Demenz – Land des Vergessens - Rita Lamm - E-Book

Demenz – Land des Vergessens E-Book

Rita Lamm

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Beschreibung

Erhält ein Familienmitglied, eine Freundin oder ein Bekannter die Diagnose Demenz, ruft das oft eine große Verunsicherung hervor. Sofort tauchen Fragen auf wie "Wie muss ich mich verhalten?" und "Ist von nun an alles anders als vorher?". Auf einfühlsame Weise nimmt Rita Lamm, erfahrene Krankenschwester und Tochter eines an Demenz erkrankten Vaters, die Leser:innen an die Hand und begleitet sie in das "Land des Vergessens". Sie erzählt kurze Geschichten aus dem Alltag und gibt Tipps für die Kommunikation und Pflege – ohne das Wichtigste aus dem Blick zu verlieren: die menschliche Begegnung. Auf diese Weise lösen sich Berührungsängste auf und die Unsicherheit schwindet. Eine bereichernde Lektüre für alle, die mit Menschen mit Demenz zu tun haben

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Seitenzahl: 123

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Demenz – Land des Vergessens

©

Marc Doradzillo

Rita Lamm, geb. 1966, ist Krankenschwester, Erlebnispädagogin, Mediatorin und Autorin. Seit 2017 betreut sie Menschen mit Demenz in verschiedenen Einrichtungen. Sie begleitete über viele Jahre ihren an Demenz erkrankten Vater.

Rita Lamm

Demenz – Land des Vergessens

Ein literarischer Erfahrungsbericht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Informationen zu unserem gesamten Programm, unseren Autor:innen und zum Verlag finden Sie unter: www.mabuse-verlag.de.

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Projektkoordination: Simone Holz, Pisa,www.lektorat-redazione-holz.eu/

Korrektorat: Inga Westerteicher, Bielefeld

Satz und Gestaltung: Björn Bordon/MetaLexis, Niedernhausen

Umschlagabbildung: © istockfoto.com/Jorm Sangsorn

Bildbearbeitung: Marion Ullrich, Frankfurt am Main

ISBN: 978-3-86321-650-4

eISBN: 978-3-86321-677-1

Alle Rechte vorbehalten

Inhalt

Kapitel 1: Reisevorbereitungen

Dieses Buch möchte eine Einladung sein

Woher ich die Erfahrung habe, um dieses Buch zu schreiben?

Kein klassischer Ratgeber

Was man so denkt, über Menschen mit Demenz

Die tickt halt nicht mehr richtig!

Mit einer Demenz kann man …

Eine Reise in ein unbekanntes Land, das vielleicht gar nicht so weit weg ist

Bringen Sie Zeit mit!

Ein offenes Herz …

Empathie

Der Ton …

Kapitel 2: Reisegedanken und -geschichten

Auf eine Art bin ich frei!

Zeitreisende

Halt suchen

Tagtäglich Notizen machen

Die Traumwandelnden

Was für eine Frage

Inselhopping!

Gefühl und Verstand

Ungefilterte Gefühle

Tradition, Rituale und Körperlichkeit

Das Amen in der Kirche! Glaube

… Music was my first love. And it will be my last …

Ein Apfel und ein Messer

Erst mal eine rauchen!

Zu Tisch bitten, aber wie?

Gleiche Augenhöhe

Wie es wohl ist

Herausforderndes Verhalten

Zeit, heimzugehen

Toilettengang – Ein großes Thema

Menschen mit Demenz im Krankenhaus

Boxen, schlagen gilt nicht

Was tun im Moment? Stopp!

Pflegestress

Das wäre eine Revolution und eigentlich nur human

Ganz im Hier und Jetzt

Gemeinsam den Moment genießen oder die Kunst des Seins

Gemeinsames Schweigen …

Aktion! Gemeinsam handeln!

Pflege mit einer Hand in der Hosentasche

Positiv verstärken, Vertrauen geben

Im Gespräch flanieren …

Gemeinschaft spüren … Sich im Pool bewegen

Der erste Kontakt oder Ich fühle mich gut an

Wie mag es wohl sein?

