Del - Ungezähmtes Begehren - Jennifer Dellerman - E-Book

Del - Ungezähmtes Begehren E-Book

Jennifer Dellerman

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Beschreibung

Sie ist seine beste Medizin ...

Katie Tollson kümmert sich gerne um die Bedürfnisse anderer - seien es die ihrer kleinen Tochter oder die der Gäste des kleinen Hotels auf dem Anwesen der Familie Felix in Florida. Doch als Del, einer der Söhne der Familie, nach Hause zurückkehrt, verspürt sie selbst gewisse Bedürfnisse.

Del Felix ist Jaguar-Gestaltwandler und Soldat: hart, tödlich ... und verwundet. Eine Explosion hat ihn beinahe umgebracht, und er braucht dringend Ruhe. Doch er hat nicht mit Katie gerechnet. Der Jaguar in ihm wird nicht eher ruhen, bis er sie erobert hat!

Alle Romane der Dynasty of Jaguars: Rome - Verführerische Fährte / Santos - Unstillbares Verlangen / Porter - Geheimnisvolle Leidenschaft / Del - Ungezähmtes Begehren

Jedes eBook enthält eine abgeschlossene, prickelnde Geschichte! EBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.

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Seitenzahl: 309

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Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber die AutorinTitelImpressum12345678910111213141516171819202122Leseprobe – Verhängnisvolles Erwachen

Die Serie

Die Familie Felix besitzt seit Generationen ein riesiges, tropisches Anwesen in Florida. Was keiner wissen darf: Es handelt bei der Familie um Jaguar-Gestaltwandler! In jedem Roman steht einer der Söhne im Mittelpunkt. Dynasty of Jaguars – prickelnde und spannende Romantik mit übernatürlichem Touch!

Alle Romane der Dynasty of Jaguars:

Rome – Verführerische Fährte

Santos – Unstillbares Verlangen

Porter – Geheimnisvolle Leidenschaft

Del – Ungezähmtes Begehren

Jedes eBook enthält eine abgeschlossene, prickelnde Geschichte.

Über diese Folge

Katie Tollson kümmert sich gerne um die Bedürfnisse anderer – seien es die ihrer kleinen Tochter oder die der Gäste des kleinen Hotels auf dem Anwesen der Familie Felix in Florida. Doch als Del, einer der Söhne der Familie, nach Hause zurückkehrt, verspürt sie selbst gewisse Bedürfnisse.

Del Felix ist Jaguar-Gestaltwandler und Soldat: hart, tödlich … und verwundet. Eine Explosion hat ihn beinahe umgebracht, und er braucht dringend Ruhe. Doch er hat nicht mit Katie gerechnet. Der Jaguar in ihm wird nicht eher ruhen, bis er sie erobert hat!

Über die Autorin

Jennifer Dellerman hat bereits viele Bücher veröffentlicht. Am liebsten schreibt sie erotische und spannende Romane mit paranormalem Einschlag. Jennifer Dellerman lebt in den USA.

Jennifer Dellerman

Aus dem amerikanischen Englisch von Charlene Stein

beHEARTBEAT

Deutsche Erstausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Die englischsprachige Originalausgabe erschien unter dem Titel »Rumble of Passion« bei Ravenous Romance®

© 2014 by Jennifer Dellerman

Koordination und Bearbeitung der deutschen Ausgabe: usb bücherbüro, Friedberg (Bay.)

Übertragung ins Deutsche: Charlene Stein

Projektmanagement: Lukas Weidenbach

Covergestaltung: © Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de unter Verwendung von istockphoto/MRBIG_PHOTOGRAPHY

Datenkonvertierung E-Book:

hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7325-2798-4

Dieses eBook enthält eine Leseprobe des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes »Verhängnisvolles Erwachen« von Jennifer Dellerman.

Die englischsprachige Originalausgabe erschien unter dem Titel »Shifting Positions« bei Ravenous Romance™

© 2010 by Jennifer Dellerman

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Koordination und Bearbeitung der deutschen Ausgabe: usb bücherbüro, Friedberg (Bay.)

Übertragung ins Deutsche: Ralph Sander

Projektmanagement: Lukas Weidenbach

Covergestaltung: © Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de unter Verwendung von istockphoto/4x6 und thinkstock/belizar73

Datenkonvertierung E-Book:

hanseatenSatz-bremen, Bremen

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Der Killer lief durch die Nacht. Auf leisen Sohlen schlich er durch das Gras an der langen, einsamen Straße, das seine Schritte dämpfte. Zufrieden atmete er die salzige Luft ein.

Bald war er am Ziel.

Er war unbewaffnet und hatte keine Angst, denn hier draußen konnte ihm niemand etwas tun. Im Schatten der Bäume wartete er und warf einen ersten Blick auf das Haus. Ein Musterbeispiel von Handwerkskunst und Bautechnik. Es hatte Stürme ausgehalten und stand schon seit Jahrhunderten dort. Inzwischen überragte es das Land um drei Stockwerke. Gesunde, gut geschnittene Hecken mit Tausenden von kleinen weißen Blüten wuchsen an der Vorderseite des Ziegelbaus. Aus den Fenstern im Erdgeschoss strömte warmes Licht und hieß alle willkommen, die Zuflucht vor der Nacht suchten.

Ein schönes Haus, das er erwartungsvoll ansah. Seine Zielperson war in diesem Haus und hatte keine Ahnung von der lauernden Gefahr, die sie still beobachtete und nur auf den richtigen Augenblick wartete.

Er hörte Stimmen und Gelächter. Eine Party, wunderbar. Und so wie es klang, war sie noch in vollem Gange. Natürlich wusste er von der Party. Es war der perfekte Abend für seinen letzten Auftrag.

Er senkte das Kinn ein wenig. Der Jagdinstinkt zerrte an ihm. Mit seinem Komplizen im Inneren des Hauses wäre der Auftrag ganz leicht zu erfüllen. Auch wenn er sich diesen Auftrag selbst erteilt hatte. Nicht so lebensgefährlich wie viele andere in der Vergangenheit, aber er musste trotzdem vorsichtig sein. Denn selbst perfekt geplante Einsätze mussten Murphy berücksichtigen – das Gesetz, nach dem alles, was schiefgehen kann, irgendwann tatsächlich schiefgeht. Mehr als einmal hatte ihn dieses verdammte Gesetz in den Arsch gekniffen. Diesmal wollte er ihm keine Chance lassen.

