Verhängnisvolles Erwachen - Jennifer Dellerman - E-Book
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Verhängnisvolles Erwachen E-Book

Jennifer Dellerman

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Beschreibung

Sie trägt das Erbe der Werwölfe in sich - kann sie ihrem Schicksal entfliehen?

Vor zehn Jahren verließ Tess Gentry ihre Heimat, um ein normales Leben zu führen - eines ohne Werwölfe. Als Tochter eines Werwolfs könnte sie die Blutlinie weiterführen, doch das will sie unbedingt vermeiden. Als ihre Mutter schwer erkrankt, kehrt sie nach Hause zurück - und sieht sich mit ihrem Schicksal konfrontiert.

Schon bei der ersten Berührung des gutaussehenden Sheriffs Caleb Bennett schmilzt ihr Widerstand dahin, und ihr innerer Wolf heult auf. Die Leidenschaft der beiden versetzt das ganze Städtchen Woodcliff in Aufruhr, denn Tess weckt auch das Interesse der anderen Werwölfe ...

Wird Tess ihre Vergangenheit überwinden und lernen, einen Wolf zu lieben? Oder wird sie einfach wieder flüchten?

Alle Romane um das Werwolf-Rudel von Woodcliff: Verhängnisvolles Erwachen - Brennende Versuchung - Dunkle Bestimmung - Bedrohliche Verlockung

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Seitenzahl: 325

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Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber die AutorinTitelImpressum12345678910111213141516171819202122Leseprobe – Brennende Versuchung

Über dieses Buch

Vor zehn Jahren verließ Tess Gentry ihre Heimat, um ein normales Leben zu führen – eines ohne Werwölfe. Als Tochter eines Werwolfs könnte sie die Blutlinie weiterführen, doch das will sie unbedingt vermeiden. Als ihre Mutter schwer erkrankt, kehrt sie nach Hause zurück – und sieht sich mit ihrem Schicksal konfrontiert.

Schon bei der ersten Berührung des gutaussehenden Sheriffs Caleb Bennett schmilzt ihr Widerstand dahin, und ihr innerer Wolf heult auf. Die Leidenschaft der beiden versetzt das ganze Städtchen Woodcliff in Aufruhr, denn Tess weckt auch das Interesse der anderen Werwölfe …

Wird Tess ihre Vergangenheit überwinden und lernen, einen Wolf zu lieben? Oder wird sie einfach wieder flüchten?

Über die Autorin

Jennifer Dellerman hat bereits viele Bücher veröffentlicht. Am liebsten schreibt sie erotische und spannende Romane mit paranormalem Einschlag. Jennifer Dellerman lebt in den USA.

Jennifer Dellerman

Aus dem amerikanischen Englisch von Ralph Sander

beHEARTBEAT

Deutsche Erstausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Die englischsprachige Originalausgabe erschien unter dem Titel »Shifting Positions« bei Ravenous Romance™

© 2010 by Jennifer Dellerman

Koordination und Bearbeitung der deutschen Ausgabe: usb bücherbüro, Friedberg (Bay.)

Übertragung ins Deutsche: Ralph Sander

Projektmanagement: Lukas Weidenbach

Covergestaltung: © Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de unter Verwendung von istockphoto/4x6 und thinkstock/belizar73

E-Book-Erstellung: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7325-2803-5

Dieses E-Book enthält eine Leseprobe des in der Bastei Lübbe AG erscheinenden Werkes »Brennende Versuchung« von Jennifer Dellerman

Die englischsprachige Originalausgabe erschien unter dem Titel »Shifters Surrender« bei Ravenous Romance™

© 2011 by Jennifer Dellerman

Für die deutsche Ausgabe

Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Koordination und Bearbeitung der deutschen Ausgabe: usb bücherbüro, Friedberg (Bay.)

Übertragung ins Deutsche: Ralph Sander

Projektmanagement: Lukas Weidenbach

Covergestaltung: © Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de unter Verwendung von shutterstock/Sorali und thinkstock/seread

E-Book-Erstellung: hanseatenSatz-bremen, Bremen

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Wie hieß das noch gleich in diesem Song? Wenn du nicht mit dem zusammen sein kannst, den du liebst, dann lieb den, mit dem du zusammen bist?

Nicht, dass Tess Gentry tatsächlich einen Mann liebte. Aber auf jeden Fall verspürte sie Lust. Wenn sie kribbelig wurde, suchte sie sich einen Mann, der Abhilfe schaffen konnte. Okay, vielleicht würde dieser Hauch von Einsamkeit, der sich tief in ihrer Magengrube regte, nie völlig verstummen. Aber zumindest fühlte sich ihr Körper befriedigt, wenn auch nur vorübergehend. Angesichts des ganz enormen Kribbelns, das sie in letzter Zeit verspürte, sollte sie sich schnellstens einen Mann suchen, wenn sie nicht eine spontane Selbstentzündung riskieren wollte, die von ihr nur ein Häufchen glühender Asche übrig lassen würde.

Das war auch der Grund, warum sie Matts Einladung in eine der Bars in der Stadt angenommen hatte. Denn wer wäre wohl besser geeignet, dieses unerwartete Verlangen zu stillen, als ein Mann, mit dem sie nicht nur aufgewachsen, sondern während der Zeit an der Highschool auch ausgegangen war?

Nur kam es bedauerlicherweise nicht dazu. Sie konnte nicht mal genug Energie aufbringen, um sich richtig für ihn zu interessieren. Es war, als hätte man ein dickes, saftiges Rib-Eye-Steak bestellt und einen Teller Dosenfleisch serviert bekommen. Was hatte sie sich nur gedacht? Sie hatte allem sinnlosen Sex abgeschworen. Nachdem sie jahrelang von einem Mann zum nächsten gewechselt war, immer voller Hoffnung, den rastlosen Hunger zu stillen, der ihre einstudierte Gelassenheit gefährdete, hatte sie sich vorgenommen, beim nächsten Mal nur den richtigen Mann zu nehmen. Und das war eindeutig nicht Matt West. Der richtige Mann musste sie nur anschauen, um ihr einen wohligen Schauer über den Rücken laufen zu lassen. Sie musste ihn nur sehen, und schon machte ihr Herz einen Satz. Nichts davon traf auf Matt zu. Bei seinen Berührungen musste sie sich im Grunde genommen zwingen, sich nicht zu übergeben.

Seine Hände fühlten sich verkehrt an, er roch verkehrt, und aus einem unerfindlichen Grund wurde sie von einem schlechten Gewissen heimgesucht. So sehr sie sich auch bemühte, ihr wollte Caleb Bennett einfach nicht aus dem Kopf gehen, der muskelbepackte und viel zu scharfe Sheriff von Woodcliff, Colorado.

