Demenzdiagnostik - Mark Stemmler - E-Book

Demenzdiagnostik E-Book

Mark Stemmler

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Beschreibung

Die Prävalenz der an Demenz erkrankten Personen in Deutschland und weltweit steigt rasant an. Gleichzeitig gehört die Demenzforschung zu einem der aktivsten Felder der Medizin und Psychologie. Der vorliegende Band gibt in diesem sich rasant entwickelnden Umfeld eine Orientierung über die Ursachen, Ätiologie, Prävention und Diagnostik von demenziellen Erkrankungen. Dabei beleuchten die Autoren die Demenzdiagnostik im interdisziplinären Kontext: Medizinische und neuropsychologische Methoden werden nicht als konkurrierende, sondern als komplementäre Methoden angesehen. Eingangs wird ein Überblick über relevante Aspekte des psychodiagnostischen Vorgehens im Anwendungsfeld der Demenzdiagnostik gegeben. In den folgenden Abschnitten werden demenzielle Erkrankungen und deren diagnostische Kriterien dargestellt sowie deren Ätiologie, Pathophysiologie und Erscheinungsbild erläutert. Anhand ausgewählter Studien und Metaanalysen wird anschließend das Potenzial veränderbarer Risikofaktoren skizziert. Nach einem Überblick über medizinische Untersuchungen und bildgebende Verfahren in der Demenzdiagnostik werden schließlich die wichtigsten testpsychologischen Verfahren vorgestellt. Hierzu gehören kognitive Kurztests und Screeningverfahren, neuropsychologische Testbatterien sowie Ratingverfahren und Beurteilungsbögen. Fallbeispiele aus der Praxis runden den Band ab.

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Mark Stemmler

Johannes Kornhuber

Demenzdiagnostik

Kompendien Psychologische Diagnostik

Band 16

Demenzdiagnostik

Prof. Dr. Mark Stemmler, Prof. Dr. Johannes Kornhuber

Herausgeber der Reihe:

Prof. Dr. Franz Petermann, Prof. Dr. Heinz Holling

Prof. Dr. Mark Stemmler, geb. 1960. 1982–1989 Studium der Psychologie an der Technischen Universität Berlin. 1993 Promotion an der Pennsylvania State University, USA. 2002 Habilitation an der Universität Erlangen-Nürnberg. 2007–2011 Professor für Psychologische Methodenlehre und Qualitätssicherung an der Universität Bielefeld. Seit 2011 Leiter des Lehrstuhls für Psychologische Diagnostik, Methodenlehre und Rechtspsychologie am Institut für Psychologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

Prof. Dr. Johannes Kornhuber, geb. 1959. 1978–1984 Studium der Medizin an der Universität Ulm. 1985 Promotion. 1984–1986 Assistenzarzt im Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Abteilung Neurologie und Psychiatrie. Von 1986–1996 an der Psychiatrischen Universitätsklinik Würzburg tätig. 1992 Habilitation. 1997–2000 Leiter des Schwerpunktes Gerontopsychiatrie an der Universität Göttingen. Seit 2000 Leiter der Psychiatrischen und Psychotherapeutischen Universitätsklinik Erlangen.

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG

Merkelstraße 3

37085 Göttingen

Deutschland

Tel. +49 551 999 50 0

Fax +49 551 999 50 111

[email protected]

www.hogrefe.de

Satz: Matthias Lenke, Weimar

Format: EPUB

1. Auflage 2018

© 2018 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-2760-7; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-2760-8)

ISBN 978-3-8017-2760-4

http://doi.org/10.1026/02760-000

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Anmerkung:

Sofern der Printausgabe eine CD-ROM beigefügt ist, sind die Materialien/Arbeitsblätter, die sich darauf befinden, bereits Bestandteil dieses E-Books.

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|5|Vorwort der Herausgeber

Die Methoden der Psychologischen Diagnostik dienen der Erhebung und Aufbereitung von Informationen, um begründete Entscheidungen zu treffen. Heute bietet die Psychologische Diagnostik ein großes Spektrum an Erhebungsverfahren, das von systematischen Ansätzen zur Befragung und Beobachtung bis zum Einsatz psychometrischer Tests und physiologischer Methoden reicht. Immer schwieriger wird die gezielte Auswahl geeigneter Verfahren und die Kombination verschiedener Ansätze im Rahmen einer ökonomischen Diagnosestrategie.