Jetzt musste er nur noch eine SMS an seinen Komplizen schicken und herausfinden, wo die Zielperson sich befand. Das sparte jede Menge Zeit. Aber erst musste er sich noch näher an das Haus anschleichen. Damit es bis zum Angriff nur noch Sekunden dauerte. Jedes Risiko ausschalten, darum ging es.

Er zog einen Mundwinkel ironisch hoch, als er die Überwachungskameras und Lichter sah, die den Besitzern zweifellos ein Gefühl der Sicherheit vermittelten. Sie glaubten, niemand könne unbeobachtet auf ihr riesiges Grundstück gelangen.

Aber da hatten sie sich getäuscht.

Er konnte sich bewegen wie ein Geist. Unsichtbar, unhörbar. Er wusste, wie man im Schatten blieb. Er fand in jeder Situation den Schwachpunkt und konnte ihn zu seinem Vorteil ausnutzen. Keine seiner Zielpersonen wusste, dass er da war. Nicht einmal in dem Moment, wenn der Tod sie ansprang und in die Hölle zerrte.

Sekunden später war er da. Mit gespannten Muskeln bereitete er sich auf den Angriff vor und erstarrte zu einer Statue, als er plötzlich ein Motorengeräusch in der Dunkelheit hörte. Er hasste Verzögerungen. Er konnte ungeheuer geduldig sein, hatte schon stundenlang auf den richtigen Moment gewartet, aber heute …

Heute Nacht summte die Vorfreude in seinem Blut. Der letzte Schlag stand endlich bevor.

Eingehüllt in Dunkelheit beobachtete er, wie der weiße Variant langsam um die Kurve kam. Bevor das Auto die kurze Auffahrt zum Parkplatz erreichte, ging die helle Außenbeleuchtung an und badete die gesamte Vorderseite des Hauses in ein weiches, weißes Licht. Irgendwo musste es einen Schalter auf dem Weg geben, denn der Wagen war noch viel zu weit vom Haus entfernt, um die Bewegungsmelder auszulösen.

Er zog beeindruckt eine Augenbraue hoch, so sauer er war. Im Bericht seines Komplizen war von dieser Sicherheitseinrichtung nicht die Rede gewesen.

Murphy.

Andererseits …

Er nutzte die Ankunft des Wagens, um alle anderen Sicherheitsmaßnahmen zu umgehen und die Auffahrt hochzulaufen. Viele Autos standen auf dem Parkplatz, fast zu viele. Mühelos erreichte er die linke Seite des Hauses. Den Rücken an die warme Mauer gedrückt, schaute er nach oben und suchte nach weiteren Kameras oder Lichtern, die sein Informant vielleicht vergessen hatte. Nein, nichts dergleichen.

Diese Seite des Hauses war ziemlich ungeschützt. Das machte seine Aufgabe nur noch leichter, aber darum ging es jetzt nicht. Wenn diese Nacht vorüber wäre, würde er jemandem ordentlich den Hintern versohlen.

Inzwischen war das Auto auf den Parkplatz gefahren. Der Fahrer suchte nach einer Parklücke und stellte sich schließlich vor einen silbernen SUV an der Auffahrt. Ein Paar stieg aus und ging zur Vordertür, die beiden flüsterten miteinander irgendwelchen Unsinn. Sollten sie nur gehen, sie waren unwichtig und würden ihn nicht aufhalten.

Nichts konnte ihn jetzt noch aufhalten.

Dann hörte er eine Stimme. Süß, melodisch und unglaublich weiblich. Sie strich über seine Nerven wie eine körperliche Liebkosung. Glücklich, einladend, mit leisem Lachen, das der Begrüßung folgte. Die Stimme durchbrach die Kälte in seinem Herzen und machte ihn neugierig. Sie interessierte ihn auf einmal viel mehr als seine Zielperson.

Weil das Licht immer noch an war, widerstand er der Versuchung, den Spiegel aus einer seiner vielen Taschen zu ziehen, um die Besitzerin dieser Stimme anzuschauen. Stattdessen drehte er sich um, sodass er mit der Brust an der Wand klebte, und blickte vorsichtig um die Ecke.

Er kannte diese Frau. Er kannte alle, die auf dem Besitz lebten und arbeiteten. Dafür hatte sein Komplize gesorgt. Aber das Foto gab ihre Schönheit und Lebendigkeit bei Weitem nicht wieder. Die rothaarige Frau stand jetzt vor der Tür, er hatte nur eine Sekunde Zeit, um sie anzusehen. Sie trug einen langen bunten Rock und ein Top irgendwo zwischen Blau und Violett. Rasch ließ sie die neuen Gäste ins Haus.

Als die Tür hinter ihnen zuging, merkte er, dass er tief durch die Nase atmete. Ein Duft, wie er ihn noch nie wahrgenommen hatte, reizte seine Sinne. Reife Kirschen und Sandelholz. So viel Sandelholz, dass ihm fast die Augen zufielen. Und so viel Kirsche, dass ihm das Wasser im Mund zusammenlief.

Irgendetwas tief in seinem Inneren rührte sich und lenkte ihn ab. Der Mann als solcher war schon schlau und tödlich, aber das Raubtier, das in ihm lauerte, war nicht mehr und nicht weniger als ein Killer.

Ein Killer, der bis gerade eben todmüde und erschöpft gewesen war. Auch deshalb wollte der Mann es hinter sich bringen. Damit sie beide ausruhen konnten.

Aber jetzt hatte die Bestie aufmerksam den Kopf gehoben, und das machte alles noch schwieriger, auch wenn die Angst der letzten Wochen allmählich nachließ. Zum ersten Mal seit fast zwei Monaten zeigte seine andere Hälfte überhaupt an irgendetwas Interesse.

Zu dumm, dass er jetzt wirklich keine Zeit hatte, sich an diesem Erwachen zu freuen. Die Frau war nicht Teil seiner Strategie, aber vielleicht würde er sie sich später genauer ansehen. Und sei es nur, um herauszufinden, warum ihre Stimme und ihr verführerischer Duft ihn so verwirrten. Nicht jetzt. Jetzt musste er seinen Plan zu Ende führen.