Nachdem sie jetzt – wieder mal – an Caleb gedacht hatte, erinnerte sie sich unweigerlich an ihre erste Begegnung mit dem Mann.

Vor etwas mehr als einer Woche hatte Tess ihren neuen Nissan Pathfinder vor dem Haus ihrer Mutter abgestellt und war bei dem Anblick, der sich ihr dort bot, mitten in der Bewegung erstarrt. Ein unglaublich gut aussehender Mann drehte sich vom Kofferraum des Wagens ihrer Mom weg, in der Hand einige Einkaufstaschen. Seine ausgebleichte Jeans lag eng um die Hüften und die muskulösen Oberschenkel. Das langärmelige Flanellhemd hatte er in die Hose gesteckt, sodass Tess die Waffe an seinem Gürtel sah. Dieser Anblick traf sie wie ein Schock, aber dann sah sie, dass er auch noch eine Dienstmarke an den Hosenbund geklemmt hatte.

Durch das schmale Gesicht wurden seine Wangenknochen umso deutlicher betont, über die sich goldgebräunte Haut spannte. Kleine Fältchen rahmten seine tief liegenden dunklen Augen ein, die bei ihr das Gefühl auslösten, ertrinken zu müssen. Gerade richtete er seinen eindringlichen Blick auf sie und setzte ein freundliches Lächeln auf, da erfasste eine Windböe sein dunkelbraunes Haar und wehte es gegen den Hemdkragen.

Sie schnappte nach Luft, ihre Handflächen wurden vor Nervosität feucht. Da sie nicht daran gewöhnt war, Unbehagen zu empfinden, reagierte Tess distanzierter als üblich. So distanziert, dass sogar ihre Mutter erstaunt die Augenbrauen hochzog. Tess hatte lange Zeit daran gearbeitet, sich und ihre Reaktionen unter Kontrolle zu behalten, sich nie ihrem Temperament und ihrem finsteren Verlangen hinzugeben. Diese Bedürfnisse waren hinter einer undurchdringlichen Mauer weggesperrt.

Dann berührte Caleb ihre Hand, und der Schlag, den sie dabei bekam, ließ ihre Nervenenden durchschmoren. Sie konnte spüren, wie die Sperren in ihrem Inneren weggesprengt wurden und wie etwas Sündiges, Dekadentes in die Freiheit entkam. Für sie war es ein wirklicher Schock. Als sich seine Nasenflügel blähten und seine Augen größer wurden, die dabei das tiefe Bernsteingold eines Jägers annahmen, wurde Tess klar, dass er ein Wolf war. Einer von diesen besitzergreifenden, launischen Macho-Wölfen, mit denen sie aufgewachsen war und die ersten achtzehn Jahre ihres Lebens verbracht hatte.

Ihr Vater war einer von den Schlimmsten gewesen. Schließlich hatte er sich von ihrer Mutter scheiden lassen und sich mit einer neuen Partnerin davongemacht.

Nach diesen verheerenden Ereignissen begann Tess damit, Barrieren um sich herum zu errichten und der Welt nur noch das zu zeigen, was sie von sich preisgeben wollte. Niemand sollte sehen, was sich tatsächlich tief in ihrem Inneren abspielte. Sie wurde zu einer coolen, eleganten jungen Frau, die genau wusste, was sie wollte, und sich um den Rest nicht kümmerte. Kaum hatte sie die Highschool hinter sich gebracht, strebte sie ein Leben fernab von allen Gestaltwandlern an.

Dann war vor ein paar Monaten bei ihrer Mutter Ruth ein Hirnaneurysma diagnostiziert worden, das sie nicht operieren lassen wollte. Tess und ihre Schwester Kaylie verabredeten kurz entschlossen, ihre Mutter zu besuchen, mit ihr zu reden, sich mit den Ärzten zu besprechen und ein Datum festzulegen. Wenig später beschloss Tess, ihren Modeljob ganz an den Nagel zu hängen, anstatt nur eine Pause einzulegen. Sie verkaufte ihr Nobelapartment in New York sowie fast alle ihre Habseligkeiten, damit sie zu ihrer Mom ziehen und sich um sie kümmern konnte.

Der Ausstieg aus der Modelbranche, in der sie die letzten sieben Jahre gearbeitet hatte, war ihr gar nicht so schwergefallen wie angenommen. Obwohl sie mit achtundzwanzig noch einige Jahre in dem Beruf hätte weitermachen können, empfand sie es inzwischen als ermüdend und vor allem als ärgerlich, dass man nur an ihrem Gesicht und ihrem Körper interessiert war. Ihr Aussehen war nur ein Teil ihrer Persönlichkeit, und sie wollte mehr. In ihrer Brust tobte immer der Kampf, nach dem unbekannten Etwas Ausschau zu halten, das sie befriedigen würde, sei es nun körperlicher, intellektueller oder spiritueller Natur. Sie war es leid, sich mit weniger zufriedenzugeben.

Aber da sie nun nicht mehr dadurch abgelenkt war, dass sie stundenlang auf Reisen war, für die Kameras posierte und oberflächliche Gespräche führte, hatte sie das Gefühl, den Verstand zu verlieren. Sie langweilte sich, sie war gereizt, und sie sorgte sich um die Gesundheit ihrer Mutter und um ihre eigene geistige Verfassung. Sie musste sich über ihre Zukunft Gedanken machen und zugleich diese irritierende Erregung in den Griff bekommen, ehe sie explodierte.

Sie seufzte, als sie sich Calebs durchscheinend schokoladenbraune Augen vorstellte und sich ein Gefühl von Wärme in ihr ausbreitete. Aber dann schüttelte sie energisch den Kopf, weil Caleb mit Sicherheit nicht der richtige Mann war.

Er konnte nicht der richtige sein. Der Sheriff war ein Wolf. Zwar war er ein atemberaubend gut gebautes Exemplar, das pure männliche Potenz verströmte und Tess ein Loblied auf den Herrgott anstimmen ließ, aber er bekam nun mal einmal im Monat ein Fell. Das Schicksal konnte so grausam sein.

Tess stöhnte leise und frustriert auf, schlug die Augen auf und kehrte ins Hier und Jetzt zurück. Sie starrte aus dem Seitenfenster von Matts Wagen. Matt alias Dosenfleisch musste ihren Laut als Aufforderung gedeutet haben, da er seine Hand auf ihre Brust legte.

