DEMENTI MOSEL - Mischa Martini - E-Book

DEMENTI MOSEL E-Book

Mischa Martini

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Beschreibung

DEMENTI MOSEL mit vielen brisanten Enthüllungen. Vier Jahre hat es gedauert bis Mischa Martini einen neuen Moselkrimi vorlegt. Nach einem Ausflug ins historische Genre – sein letzter Roman ,Fischers Mathes‘ spielte in Trier in der Revolutionszeit von 1848 – ist nun mit ,DEMENTI MOSEL‘ sein 15. Moselkrimi erschienen. Wie der Name schon vermuten lässt, ist die lokale Medienwelt Schauplatz der an Aktualität kaum zu übertreffenden Handlung. Und darum geht es: Mit einer Serie von investigativen Artikeln sorgt der Trierer Anzeiger für Aufsehen. Berichte des Journalisten Ludwin Schröther decken die Machenschaften von örtlichen Politikern und Wirtschaftsbossen auf. Als der Verleger der Zeitung und seine Geliebte ermordet aufgefunden werden, stellt sich den Ermittlern die Frage, ob Schröther zu weit gegangen ist. Handelt es sich beim Täter um einen der Betroffenen, die von dem Blatt entlarvt wurden? Der Autor schildert die lokale Medienwelt mit Spannung, Insiderwissen und aktuellen Bezügen. Für den ein oder anderen Schmunzler wird wieder das ungewöhnliche Team um Kriminalkommissar Walde mit Gabi und Grabbe sorgen.

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Seitenzahl: 233

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Mischa Martini

D E M E N T IM O S E L

VerlagMichaelWeyand

Aktuelles zu

M I S C H AM A R T I N I

finden Sie online unter

www.mischamartini.de

www.facebook.com/mischa.martini

© 2020 Verlag Michael Weyand GmbH, Friedlandstr. 4, 54293 Trier,

www.weyand.de, [email protected]

www.mischa-martini.de

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Satz: Verlag Michael Weyand GmbH, Trier

Lektorat: Gabriele Belker

Titelgestaltung: Jennifer Neukirch

Fotos Titelbild: warmworld/stock.adobe.com, Yeti Studio/stock.adobe.com, Coloures-Pic/stock.adobe.com

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2020

ISBN 978-3-942-429-66-5

1. digitale Auflage 2020

Personen und Handlungen

sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit

Verhaltensweisen von Menschen

an der Mosel und anderswo

sind zufällig,

mitunter unvermeidlich.

An allem ist zu zweifeln.

Karl Marx

In Erinnerung an Josef Tietzen †

Pressefotograf und Trierer Urgestein

Trier, Innenstadt

PERSONEN

Carlo Müller

Künstler und Ex-Kompagnon im Trierer Anzeiger

Elke Bauer

Angestellte im Trierer Anzeiger

Fürst

Reporter bei Tele Mosel

Garçon-Eckert

Pressesprecherin bei Stadtwerken

Hanni Glosbeck

Fotograf im Trierer Anzeiger

Hofwald

Betreiber eines Yachthafens

Keiner, Rolf

Schrotthändler

Keiner, Richard

Schrotthändler, Bruder von Rolf

Klassen, Harald

Fahrer des Landrats

Koroll, Martin

Verleger des Trierer Anzeiger

Koroll, Charlotte

Ehefrau von Martin

Ludwin Schröther

Redakteur im Trierer Anzeiger

Nordau, Thomas

Verleger von Ganz Nahe in Bad Kreuznach

Sätzer

Rechtsanwalt in Bad Kreuznach

Silvie van Bosch

Grafikerin bei Strelles und Partner

Strelles

Agenturchef bei Strelles und Partner

Wohlenberg

Landrat

ERMITTLER

Walde

Waldemar Bock, Kriminalhauptkommissar

Gabi Wagner

Kriminaloberkommissarin

Grabbe

Kriminaloberkommissar

Dr. Hoffmann

Gerichtsmediziner

Roth

Staatsanwalt

Sattler

Leiter der Kriminaltechnik

Sonja

Kriminaloberkommissarin

Stiermann

Polizeipräsident

FAMILIE UND FREUNDE VON WALDE

Doris

Lebenspartnerin von Walde

Annika

Waldes Tochter

Mathilda

Waldes Tochter

Jo Ganz

Kommissar für Reblausbekämpfung und Waldes Freund

Uli

Wirt in der Gerüchteküche und Waldes Freund

Sonntagabend

Am späten Sonntagabend wirkte der zwischen schroffen Hügeln tief im Kylltal gelegene Flecken wie ausgestorben. Bis hierher war die Landstraße von Ehrang über Kordel an der Kyll entlang verlaufen. Am Bahnhof, um den sich wenige Häuser drängten, führte sie nun steil bergauf aus dem Tal hinaus. Um dem Fluss und den Schienen weiter folgen zu können, lenkte Ludwin seinen kleinen Peugeot geradeaus auf den Radweg. An einer geschlossenen Imbissbude vorbei führte der schmale Weg parallel zur Bahnlinie durch ein flaches Wiesental, das jetzt im Dunkeln wirkte, als sei es im Klammergriff der rechts und links bis in die Ebene reichenden bewaldeten Berghänge.