Er war fast so weit, als die Haustür schon wieder aufging. Schritte waren zu hören, dann bemerkte er den verdammten Duft wieder, diesmal intensiver. Sie kam näher.

Er zog sich in den Schatten zurück, der ganze Körper in höchster Alarmbereitschaft, als eine Autotür per Fernbedienung geöffnet wurde. Da war sie, ging an ihm vorbei und hinterließ eine so starke Duftspur, dass er den Kopf hob und tief einatmete. Ihre kleine, schlanke Gestalt bewegte sich schnell und mit fließender Anmut. Ihr Profil erinnerte ihn sofort an makellose sahnige Haut, blaue Augen und ein ovales Gesicht. Eine sehr hübsche Frau Anfang zwanzig, mit zarten Kurven, die nicht einmal seine Hände füllen würden.

Aber er stand gar nicht so auf große Brüste und Hintern. Ihm fielen immer zuerst die Augen auf. Aus den Augen einer Frau konnte er so einiges lesen. War sie hart und kühl, witzig und verspielt oder schüchtern und sanft? Körperliche Merkmale änderten sich mit der Zeit oder mit Hilfe eines Schönheitschirurgen, aber die Augen veränderten sich nicht. Sie waren der Spiegel ihrer Seele.

Von seinem Versteck aus beobachtete er, wie sie die hintere Tür eines Fahrzeugs am Ende der Wagenreihe öffnete. Sie war jetzt etwa zwanzig Meter von ihm entfernt. Sein Mund wurde hart, als er die Bestie wieder spürte. Das musste das Adrenalin sein, das unglaublich schnell durch seine Adern strömte und seine Haut heiß machte. Wenn er nicht aufpasste, war die eisige Ruhe weg, die ihm sonst bei seinen Einsätzen zu Hilfe kam. Der Abend war eigentlich kühl, vom Meer wehte eine leichte Brise, und er trug nur leichte schwarze Kleidung. Woher kam also der Schweiß zwischen seinen Schulterblättern?

Er riss sich zusammen; damit würde er sich später beschäftigen. Dann wartete er wieder in der Neumondnacht auf seine Chance. Die Frau spürte nicht, dass sie beobachtet wurde, richtete sich auf, schloss die Autotür wieder und ging zurück zum Haus. Ihre Hüfte schwangen so sorglos, dass er einfach hinschauen musste. Er konnte sie bewundern, ohne seine Konzentration zu schwächen. Bis er hochschaute und sah, warum sie zum Auto gegangen war. Seine Lippen verzogen sich zu einem Knurren, als er den kleinen Schmusewolf sah, den sie im Arm trug.

Trotz seiner jahrelangen Disziplin musste er tatsächlich geknurrt haben, denn die Frau, die gerade um die Ecke gehen wollte, drehte sich um und sah ihn an. Sie hätte ihn eigentlich nicht sehen dürfen. Aber sie sah ihn. Sie riss die Augen weit auf, und er wusste, sie hatte ihn bemerkt.

Mit einer schnellen Bewegung packte er sie und hielt sie mit einem Arm fest. Mit der freien Hand hielt er ihr den Mund zu, bevor sie schreien konnte und alle im Haus alarmierte. Schnell und vorsichtig zog er sie in den Schatten, ihr Rückgrat immer noch an seiner Brust, und drückte sie fest an die Mauer. Er wollte ihr nicht wehtun, vielleicht konnte er sie sogar überreden, ihm zu helfen. Man musste jeden Vorteil nutzen.

»Pst!« Er fuhr ihr mit den Lippen übers Ohr und sprach weiter beruhigend auf sie ein. Sie entspannte sich ein wenig, obwohl ihr Puls immer noch schnell und heftig schlug. Er konnte nicht anders, er musste mit der Nase diese weiche Stelle an ihrem Hals berühren, wo der Duft von reifen Kirschen und Sandelholz besonders warm und einladend war.

»Weißt du, wo sie ist?« Die Frau in seinem Arm nickte, sodass ihre Schläfe sein Kinn berührte. Er schloss die Augen, um der Versuchung zu widerstehen. Er hatte einen Auftrag. Zögernder als ihm lieb war ließ er sie los.

Sie drehte sich um, die Augen weit aufgerissen. »Ich kann nicht glauben …«

Er legte ihr einen Finger auf die Lippen. »Sag mir bloß, wo.«

Sie schmollte, als hätte sie gar keine Angst vor ihm. Tatsächlich ließ ihre Angst nach, aber die Nacht war noch jung und es konnte noch viel passieren. »Hinten im Garten.« Als wäre ihr klar, wie streng geheim alles war, sprach sie extrem leise. »Am Pool. Wenn du auf der anderen Seite entlanggegangen wärst, hätte dich jemand bemerkt.«

Seine Instinkte hatten also recht gehabt. »Du bleibst hier.«

»Auf keinen Fall.« Der Blick, den er ihr zuwarf, hatte kaltblütige Auftragsmörder und eisenharte Verbrecher zum Wimmern gebracht. Sie jedoch verdrehte nur die Augen. »So viel Drama?«

Er zog eine Braue hoch, zeigte dann aber nur mit einem Finger auf sie, deutete mit zwei Fingern ein Gehen an und zeigte dann wieder auf die Vorderseite des Hauses.

»Na gut«, brummte sie und drehte sich von ihm weg, um loszulaufen.

Er hatte das Gefühl, sie würde durch das ganze Haus rennen und hinten wieder rauskommen, um alles zu sehen. Aus irgendeinem Grund brachte ihn das fast zum Lachen. Als die Haustür ins Schloss fiel, lief er los. Ohne noch Kontakt zu seinem Komplizen aufzunehmen und ohne noch herumzuschleichen, rannte er am Haus entlang, um die Ecke, durch den gepflegten Garten, wo ein paar Leute spazieren gingen und direkt dorthin, wo seine Zielperson sich zuletzt befunden hatte.