Unsere Buchreihe möchte aktuelles Wissen über diagnostische Verfahren und Prozeduren zur Weiterentwicklung der Psychologischen Diagnostik zusammenstellen. Wir als Herausgeber der Buchreihe erwarten, dass zukünftig die Kompetenzen der Psychologischen Diagnostik verstärkt nachgefragt werden. Es handelt sich hierbei um Basiskompetenzen psychologischen Handelns, denen in den letzten beiden Jahrzehnten im deutschen Sprachraum vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Zukünftig sollten Problemanalysen und Problemlösungen noch stärker auf dieses gut fundierte Fachwissen der Psychologie zurückgreifen.

Die einzelnen Bände dieser Reihe konzentrieren sich jeweils auf spezifische psychologische Themengebiete wie zum Beispiel Rechenstörungen oder aggressives Verhalten. Durch diese Spezifikation können diagnostische Fragen im Rahmen der einzelnen Themen intensiver als in der Standardliteratur abgehandelt werden. Zudem kann eine engere Verbindung zwischen theoretischen Grundlagen und den diagnostischen Fragestellungen erfolgen.

Diese Reihe möchte dem Praktiker eine Orientierung und Vorgehensweisen vermitteln, um in der Praxis eine optimale Diagnosestrategie zu entwickeln. Kurzgefasste Übersichten über die aktuellen Trends, praxisnahe Verfahrensbeschreibungen und Fallbeispiele erleichtern auf verschiedenen Ebenen den Zugang zum Thema. Ziel der Reihe ist es somit, die diagnostische Kompetenz im Alltag zu erhöhen. Dies bedeutet vor allem

diagnostische Entscheidungen zu verbessern,

Interventionsplanungen besser zu begründen und

in allen Phasen der Informationsgewinnung die Praxiskontrolle zu optimieren.

|6|Unser Anspruch besteht darin, bestehende Routinen der Psychologischen Diagnostik kritisch zu durchleuchten, Bewährtes zu festigen und neue Wege der Diagnostik, zum Beispiel im Rahmen computerunterstützter Vorgehensweisen und neuerer testtheoretischer Ansätze, zu etablieren.

Mit unserer Buchreihe möchten wir schrittweise und systematisch verschiedene Anwendungsbereiche der Psychologischen Diagnostik bearbeiten. Pro Jahr sollen zwei Bände publiziert werden, wobei jeder Band etwa 120 bis 180 Druckseiten haben soll.

Folgende Bände sind in Vorbereitung:

Familienrechtliche Diagnostik

Diagnostik von Traumafolgestörungen

Diagnostik für Führungspositionen

Wir wünschen uns hierzu einen intensiven Austausch mit unseren Lesern.