Ein kleines Stück weiter bog Ludwin nach links zu dem beschrankten Bahnübergang ab. Er musste aussteigen, um den metallenen Bügel unter der Sprechanlage nach unten zu biegen. Das Gerät war mit einem Stellwerk oder Bahnhof in der Nähe verbunden. Noch bevor er hineinsprechen konnte, hob sich die kurze Schranke. Er steuerte den Wagen über die mit Gummimatten ausgelegten Schienen, der Weg dahinter bestand aus einem Gemisch aus Lehm, Schotter und Steinschutt. Durch die offenen Scheiben strömte die warme Abendluft. Immer wieder streiften Gestrüpp und Äste die Kotflügel und Außenspiegel.

In der fortschreitenden Dunkelheit ging es im Schritttempo an kleinen Ufergrundstücken vorbei. Schließlich gab es am Weg nur noch Gebüsch, durch das hier und da ein Trampelpfad zu einer Angelstelle am Fluss abzweigte. Der Bahndamm gewann langsam an Höhe, bis eine Eisenbahnbrücke nach links über das Wasser führte. Ludwin fuhr unter der altertümlichen Metallkonstruktion hindurch und gelangte kurz dahinter in ein kleines Wäldchen, wo nach wenigen Metern ein umgestürzter Baum quer über dem Weg lag. Mit Vor und Zurück wendete er mühsam den kleinen Wagen.

Nachdem er auf dem Rückweg die Bahnbrücke erneut passiert hatte, hielt er ein Stück weiter an und schloss das Fenster. Es hatte leicht zu nieseln begonnen, nach der Hitze der letzten Tage eine willkommene Abkühlung.

Der junge Mann zog eine dünne Regenjacke an, stülpte sich die Kapuze über den Kopf und nahm die Umhängetasche vom Beifahrersitz. Den Schlüssel ließ er im Zündschloss stecken.

Zwischen Gestrüpp hindurch kämpfte er sich den Hang nach oben auf den Bahndamm. Durch den dichten Bewuchs auf der anderen Seite war der dahinter verlaufende Radweg nur noch zu erahnen. Vor ihm lag die stählerne Brücke mit zwei Gleisen, das linke schien leicht angerostet. Die Bahnstrecke wurde seit Monaten erneuert und auf dieser Seite wahrscheinlich hin und wieder für den Materialnachschub genutzt. Auf der schräg über das Wasser des kleinen Flusses führenden Eisenbrücke standen die Holzbohlen neben den Schienen kaum mehr als 30 Zentimeter über. Das rostige Geländer versprach wenig Sicherheit. Ludwin setzte jeden Schritt mit Bedacht. Wenn er nach vorne schaute und dabei auf Motorgeräusche lauschte, blieb er stehen. Er zuckte zusammen, als es unter ihm so heftig in dem schwarzen Wasser platschte, als wäre ein dicker Stein hineingefallen. Aber es war wohl eher eine Forelle auf der Jagd oder eine Bisamratte, die abgetaucht war.

Noch war alles ruhig. Die Schienen machten eine weitere Biegung nach rechts und verschwanden urplötzlich in einer mächtigen Wand aus großen Sandsteinblöcken. Das Loch im Tunneleingang war deutlich dunkler als das im fahlen Licht grau wirkende Gestein. Über allem ragte schemenhaft die Kontur einer riesigen steinernen Eule.

Auf dem linken Gleis stand eine Lore mit drei mannshohen Kabeltrommeln. Sie waren nach Ludwins Information das Objekt der Begierde. Der Kupferpreis lag aktuell bei 5.000 Euro je Tonne.

Ludwin zog sich wieder vorsichtig auf die andere Seite der Kyll zurück, kletterte erneut den Hang hinunter und ließ sich neben dem Weg auf einem Baumstamm mit Blick auf den Fluss nieder. Das Nieseln hatte aufgehört.

Letzten Sonntag hatte er hier schon einmal bis Mitternacht Stellung bezogen, aber niemand war gekommen. Damals hatte er seinen Wagen am Bahnhof geparkt und war die Strecke bis hierher zu Fuß gelaufen.

Seit Wochen gab es in der Nacht von Sonntag auf Montag von 22 Uhr bis 3 Uhr keinen Zugverkehr auf der Kyllstrecke. Für die ersten beiden Stunden war ein Schienenersatzverkehr auf der Straße eingerichtet, wie es im verschwurbelten Bahndeutsch hieß.