Er sah sie sofort, nicht nur, weil er ihr Gesicht seit Jahren studierte, sondern weil sie ganz einfach die schönste Frau auf dieser Party war. In dem Moment, als er das dachte, wehte ihm schon wieder der Duft der Rothaarigen in die Nase.

Diese Frau war vielleicht nicht die schönste, aber faszinierend war sie auf jeden Fall. Und amüsant, dachte er mit leisem Lachen, denn seine Sinne waren jetzt schon so auf sie eingestellt, dass er ihr leises Atmen über dem allgemeinen Geplauder hören konnte. Sie musste wirklich wie der Blitz durch das Haus gerannt sein. Aber nicht schnell genug, um ihn zu schlagen.

Was seine Zielperson anging, so umarmte sie gerade einen jüngeren Mann und wandte dem Mörder den Rücken zu. Nicht schlecht, denn der Mann in ihren Armen war zufällig sein Komplize. Umso besser – er lenkte die Frau ab, sodass sie nicht merkte, was ihr blühte.

Als er weiterlief, drehten sich die ersten zu ihm um. Die Gespräche verstummten und machten einem überraschten Aufkeuchen Platz. Die Frau spürte, dass sich etwas tat, ließ den anderen Mann los und drehte sich um.

Natürlich wusste er, wie sie aussah. Er kannte jede Pore in ihrem Gesicht, aber sie leibhaftig zu sehen, war noch mal etwas ganz anderes. Außerdem kam ihre Reaktion dazu, als sie ihn sah. Sie war nicht die erste, die um Gnade schrie, aber sie war sicher die erste, die dabei auf ihn zulief.

Ihr Schrei war so laut, dass ihm die empfindlichen Ohren klingelten. Aber dann warf sie sich auch schon schluchzend in seine Arme, und alles verging. Nur die Liebe und Achtung, die er für diese Frau empfand, rauschte durch seinen Körper und ließ die eisige Ruhe in Millionen glitzernde Scherben zerplatzen. »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Mom.«

»Del! Mein lieber Del!« Sie klammerte sich an ihn, hing mit beiden Armen an seinem Hals und umgab ihn mit ihrer Liebe. Er hatte sie um die Taille gefasst, hob sie hoch und drückte sie an sich.

Rundherum klatschten die ersten Leute Applaus, und Melinda Felix bog sich so weit zurück, dass sie ihn immer wieder küssen konnte, wie sie es getan hatte, als er noch ein kleiner Junge gewesen war. »Bist du wirklich gekommen?«

Er hatte einen Kloß im Hals, aber er grinste dabei, so sehr freute er sich, endlich zu Hause zu sein. »Allerdings.«

»Ich hab dich so vermisst!« Sie umarmte ihn wieder, als wollte sie ihn erwürgen. »Aber ich dachte, einen Monat hast du noch.« Man sah ihren feuchten Augen den Gedanken an, der ihr durch den Kopf schoss. »Und das ist nicht nur eine Stippvisite? Du gehst nicht wieder zurück?«

»Nein.« Del stellte seine Mutter wieder auf den Boden, hielt sie aber immer noch fest. »Sagen wir, man hat mich wegen guter Führung vorzeitig entlassen.« Er würde ihr nichts von dem Vorfall erzählen, der zu seiner frühen Pensionierung geführt hatte. Sie würde sich nur aufregen, und schließlich war er ja schon fast wiederhergestellt. »Ich bleibe zu Hause. Zumindest, bis ihr mich wieder loswerden wollt.«

»Gute Führung?« Melinda nahm das Gesicht ihres Sohnes in beide Hände und sah ihm in die dunkelbraunen Augen. Es machte ihm keine große Mühe, die Schatten aus seinem Blick zu vertreiben, er war schließlich Profi und hatte bei den Besten der Besten gelernt. Aber dem mütterlichen Instinkt und ihrer Lebenserfahrung war er natürlich nicht gewachsen. »Ich hab dich lieb, mein Schatz, aber das war geschwindelt, mach mir nichts vor. Meine Söhne haben sich noch nie durch gute Führung ausgezeichnet.«

Ein fester Schlag auf den Rücken ersparte es ihm, sich eine lasche Entschuldigung auszudenken, die seine Mutter doch sofort durchschauen würde. Er zuckte zusammen, da oben war noch nicht alles wieder heil. Dann drehte er sich schnell um und umarmte seinen Vater. »Hi, Dad.«

»Verdammt, Sohn, es ist schön, dich wieder hier zu haben.«

In der folgenden halben Stunde gab es jede Menge Begrüßungen, schließlich kannte er fast alle Partygäste. Die wenigen, die er noch nicht kannte, wurden ihm vorgestellt. Del war bei zwei Hochzeiten seiner drei Brüder im Ausland gewesen – Santos hatte Ria geheiratet und Rome Gwen. Jetzt war sein jüngerer Zwilling Porter auch schon verlobt – mit Rachel.

Bei der nächsten Hochzeit würde Del dabei sein.

»Und das ist Katie Tollson.« Katherine Marie Tollson, geborene Yeddly. Drei Jahre und fünf Monate war sie mit Joshua Michael Tollson verheiratet gewesen, seit fünfzehn Monaten waren die beiden wieder getrennt und seit einem halben Jahr geschieden. Ein Kind, Madison Lorraine Tollson, achtzehn Monate alt.

Die Informationen über die zierliche Rothaarige zischten durch seinen Kopf, während er eine förmliche Begrüßung murmelte, die ganz und gar nicht zu dem Spaß in seinen Augen passte.

Sie erwähnte mit keinem Wort, dass sie ihn beim Herumschleichen auf eigenem Grund und Boden erwischt hatte oder dass sie sich schon kennengelernt hatten. Und wie sie sich kennengelernt hatten! Das und die seltsame Reaktion auf ihre Stimme und ihren Geruch – er musste sie näher kennenlernen. Und wenn sein Jaguar sich für sie interessierte, diese Katze, die seit dem Unfall an nichts mehr Interesse gezeigt hatte, dann war sie vielleicht die Antwort auf seine Gebete.