Bremen und Münster, im Dezember 2017

Franz Petermann und

Heinz Holling

Inhaltsverzeichnis

Vorwort der Herausgeber

Vorwort der Autoren

1 Demenz und Aspekte des psychodiagnostischen Vorgehens

2 Demenzielle Erkrankungen und deren diagnostische Kriterien

2.1 Allgemeines Demenzsyndrom

2.2 Spezifische Demenzformen

2.3 Leichte Kognitive Störung bzw. Mild Cognitive Impairment (MCI)

3 Ätiologie und Pathophysiologie

3.1 Aβ und Tau

3.2 Genetik

3.3 Genetische Tests

3.4 Gen-Umwelt-Interaktion

4 Zum Erscheinungsbild der Demenz

4.1 Krankheitsverlauf

4.2 Alter

4.3 Demenz ist keine unvermeidbare Konsequenz des Alterns

4.4 Sinkende Zahl an Neuerkrankungen

5 Prävention

5.1 Ernährung

5.2 Körperliche Aktivität

5.3 Schlaf

5.4 Feinstaub

5.5 Höhere Funktionen

5.6 Multimodale Therapien

6 Medizinische Untersuchungen

6.1 Diagnostische Manuale

6.2 Wichtige Konzepte

6.2.1 Biomarker

6.2.2 Alzheimer-Krankheit vs. Alzheimer-Demenz

6.2.3 Stadien der Alzheimer-Krankheit

6.2.4 Kaskadenmodell

6.2.5 Positivdiagnostik

6.3 Klinische Untersuchung

6.4 Strukturelle zerebrale Bildgebung

6.5 Funktionelle zerebrale Bildgebung

6.6 Liquor-Biomarker

6.7 Genetische Marker

6.8 Multimodale Diagnostik

7 Bildgebende Verfahren in der Demenzdiagnostik

7.1 Röntgen-Computertomografie (CT)

7.1.1 Historie

7.1.2 Funktionsweise

7.1.3 Typische Bauform – Entwicklungsschritte

7.1.4 Ablauf der Untersuchung und typische CT-Bilder

7.2 Magnetresonanz-Tomografie (MRT)

7.2.1 Historie

7.2.2 Funktionsweise

7.2.3 Typische Bauform – Entwicklungsschritte

7.2.4 Ablauf der Untersuchung und typische MRT-Bilder

7.3 Nuklearmedizinische Bildgebung: SPECT und PET

7.3.1 Historie

7.3.2 Funktionsweise

7.3.3 Typische Bauform – Entwicklungsschritte

7.3.4 Ablauf der Untersuchung und typische Bilder

7.4 Hybridsysteme: PET/CT, PET/MR

8 Psychologische Diagnostik

8.1 Kognitive Kurztests oder Screeningverfahren

8.1.1 Bamberger Demenz Screening Test (BDST)

8.1.2 Clock Drawing Test (CDT) bzw. Uhren-Test

8.1.3 Demenz-Detektion (DemTect)

8.1.4 Mini-Mental State Examination (MMSE) bzw. Mini-Mental-Status-Test (MMST)

8.1.5 Montreal Cognitive Assessment (MoCA)

8.1.6 Parkinson Neuropsychometric Dementia Assessment (PANDA)

8.1.7 Test zur Früherkennung von Demenzen mit Depressionsabgrenzung (TFDD)

8.2 Neuropsychologische Testbatterien

8.2.1 Alzheimer’s Disease Assessment Scale – Cognitive (ADAS-Cog)

8.2.2 The Consortium to Establish a Registry for Alzheimer’s Disease (CERAD-NP)

8.2.3 Neuropsychological Assessment Battery (NAB)

8.2.4 Strukturiertes Interview für die Diagnose einer Demenz vom Alzheimer Typ, Multiinfarkt- (oder vaskulären) Demenz und Demenzen anderer Ätiologie nach DSM-III-R, DSM-IV und ICD-10 (SIDAM)