Zu kalt, zu heiß, zu laut …

Achtsam sein

Austausch im Team

Du, bloß kein Du! Professionelle Distanz

Ich als Pflegeperson …

Validation

Identität stärken – Ein kleines Beispiel

Die Fassade halten

Hin- und weg… hingehen

Hin- und weggehen

Angst und eine schreckliche Situation

„Ich geh dann mal“ – Situative Übergänge

Ich werde gebraucht

Sinnhaftigkeit

Routine … Sicheres Terrain, Müdemacher …

Feinstofflich unterwegs

Ich spüre, was dich bewegt

Resonanz, Stimmungen sind ansteckend!

Ein Ausflug mit Heimfahrservice

Ausgebrannt und alleingelassen

Was für eine Gesellschaft …

Kapitel 3: Reisetipps für Angehörige

Was Angehörige fühlen

Aufbruch … Übergang und Abschied

Das Tor zur Demenz oder von allem was!

Hadern

Wut und Verzweiflung

Ein großer Wirrwarr im Kopf und in der Seele

Der Neurologe, die Schulmedizin an der Seite

Die Depression

Hochintelligent und jetzt so was

Eine Demenz ist kein Beinbruch!

Eine Demenz ist ein Lebensabschnitt!

Ein Blick zurück in die Geschichte

Und meine Generation …

Wechselnde Rollen

Alte Konflikte brechen auf

Wer soll das bezahlen? Pflegegrade, Anträge, Hilfsmittel, Pflegekasse, Gelder, Leistungen

Trauer in Raten und/oder Annehmen

Was füllt mein Herz, was nährt meine Seele? Selbstpflege

Keine Nerven mehr

Es kann sein …

Netze flechten und sich Hilfe holen

Sozialstation/Ambulante Pflegedienste

Noch ein Wort zu den Pflegediensten

Mach mal Pause

Stundenweise Betreuung zu Hause

Betreuungsangebote außer Haus

Tagespflege

Kurzzeitpflege

Der Weg ins Heim

Heime und ihr Ruf

Von Bayern nach Berlin

Mehr als frische Wäsche

Beim Besuch im Pflegeheim – Ein Horrorszenario

Besuch im Pflegeheim und wieder gehen

Zwischen den Welten

Du

Wo ist daheim?

Weit weg von dir in Erinnerungen

Die Hände meines Vaters

Isolation

Neue Kontakte

Loslassen

Begleiten, begleiten, begleiten auf vielerlei Art!

Das große Warum …

Annehmen

Vielleicht schließt sich ein Kreis …

Die Sache mit dem endgültigen Abschied

Sie feierten das Leben und den Tod

Der rote Milan

Schlusswort und Ausblick

Wünsche

Kapitel 1: Reisevorbereitungen

Dieses Buch möchte eine Einladung sein

Dieses Buch, das Sie vielleicht gerade in einer Buchhandlung in die Hand genommen haben, möchte eine Einladung sein. Vielleicht kennen Sie jemanden mit Demenz, vielleicht ist in Ihrer Familie, in Ihrem Freundeskreis jemand, der die Diagnose Demenz gestellt bekommen hat, und Sie denken mit gemischten Gefühlen an diesen Menschen und an Ihre Beziehung, an die Zukunft.

Sie fragen sich:

Wie soll ich damit umgehen?

Wie wird es sein, sich immer wieder mit diesem Wissen und der sich verändernden Situation zu begegnen?

Wie gehe ich mit der Ehefrau meines besten Freundes um?

Wie werden die vertrauten gemeinsamen Unternehmungen sich verändern? Sind sie überhaupt noch möglich?

Was kommt da auf uns alle zu?

In Deutschland gibt es zurzeit mehr als 1,6 Millionen Menschen mit Demenz. Laut Bundesgesundheitsministerium erkrankt weltweit alle drei Sekunden ein Mensch an Demenz. So ist es nicht verwunderlich, dass auch Sie früher oder später mit dieser Art von Sein in Berührung kommen. Mit diesem Buch möchte ich Sie mitnehmen und auf einem besonderen Weg begleiten. Es ist ein Weg in eine Welt, die viele fürchten und vielen ein großes Unbehagen bereitet.