Del war nicht besonders religiös, aber er wusste, wenn ihm etwas Gutes in den Schoß fiel. Katie hatte etwas an sich, das er näher kennenlernen musste. Auch jetzt, während er neben seiner Mutter stand und mit einigen Gästen plauderte, irrte sein Blick immer wieder zu dieser Frau, die ihm nicht aus dem Sinn ging. Sie stand ein paar Meter weiter weg und lachte über eine Bemerkung von Porter. Als sie den Kopf schief legte, schien ihr Gesicht zu leuchten. Ihre Augen funkelten vor lebhafter Freude.

Diese Augen. Er zuckte regelrecht zusammen. Sie waren nicht dunkelblau wie auf dem Foto. Als sie sich vorhin im Dunkeln zu ihm umgedreht hatte, waren sie schwarz gewesen. Aber sie waren weder das eine noch das andere. Vielleicht lag es ja an den Lichtern hier im Garten, aber sie schienen ihm dunkel violett, fast indigoblau. So eine Farbe war ihm auf all seinen weiten Reisen und in all den vielen Gesichtern noch nie begegnet.

Verdammt! Er war wahrscheinlich total übermüdet, wenn er jetzt schon meinte, Katies Augen könnten die Farbe wechseln, von dunkelblau über schwarz zu violett.

Er trank einen tiefen Schluck aus der Bierflasche, die ihm sein Vater in die Hand gedrückt hatte. Dann sah er sie noch mal an. Und zum ersten Mal seit ewigen Zeiten hörte er es. Jeder Muskel in seinem Körper spannte sich an, als er das so schmerzlich vermisste Geräusch hörte. Das tiefe Grollen seines Jaguars. Ein einziges Wort.

Schön.

»Und du hattest wirklich keine Ahnung?« Katie stellte Rome diese Frage, als sie die Muffinsbleche aus den riesigen Backöfen in der großen, luftigen Küche von The Orchards zog. Zwei Bleche mit Blaubeeren, eins mit Orange und Cranberrys. Ihr Magen knurrte fröhlich bei dem Anblick, die Muffins dufteten herrlich.

»Wann er nach Hause kommt? Nein.« Rome verquirlte das Rührei auf dem Herd in der Kücheninsel. »Das wusste nur Porter.«

Katie nickte und stach mehrere Muffins mit einem Zahnstocher an. »Und bleibt er jetzt da?«

»Hört sich so an. Wäre auch gut, wir brauchen seine Hilfe.«

So einen Kommentar hätte Katie eher vom ältesten Sohn der Familie Felix erwartet. Das klang eher nach Santos als nach Rome. »Ehrlich? Du freust dich, dass er da ist, weil er dann hier helfen kann? Du bist nicht einfach nur begeistert, weil er am Leben ist und heimkommt?«

Der Schneebesen in Roms Hand blieb stehen. »Natürlich bin ich begeistert. Hundertprozent begeistert.«

Katie drehte sich zu Rome um. Seine hochgewachsene Gestalt mit den breiten Schultern und schmalen Hüften wirkte wie erstarrt. Sie hatte keine Ahnung, ob noch etwas zwischen den Brüdern stand. Aber wenn man ihn ansah, konnte man auf die Idee kommen. Das war mehr als schlecht. Hier draußen musste sich jeder auf den anderen verlassen können. Wenn es also alte Verletzungen gab, dann mussten sie so schnell wie möglich geheilt werden. Sonst lief der Betrieb nicht richtig.

Eine Hand auf der Hüfte, in der anderen den Zahnstocher wie ein Mini-Schwert, versuchte sie ihre Beobachtung zu formulieren. »Klingt nicht besonders überzeugend.«

»Warum?« Er schaute über die Schulter und schenkte ihr sein Grinsen, das ihn sicher schon oft gerettet hatte, vor allem beim schönen Geschlecht. Das Familiengrinsen sämtlicher Felix-Männer. »Sind die Muffins gut?«

»Ein Themenwechsel kann mich nicht über deinen Mangel an Bruderliebe hinwegtäuschen.«

Katies Tochter Maddie saß im Hochstuhl an dem großen Holztisch, nur mit einer Windel bekleidet und weit weg von allem, was heiß war oder eine Klinge besaß. Jetzt lachte sie und klatschte in ihre kleinen Patschhände. Brei flog herum – eine Mischung aus Cheerios, Rührei und zermatschter Banane. Lecker.

»Siehst du?« Katie zeigte mit dem Zahnstocher auf Rome. »Sogar Maddie merkt, dass etwas los ist.«

Rome verdrehte die Augen. »Gar nichts ist los. Die üblichen Geschwisterstreitigkeiten, sonst nichts. Del und ich haben keine Probleme miteinander, und ich freue mich unheimlich, dass er wieder da ist.«

Katie verstand, was er meinte, beschloss aber, Augen und Ohren offen zu halten, falls es doch noch Probleme gab. Streitigkeiten in der Familie Felix endeten in der Regel in einer Schlägerei.

»Alles klar. Tu bitte nichts, was deine Mutter aufregt. Sie ist selig, dass Del wieder hier ist. Und was die Muffins angeht – sie sind für das Halloween-Komitee, das sich um halb zwölf hier trifft.«

»Niemand will, dass sich meine Mutter aufregt«, brummelte Rome, als er den Deckel auf die Eierpfanne legte und alles hinaus ins Speisezimmer trug. Wenig später kam er zurück, die Lippen fest zusammengekniffen. Katie stellte gerade die Muffins warm. »Wollte Mrs. Kirkpatrick den Namen nicht in Herbstfest ändern?«

Katie grinste. »Noch was, was dich ärgert. Sei bloß vorsichtig, Rome, sonst trägt es dich aus der Kurve.« Treffer, versenkt. Rome war unglaublich neugierig, er wollte immer ganz genau über alles Bescheid wissen, was auf der Farm vor sich ging. Auch über die Gäste.

Er verschränkte die muskulösen Arme vor der Brust, kniff die dunkelbraunen Augen zusammen und sah sie scharf an. Groß und gefährlich. Lebensgefährlich. Ein Raubtier. Denn das war er, schließlich war er ein Jaguar-Wandler. »Ich bin stärker als du.«

Katie blieb unbeeindruckt. »Aber ich bin hübscher.« Sie spitzte die Lippen und warf ihm einen feuchten Luftkuss zu.