Der Tipp zu dem geplanten Kupferdiebstahl war dem Trierer Anzeiger wie üblich anonym zugespielt worden. Einen erheblichen Unterschied zu den sonstigen Informationen gab es: Bisher bezogen sich die Hinweise auf vergangene Taten, die einer Aufdeckung bedurften. Im aktuellen Fall stand die Tat noch aus. Ein absolutes Novum. Obendrein war er ganz auf sich selbst gestellt. Hanni Glosbeck, der üblicherweise die Fotos machte, war verhindert. Wahrscheinlich hatte er schlicht Schiss und zog es heute Abend vor, mit der Familie vor dem Fernseher zu hocken.

Ludwin steckte sich eine Zigarette an. Vor ihm raschelte es in Ufernähe. Eine Maus oder doch eine Bisamratte? Oder schlängelte sich ein Aal aus dem Wasser? Das würden die Viecher angeblich des Nachts tun.

Mit dem Brummen des Motors begann sein Herzklopfen. Er trat die Zigarette sorgfältig aus und zog sich die Kapuze wieder über den Kopf. Mit beiden Händen tastete er in seine Tasche, fühlte Wasserflasche, Handy, Feuerzeug, Müsliriegel, Zigarettenpackung und dann endlich die kleine Kamera. Außer dem stetig lauter werdenden Motor gab es nur noch seinen Atem und das Klopfen seines Herzens. Als plötzlich das grelle Licht von Scheinwerfern in einem Bogen über das Laub der Bäume und Sträucher am Ufer glitt, ging Ludwin hinter dichtem Gestrüpp in die Hocke. Er hielt den Atem an. Auf der anderen Seite der Kyll fuhr ein Lkw mit offener Pritsche vorbei. Das Führerhaus war dunkel. Für einen Moment war Ludwin unsicher, ob er den automatischen Blitz an der Kamera deaktiviert hatte, dann drückte er den Auslöser. Wahrscheinlich war viel zu viel Laub davor und verwackelt hatte er das Foto garantiert auch.

Das Fahrzeug wurde langsamer, hielt an, eine Tür schlug zu. Dann fuhr der Lkw ein paar Meter weiter. Vermutlich wurde er eingewiesen. Die Scheinwerfer erloschen. Männer riefen sich etwas zu. Ludwin wagte sich noch nicht aus der Hocke. Und das war gut so, denn am gegenüberliegenden Ufer tauchte ein Licht auf. Erst war es nach unten aufs Wasser gerichtet, dann strahlte es herüber. Mit einer starken Taschenlampe wurde das Ufer abgeleuchtet. Man wollte wohl sichergehen, dass hier keine späten Angler mehr waren. Rechts von ihm flackerte der Lichtschein von gleich zwei Taschenlampen auf der Eisenbahnbrücke.

Mit größter Mühe bezwang Ludwin seinen Fluchtreflex und kauerte sich noch näher ins Gestrüpp. Der Mann auf der anderen Flussseite ging langsam in Richtung des Lkw zurück. Von der Brücke wurde flussauf- und -abwärts geleuchtet.

Auf einmal war es ganz still. Die Lampen erloschen. Hatten ihn die Männer entdeckt und schlichen sich nun an? Ludwin lauschte mit offenem Mund. Als etwas neben ihm auf dem Boden aufschlug, zuckte er heftig zusammen. Erst als sich nichts tat, atmete er weiter.

Von der anderen Seite erklangen Hammerschläge, die auf etwas Metallisches zu treffen schienen. Lauten Kommandos, schwerem Ächzen und Fluchen folgte ein Rollgeräusch. Hatten sie die Lore in Bewegung gesetzt? Die Räder schienen sich schneller zu drehen. Dann gab es einen Knall mit einem leichten Nachklirren wie auf einem Rangierbahnhof. War die Lore in den Tunnel geschoben worden? Wieder war das Ächzen aus mehreren Männerkehlen zu hören. Es folgte ein dumpfes Poltern. Hatten sie die Kabeltrommeln von der Lore gestoßen? Das Geräusch wiederholte sich in kurzer Folge noch zwei weitere Male.

Für ein halbwegs gutes Foto musste Ludwin sich näher heranpirschen. Ursprünglich hatte er geplant, von der Brücke aus zu fotografieren. Aber das schien im Augenblick nicht möglich.

Eine Zigarette würde jetzt seine Nerven beruhigen, aber sein Großvater hatte oft genug erzählt, wie die Glimmstängel in Kriegsnächten so manchen Kugeln den Weg gewiesen hatten.