Gleich darauf drückte er so fest zu, dass Tess zusammenzuckte.

»Hör auf, Matt«, sagte sie mit Nachdruck und fasste nach seiner Schulter, um ihn von sich wegzuschieben. »Ich kann nicht.«

Der Stoffsitz des Camry ächzte, als Matt sich zurücklehnte. Sein jungenhaft hübsches Gesicht war vor Erregung gerötet, und er kniff ungeduldig die Augen zusammen. »Was redest du da? Du bist mitgekommen und hast genau gewusst, was ich erwarte.«

Sie stutzte. Offenbar hatten sie beide an das Gleiche gedacht, nur konnte Tess das jetzt nicht mehr durchziehen. Nun musste sie zusehen, wie sie sich aus der Affäre zog, ohne Matts Gefühle zu verletzen. »Ich bin einfach nicht bereit, Matt. Es tut mir leid …«, begann sie ruhig, doch er fiel ihr ins Wort.

»Es tut dir leid? Es tut dir leid, und das soll ich jetzt akzeptieren?«

Sie sah ihn argwöhnisch an. »Jede Seite hat das Recht, Nein zu sagen.«

»Den dummen Spruch kannst du mir jetzt nur hinwerfen, weil du diejenige bist, die Nein sagt. Aber ich weiß, was du wirklich willst, also versuch gar nicht erst, das zu leugnen. Du willst meinen Schwanz.«

Einen Moment lang bekam sie den Mund nicht mehr zu. »Himmel, Matt, wir kennen uns seit über zwanzig Jahren. Du weißt genau, dass ich nicht mit dir spielen würde.«

»Das hier ist für dich nichts Neues, Tess. Wir waren schon früher zusammen.«

Sie konnte spüren, wie sich ein eiskalter Schutzmantel um sie legte und auf vertraute Weise bewirkte, dass sie innerlich auf Abstand ging. »Das war auf der Highschool. Nur weil du mir damals die Unschuld genommen hast, gibt dir das nicht das Recht, mich jetzt zu attackieren.«

Sein eigentlich ganz passables Gesicht nahm einen härteren Zug an, der verbitterte Entschlossenheit erkennen ließ. »Du hast mich verlassen. Du schuldest mir eine zweite Chance.«

»Du bist ein Idiot.« Je wütender sie wurde, umso abweisender wirkte sie. Ihre nussbraunen Augen nahmen einen frostigen Ausdruck an. »Du hattest alle Hände voll damit zu tun, jede Frau abzuschleppen, die dazu bereit war. Ich schulde dir überhaupt nichts.«

Sein spöttisches Grinsen hatte etwas Bedrohliches an sich. »Geht es dir darum? Willst du mich nachträglich dafür bestrafen, dass ich dich betrogen habe?«

»Nein, Matt, es geht nur um das Hier und Jetzt. Es geht darum, dass ich Nein sage.«

Er bekam ihre Handgelenke zu fassen und riss sie an sich. »Das glaube ich kaum. Ich kenne die Geschichten, die man über dich erzählt. Ich weiß, wie unersättlich du schon auf der Highschool warst. Wir wissen doch beide, dass du mir nur was vorspielst.«

Das war von seiner Seite aus mehr als nur Alkohol und verletzter Stolz, das war glatte Dummheit.

Ehe sie darauf antworten oder ihm die flache Hand gegen die Nase schlagen konnte, wurde die Fahrertür aufgerissen. Eine riesige Hand legte sich um Matts Hals, und dann wurde er so schnell aus seinem Wagen gezerrt, dass Tess das Ganze nur verwischt wahrnahm.

Tess saß da und sah durch die offene Tür einen Mann vom Hals an abwärts neben dem Wagen stehen. Sie sah Jeans, Flanellhemd und Pistolenhalfter. Einen Blick auf die Dienstmarke musste sie nicht werfen, sie wusste auch so, dass diese Muskelpakete dem Sheriff gehörten.

»Steigen Sie aus, Tess.« Die Worte, die aus dem Nichts zu kommen schienen, wurden leise und bedächtig gesprochen. Entweder hielt er sie für betrunken oder aber er war stinksauer. Nach dem gutturalen Unterton zu urteilen, musste Letzteres der Fall sein.

Entschlossen schürzte sie die Lippen und nahm sich einen Moment Zeit, um sich zu sammeln. Dann hob sie die Handtasche vom Boden auf und stieg auf ihrer Seite aus.

»Guten Abend, Sheriff«, sagte sie höflich, während sie ihn über den Wagen hinweg ansah. Der Mond spendete genug Licht, um sie erkennen zu lassen, dass er die Fäuste geballt hatte. Muskeln zuckten an seinem ausgeprägten Kiefer. Jedes weitere Wort, das sie noch hätte sagen können, blieb ihr bei seinem Anblick im Hals stecken. Wer hätte gedacht, dass braune Augen so kalt und abweisend dreinschauen konnten? Sie hatte das Gefühl, von diesem Blick durchbohrt zu werden. »Setzen Sie sich in meinen Truck.« Sein Atem wehte als weiße Wolke davon.

Auf seine Aufforderung hin kniff sie die Augen ein wenig zusammen. Als sie nicht sofort reagierte, fauchte er sie an: »Jetzt.«

Sie baute sich vor ihm zu voller Größe auf, immerhin beeindruckende eins achtzig. »Ich glaube, den Rest der Strecke lege ich zu Fuß zurück.« Die Straße, auf der sie sich befanden, war in Wahrheit Teil der sehr langen Auffahrt zu ihrem Haus. Zwar lagen die Temperaturen nur knapp über dem Gefrierpunkt, aber die Bewegung würde genauso wie ihr erhitztes Gemüt für genügend Wärme sorgen.

Ein schmerzhaftes Stöhnen ertönte in der Stille der Nacht, und als Tess um den Wagen herumging, entdeckte sie Matt, der auf dem schneebedeckten Boden saß und seine Schulter rieb. »Was soll denn das, Sheriff?«

Ohne den Blick von Tess abzuwenden, antwortete Caleb: »Machen Sie sich auf den Heimweg, Matt. Und seien Sie froh, dass ich Sie nicht wegen versuchter Vergewaltigung verhafte.«

»Was?« Matt sah verdutzt zwischen ihm und Tess hin und her.

»Sie haben mich verstanden.« Der Tonfall war so frostig, dass Tess sich nicht gewundert hätte, wenn sich an den Lippen des Sheriffs Eiszapfen gebildet hätten. »Gehen Sie, bevor ich es mir anders überlege.« Er zeigte auf Tess und dann auf seinen Truck, ehe er sich zur Fahrerseite des Wagens begab.