Er verbiss sich ein Lächeln und schüttelte den Kopf. »Ich habe immer gedacht, so eine jüngere Schwester würde mir Spaß machen. Aber da habe ich mich wohl getäuscht.«

Bei diesem zärtlichen Kompliment wurde Katie rot. Sie hatte die Stelle als zweite Köchin und Haushälterin angenommen, weil sie Arbeit brauchte und weil sie auf diese Weise mit ihrer Großmutter zusammenarbeiten konnte. Annie Withers war schon seit fast zehn Jahren im Orchards-Gästehaus tätig. Aber sie hätte sich nie träumen lassen, dass der Felix-Clan sie und ihre Tochter mit so viel tiefer, bedingungsloser Zuneigung aufnehmen würde. Sie hatten sie wirklich mit offenen Armen empfangen, und sie wusste das sehr zu schätzen.

»Ach, du weißt doch, dass du mich liebst.«

»Bei dir bin ich mir da nicht so sicher, aber sie hier …« Rome ging zu Maddie, die immer noch mit ihren Händen auf das klebrige Tischchen schlug und voller Begeisterung etwas Unverständliches vor sich hin brabbelte. »Sie hier hat einen festen Platz in meinem Herzen.«

»Oh, Vorsicht!«, warnte Katie ihn, als er sich über Maddie beugte, ohne sich von dem Schmierfilm auf Gesicht und Händen verschrecken zu lassen, und sie drückte. Mit all ihrer unschuldigen Liebe für einen ihrer Lieblingsmenschen patschte ihm Maddie Brei auf beide Wangen und verschmierte alles gründlich in seinem sauberen, frisch rasierten Gesicht.

Katies Lachen verstummte jäh, als er sie mit einem sehr, sehr boshaften Glitzern in den Augen ansah. »Nein, das tust du nicht!« Sie wusste nicht genau, was Rome vorhatte, aber wenn er etwas von seinem Bruder Porter gelernt hatte, dann würde es auf eine »Umarmung« hinauslaufen, mit der er sein verschmiertes Gesicht an ihrem sauberen, glänzenden Haar abwischte. So was war schon vorgekommen. Sie zeigte mit einem warnenden Finger auf Rome und verschanzte sich hinter der Kochinsel, als er näher kam. Womit konnte sie sich verteidigen? Sie schnappte sich ein paar Orangen von der Küchentheke und trat noch ein paar Schritte zurück.

»Doch, das muss ich sogar. Mom hat mir gesagt, ich soll immer teilen.«

Schnaubend flitzte Katie zur Gartentür, die genau in diesem Moment aufging. Del betrat die Küche. Verwirrt stolperte sie zurück und ließ die Orangen fallen. Rome und Del versuchten sie zu fangen, aber die saftigen runden Früchte hatten ihren ganz eigenen Willen und fielen auf den Küchenboden. Füße rutschten aus, Beine verknoteten sich, und schon lagen sie alle in einem Haufen auf dem Boden, sehr zum Vergnügen der kichernden Maddie.

»So viel zum Thema elegante Katzen«, kommentierte Melinda das Bild von der Doppeltür aus, die das Speisezimmer mit der Küche verband. Dazwischen lag noch die Speisekammer. »Ziemlich viel Slapstick für meinen Geschmack.«

Del und Rome fluchten, Katie stöhnte: »Aua!«

»Ich störe die Comicstunde ja ungern, aber die Kolchecks und die Berenskis brauchen in ein paar Minuten ihr Frühstück.« Melinda zog eine Augenbraue hoch und warf allen Anwesenden eisige Blicke zu. Dass sich niemand wirklich wehgetan hatte, war ihr nach einem kundigen Mutter-und-Krankenschwester-Blick klar. »Das hier ist ein Bed and Breakfast, kein Bed and vielleicht Breakfast.«

Katie, der das Ganze furchtbar peinlich war, zog eine zerquetschte Orange aus den Falten ihres langen Rocks, bevor sie sich von Del und Rome aufhelfen ließ. Jeder packte einen ihrer Arme und zog so kräftig, dass sie für einen Moment einen halben Meter über dem Boden schwebte, bevor sie mit einem erneuten Stöhnen landete.

»Ist gleich so weit.« Sie rieb sich den Rücken, warf eine der kaputten Orangen in den Müll und überließ es Rome, zwei weitere aufzuheben. »Ich muss nur noch Saft und Kaffee rausbringen.«

Sie wusch sich die Hände im Spülbecken und warf einen Blick über die Schulter. Del betastete sein rechtes Schulterblatt mit der linken Hand. »Alles in Ordnung?«

Er blickte auf, die dunklen Augen klar und ruhig ohne irgendein Anzeichen von Unbehagen. »Alles klar. Bei dir auch?«

Katie war sicher, dass er log, irgendetwas war ganz und gar nicht in Ordnung. Dabei sah er heute wirklich mehr als in Ordnung aus. Er trug schwarze Kleidung wie am Abend zuvor. Die locker sitzende Cargohose und das T-Shirt sahen aus, als hätte er vor Kurzem abgenommen oder die Sachen absichtlich eine Nummer zu groß gekauft. Aber was für ein Körper verbarg sich darunter! Seine dunkelbraunen Haare waren etwas zu lang fürs Militär, aber die gerade, stolze Haltung verriet den Soldaten. Breite Schultern, schmale Hüften, männliche Kraft. Und jetzt sah er sie wieder mit diesen schokoladenbraunen Augen an. Nicht mit der Intensität der letzten Nacht, als wollte er die Tiefen ihrer Seele erkunden, sondern mit Sorge. Sie wusste bloß nicht, ob er sich um sie Sorgen machte oder um sich selbst.

Interessant. Genauso interessant wie die Geschwisterstreitigkeiten, von denen Rome gesprochen hatte. So etwas machte Katie neugierig. Sie hätte nur zu gern gewusst, was den beiden Männern durch den Kopf ging.