8.2.5 Der Syndrom-Kurztest (SKT)

8.2.6 Verbaler Lern- und Merkfähigkeitstest (VLMT)

8.2.7 Wechsler Memory Scale® – Fourth Edition (WMS-IV)

8.3 Ratingverfahren bzw. Beurteilungsbögen

8.3.1 Clinical Dementia Rating (CDR)

8.3.2 Global Deterioration Scale (GDS)

8.4 Skalen zur Erfassung von Alltagsaktivitäten sowie funktions- und bereichsübergreifende Skalen

8.4.1 Bayer ADL-Skala (B-ADL)

8.4.2 Direct Assessment of Functional Status (DAFS)

8.4.3 Erlangen Test of Activities of Daily Living in Persons with Mild Dementia or Mild Cognitive Impairment (ETAM)

8.4.4 Nürnberger-Alters-Beobachtungs-Skala (NAB) und Nürnberger-Alters-Alltagsaktivitäten-Skala (NAA)

8.4.5 Nurses’ Observation Scale for Geriatric Patients (NOSGER)

8.5 Skalen zur Erfassung psychopathologischer Symptome

8.5.1 Alzheimer’s Disease Assessment Scale – Non-Cognitive (ADAS-Noncog)

8.5.2 Behavioral Pathology in Alzheimer’s Disease Rating Scale (BEHAVE-AD)

8.5.3 Geriatric Depression Scale (GDS)

8.5.4 The Neuropsychiatric Inventory (NPI)

8.6 Weitere Verfahren zur Untersuchung spezifischer kognitiver Symptombereiche in kurzer Darstellung

8.6.1 Lernen und Gedächtnis

8.6.2 Aufmerksamkeit

8.6.3 Visuokonstruktion und visuelles Gedächtnis

8.6.4 Exekutivfunktionen

8.6.5 Sprache

8.6.6 Weitere Screeningverfahren

8.6.7 Weitere Ratingverfahren

8.7 Computergestützte Erfassung von kognitiven Leistungseinschränkungen

8.7.1 Das Test-Set Cognitive Functions Dementia (CFD)

8.7.2 Die elektronische Form des SKT nach Erzigkeit (eSKT)

8.7.3 Electronic Montreal Cognitive Assessment (eMoCA)

9 Fallbeispiele

9.1 Patientin 1: Präklinisches Stadium der Alzheimer-Krankheit

9.2 Patientin 2: Leichte kognitive Störung

9.3 Patientin 3: Depressive Störung – Pseudodemenz

9.4 Patientin 4: Alzheimer-Demenz

Literatur

Anhang

|11|Vorwort der Autoren

Die Alzheimer-Erkrankung galt bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts als eine eher seltene Erkrankung bzw. als neurologische Spezialität (Jahn & Werheid, 2015). Mit der steigenden Lebenserwartung in den Industrieländern ist sie jedoch zu einer häufigen Todesursache geworden (Platz 4 der Todesursachen in den USA) und die Furcht, an einer Alzheimer-Demenz zu erkranken, gehört zu den am häufigsten genannten Befürchtungen der Deutschen. In einer FORSA-Umfrage, beauftragt von der DAK-Krankenkasse, wurde diese Furcht im Jahre 2015 nur von der Furcht, an einem bösartigen Tumor zu erkranken, übertroffen. Das liegt sicher an der Eigenart der Erkrankung, die den Patienten1 in einer ohnmächtigen und entwürdigenden Hilflosigkeit enden lässt. Auch ist der Demenzkranke kein gern gesehener Patient. Die Behandlung ist mühselig und von geringem therapeutischem Erfolg geprägt.

Auch steigt die Prävalenz der an Demenz erkrankten Personen in Deutschland und weltweit rasant an. 2012 wurde die Zahl der an Demenz erkrankten Personen in Deutschland auf 1,4 Millionen (weltweit auf 35,6 Millionen) geschätzt; 2015 waren es bereits 1,6 Millionen (weltweit 46,8 Millionen). Sollte kein Durchbruch in Prävention und Therapie gelingen, dann wird sich diese Zahl 2050 in Deutschland auf 3 Millionen erhöhen (Deutsche Alzheimer Gesellschaft, 2016). Gleichzeitig gehört die Demenzforschung zu einem der aktivsten Felder der Medizin und Psychologie. Der vorliegende Band möchte daher in dem sich rasant entwickelnden Umfeld der Demenzforschung eine Orientierung geben über die Ursachen, Ätiologie und die notwendigen Schritte einer Demenzdiagnostik. Gleichzeitig sollen die wichtigsten testpsychologischen Verfahren vorgestellt und beschrieben werden.

Beunruhigend ist auch nach wie vor die hohe Zahl von Fehldiagnosen bei der Demenzdiagnostik. Gedächtnisdefizite sind nämlich nicht auf den Bereich der Alzheimer- oder vaskulären Demenz beschränkt, sondern können auch durch reversible Erkrankungen wie den Normaldruckhydrozephalus bedingt sein. Fehldiagnosen können bei den Betroffenen enormen Stress auslösen oder es kann der Beginn einer adäquaten Behandlung verzögert werden.

|12|Die Kürze des Buches macht es notwendig, dass nicht alle demenziellen Syndrome umfassend im Detail beschrieben werden. Wir haben uns auf die wichtigsten Erkrankungen – die Alzheimer-Demenz und die vaskuläre Demenz – konzentriert und die anderen demenziellen Syndrome entweder nur kurz dargestellt oder bloß gestreift.

Das Buch richtet sich an Studierende und Professionelle aus den Bereichen der Neurologie, Psychiatrie und Neuropsychologie. Aber auch der interessierte Laie wird sich in diesem Buch einen Überblick beispielsweise über die gängigen bildgebenden Verfahren und psychologischen Tests im Allgemeinen verschaffen können.

Unser Dank gilt besonders Dr.-Ing. Wilhelm Dürr und Dipl.-Ing., Dipl.-Wirtsch.-Ing. Rudolf Ackermann, die als ehemalige Mitarbeiter der Firma Siemens die verschiedenen „Röhren“ auch dem Laien verständlich beschrieben und erklärt haben. Wir mussten ihren Einsatz und Elan stets bremsen, sie hätten sicher für ein eigenständiges Werk gereicht. Bei den Kollegen der Universitätsklinik der Friedrich-Alexander-Universität aus der Neuroradiologie Herrn Oberarzt Dr. Tobias Engelhorn sowie aus der Nuklearmedizinischen Klinik Herrn Professor Dr. Torsten Kuwert möchten wir uns recht herzlich für die bereitgestellten Bilder und die entsprechenden Befunddarstellungen bedanken. Ebenso bei der Firma Siemens AG für die Bildrechte zu den bildgebenden Verfahren und der Firma Schuhfried GmbH. Wir danken auch recht herzlich Herrn Dr. Robert Hörr von der Firma Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG für sein gründliches Korrekturlesen. Einen großen Dank sprechen wir aus für die exzellente Unterstützung bei der Psychodiagnostik unserer Fallbeispiele an Frau Dipl.-Psych. Nina Strößenreuther und Herrn Dr. Hartmut Lehfeld von der Gedächtnisambulanz am Klinikum Nürnberg und der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität. Weiterhin zu tiefem Dank verpflichtet sind wir den studentischen Hilfskräften Laura Pauli, B. Sc. und Magdalena Schönfeld, B. Sc. für die unermüdliche Mitarbeit, Literatursuche und das Beschaffen von Informationen über die zu beschreibenden Tests. Nicht zuletzt gilt unser Dank allen beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hogrefe Verlages und dem Herausgeber Herrn Kollegen Professor Petermann aus Bremen für seine Geduld und freundliche Unterstützung.