Sekundenlang spielte sie mit dem Gedanken, den Mann zu ignorieren und den Rest des Weges tatsächlich zu Fuß zurückzulegen, doch hielt sie die Möglichkeit davon ab, dass er ihr folgen, sie packen und über die Schulter werfen würde, um sie zu seinem Wagen zu tragen. Das wäre wirklich die Krönung aller Peinlichkeiten.

Sie wusste aus Erfahrung, dass Wandler schnell die Geduld verloren, deshalb ließ sie sich aufreizend viel Zeit damit, die Auffahrt zum Haus ihrer Mutter zu betrachten, ehe sie kehrtmachte und zu Calebs Truck ging.

Als sie in den Wagen einstieg, hörte sie Matt zerknirscht jammern: »Tess, wie konntest du mir das nur antun?«

Caleb warf dem Mann einen vernichtenden Blick zu, schob den Schalthebel vor und fuhr los.

In der Fahrerkabine war es warm und ruhig, und es roch nach dem Sheriff, ein Geruch, der sie an einen Wald nach einem Wolkenbruch erinnerte. Es war wie eine sinnliche Umarmung, bei der ihre Handflächen feucht wurden. Sie wollte in diesem Duft ertrinken, sie wollte sich an Caleb reiben, bis er sich über sie schob, bis er sie ausfüllte und sie nicht mehr denken, sondern nur noch fühlen konnte. Diese erotischen Gedanken ließen ihr Herz rasen.

Was stimmt bloß nicht mit mir?

Sie presste die Schenkel zusammen, versuchte aber einen Moment zu spät, ihre Erregung in Schach zu halten. Ihr Slip war bereits feucht, verdammt noch mal. Sie sammelte genug Spucke im Mund, um schlucken zu können, dann betete sie, dass ihre Stimme beiläufig genug klang. »Danke fürs Mitnehmen.«

Leder knarrte, und sie sah, wie seine behandschuhten Finger das Lenkrad fester umschlossen. »Was haben Sie sich bloß dabei gedacht?«

Sie sah stur nach vorn. »Was habe ich mir wobei gedacht?«

»Mit West mitzufahren.«

»Ich habe bloß den Abend mit einem alten Freund verbracht.« Auf keinen Fall würde sie ihm sagen, dass sie vorgehabt hatte, Matt als Platzhalter für Caleb zu benutzen. Sie kam sich auch so schon dämlich genug vor.

»Ach, wirklich? Gehen alte Freunde so miteinander um?«

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich kann gut allein auf mich aufpassen.«

»Danach sah das aber nicht aus.«

Sie lächelte ihn frostig an. »Ich bin in der Lage, mich zu verteidigen.«

Als Antwort erhielt sie nur ein undefinierbares Grummeln. Den Rest der Fahrt verbrachten sie beide schweigend.

Er hielt vor dem Flachbau an, stellte den Motor ab und war um den Truck herumgeeilt, noch bevor sie ausgestiegen war und die Wagentür hinter sich zumachen konnte. Als er nach ihrem Arm griff, sprang eine elektrische Ladung auf sie über, die von ihrem Arm über die Schultern schoss und zwischen ihren Schenkeln verschwand. Fauchend befreite sie sich aus seinem Griff. Aus genau diesem Grund hatte sie alles versucht, um ihn nicht noch einmal zu berühren. Dieser Mann war ein wandelnder Sextraum, der sie vor purem Verlangen dahinschmelzen ließ. Und das ganz ohne Vorspiel. »Ich kann allein gehen. Nochmals danke fürs Mitnehmen. Und gute Nacht.«

Seine Miene wirkte versteinerter, falls so etwas überhaupt möglich war. »Wir müssen uns unterhalten.«

Halt die Klappe und nimm mich endlich. Ihre mangelnde Selbstbeherrschung widerte sie an und ließ sie die Stirn in Falten legen. »Reden Sie, ich höre.«

»Drinnen.« Er nahm ihre Hand und zog sie hinter sich her die Stufen hoch.

Dieser Mann musste noch einiges tun, wenn er sein Dominanzbedürfnis in den Griff kriegen wollte. Sie löste ihre Hand aus seinem Griff, um nach dem Hausschlüssel zu suchen. Dann schloss sie die Tür auf und machte wider jede Vernunft Platz, um Caleb eintreten zu lassen.

Sie durchquerte den kleinen Flur und betrat die gemütliche Küche. Nachdem sie ihre Handtasche auf den Küchenschrank gestellt hatte, drehte sie sich um und machte vor Schreck einen Schritt nach hinten, da Caleb so dicht vor ihr stand, dass sie sich von ihm bedrängt fühlte. Tief in ihr erwachte ein eindringliches Pochen. O ja, sie wusste, sie wollte ihn. Aber sie würde nicht nur ihn bekommen, sondern auch noch einen ganzen Schwall Probleme. Ein Wolf war launisch, es sei denn, eine Frau war seine Gefährtin, und danach wurde sie zu seinem Besitz, weiter nichts. Da ihr weder die eine noch die andere Aussicht gefiel, setzte Tess eine gelassene Miene auf und lehnte sich gegen den Schrank. Sie verschränkte die Arme unter ihren Brüsten, wodurch sie ihre großzügigen D-Körbchen nur noch deutlicher hervorhob. Sein Blick folgte der Bewegung.

Himmel, war das etwa Lust, die seine Augen so glühen ließ?

Eigentlich sollte sie daran gewöhnt sein. Bei ihren glatten blonden Haaren, dem makellosen Teint, den vollen Lippen und den sehr langen Beinen war es nur normal, dass sie die Aufmerksamkeit der Männer auf sich lenkte. Bei Caleb dagegen ließ sein unübersehbares sexuelles Interesse auch ihres erwachen.

Sie räusperte sich und bemühte sich um Gleichgültigkeit. »Ich bin hier oben«, sagte sie und zeigte auf ihr Gesicht.

Es war Caleb offenbar gar nicht peinlich, dass sie ihn ertappt während er auf ihre vollen Brüste starrte. Er hob den Blick und sah ihr auf eine so eindringliche Weise in die Augen, dass sie sich wünschte, sie hätte besser nichts gesagt. Jeder andere Mann, der sie anstarrte, als wäre sie nach einer Woche Fasten sein persönliches Festmahl, bekam von ihr eine schroffe Abfuhr. Bei dem Sheriff dagegen wollte sie sich am liebsten auf den Küchentresen legen, damit er sich bedienen konnte. Kleine lustvolle Pfeile prasselten auf ihre Haut nieder, ihre Nippel drückten unangenehm gegen den Stoff ihres BHs. Und da hatte sie tatsächlich geglaubt, sich mit Matt in gefährliches Gebiet vorzuwagen? Verglichen mit dem Wandler, der hier vor ihr stand, war Matt so harmlos wie ein neugeborenes Kätzchen. Der Sheriff dagegen schaute sie an, als wollte er sie in einem Stück runterschlingen. Erstaunlicherweise zog sie genau das in Erwägung. Verdammte Hormone.