»Nur ein blauer Fleck am Hintern und ein bisschen angekratzter Stolz. Ich werde es überleben.«

Dels Blick fiel auf besagten Hintern, und er grinste. »Sieht aber alles gut aus.«

Katie spürte die Hitze in ihren Wangen und schaute auf ihre Hände. Sie musste jetzt wirklich die Kaffeekannen füllen. »Äh, danke …«

»Hör auf, Katies Hintern anzustarren«, bemerkte Rome, als er den Boden fertig gewischt hatte. »Du könntest mal was Vernünftiges machen.«

»Hey!«, protestierte Katie fröhlich und hoffte, Melinda würde die Spannung im Raum nicht spüren. »Es ist ein sehr vernünftiges Unternehmen, meinen Hintern anzusehen.«

»Ist ja schließlich ein sehr hübscher Hintern«, bestätige Melinda, die gerade Maddies Gesicht und Hände mit einem feuchten Waschlappen abwischte. »Und genau dieser Hintern soll bitte nach dem Frühstück nach oben gehen und die Zimmer drei und fünf fertig machen. Da haben unsere Überraschungsgäste nämlich übernachtet.«

»Geht klar.« Katie zuckte die Schultern, als Melinda sie fragend ansah. Die beiden Männer starrten sich immer noch an. Oder besser gesagt, Rome starrte Del an, während Del offenbar nicht recht wusste, was er von so viel brüderlicher Feindseligkeit halten sollte.

»Grandma sagt, eine der Waschmaschinen schleudert nicht richtig«, bemerkte Katie in die Küche hinein. Sie hoffte, den steigenden Testosteronspiegel damit wieder zu senken, bevor die beiden aufeinander losgingen.

»Irgendwas ist immer, oder?«, seufzte Melinda herzhaft, ein Geräusch, das Katie von ihr noch nie gehört hatte. Vermutlich galt es eher den beiden Streithähnen. Da sie damit die Aufmerksamkeit nicht auf sich lenken konnte, hob Melinda das Kinn und durchbohrte den nächstbesten ihrer Söhne mit ihren haselnussbraunen Augen. »Könntest du dich darum kümmern, Del?«

Die direkte Frage zeigte Wirkung. »Ich bin noch keine zwölf Stunden zu Hause, und du schickst mich zum Arbeiten. Es hat sich nichts verändert.«

Katie warf wieder einen Blick über die Schulter und sah, dass er lächelte. Das Zwinkern, das er ihr schickte, besserte ihre Laune noch einmal deutlich. Aber dann sah sie Maddie und hätte am liebsten laut losgelacht. Die Kleine starrte den fremden Mann mit riesigen Augen an, als hätte er sie hypnotisiert.

Nicht, dass Katie diese Faszination nicht verstanden hätte. Nach dem ersten Schrecken gestern Abend, sobald sie begriffen hatte, wer sie da so fest an sich gedrückt hielt, war ihr weibliches Interesse erwacht. Und da seine Brust nur aus Muskeln bestand und sein Atem sinnliche Wärme über ihre empfindliche Ohrmuschel schickte, war aus dem Interesse sehr schnell ein Schauder sexueller Achtsamkeit geworden.

Ein ziemlich starker Schauder. Das fand sie einigermaßen schockierend, aber sie hatte tausend Gründe für ihre Reaktion. Und es war ja auch schon wieder vorbei. Obwohl – sein Zwinkern weckte dieselbe Reaktion noch mal, und das beunruhigte sie nun doch, so schön es war. Schön, weil sie sich seit der Geburt ihrer Tochter für keinen Mann mehr interessiert hatte. Und beunruhigend, tja … Warum kam das jetzt? Ausgerechnet bei Del?

»Ich mach das nach dem Frühstück, Mom«, sagte Rome und nahm zwei Krüge Orangensaft mit ins Speisezimmer. »Del muss sich erst mal … akklimatisieren.« Sein boshaftes Lachen machte mehr als deutlich, dass der Vorschlag nur halb freundlich gemeint war.

Del lachte genauso boshaft und konterte sofort. »Kein Bedarf, Betty.« Katie wusste, dass bezog sich auf die gute alte Fernsehköchin Betty Crocker. Santos nannte Rome manchmal so, seit er angefangen hatte, in der Küche zu helfen.

»Wenigstens mache ich etwas Konstruktives«, schoss Rome zurück. Allmählich wurde immer klarer, dass die beiden Brüder ein Problem hatten. Katies Neugier stieg in ungekannte Höhen.

»Statt was zu tun?«, fragte Melinda, nahm Maddie aus dem Hochstuhl und setzte sie sich auf die Hüfte, während ihr Blick ständig von einem Sohn zum anderen sprang. »Etwas Destruktives?«

Beide Männer schlossen den Mund und sahen sich wütend an, ohne ein Wort zu sagen oder sich zu bewegen. Dann kam Annie aus dem Speisezimmer. Respektlos und direkt, wie sie war, hatte die weißhaarige Küchenchefin nur ein Thema. »Frühstück«, schnauzte sie. »Und zwar auf der Stelle. Ich weiß nicht, was für Probleme ihr zwei miteinander habt, und es ist mir im Moment auch herzlich egal. Da drinnen sind Menschen, die haben Hunger. Wenn ihr schon nicht helfen wollt, dann steht wenigstens nicht hier im Weg rum.«

Und schon flogen die Befehle durch den Raum wie die Projektile eines Maschinengewehrs. »Rome, den Saft auf den Tisch. Sofort. Del, dasselbe mit dem Kaffee. Katie, den Toast aus dem Wärmegerät und auf einen Servierteller. Melinda …« Annies Laserblick landete auf der hochgezogenen Augenbraue ihrer Arbeitgeberin und schwenkten dann auf ihr Urenkelkind, das heftig mit den Ärmchen fuchtelte. Ihr Gesicht wurde butterweich vor lauter Liebe. »Melinda, geben Sie mir dieses anbetungswürdige Baby.«

»Verglichen mit Annie war mein erster Drilloffizier ein Stiefmütterchen«, flüsterte Del Katie zu, ließ sich von ihr die ersten vier Kaffeekannen geben und brachte sie fast schon wieder zum Lachen. Im gleichen Moment flitzte er durch die Schwingtür, während sie sich um den Toast kümmerte.

»Glückwunsch übrigens zu Ihrem Sieg im Stadtrat gestern«, sagte Annie zu Melinda, während sie mit einer Hand die Wickeltasche durchsuchte, die Katie auf den Küchentisch gestellt hatte.