Erlangen, im Januar 2018

Mark Stemmler und

Johannes Kornhuber

1

Zur besseren Lesbarkeit werden stets männliche Berufsbezeichnungen und Pronomina verwendet. Gemeint sind immer Personen beiderlei Geschlechts.

|13|1 Demenz und Aspekte des psychodiagnostischen Vorgehens

Zu Beginn der Diagnostik werden die typischen Veränderungen im Leistungsniveau im Frühstadium einer Demenz überprüft. Dazu gehören das Gedächtnis, die exekutiven Funktionen, die visuell-räumlichen Fähigkeiten und Sprachleistungen. Beim demenziellen Syndrom kann das Gedächtnis des Patienten neue Informationen nur unzureichend behalten. Exekutive Funktionen dienen der Planung komplexer Handlungen, der Demenzkranke ist nur noch unzureichend in der Lage, komplexe Gedankengänge zu Ende zu verfolgen bzw. die Planung von mehrteiligen Aufgaben nimmt viel Zeit in Anspruch. Auch die visuell-räumlichen Fähigkeiten können eingeschränkt sein, entweder in Form der Visuokonstruktion, z. B. beim Zeichnen einer Uhr mit Stunden und Minutenzeigern wie beim Uhren-Test (Seigerschmidt, Mösch, Siemen, Förstl & Bickel, 2002; Shulman, Gold, Cohen & Zucchero, 1993; Shulman, 2000), dem Nachzeichnen von ineinander verschränkten geometrischen Figuren wie beim Mini-Mental-Status-Test (Folstein, Folstein & McHugh, 1975) oder beim Erinnern von geometrischen Figuren wie beim Bamberger Dementia Screening Test (Trapp et al., 2015). Die Sprachleistungen von Demenzkranken können bezüglich der Sprachproduktion (z. B. Wortflüssigkeit) und des semantischen Gedächtnisses (z. B. häufiges Auftreten von Wortfindungsstörungen und Artikulationsproblemen) gestört sein. Häufig werden in der Demenzdiagnostik zunächst kurze Testverfahren eingesetzt (z. B. der SKT von H. Erzigkeit, 2001, oder der MoCA von Nasreddine et al., 2005). Da die entsprechenden Diagnosekriterien (siehe Kapitel 2) auch einen Nachweis bezüglich der Beeinträchtigungen des alltäglichen Lebens sowie anderer psychosozialer Funktionen verlangen, sollten diese auch durch ADL-Skalen (activities of daily living bzw. Aktivitäten des täglichen Lebens; z. B. durch die B-ADL von H. Erzigkeit & Lehfeld, 2010) erfasst werden.

Eine der Kernaussagen dieses Buches besagt, dass die Demenzdiagnostik interdisziplinär ist. Medizinische und neuropsychologische Methoden werden nicht als konkurrierende, sondern als komplementäre Methoden angesehen. Beispielsweise sagen Befunde über Hirnanomalien aus bildgebenden Verfahren wenig über das resultierende Verhalten des Patienten aus. Dennoch sind bildgebende Verfahren für die Bestimmung der Ätiologie (Alzheimer-Demenz vs. vaskuläre Demenz) unerlässlich.

|14|Die Diagnose einer Demenzerkrankung ist ein zweistufiges Verfahren. Im ersten Schritt geht es um den Nachweis eines Demenzsyndroms (siehe Kapitel 2 „Demenzielle Erkrankungen und deren diagnostische Kriterien“). Im zweiten Schritt versucht man die zugrunde liegenden Ursachen zu klären. Die Diagnose einer Demenz ist am Verhalten inklusive der kognitiven Funktionen orientiert. Die neuropsychologische Untersuchung dient dann der Objektivierung der eigentlichen mnestischen und kognitiven Beeinträchtigungen, aber auch zur Erfassung von Defiziten bei der emotionalen Kontrolle und im Sozialverhalten (Aktivitäten des täglichen Lebens).