Er zog die Handschuhe aus und warf sie auf den Tresen. »Du bist überall.«

Sie zog die Augenbrauen hoch, bis sie hinter ihrem blonden Pony verschwanden. »Wie bitte?«

Er machte zwei Schritte auf sie zu, bis er so dicht vor ihr stand, dass sie die Wärme spürte, die sein Körper abstrahlte. »Dein Geruch ruft mich, Tess. Ich habe versucht, geduldig zu sein, dir Zeit zu geben, damit du dich akklimatisieren und Zeit mit deiner Mom verbringen kannst. Sobald wir uns begegnen, bist du höflich, aber kühl, und du achtest sehr genau darauf, mich nicht anzufassen. Ich weiß, du willst mich, und trotzdem machst du einen Bogen um mich. Wie kommt das? Vor allem, wenn du dann zulässt, dass dieser Drecksack dich anfasst.«

Tess spürte, wie ihr Gesicht zu glühen begann, als er davon sprach, dass sie ihn wollte. Diese verdammten Wolfssinne. Sie ging darüber genauso hinweg wie über die Tatsache, dass ihre Brüste zu schmerzen begonnen hatten, und stieß einen ganz und gar nicht damenhaften Grunzlaut aut. »Du hast mich nicht zufällig vor Matt gerettet, nur damit du mich jetzt genauso belästigen kannst, oder?«

Caleb knurrte. »Komm nicht mal auf die Idee, mich mit ihm zu vergleichen! Er ist nichts weiter als ein egoistischer Mensch. Ich weiß, wann eine Frau interessiert ist. Ich kann es wittern. Und ich wittere es bei dir.«

Sie schürzte die Lippen und verfluchte stumm seine Wolfssinne. »Vielleicht war ich interessiert. Vielleicht wollte ich auch nur irgendwohin, wo ich es bequemer habe.«

»Das ist kein Witz, Tess.« Er kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen; seine Stimme verriet seine nur mit Mühe gebändigte Wut. »Allein beim Gedanken daran, dass er dich anfasst, wollte ich ihn blutig prügeln. Aber jetzt möchte ich ihm die Arme und Beine aus dem Leib reißen.«

Es war nie gut, wenn man einen Wolf gegen sich aufbrachte.

»Okay, mag sein, dass du recht hast.« Sie machte eine beiläufige Geste. »Vielleicht dachte er, ich wollte mit ihm schlafen, nur weil ich auf seine Einladung eingegangen war.«

Ohne Vorwarnung legte er seine großen Hände auf ihre Schultern, zwar nicht so fest, dass er blaue Flecken verursachen würde, aber doch energisch genug, um ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zu garantieren. »Niemals!«

Tess stockte der Atem. Calebs animalische Seite war jetzt vollständig zum Vorschein gekommen, und das machte sie unglaublich heiß. Dieses unerbittliche Begehren, das jedes Mal erwachte, wenn er sich in ihrer Nähe befand, steigerte sich so sehr, dass es sie all ihre Beherrschung kostete, nicht seine deutlich sichtbare Erektion vom Stoff zu befreien und ihn anzuflehen, die Leere in ihr auszufüllen.

Nein, das machst du nicht. Stell dir eine Badewanne voll mit Eiswürfeln vor. Oder den nackten Woody Allen.

Sie rückte von ihren unanständigen Gedanken ab, und obwohl es nur ein minimaler Abstand war, genügte es. Sie warf ihm einen nichtssagenden Blick zu und sagte in kühlem Tonfall: »Ich verstehe nicht, wieso dich das so stört.«

Calebs Nasenflügel blähten sich. »Sein Gestank klebt an dir, und das macht mich rasend vor Wut.«

Sie setzte zu einer Antwort an, aber er ließ den Kopf nach vorn sinken und drückte seine Lippen auf ihre. Seine Zunge bahnte sich ihren Weg in Tess’ feuchten Mund. Eine Hitzewelle explodierte, die alle Nervenenden erfasste und wie wahnsinnig kribbeln ließ. Tess musste die Fäuste ballen, damit sie nicht die Hände in seinen Nacken legte, um ihn enger an sich zu ziehen. Stattdessen verharrte sie wie in der Bewegung eingefroren, eine eisige Jungfrau, die seine Berührungen abweisen wollte … was ihr auch für ein paar Sekunden gelang. Dann aber schmolz sie dahin.

Caleb vergrub eine Hand in ihren Haaren und legte ihren Kopf ein wenig schräg, damit er sie besser küssen konnte. Gott, er schmeckte so gut! Viel besser, als sie es sich vorgestellt hatte, und dabei besaß sie schon eine ausgeprägte Fantasie. Seine Lippen waren sanft, während sich seine Zunge rau anfühlte und einen faszinierenden Kontrast bildete. Sie schluckte das Stöhnen, das er ausstieß, und spürte die Hand auf ihrem Hintern, als er sie an sich zog. Ihre Brüste wurden gegen seinen muskulösen Oberkörper gedrückt, seine Erektion drängte in das Tal zwischen ihren Schenkeln. Dann bewegte er die Hüften und presste sich gegen sie.

Für Tess kam das alles so plötzlich, dass sie ein begieriges Stöhnen nicht zurückhalten konnte. Sie konnte sich nicht länger beherrschen und schlang die Arme um seinen Hals, drückte den Rücken durch und rieb fordernd ihre Hüften an Caleb, weil sie die erneute Woge aus purer Erregung ableiten wollte, die ihre Schenkel umspülte.

Plötzlich packte Caleb sie und setzte sie auf den Tresen. Irgendetwas schepperte, doch keiner von ihnen nahm davon Notiz, da er ihre Knie zur Seite drückte und sich dazwischenstellte.

Der Wahnsinn hatte sie fest im Griff. Seine Kraft umgab sie, sein verlockender Duft drang in jede Pore ein und machte sie vor Verlangen schwindlig. Sie vergaß alles um sich herum, denn sie wollte von ihm erfüllt und besessen werden, sie wollte, dass er Anspruch auf sie erhob. Es kümmerte sie nicht, wo sie sich aufhielten, ihr war egal, dass sie beide nicht allein im Haus waren. Sie wusste nur, dass sie mehr von ihm wollte.