Ludwin hob den Kopf und schnupperte. Er roch ein mit viel Brandbeschleuniger entfachtes Grillfeuer. Kurz darauf war ein rötlicher Schein zu sehen. Der Brandgeruch wurde stärker. Stank es zuerst nach Benzin, war es jetzt beißender Plastikruß. Ludwin stand auf. Die Typen fackelten die Kabel ab, um an das Kupfer heranzukommen. Er machte ein paar vorsichtige Schritte, um seine vom Hocken steifen Gelenke zu lockern und schlich geduckt in Richtung der Brücke, die Kamera im Anschlag. Im Display der Kamera erschienen im Widerschein des Feuers die Konturen der Brücke und des Tunnels. Auch der Lkw war schwach zu sehen. Über allem stand wie ein riesiger Nachtmahr die schwarze Rauchwolke. Ludwin versuchte, die Kamera ruhig zu halten. Hanni hatte ihm geraten, im letzten Drittel des Ausatmens abzudrücken. Besser war es, die Kamera anzulehnen oder irgendwo abzustellen. Er presste sie an einen dickeren Ast und drückte mehrmals auf den Auslöser.

Auf einmal ging alles sehr schnell. Ludwin hätte wissen müssen, dass die Männer während des Abflämmens nicht im Tunnel bleiben konnten.

»Lao hannen is anen!« Der Ruf einer rauhen Männerstimme wirkte auf Ludwin wie der Startschuss zu einem Rennen. Von einer Sekunde zur anderen lief er um sein Leben. Obwohl er mehrmals strauchelte, erreichte er nach wenigen hundert Metern den Wagen. Die Verfolger mussten erst über die Brücke und würden dann wahrscheinlich den Bahndamm entlanglaufen.

Der Peugeot sprang beim ersten Versuch an. Ludwin gab Vollgas und jagte den ersten Gang in die höchsten Touren. Auf dem nassen Bewuchs drehten die Räder immer wieder durch. In einer leichten Kurve wurde der Peugeot nach außen getragen. Nur dank der dichten Hecken, die ein Ausbrechen verhinderten, konnte er ihn auf dem Weg halten.

Endlich kam die Bahnschranke. Ludwin stürzte aus dem Auto und riss den Hebel unter der Sprechanlage herunter.

Er schaute über die Schienen zurück in Richtung Brücke. Dort war niemand zu sehen. Noch nicht. Oder kamen die Männer vom Bahndamm herunter und über den Weg? Dieser war nicht weit einzusehen.

Ludwin betätigte wieder den Hebel.

Der Lautsprecher knarzte. Die Stimme eines Mannes sagte ganz ruhig: »Nach 23 Uhr wird die Schranke nicht mehr geöffnet.«

»Aber ich muss hier durch«, schrie Ludwin.

»Erst wieder ab 5 Uhr.«

»Machen Sie bitte auf?«, flehte Ludwin. Ganz hinten auf dem Bahndamm tauchte ein pendelndes Licht auf.

»Das Bahnwärterhaus ist nicht mehr besetzt.« Die Stimme blieb gelassen.

»Aber Sie sind doch da!«

»Normalerweise ist das aber nicht der Fall.«

»Bitte machen Sie auf! Es ist ein Notfall.« Es waren inzwischen vier Lichter, die sich über die Gleise auf ihn zu bewegten.

»Das kann ja jeder sagen«, antwortete der Bahnwärter.

»Bitte. Ich werde verfolgt von Leuten, die gerade eine Straftat begangen haben.«

»Soll ich die Polizei rufen?«, fragte der Mann.

»Ja, später, machen Sie erst die Schranke auf!« Die Männer mussten die vom Scheinwerfer seines Wagens angestrahlte Schranke bemerkt haben. Das schien ihnen zusätzliche Energie zu geben.

Einen kurzen Moment überlegte Ludwin, ob er es noch bis zur Kyll schaffen könnte. Bei den regelmäßigen Schwimmbadbesuchen mit Hanni hatte er sich ordentlich Kondition antrainiert.

»Wie heißen Sie denn?«, fragte der Mann.

»Ludwin Schröther. Machen Sie um Himmels Willen auf!« Ludwin trommelte keuchend auf den Kasten mit dem Lautsprecher. »Ich komme nachher zu Ihnen.« Die Männer waren keine hundert Meter mehr entfernt. Ludwin glaubte, nasse T-Shirts und offene Westen, schweißglänzende tätowierte Arme mit dicken Muskelpaketen zu erkennen.

»Wie wird Schröther geschrieben?«, fragte die Stimme aus dem Apparat.

»Das ist doch egal«, schrie Ludwin und dehnte dabei die letzte Silbe, »sie werden mich umbringen …« Der erste der Männer verließ das Gleisbett und kämpfte sich durch das Gestrüpp, um Ludwins Flucht zu verhindern. Die anderen kamen immer näher. Es waren kaum mehr als zehn Meter.

Die Schranke ging hoch. Ludwin sprang in den Wagen, gab Vollgas. Die Räder drehten durch, der Peugeot stellte sich vorne quer. Zwei ölverschmierte Hände prallten gegen das Glas. Lange Haare klatschten an die Seitenscheibe. Ludwin drückte den Knopf der Zentralverriegelung. Durch das Glas starrten ihn rot geäderte Augen hinter einer großen Brille an. Ludwin versuchte, etwas vom Gas zu gehen ohne den Motor abzuwürgen. Dabei sah er den langen Schnurrbart, den offenen Mund, vor dem die Scheibe beschlug.