Er ist voller Hindernisse und bringt uns in Situationen, die man nicht unbedingt erleben möchte. Aber wie auf jedem Weg gibt es auch positive Erlebnisse, wie auf jeder Wanderung gibt es auch schöne Aussichten und sonnige und bereichernde Erfahrungen.

Das Thema Demenz ist ein Lebensbereich, mit dem man eher nichts zu tun haben möchte. Aber vielleicht gelingt es Ihnen, eine andere Herangehensweise zu finden. Vielleicht gelingt es Ihnen, mehr zu erfahren über das Wesen der Begegnung zweier Menschen unter diesem Himmel, über das Lachen und das Weinen, das Zusammensein irgendwo zwischen Himmel und Erde. Ich möchte Ihnen von unvergesslichen Momenten erzählen, die sehr berührend waren, und von Begegnungen großer Intensität und Nähe.

Woher ich die Erfahrung habe, um dieses Buch zu schreiben?

Ich war und bin nah dran an dem Thema und ich kann aus einem reichen Fundus von alltäglichen und praxisnahen Erfahrungen schöpfen.

Ich kann aus der Perspektive der betroffenen An- und Zugehörigen erzählen.

Mein Vater litt fast zwölf Jahre lang an einer SAE; eine degenerative Hirnerkrankung, bei der kleinste Blutgefäße „verkalken“ und viele Fähigkeiten zunehmend verloren gehen. Ich begleitete ihn viele Jahre, vom Beginn der Erkrankung mit psychischen Leiden wie Depressionen, Ängsten, Wahnvorstellungen bis hin zu dem sogenannten Immigrieren (dem In-sich-Zurückziehen) und den endlosen Tagen und Nächten allein in einem Zimmer im Pflegeheim. Als er im Sterben lag, saßen meine Familie und ich eine Woche lang an seinem Bett und waren schließlich um ihn, als er starb.

Mehrere Jahre arbeitete ich als Pflegefachkraft in einer Wohngruppe für Menschen mit Demenz. In dieser intensiven Zeit bekam ich vermutlich nur den Hauch einer Ahnung, wie Menschen mit Demenz sich selbst und andere erleben. Viele der Personen, von denen ich erzählen werde, sind inzwischen verstorben.

Die Zeit, in der ich in der Demenz-WG arbeitete, war für mich eine neue besondere berufliche Herausforderung, aber auch eine neue zwischenmenschliche Erfahrung. Durch die professionelle Sicht auf die Themen Demenz und Altern erfuhr ich einen Perspektivwechsel, der mir sehr half, mit der Erkrankung meines Vaters besser klarzukommen. Es wurde mir möglich, ihn viel mehr so zu lassen, wie er war, ihn da zu lassen, wo er war. Irgendwo zwischen den Welten. Ich konnte seine Situation, seine Form des Seins und das, was es mit uns als Familie machte, viel besser akzeptieren, ja annehmen.

Auf meinen Touren von Haus zu Haus in der häuslichen oder auch ambulanten Pflege sah ich, wie viel Angehörige leisten und wie ihre Liebe, ihre Bereitschaft, sich für die Betroffenen aufzuopfern, sie manchmal langsam und stetig auslaugte. Ich sah, wie sie jede Stunde, Tag und Nacht, rund um die Uhr, über Jahre für ihre Liebsten da waren. Gemeinsam suchten wir nach Wegen, um den Alltag zu gestalten und Freiräume und Erholungsphasen zu schaffen für die Pflegenden. Gemeinsam überlegten wir, wie wir die Möbel umstellen konnten, um Stürze zu vermeiden, um das Zuhause den veränderten Fähigkeiten der Person mit Demenz anzupassen, damit sie länger zu Hause leben konnten und nicht ins Heim mussten.