Über das Keuchen ihrer heftigen Atemzüge hinweg nahm Tess ganz vage die Stimme ihrer Mutter wahr, die über die Sprechanlage ihren Namen rief. Caleb musste es im gleichen Moment gehört haben, da er langsam seine Lippen von ihren löste und zurückwich …

Tess schlug die Augen auf, die vor dunklem Verlangen glänzten, aber auch Beunruhigung erkennen ließen. Caleb stöhnte leise und vergrub das Gesicht an ihrem Hals.

»Tess? Alles in Ordnung?«

Aufgewühlt suchte sie nach der Antwort-Taste. »Alles in Ordnung, Mom.« Ihre Stimme war so belegt, dass sie sich erst einmal räuspern musste. »Mir ist bloß was vom Tresen gefallen. Sobald ich das aufgeräumt habe, komme ich zu dir.«

»Ist gut, Liebes. Danke, dass Sie sie sicher nach Hause gebracht haben, Caleb. Sie wissen, wie besorgt Mütter sein können.«

Calebs Finger bohrten sich in Tess’ Hüften, und sie hätte schwören können, dass er lächelte, während er das Gesicht an ihren Hals schmiegte. Er richtete sich auf und sah ihr tief in die Augen. »War mir ein Vergnügen, Ruth. Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht.«

»Gute Nacht, Caleb, und passen Sie auf sich auf. In den Nachrichten haben sie gesagt, dass es heute Nacht glatt werden könnte.«

»Ja, Ma’am, ich werde aufpassen. Vielen Dank.«

Die Sprechanlage verstummte, und Caleb legte seine Stirn gegen die von Tess. »Ich schwöre dir, deine Mutter hat einen sechsten Sinn.«

Tess hatte Mühe, ihre Fassung wiederzuerlangen. »Sie schien schon immer ganz genau zu wissen, wann Kaylie oder ich irgendetwas Verbotenes machten.«

Er strich mit den Fingern durch ihr seidiges Haar. »Ihre Operation ist am Mittwoch, richtig?«

Sie fühlte sich so verdammt wohl, so schläfrig und auch so geil, dass sie sich nicht rühren wollte. »Ja.«

»Soll ich euch fahren?«

Verwundert sah Tess ihn an. »Ähm … nein, danke. Ich habe schon alles geregelt.«

Etwas blitzte in seinen Augen auf, einige Herzschläge lang schien Caleb mit sich zu ringen, um sich wieder unter Kontrolle zu bringen. »Deine Schwester schafft es nicht, herzukommen?«

Seine beiläufige Frage irritierte sie, da sie so gar nicht zu der Tatsache passte, dass sie eben erst seine Zunge im Mund gehabt hatte. Sie benötigte einige Sekunden, bis sie eine Antwort zustandebrachte. »Kaylie macht ihre Abschlussprüfungen und kann erst Ende nächster Woche herkommen. Aber sie fällt uns auch so auf die Nerven, weil sie jeden Tag anruft. Nur weil sie Tierärztin werden wird, glaubt sie, sie würde sich auch mit menschlicher Medizin auskennen.«

»Sie ist in Ordnung.«

»Mhm. Hör zu, nochmals danke, dass du mich hergefahren hast, aber ich bin jetzt wirklich zu müde zum Reden. Also, gute Nacht.« Sie versuchte ihn loszuwerden.

Caleb beugte sich vor, sein warmer Atem strich über ihre Lippen und gab ihr das Gefühl, dass sich in ihrem Kopf alles drehte. »Sind wir dabei gestört worden? Beim Reden?«

Bei seinen Worten begannen ihre Wangen zu glühen, sie legte die Hände auf Calebs Brust und drückte ihn von sich weg. Als Platz genug war, sprang sie mit einem Satz vom Tresen und ging auf Abstand zu Caleb. »Ja«, zischte sie ihm zu. »Alles andere war ein Fehler und wird sich nicht wiederholen.«

Er bekam ihre Hand zu fassen und schob sie ihr auf den Rücken, während er sie an sich drückte. Seine freie Hand legte er an ihre Wange. »Nicht nur, dass es sich wiederholen wird, es wird sich sogar sehr oft wiederholen. Also gewöhn dich lieber schon mal daran.«

Sie ignorierte den Freudentanz, zu dem ihr Herz ansetzte. »Bist du verrückt?«

»Nein.« Er lachte amüsiert. »Ich will dich nur vorwarnen, Sweetheart.«

»Vorwarnen? Vor was?«

Er knabberte an ihrer Unterlippe. »Davor, dass ich dich als meine Gefährtin beanspruchen werde. Und jetzt muss ich mich vergewissern, dass West nicht irgendwo im Graben gelandet ist.«

Dann küsste er sie noch einmal und presste seine Lippen fest auf ihren offenen Mund, machte auf dem Absatz kehrt und verließ die Küche, während Tess ihm fassungslos hinterhersah.

Nachdem sie das Geschirr aus dem Trockengestell weggeräumt hatte, gegen das sie gestoßen war, schleppte sich Tess die Stufen hoch zum Schlafzimmer ihrer Mutter. Mit einem flüchtigen Grinsen, mit dem sie die Gereiztheit überspielte, die Calebs Worte bei ihr ausgelöst hatten, nahm sie im Schneidersitz auf dem Bett Platz und sah einfach nur die wundervolle Frau an, die ihr das Leben geschenkt hatte. Aber wollte diese wundervolle Frau über ihre bevorstehende Operation reden? Nein, wollte sie nicht. Stattdessen widmete sich Ruth mit jener Liebe und Ratlosigkeit ihrer ältesten Tochter, die sie ihr schon immer entgegengebracht hatte.

»Du bist also mit Matt ausgegangen und mit Caleb heimgekommen. Ist irgendetwas passiert?«

Tess verzog den Mund. »Nur meine eigene Dummheit, sonst nichts.«

»Würdest du das genauer erklären wollen?«, fragte Ruth und zog eine Augenbraue hoch.

»Nicht unbedingt.« Tess ließ die Schultern sinken.