Die durchdrehenden Räder des Peugeots fanden auf einer der Gummimatten Halt. Der Wagen machte einen Satz. Ein weiterer Kerl langte mit der Hand zum Griff der Tür im Fond. Ludwin gab weiter Vollgas. Der Wagen schlitterte mit enervierend hohem Quietschen über den Bahnübergang. Die beiden Schrottis liefen nebenher und schlugen mit den Fäusten gegen das Blech. Auf der Zufahrt bekamen die Vorderräder endlich Grip und der Wagen nahm Fahrt auf. Im Rückspiegel sah Ludwin die wütend fuchtelnden Gestalten. Einer hatte die Hände in die Hüften gestemmt und den Oberkörper weit nach vorn gebeugt. Wahrscheinlich würde er gleich auf die Schienen kotzen.

Montag

Vor ihr stöckelten drei gestylte junge Frauen in den Fahrstuhl. Ohne Zweifel besuchten sie die Kosmetikschule über dem Verlagsbüro des Trierer Anzeiger. Elke, die einen vor der Tür abgestellten Packen Zeitungen der neuesten Ausgabe trug, überlegte, ob sie warten sollte, aber bis der Fahrstuhl wieder unten wäre, würden garantiert schon die nächsten davorstehen. So schob sie sich hinter den Mädchen hinein. Ein Finger mit fein ziseliertem Nagel drückte den Knopf zur 3. Etage. Elke langte zwischen den Mädchen hindurch und betätigte den darunter liegenden Knopf mit dem Gelenk ihres angewinkelten Zeigefingers, neben dem eine Zigarette steckte. Noch bevor der Fahrstuhl in Gang kam, breitete sich ein Duft aus, der Botenstoffe aussendete, über deren aphrodisierende Wirkung sich Elke heute keine Gedanken machen wollte. Bis vor ein paar Jahren hätte sie figürlich mit den jungen Dingern mithalten können und auch heute noch brauchte sie sich optisch nicht zu verstecken, sah man von diesem Montagmorgen ab. In der Nacht war es sehr spät geworden. Die Mädchen versuchten, mit den Händen den Rauch vor ihren Gesichtern wegzuwedeln und warfen missbilligende Blicke. Sobald sich die Fahrstuhltür im zweiten Stock öffnete, drängten sie sich an ihr vorbei, als müssten sie einem offenen Feuer entkommen. Elke schaute ihnen nach, als sie künstlich hüstelnd Richtung Treppe stolzierten.

Im Büro roch es nach kaltem Rauch, was ihr aus ihrer Zeit in der Gastronomie vertraut war. Während die Deckenlampen aufflackerten, wuchtete sie die Zeitungen auf ihren Schreibtisch, der nicht weit vom Eingang in der Diele stand, und fuhr den Rechner hoch. Ihr Arbeitsplatz diente als Empfang, Anzeigenannahme, Telefonzentrale, Buchhaltung und was sonst noch so anfiel. In dem Raum gab es eine Reihe Türen, aber leider kein Fenster.

Hinter der dem Schreibtisch direkt gegenüberliegenden Tür befand sich der größte Raum, Grafik genannt. Dort öffnete Elke eine der großen Fenstertüren mit Blick über die Straßenkreuzung in Richtung Fleischstraße. Um diese Zeit waren nur wenige Passanten und Lieferwagen unterwegs. Die meisten Geschäfte öffneten erst in einer Stunde.

Während sie im Vorbeigehen ein paar gelbe Blätter von dem ausladenden Ficus Benjamini pflückte, hörte sie die Eingangstür. An den Stimmen erkannte sie Hanni und Ludwin. Seit Hannis gut überstandenem Herzinfarkt vor einem halben Jahr besuchten die beiden an jedem Wochentag vor der Arbeit das Stadtbad.

Wie immer umarmte Hanni sie, wobei er sich auf die Zehen stellte, um den Größenunterschied auszugleichen. Der kleine Mann mit den stets lächelnden dunklen Knopfaugen über dem graumelierten Vollbart und der Kamera am Schulterband grinste sie wie immer gutgelaunt an. Der wesentlich größere und kaum halb so alte Ludwin sagte lediglich Hallo. Ein Lächeln versuchte er erst gar nicht. Er mochte sie, das wusste Elke, war aber weit zurückhaltender als sein väterlicher Freund. Ein wenig erinnerten die beiden sie an Pat und Patachon. Der lange Ludwin schrieb und der kleine Hanni fotografierte. Sie trabten hintereinander in die Grafik. Elke hörte, wie das Fenster geschlossen und gleich darauf ein Rechner gestartet wurde.