»Ich weiß nicht, ob ich es einen Sieg nennen würde, vor allem, nachdem nur Mrs. Kirkpatrick den Namen von Halloween auf Herbstfest ändern wollte. Das ist doch lächerlich! Fast alle verkleiden sich, die Kinder ziehen von Haus zu Haus wegen der Süßigkeiten …«

»Meine Rede. Außerdem war es natürlich schlau, das Komitee hierher einzuladen und die Leute mit Essen zu bestechen. Niemand lässt sich noch auf die Vorschläge dieser alten Spielverderberin ein, wenn er etwas schönes Warmes im Bauch hat. Sehr großzügig!«

Katie fand das auch. Sie hatte den Toast auf den Servierteller gepackt, deckte ihn ab und ließ sich ein bisschen Zeit, damit sie lauschen konnte.

»Also, Annie!«, tadelte Melinda ihre Köchin halb im Spaß. »Ich dachte, sie wäre eine Freundin von Ihnen.«

»Eher eine Bekannte. Eine, die ich gern ab und zu mal durchschütteln würde, damit sie Vernunft annimmt.« Annie nahm das Tischchen von dem Hochstuhl ab und reichte es Katie. »Dieses Fest gibt es nun schon seit dreißig Jahren, und diese Frau lebt seit zweiundsiebzig Jahren hier. Ihre Fotoalben sind voll von Bildern von ihren Kindern in Verkleidung und vom Halloweenschmuck in ihrem Haus. Und auf einmal will sie den Namen ändern und so weiter. Verrückt!«

»Aber warum?«, fragte Katie, die das Tischchen abwischte und wieder am Hochstuhl befestigte. »Warum will sie so viel verändern, meine ich.«

Melinda verzog das Gesicht. »Vor ein paar Wochen hat sie eine Fernseh-Doku gesehen, in der jemand behauptete, Halloween sei ein Fest der bösen Geister. Und jetzt versucht sie die Seelen der Menschen in Statenville vor der Hölle zu retten, indem sie den Namen ändert und verlangt, dass nur noch ›nette‹ Kostüme erlaubt sein sollten. Auch bei der Deko will sie Beschränkungen durchsetzen.«

»Zum Beispiel? Keine Vampire und Gespenster mehr?«, fragte Katie.

Melinda seufzte, als hätten sie es mit einem sehr schweren Problem zu tun. »Genau.«

»Auch Casper?« Katie sah sie mit gespielter Verzweiflung an.

»Casper, Shrek, Sulley und alle anderen Gespenster.« Melindas Stimme nahm eine gewisse Härte an. »Sie hat sogar behauptet, Piratenkostüme seinen eine Verniedlichung von Verbrechen.«

Katie riss die Augen auf und zog die Lippen ein. Die ganze Stadt wusste, dass die Familie Felix von einem französischen Forscher und Piraten namens Claude Morgan abstammte.

Vor fast dreihundert Jahren war Claude Morgan in den Florida Keys herumgeschippert und hatte Handelsschiffe ausgeraubt. Man ging davon aus, dass er irgendwann genug Beute gemacht hatte, seinen Namen in Cort Fylin änderte – das war der offizielle Name des Felix-Vorfahren – und den riesigen Besitz kaufte, auf dem heute The Orchards lag, einschließlich des Waldes, der heute ein Naturreservat war. Dann hatte er dieses wunderbare Haus gebaut und eine Paprikaplantage gegründet. In den Geschichtsbüchern der Stadt tauchte er nur als reicher Landbesitzer auf.

Ob Claude Morgan und Cort Fylin wirklich nur zwei Namen desselben Mannes waren, blieb Spekulation und Stoff für unterhaltsame Geschichten über den Piraten, seine Kumpane und seine indianische Frau. Oder besser, es war alles nur Spekulation gewesen, bis Santos und Ria ein vergessenes Porträt von Cort entdeckt hatten. Mit Hilfe dieses Gemäldes hatte Ria eine Geheimtür in der unterirdischen Ruine gefunden, die im Wald lag. Diese Ruine wiederum hatten Rome und Gwen entdeckt. Eine Waldhütte war eingestürzt und hatte die beiden in ein etwa sieben Meter tiefes Loch gerissen, das sich darunter auftat.

Hinter der Geheimtür gab es einen Tunnel, der in eine Höhle führte. Und in dieser Höhle hatte Corts Geist – der immer wieder im Haus spukte, seit sein Porträt einen Platz über dem Kamin in der Bibliothek gefunden hatte – Rachel den Eingang zu einer zweiten Höhle gezeigt, die von der ersten abzweigte und zum Meer führte. Der Ausgang zum Meer war mit Felsbrocken versperrt, aber das gesamte unterirdische System war sicher einmal ein perfekter Weg gewesen, die geraubte Beute ungesehen von Bord und ins Haus zu schaffen.

Wenn man das alles zusammennahm, konnte man zu dem Schluss kommen, dass Morgan und Fylin derselbe Mann waren. Und die Familie Felix war sich da auch absolut sicher. Sie schlug im Übrigen einiges Kapital aus dem Gerücht, indem sie Gästen geführte Touren zu den Höhlen anbot. Auf den angeblich irgendwo da draußen versteckten Schatz wiesen sie bei den Führungen aber nicht mehr hin. Es hatte einen Fall von skrupellosen Schatzsuchern gegeben, die auch vor Mord nicht zurückgeschreckt hätten, um an diesen angeblichen Schatz zu kommen.

Und obwohl sie jederzeit Höhlenfans hinunterführten und alles anschauen ließen, hielten sie eine Information fest unter Verschluss: Es gab noch eine zweite Geheimtür. Sie war nicht so leicht zu entdecken wie die erste und verschmolz fast mit der Höhlenwand, aber Ria hatte an einer Stelle einen Riss entdeckt. Leider wusste noch keiner, wie man diese Tür aufbekam. Und so hatten sie auch noch keine Ahnung, was dahinter lag. Aber im Familienkreis wurde natürlich dauernd darüber gescherzt. Gold, Juwelen, andere Schätze? Noch eine Höhle? Das Grab von Jimmy Hoffa, einem Gewerkschaftsboss mit Verbindungen zur Mafia, der in den Siebzigerjahren spurlos verschwunden war?