»Na ja, ich bin jedenfalls froh darüber, dass Caleb dich nach Hause gefahren hat. Ich habe es Matt bis heute nicht verziehen, dass er dir so wehgetan hat, als ihr beide auf der Highschool ausgegangen seid. Und seitdem hat er sich zu einem rücksichtslosen jungen Mann entwickelt.« Ruth warf ihrer Tochter einen ernsten Blick zu. »Sein Verhalten steht so sehr im Widerspruch zur liebevollen Art seines Vaters, dass man glauben möchte, Charles hätte ihn gar nicht gezeugt.«

»Hat er auch nicht. Ich weiß nicht, ob Matt überhaupt eine Ahnung hat, wer sein Vater ist«, antwortete Tess reflexartig, da sie mit ihren Gedanken mehr bei Caleb als bei dem war, was ihre Mutter sagte.

Plötzlich klatschte Ruth in die Hände, was Tess zusammenzucken ließ. »Ich wusste es!«

»Ähm …« Tess schüttelte den Kopf. »Wovon redest du?«

»Die Augen sind es. Die Farbe ist sehr markant, und er sieht ihm so ähnlich!«

»Wem sieht er ähnlich?«, hakte Tess nach, als ihre Mutter weiter nichts sagte.

Doch diesmal schüttelte Ruth den Kopf. »Es ist nur eine Vermutung. Ich werde es dir nicht sagen, weil ich nicht deine Wahrnehmung beeinflussen will. Wenn du den Mann noch nicht gesehen hast, den ich für Matts leiblichen Vater halte, wirst du ihn bald zu sehen bekommen.«

»Was soll das bedeuten?« Wenn Tess mit einem Rätsel konfrontiert wurde, konnte sie nie widerstehen.

»Mehr sage ich zu dem Thema nicht. Allerdings würde ich gern wissen, ob Matts Grausamkeit irgendetwas damit zu tun hatte, dass du den weiten Weg bis New York in Kauf genommen hast, um aufs College zu gehen.«

Tess lehnte sich gegen das Kopfende des Betts und schloss die Augen. Diese Diskussion war nun wirklich nichts Neues für sie. »Nein, Mom. Das war eines der Colleges, die mir ein Teilstipendium angeboten hatten.«

»Und?«, hakte Ruth nach.

»Und ich wollte nicht auf einmal jemanden wie Dad am Hals haben.« Aufgewühlt stand sie vom Bett auf und ging im Zimmer hin und her.

»Du meinst, einen Wandler?«

Tess machte eine fahrige Geste. »Ja, einen Wandler. Einen dominanten, arroganten und paranoiden Wandler. Ganz ehrlich, Mom. Welcher Mann lässt schon ein Haus mit einem geheimen Eingang bauen?«

Bedächtig antwortete Ruth: »Ein Mann, dessen gesamte Familie während der Rottenkriege bei lebendigem Leib in ihrem Haus verbrannt ist.«

»Ganz genau. So schrecklich das für Dad war und so sehr mir das Elend der Wandlerrasse auch zu schaffen macht, will ich mit dieser gefährlichen Welt nichts zu tun haben. Ich wollte ein normales Leben. Keines, in dem es von Fell und Reißzähnen wimmelt.«

Ruth zog die Augenbrauen zusammen. »Und als Model zu arbeiten ist etwas ›Normales‹? Darf ich annehmen, dass du nie an einen Mann geraten bist, der sich aus Dummheit oder Trunksucht oder Anspruchsdenken in eine Bestie verwandelt hat?«

Ruth redete leise und ruhig, aber ihre Worte trafen für Tess’ Empfinden etwas zu sehr ins Schwarze. »Mehr als einmal«, erwiderte sie widerwillig, verschränkte abweisend die Arme vor der Brust und drehte sich zu ihrer Mutter um. »Aber das ist etwas anderes. Diese Männer waren zumindest Menschen, denen es nur um Sex ging. Bei Wandlern geht es darum, ein Leben lang Zuchtstute zu sein. Und das auch nur dann, wenn die Frau das Pech hat, über genau die Gene zu verfügen, die es ihr möglich machen, Wandlerwelpen auszutragen. Ist das nicht der Fall, wird die Frau fallen gelassen, sobald der Herr eine passende Frau wittert. Also genau das, was Dad mit dir gemacht hat. Mir gefällt weder das eine noch das andere.«

Aufgebracht fuchtelte sie mit den Armen, als sie fortfuhr: »Als Tochter eines Wolfs habe ich gute Chancen, die richtige DNS in mir zu tragen, um eine Gefährtin zu sein. Da ich das Ritual – oder wie auch immer man diesen Vorgang bezeichnen will – aber als seelischen und körperlichen Missbrauch von Frauen ansehe, wollte ich mich vom allseits bekannten Territorium fernhalten, um zu vermeiden, dass mir mein ›Gefährte‹ über den Weg läuft und versucht, mich für sich zu beanspruchen.«

Ruth verdrehte die Augen. »Mit Chancen hat das gar nichts zu tun, Tess. Jede fortpflanzungsfähige Frau kann einem Wandler ein Kind schenken.« Schnell hob sie eine Hand, um Tess’ Protest zuvorzukommen. »Es stimmt zwar, dass nur ein kleiner Prozentsatz an Frauen einen Jungen zur Welt bringt, der sich tatsächlich wandeln kann, ganz gleich, ob sie nun zur Hälfte Wölfin oder rein menschlich sind. Aber letztlich hängt das alles vom Schicksal und davon ab, ob ein Paar zusammenpasst und ob zwischen den beiden der Funke überspringt. Ich weiß nicht, wie um alles in der Welt du auf diese verrückten Ideen kommst, aber es ist nicht anders als bei den Menschen, und das weißt du auch. Wenn die körperliche, geistige oder emotionale Bindung nicht vorhanden ist oder allmählich erlischt, dann hat die Beziehung keine Zukunft. Punkt.« Sie ließ eine Pause folgen, als dächte sie über etwas nach. »Es kommt mir übrigens so vor, als würden zwischen dir und einem gewissen extrem gut aussehenden Sheriff ganz gewaltig die Funken sprühen. Ich habe bei ihm noch nie ein Verhalten beobachtet wie bei dir. Ich nehme an, dass du seine wahre Gefährtin bist, was bedeuten würde, dass es um mehr als nur um kompatible DNS geht, Tess.« Wieder schüttelte Ruth den Kopf. »Ich verstehe nicht, warum du so eine ernste Miene machst. Du wirst gut versorgt sein und …«

»So gut versorgt, wie du es bei Dad warst?«, unterbrach sie die Predigt ihrer Mutter. »Er hat dich nach acht Jahren Ehe verlassen. Wie ein läufiger Hund hat er diese Frau bei der Konferenz gewittert und dich einfach sitzen lassen.«