Im Eckbüro des Chefs öffnete sie jeweils eins der Fenster zur Johannis- und zur Kreuzung Stresemann-, Fleisch- und Brückenstraße. Auf dem protzigen Schreibtisch standen neben dem Aschenbecher eine leere Champagnerflasche und zwei benutzte Sektgläser. An einem klebte Lippenstift. Sie spülte die Gläser nebenan in der kleinen Büroküche ab. Jetzt mussten erst einmal die Anzeigenrechnungen geschrieben werden.

Der Anrufbeantworter stand auf dem halbhohen Aktenschrank hinter ihrem Schreibtisch. Sie drückte die Wiedergabetaste: drei neue Nachrichten. Bei der ersten handelte es sich um die aufgebracht vorgetragene Beschwerde eines älteren Mannes, der vier Zeitungen in seinem Briefkasten vorgefunden hatte, obwohl er in einem Einfamilienhaus mit nur einem Namen an der Klingel wohnte. Während er lamentierte, füllte sie nebenan frisches Wasser in die Kaffeemaschine. Immer noch war die nörgelnde Stimme zu hören. Er schien sich langsam in Rage zu reden, drohte, sich bei der Netzagentur und wo auch immer zu beschweren, falls die überflüssigen Exemplare nicht im Laufe der nächsten drei Tage bei ihm abgeholt würden.

»Ruf doch gleich den Papst an«, grummelte sie.

Nach einem Blick auf den Füllstand im Bohnenfach stellte sie ihre persönliche Tasse unter den Ausguss und drückte auf Große Tasse.

Das Mahlgeräusch lockte Hanni an.

»Du siehst heute wieder besonders gut aus!«, säuselte er.

»Du meinst, dafür, dass ich heute Nacht so gut wie nicht im Bett war, zuviel getrunken und geraucht habe und mir ganz viel Blödsinn anhören musste.«

»Das kann meiner Königin doch überhaupt nichts anhaben.« Hannis Dackelaugen himmelten sie an.

»Jeder andere hätte sich jetzt eine gefangen, aber bei dir, mein Lieber, werde ich das nicht tun.« Sie fuhr mit der Hand über seinen lockigen Haarkranz, der noch nicht ganz trocken war.

»Liebe Elke, lass mich wissen, wenn du wieder heiraten möchtest.«

»Suchst du mir dann einen passenden Mann?«, fragte sie.

»Ich wüsste schon einen, der dich auf Händen trägt.«

»Was meint denn deine Frau dazu, lieber Hanni?«

»Wir beide brennen durch und fangen ein neues Leben an.« Der Fotograf schloss die Augen und atmete träumerisch ein.

»Und was ist mit deinen Kindern?«, fragte Elke.

»Wir machen neue.«

»Hast du zuviel Chlor geschluckt?«

»Wir können auch ganz pragmatisch unsere, also meine Kinder nachkommen lassen. Wenn wir Fuß gefasst haben.«

»Ich habe keine«, sagte sie.

»Dann müssen uns meine zwei reichen. Die sind schon recht groß und gut erzogen.«

»Und wo sollen wir Fuß fassen?«, spann sie den Faden weiter.

»Die Sprache der Fotografie wird in der ganzen Welt verstanden. Gute Bilder werden überall gebraucht, notfalls auch mein pädagogisches Geschick.«

»Und was soll ich machen?«

»Gar nichts, du brauchst dich nur von mir lieben und verwöhnen zu lassen.«

»Für einen Montagmorgen ist das ein bisschen to much.« Sie drückte die Funktion Kleine Tasse.

»Ich wollte eine Große«, beschwerte sich Hanni.

»Kleiner Mann, kleine Tasse.« Elke ließ ihn stehen und startete von neuem die Wiedergabe am Anrufbeantworter. Nachricht zwei und drei waren von enttäuschten Lesern, die schmerzlich die Comics von Carlo Müller in den jüngsten Ausgaben des Trierer Anzeiger vermissten. Parallel zum Abhören löschte sie den Spam vom Wochenende aus ihrem Mailordner. Auch etliche Mails bezogen sich auf das Fehlen der Comics von Carlo. Diese leitete sie an Korolls persönlichen Account weiter. Er sollte wissen, was die Leser bewegte.

Zur Titelstory vom Samstag waren bereits erste Leserbriefe und erboste Reaktionen eingetroffen. Elke überflog nochmals die Schlagzeile. BENZINPREISE BEIM STAMMTISCH AUSGEKUNGELT Lokale ‚Säulenheilige‘ treffen sich regelmäßig zu illegalen Preisabsprachen.

Ludwin war dem Tipp eines anonymen Anrufers nachgegangen. In einer gut besuchten Gaststätte in der City konnte er vom Nachbartisch aus den ungenierten Gesprächen der lokalen Tankstellenbetreiber und ihrer Luxemburger Kollegen lauschen. Elke musste schmunzeln, als sie an die Diskussion zwischen Koroll und Ludwin über die Spesen dachte. Koroll wollte anfangs die Bewirtungskosten für Ludwins Freundin, die angeblich zur Tarnung mitgekommen war, partout nicht übernehmen.