Alt sein und alt werden, gebrechlich werden, ist, obwohl wir in einer stark alternden Gesellschaft leben, noch immer ein Tabubereich. Wenn es überhaupt geht, möchte ich den Betroffenen eine Stimme geben. All diesen Menschen, die in Seniorenheimen, Pflegeheimen, Seniorenresidenzen, Altenheimen oder wie die Verwahrungsorte für unsere Eltern und alternden Verwandten noch genannt werden, leben, die sich verloren und alleingelassen und unverstanden fühlen.

Kein klassischer Ratgeber

Dieses Buch soll kein „typischer Ratgeber“ mit Regeln von eins bis zehn sein: Wenn dies ist, tue dies usw. Es soll ein Türöffner sein, ein Schlüssel zum Herzen, zum eigenen und zu dem des Gegenübers. Wenn es gelingen würde, die Tür auch nur einen Spalt breit zu öffnen, wäre ich schon sehr froh.

Ich möchte nicht alles, was mit dem Thema Demenz und Alter zu tun hat, schönreden und bunt anmalen. Es soll auch keine Gefühlsduselei sein, wenn ich von berührenden Momenten spreche oder von bewegenden Erlebnissen. Demenz hat so viele Facetten! Ich möchte keine akademische Arbeit verfassen, Menschen mit Demenz darstellen oder gar klassifizieren und die verschiedenen Formen beschreiben. Dies ist in ihrer Vielfältigkeit und durch die persönlichen Schicksale gar nicht möglich.

Viele Seiten des Buches erzählen kleine Geschichten und Gedanken, die sich bildreich aneinanderreihen und mit Leich tigkeit gelesen werden können. So kann aus einzelnen Momenten und Begebenheiten ein Gesamtbild, ein Mosaik zusammenwachsen, und man kann sich in vielem wiederfinden. Mein Wunsch wäre es, dass Sie sich etwas verstanden, getröstet und gestärkt fühlen.

Auch möchte ich über meine Kolleg:innen, also Pflegende, Alltagsbetreuer:innen, Altenpfleger:innen, Gesundheits- und Krankenpfleger:innen sprechen, von deren besonderer Situation, ihrer „emotionalen“ Leistung und ihrem manchmal fast übermenschlichen Beitrag für eine wärmere und herzlichere Atmosphäre in Senioreneinrichtungen. Ich hoffe, dass auch sie sich hier gesehen und verstanden fühlen und sich wertvolle Tipps holen können.

Ich möchte in diesem Buch den An- und Zugehörigen einen großen Raum geben, über ihre manchmal übermächtigen Gefühle sprechen, Dinge benennen, die so mancher im stillen Kämmerlein mit sich ausmacht oder kaum aushält.

Ich möchte ihnen Hinweise geben, wo und wie man sich wertvolle Hilfe und Unterstützung holen kann.

Was man so denkt, über Menschen mit Demenz

In unserer Gesellschaft, die ihren Fokus auf Leistung, äußerlich sichtbare Werte, Gewinnmaximierung gesetzt hat, passen Menschen mit Demenz nicht in das Alltagsgeschehen, nicht ins Bild. Ja, sie scheinen wie eine große Zumutung, wie eine unfassbare Herausforderung. Menschen mit Demenz stören. Man versteht sie nicht. Sie sind wie Sand im Getriebe. Sie scheinen wie eine unheilvolle Bedrohung und wie eine Mahnung, die man nicht hören will. Sie bringen uns mit etwas in Kontakt, sie sprechen etwas in uns an, das wir nicht gebrauchen können, mit dem wir uns nicht auseinandersetzen wollen.

Wir wollen geistig fit sein, wir wollen alles verstehen und organisieren können, unser eigenes Leben regeln können. Die Veränderungen unserer Zeit erfassen und adäquat agieren und reagieren können. Wir wollen auf der (geistigen/mentalen) Höhe sein. So leben, dass wir alles gestalten können. So leben, dass wir auch neue Ideen und Aufgaben oder Herausforderungen unserer Zeit locker erfassen und verstehen können. Wir wollen up to date sein.