In einem seltenen Anflug von Wut kniff Ruth die Augen zusammen. »Was zwischen deinem Vater und mir passiert ist, unterscheidet sich in nichts von einer Scheidung zweier reinrassiger Menschen. Außerdem hat er mich nicht sitzen lassen, Tess, und das weißt du auch. Er hat Unterhalt gezahlt und immer geholfen, wenn es nötig war. Du und Kaylie, ihr wart jeden Sommer zwei Wochen bei ihm, und an euren Geburtstagen und an Weihnachten hat er immer eine Karte geschickt.« Mit dem Zeigefinger deutete sie auf ihre Tochter. »Bei deinem Vater und mir war es anders. Du kannst rechnen, Tess. Ich war schwanger, bevor wir geheiratet haben. Er hätte sich nicht an mich binden müssen, weil das nicht ihre Art ist. Aber er hat sich ehrbar verhalten, und wir haben das Beste daraus gemacht.« Sie ballte die Fäuste und drückte sie in Herzhöhe auf ihre Brust. »Man nimmt, was man kriegen kann, und versucht damit etwas anzufangen. Hätte ich mich gegen deinen Vater entschieden, dann hätte ich zwar dich gekriegt, aber nicht Kaylie. Und auch wenn ihr zwei euch ständig bekriegt, würde ich mir nie wünschen, Kaylie nicht bekommen zu haben.«

Tess kam sich wie ein ungezogenes Kind vor, weil niemand es so gut verstand wie ihre Mutter, ihr so unterschwellig ein derart schlechtes Gewissen einzureden. Trotzig trat sie gegen ein Bein der Kommode. »Schön, aber ich will von niemandem versorgt werden. Darum kann ich mich selbst kümmern, das tue ich ja schon seit Jahren.«

»Aber du bist nicht glücklich.« Es war eine Feststellung, keine Frage.

»Ich …« Sie fuhr sich durch ihr dunkelblondes Haar. »Ich weiß nicht, was ich bin.«

»Er könnte dich glücklich machen, wenn du ihm eine Chance geben würdest.«

Sich mit einem Wandler zu verabreden bedeutete ein Risiko, das sie nicht eingehen wollte. Die möglichen Folgen liefen allem zuwider, wofür sie jemals gekämpft hatte. Sie legte die Hände an die Hüften und wandte sich zu Mom um. »Er würde wollen, dass ich am laufenden Band Kinder zur Welt bringe. Wie sollte mich so etwas glücklich machen?«

»Dann ist das wohl der falsche Zeitpunkt, um dir zu sagen, dass Wölfe unglaublich gute Liebhaber sind«, gab Ruth zurück und grinste sie listig an.

»Mom!«

Ihre Mutter musste lachen. »Ach, Tess. Schätzchen. Selbst wenn man mit einem Wolf verheiratet ist, bedeutet Ehe mehr, als Kinder zur Welt zu bringen. Außerdem sind Kinder ein Segen, nichts, wovor man sich fürchtet oder was man bereut. Und außerdem …« Ruth ließ den Blick sinken, um das schelmische Funkeln in ihren Augen zu verbergen. »Ich würde gern mein Enkelkind im Arm halten, bevor ich sterbe.«

Mahnend hielt Tess den Zeigefinger hoch. »Fang gar nicht erst damit an. Das zieht bei mir nicht.«

Wieder setzte Ruth ihr Schweigen als Waffe ein und hielt den Kopf selbst dann noch von Tess abgewandt, als sie zum Bett zurückkehrte und sich neben ihr hinkniete. »Mom?«

»Ich werde auch nicht jünger, wie du weißt.«

Tess griff nach ihrer Hand und bemerkte die dunklen Flecken und die Folgen der Arthritis. Ihr Herz ließ stotternd den einen oder anderen Schlag aus. Von ihr unbemerkt war ihre Mom alt geworden. Die Erkenntnis traf sie wie eine Ohrfeige. »Machst du dir Sorgen wegen der Operation?«

Ruth zuckte mit den Schultern. »Die Ärzte dringen in meine Oberschenkelarterie ein, bewegen sich durch meinen ganzen Körper, bis sie schließlich im Gehirn ankommen. Gibt es da irgendwas, worüber ich mir keine Sorgen machen sollte?«

Tränen brannten Tess in den Augen. Sie schlang die Arme um ihre Mom und drückte sie an sich. Ihre Wange schmiegte sie an die Haare der älteren Frau. »Es wird alles gut werden. Ich hab dich lieb.«

»Ich hab dich auch lieb«, entgegnete Ruth und drückte sich eng an ihre Tochter.

Der Mittwochmorgen kam viel zu schnell und war viel zu kalt. Nach einer eiligen Dusche und einem Blick ins Zimmer ihrer Mutter, um sich davon zu überzeugen, dass sie abmarschbereit war, begab sich Tess nach draußen und stellte die Heizung in ihrem Truck an.

Die Sonne musste sich erst noch über die Berggipfel erheben, und Tess musste trotz der zwei Becher Kaffee, die sie runtergekippt hatte, erst noch richtig wach werden. Deshalb dauerte es auch einen Moment länger als üblich, bis ihr der große SUV auffiel, der hinter ihrem Truck stand. Ihr Körper wechselte in einen Alarmzustand, als Caleb auf sie zukam. Er trug eine enge Jeans und einen langärmeligen dunkelbraunen Pullover, unter dem sich Arm- und Brustmuskeln deutlich abzeichneten. Sie verzog den Mund, als ihre Hormone vor dieser geballten Männlichkeit kapitulierten, die sich ihr näherte. So ging das nicht weiter. Hatte sie sich nicht erst gestern Abend ins Gewissen geredet? Und am Tag davor? Und auch am Tag davor? »Was machst du denn hier?«

Bei ihrem vorwurfsvollen Tonfall zog Caleb eine Augenbraue hoch. »Ich bin heute dein Chauffeur. Mein Truck ist bereits geheizt, und wenn ich dich so ansehe, bist du noch längst nicht wach genug, um eine Stunde lang bis zum Krankenhaus zu fahren.« Als sie ihn aufgebracht ansah, fügte er hinzu: »Ich tue nur meine Pflicht, da ich für die Sicherheit auf den Straßen sorge. Was würden denn die Leute sagen, wenn sie hören, dass ich als Sheriff dieser Stadt eine berauschte Frau ans Steuer ihres Wagens lasse?«

Sie rührte sich nicht, während er ihr die beiden Schultertaschen abnahm und auf der Ladefläche seines Tahoe abstellte. »Die Fahrt dauert keine Stunde«, knurrte sie. »Außerdem bin ich nicht berauscht.«