Zehn Minuten später trudelte Rudi Zimmer ein. Mit einer dürren Begrüßung stapfte der massige Mann an ihrem Schreibtisch vorbei. Seine hochschwangere Ehefrau, die es angeblich nicht allein zuhause aushielt, trippelte hinter ihm her, lächelte Elke verlegen an und folgte ihm in das Vertreterbüro. Gleich darauf kam sie wieder heraus und bereitete ihrem laut am Telefon schwadronierenden Gatten eine Tasse Kaffee.

Das Telefon auf ihrem Schreibtisch klingelte. Elke nahm eine Kleinanzeige entgegen. Wenn überhaupt, kamen die wenigen privaten Anzeigen, die noch aufgegeben wurden, per Mail. Kontaktanzeigen waren ihre Spezialität. Bei der individuellen Textberatung konnte Elke zu Höchstform auflaufen. Aktuell nahm sie den Text auf für eine Anzeige zu einem Hausflohmarkt: Wohnungsauflösung.

Eine Stunde später war Elke mit den Anzeigenrechnungen durch. Neben der Tastatur lag ein Exemplar der neuesten Ausgabe des Trierer Anzeiger. Von den Beilagen hatte sie die Titelseiten abgerissen und darauf die jeweilige Stückzahl notiert, wenn es sich nicht um eine Gesamtbelegung handelte. Im Blatt selbst hatte sie mit einem dicken Filzstift die bereits berechneten Anzeigen durchgestrichen. Drei großformatige Inserate von einem Autohaus, einem Bürocenter und einem Computerfachhandel waren noch nicht markiert. Mit diesen hatte der Chef Sonderkonditionen für Sachleistungen vereinbart. So nannte er es, wenn er seine neue Büroeinrichtung, die Rechner in der Grafik oder seinen Wagen per Anzeigen finanzierte. Um die Abwicklung kümmerte er sich persönlich, weil niemand die genauen Details erfahren sollte.

Wo blieb Koroll heute überhaupt? In den seltenen Fällen, wo er montags später kam, schickte er in der Regel eine Nachricht. Es wurde langsam Zeit für die montägliche Wochenbesprechung.

Elke zündete sich eine Zigarette an und ging nebenan in die Grafik. Dort saß Hanni neben Ludwin und betrachtete ein Foto auf dem rechten Monitor. Ein älterer Mann im dunklen Anzug überreichte einer jungen Frau, deren recht kurzes Kleid ihre trainierten Beine zeigte, eine Urkunde.

»In die Gesichter bitte noch ein bisschen mehr Kontur«, bat Hanni. »Da hat mein Blitz etwas zuviel des Guten getan.«

Ludwin markierte Flächen und klickte mit der Maus. Elke studierte währenddessen die vielen kleinen Fotos auf dem linken Monitor, wahrscheinlich die Ausbeute von Hannis Wochenende. Viel Sport, aber auch Konzerte und Versammlungen waren dabei. Früher hatte Hanni die Filme noch selbst entwickelt und Abzüge gemacht. Heute war das manchmal noch Thema eines Kurses, den er im Exhaus gab, wo er im Hauptberuf als Pädagoge arbeitete.

»Prima, in Ordnung, dann wären wir durch.« Hanni schob seinen Stuhl zurück.

»Wie heißt der Typ nochmal?«, fragte Ludwin.

»Dietmar Schulze, erster Vorsitzender vom Schwimmverband, und Kerstin …«

»Die kenne ich«, unterbrach ihn Ludwin, während er in unleserlichen Schrift etwas auf den Block neben der Tastatur kritzelte.

»Wo bleibt heute eigentlich unser Herr und Meister?«, wollte Hanni wissen. Mit einer schwungvollen Bewegung trennte er die Titelseite der aktuellen Ausgabe des Trierer Anzeiger ab.

»Das frage ich mich auch«, Elke schnippte die Asche ihrer Zigarette in Ludwins Aschenbecher. Im Spiegel eines Fensters auf der gegenüberliegenden Seite sah sie den Tabakhändler seinen Laden aufschließen. Sie nahm den Schlüssel zum Briefkasten vom Bord und ging auf die Straße. Eine Gruppe Chinesen war bereits zum Karl-Marx-Haus unterwegs. Als sie in den Laden kam, schob ihr der Mann hinter der Theke wie jeden Morgen die Tageszeitung entgegen. Sie kaufte noch ein Päckchen Zigarettenblättchen.