Menschen mit Demenz zeigen uns, wie es ist, nicht mehr zu funktionieren. Menschen mit Demenz sind die Verräter:innen unserer Errungenschaften, sie sind die, die sich eine Flucht erlauben, aus den Normen ausbrechen, die sie uns womöglich selbst ein Leben lang eingebläut haben.

Sie sind die, die flüchten, aus festen Strukturen, aus dem Status, alles zu wissen und zu können, aus dem Bild, alle Aufgaben unseres Lebens bewältigen zu können, auf alle Fragen eine Antwort zu haben. Sie sind die Gesellschaftsflüchtigen. Sie sind die, die uns verlassen, ganz still und heimlich oder laut und vehement, mit Geschrei und Flüchen Tag für Tag, Nacht für Nacht, über die Jahre …

Dabei gibt es doch den Spruch: „Keiner verlässt den Saal!“ Der Vater war doch immer verlässlich, er hat mich Treue und Pflichtbewusstsein und Korrektheit gelehrt. Auf ihn war ein Leben lang Verlass, er war seriös und souverän, und jetzt weiß er nicht mal mehr, wie ich und meine Geschwister heißen, wie seine Frau heißt und dass er in der Kronengasse 4 wohnt und von Beruf Doktor der Physik war. Jetzt ist er der, der den halben Tag auf einem Stuhl sitzt und ein Loch in die Luft starrt oder aus dem Haus rennt, weil er dringend zu seiner Mutter muss, die schon dreißig Jahre tot ist. Das darf doch nicht wahr sein, unfassbar!

Mit einem Mal tut mein Vater dies, erlaubt sich etwas, was ich mir nie erlauben würde! Einfach in den Garten zu gehen und in eine Ecke zu pinkeln, um sich zu schlagen oder seine Frau als eine Schlampe zu bezeichnen, immer wieder. Mit einem Mal erlaubt er sich, deutlich seine Gefühle, Ablehnung zu zeigen oder bodenlos unfreundlich und unhöflich zu sein. Mein Gott! Das darf doch nicht wahr sein!

Die tickt halt nicht mehr richtig!

Eine Aussage über eine Dame in einem Pflegeheim. Ich habe sie gehört, als die Tochter ihre Mutter besuchte und eine Mitbewohnerin über den Flur ging. Sie kannte die Dame nur vom Sehen. Aber berechtigt es sie, diese Person so zu beurteilen? Wie wenig Respekt und Würde wird doch einer anderen Person zugesprochen, von der jemand sagt: „Die tickt halt nicht mehr richtig.“

Wer möchte schon, dass so etwas über einen selbst gesagt wird? So etwas würde doch jeden ins Mark treffen. Und wenn man noch nicht einmal die Möglichkeit hätte, etwas zu entgegnen oder sich zu wehren?

Oder, was ich noch gehört habe: „Ob er überhaupt noch was mitbekommt? Ist halt die Frage!“

Das war eine Spekulation über meinen Vater, als er bettlägerig war und nicht mehr sprach. Man muss davon ausgehen, dass jeder Mensch und jedes Wesen immer „alles“ mitbekommt.

Oder eine andere Bemerkung: „Er hat einen schlechten Tag!“ Wie kann jemand, der nur zweimal im Jahr zu Besuch kommt, behaupten, der Vater hätte einen schlechten Tag? Was ist denn mit all den anderen Tagen?

Oder eine Nachbarin meines Vaters, die sagte: „Ich kann ja eh nicht mit ihm sprechen, dann muss ich ihn ja auch nicht besuchen.“ Oder: „Es ist doch gut, dass dein Vater gestorben ist, er hatte ja eh nichts mehr vom Leben!“

Wer entscheidet denn, welches Leben lebenswert ist? Wer entscheidet denn, wie viel jemand „vom Leben hat“?

Solche Äußerungen erinnern mich an finstere Zeiten. Ich finde sie einfach nur vernichtend, respekt- und würdelos.

Mit einer Demenz kann man …