so inklusiv wie möglich sein. Deshalb ist nicht nur von Frauen, sondern auch von (ungewollt) Schwangeren oder einfach von Betroffenen die Rede, denn selbstverständlich ist dieses Buch für alle Menschen mit Uterus, ob cis, trans oder nicht-binär, geschrieben.

Für medizinisches Personal wird im Text das generische Femininum verwendet, also z. B. einfach „Ärztin“. Natürlich gibt es auch sehr viele gute männliche (und nicht binäre!) Ärzte, die ungewollt Schwangere bei ihrer Entscheidung unterstützen und Abbrüche anbieten – sie sind selbstverständlich mitgemeint!

2 – Schwanger und jetzt?

In diesem Kapitel erfährst du …

Dass ungeplante Schwangerschaften sehr häufig sind

Welche Optionen du hast

Wie viel Zeit du für deine Entscheidung hast

·

Wenn du dieses Buch in der Hand hältst, hast du vermutlich vor Kurzem erfahren, dass du schwanger bist. Vielleicht hast du es schon geahnt, vielleicht war es ein totaler Schock. Du weißt noch nicht, wie es jetzt weitergeht, aber du weißt, dass du eine Entscheidung treffen musst.

Was mache ich jetzt? Wer kann mir helfen? Wie viel Zeit habe ich? Vielleicht stellst du dir gerade diese oder ähnliche Fragen, vielleicht ist dein Kopf aber auch wie leer gefegt.

Dieses Buch ist dazu da, dir all deine Fragen zu beantworten und dich während der gesamten Zeit der ungewollten Schwangerschaft und – wenn du dich dafür entscheidest – der Abtreibung zu begleiten.

Zuallererst solltest du aber zwei Sachen wissen. Erstens: Du bist nicht allein, ungeplante Schwangerschaften sind nämlich sehr häufig. Zweitens: Du hast nichts falsch gemacht! Selbstvorwürfe sind absolut fehl am Platz, denn eine ungeplante Schwangerschaft kann jeder passieren.

DR. JANA MAEFFERT, GYNÄKOLOGIN

·

„In einem Jahr wird es Ihnen gut gehen.“ Das ist ein Satz, den ich Frauen, die mit einer ungeplanten Schwangerschaft zu mir kommen, ganz oft sage. Für viele ist das in dem Moment ja ein Schock, ein totales Drama. Da hilft es, diese Perspektive aufzumachen, und das ist ja auch tatsächlich so, dazu gibt es diverse Studien. Das gilt für die, die sich für die Schwangerschaft entscheiden, genauso wie für die, die einen Abbruch machen.

DU BIST NICHT ALLEIN!

Viele Frauen fühlen sich mit der Nachricht einer ungeplanten Schwangerschaft ziemlich allein. Umso wichtiger ist es zu wissen, dass du eben nicht allein bist! Etwa 30% bis 40% aller Schwangerschaften sind ungeplant. Nicht weltweit, sondern in Deutschland, wo Aufklärungsunterricht in der Schule stattfindet und Verhütungsmittel frei verfügbar sind. Sex gehört zum Leben dazu, und wer Sex hat, kann theoretisch auch schwanger werden oder eine Schwangerschaft zeugen. Denn kein Verhütungsmittel ist absolut sicher. Und sosehr wir es uns oft wünschen, dieses Leben verläuft nicht immer nach Plan. Aus welchen Gründen auch immer (weiter unten gehe ich noch genauer auf sie ein): Viele Frauen kommen im Laufe ihres Lebens in diese Situation. In Deutschland entscheiden sich etwa 100.000 Frauen jedes Jahr für einen Schwangerschaftsabbruch. Das heißt auch, dass du mit hoher Wahrscheinlichkeit Frauen kennst, die schon einmal abgetrieben haben. Aber es kann gut sein, dass du es nicht weißt. Und es ist möglich, dass du niemanden hast, mit dem du über die Erfahrung mit einer ungewollten Schwangerschaft sprechen kannst, weil immer noch viele Menschen nicht offen darüber reden. Das heißt aber nicht, dass du deine Situation geheim halten musst! Es kann sehr hilfreich sein und guttun, mit jemandem darüber zu sprechen.

DU HAST NICHTS FALSCH GEMACHT

Wir alle haben sofort bestimmte Gedanken und oft auch verinnerlichte Glaubenssätze im Kopf, wenn wir an Schwangerschaftsabbrüche denken. Die meisten davon haben mit unserer Erziehung, mit kultureller oder religiöser Prägung zu tun. Lange wurde das Wort Abtreibung absichtlich abwertend benutzt. (Übrigens ein Grund, warum es in diesem Buch gleichwertig mit dem Schwangerschaftsabbruch auftaucht: um Abtreibung zu enttabuisieren, in der Sprache und in unseren Köpfen.) Auch der Begriff „wegmachen lassen“ impliziert, dass etwas Schlechtes passiert ist, ein Fehler, der jetzt möglichst still und heimlich korrigiert werden muss. Wie ein Fleck, den niemand sehen soll. Es ist kein Zufall, dass es diese sprachlichen Bewertungen gibt. Ungeplante Schwangerschaften zu stigmatisieren, war und ist schon viel zu lange eines der Instrumente gesellschaftlicher Unterdrückung von Frauen.

Viele empfinden Scham, wenn sie feststellen, dass sie unerwartet schwanger sind. Noch immer hält sich das verächtliche Klischee, „so etwas“ würde nur verantwortungslosen jungen Frauen passieren, die nicht richtig verhütet haben. Aber mehr als 60% derer, die sich für einen Abbruch entscheiden, haben bereits Kinder.

Ungeplante Schwangerschaften kommen zudem in allen Bildungsschichten vor, bei reichen und armen Menschen, bei jungen und alten, bei gläubigen und bei atheistischen, in der Stadt und auf dem Land.

Trotzdem suchen viele ungewollt Schwangere zuerst die Schuld bei sich. Es ist aber weder deine Schuld noch die von jemand anderem. Du hast nichts falsch gemacht! Und du wirst die richtige Entscheidung treffen.

UNGEPLANT / UNGEWOLLT

Statistisch gesehen ist etwa jede dritte Schwangerschaft ungeplant.

Eine von drei ungeplanten Schwangerschaften wird abgebrochen.