Die Sonne hatte schon die letzten Pfützen des leichten Regens der Nacht getrocknet. Heute würde es wohl wieder so heiß wie in den Tagen zuvor werden. Am Hauseingang nahm Elke die Post vom Samstag aus dem Briefkasten mit dem Aufkleber des Trierer Anzeiger. Ein noch größerer prangte oben auf der Eingangstür. Die Werbebriefe landeten gleich in einer der Blauen Tonnen im Flur. Diesmal benutzte sie die Treppe. Oben war sie leicht außer Atem. Es könnte nicht schaden, wenn sie ihren Zigarettenkonsum etwas einschränken würde.

Ludwin und Hanni hatten ihre Stühle vor die beiden geöffneten Fenster mit Blick zur Fußgängerzone und auf den Heuschreckbrunnen geschoben. Hanni schaute auf das Display einer kleinen Kamera.

»Die Qualität der bildlichen Darstellung spielte bei manchen Ereignissen keine besondere Rolle«, dozierte er »ganz im Gegenteil! Das Turiner Grabtuch ist für mich ein klassisches Beispiel dafür. Unvorstellbar, dass in dem Tuch, in das Jesus angeblich nach der Kreuzigung eingehüllt war, ein scharfes Gesichtsporträt zu erkennen wäre.«

»Warst du schon da?«, fragte Elke.

»Wo?« Hanni schaute von dem Foto auf.

»In Turin?«

»Nee, warum? Ach so.« Hanni wendete sich wieder an Ludwin. »Der Mythos wäre nie entstanden ohne das Geheimnisvolle, das Raum für die ganz persönliche Vorstellung des Betrachters lässt.«

Ludwin nickte.

»Ähnlich verhält es sich auch heute noch bei Ereignissen, die unter lebensbedrohlichen Bedingungen aufgenommen wurden«, fuhr Hanni fort. Er tippte auf die Kamera. »Die Fotos dienen lediglich als Beweis für das, was beschrieben wurde. Da ist es nicht wichtig, Autonummern oder Gesichter zu erkennen. Viel wichtiger ist es, die Atmosphäre von dem zu spüren, was sich abgespielt hat.«

»Du meinst«, sagte Ludwin, »dass ich diese verwackelten, unterbelichteten, schiefen und nicht einmal richtig scharfen Fotos verwenden soll?«

»Genau, gerade die qualitative Unzulänglichkeit strahlt eine besondere Authentizität aus.« Hanni nickte nachdrücklich.

»Am besten schreibt ihr das dazu, damit die Leser es auch verstehen«, lästerte Elke »lasst mich mal sehen, was ihr da versucht schönzureden.«

»Das soll unser aufstrebender Stern am Journalistenhimmel selbst entscheiden.« Hanni reichte Ludwin die kleine Kamera zurück, die dieser einen Ticken zu schnell in die Tasche seines Kapuzenpullis steckte.

Da war also wieder was im Gange, dachte sie. Wie sollte es auch anders sein? Seit Monaten brachte Ludwin immer wieder das ein oder andere brisante Thema ins Blatt. Sie hatte ihr Missfallen darüber geäußert. Seither zog Ludwin sie nicht mehr ins Vertrauen, wenn er an einer seiner sogenannten Enthüllungsstories arbeitete. Solange der Chef die Aufmerksamkeit gut fand, die das Blatt seither erfuhr, hatte Ludwin freie Hand.

Elke ließ ihren Blick über die Rahmen an der Wand schweifen, in denen die Titel von besonderen Ausgaben hingen. Früher hatte meist das große Titelfoto darüber entschieden, was gerahmt wurde. Nun waren dort fast nur noch Ludwins Storys der letzten Monate zu sehen.

Die Morgensonne ließ die beiden am Fenster blinzeln, als sie ihre Teile der aktuellen Tageszeitung entgegennahmen: Ludwin die Lokalnachrichten, Hanni den Sportteil. Sie selbst suchte in den Kulturnachrichten nach einem Bericht von der Premiere im Stadttheater. Vergeblich, der Artikel würde wohl erst morgen erscheinen.

»Ich würde mich nicht wundern, wenn der Chef irgendwo versackt wäre«, meinte Ludwin, »waren nicht gestern die Verhandlungen mit Nordau?«

»Sei froh, dass er noch nicht da ist«, meinte Elke, »auf seine geliebte Fastnachtsausgabe wird er nie und nimmer verzichten.« Sie deutete auf den Rahmen, in dem bis vor ein paar Minuten noch das Bild der von Korolls Geld gesponserter Tribüne voller feiernder Karnevalisten zu sehen war.

»Die Story hat es in sich, ich weiß, wovon ich rede.« Mit ernster Miene hob Hanni einen Zeigefinger in die Höhe. »Das würde sich kein Kollege von der Tageszeitung trauen! Abgesehen davon, dass sie gar nicht die Zeit hätten, so was zu recherchieren.«

»Oder geflissentlich ignorieren«, ergänzte Ludwin.

Ludwin war gestern Abend nicht im Theater gewesen. Da war sich Elke sicher. Hanni hatte die Bilder von der Generalprobe. Sie fragte sich, wie Ludwin an die Informationen