Nach wie vor stellt die hohe Zahl der Fehldiagnosen ein großes Problem der Demenzdiagnostik dar (vgl. Qian, Schweizer, Munoz & Fischer, 2016). Dadurch werden Patienten und Angehörige oft unnötigem Stress ausgesetzt (wenn beispielsweise der Betroffene gar keine irreversible Demenz hat) oder die Fehldiagnose führt dazu, dass die falschen Therapien durchgeführt werden (wenn beispielsweise eine Alzheimer-Demenz diagnostiziert wird, es sich aber um eine vaskuläre Demenz handelt). Daher sollte die Demenzdiagnostik lege artis erfolgen und den Besonderheiten der Erkrankungen Rechnung tragen.

Entsprechend dem interdisziplinären Charakter der Demenzdiagnostik muss für die Diagnose einer spezifischen Demenzform eine Reihe von unterschiedlichen Informationen synthetisiert werden. Jahn und Werheid (2015) haben hinsichtlich der einzelnen Untersuchungsbereiche eine Übersicht erstellt. Da wäre zunächst die ausführliche Anamnese und Fremdanamnese zu nennen, die Hinweise auf Beginn, Art und Entwicklung der Beschwerden geben. Die Psychopathologie erhebt Informationen bezüglich Bewusstseinsstörungen, Störungen von Persönlichkeit und Sozialverhalten. Hier gehen auch Informationen zur depressiven bzw. psychotischen Symptomatik mit ein. Die neuropsychologische Diagnostik prüft zunächst, ob es keine oder leichte kognitive Defizite gibt. Auch sollen ausgewählte Defizite (z. B. nur Gedächtnisprobleme aber keine Sprachprobleme) erhoben werden. In der Gesamtschau aller neuropsychologischen Befunde können auch charakteristische Befundprofile erstellt werden. Die Neurologie sucht nach Herdsymptomen, Herdzeichen, extrapyramidalen Störungen und Myoklonus (rasche unwillkürliche Muskelzuckungen). Die Bildgebung oder Neuroradiologie erfasst in Bezug auf das Gehirn eventuelle Raumforderungen, Infarkte, Leukoaraiose (Veränderung der Dichte der weißen Hirnsubstanz) oder eventuelle Liquorabflussstörungen wie sie beim Normaldruckhydrozephalus der Fall sein können. Und schließlich dient die Labormedizin der Analyse eines differenzierten Blutbildes und des Nachweises von infektiös-entzündlichen Prozessen.

|15|Die eigentliche neuropsychologische Demenzdiagnostik soll nun wertvolle Beiträge zu mehreren Fragen leisten:

Liegt überhaupt ein Demenzsyndrom vor (Demenzscreening)?

Wie stark ist die Demenz vorangeschritten (Schweregradbestimmung)?

Gehen die kognitiven Leistungseinbußen nicht mit einer Demenz einher, sondern wurden von einer anderen psychopathologischen Erkrankung verursacht (Differenzialdiagnostik bei depressiven älteren Patienten oder bei Morbus Parkinson)?

Wie entwickelte sich die Krankheit bisher (Krankheitsverlauf und Veränderungsmessung)?

Waren die bisherigen therapeutischen Maßnahmen effektiv (Therapieeffizienz)?

Liegen Geschäfts-, Schuld- und Testierfähigkeit vor (Klärung von Rechtsfragen)?

Die neuropsychologische Diagnostik ist nicht nur dafür da, bereits bestehende Verdachtshypothesen zu erhärten oder zu widerlegen. Es können auch kognitive Leistungseinbußen oder Verhaltensprobleme untersucht werden, ohne dass eine bisherige neurologische Ursache bekannt ist. Anhand der aus den neuropsychologischen Untersuchungen gewonnenen Erkenntnisse lassen sich Hypothesen über Ursachen und Zusammenhänge ableiten, die dann wiederum interdisziplinär abgeklärt werden sollten (Petermann & Daseking, 2015). Der sich anschließende Prozess der neurologischen Diagnostik ist daher hypothesen- und regelgeleitet und folgt einem sequenziellen Vorgehen. Es werden verschiedene Erhebungsmethoden eingesetzt:

Erhebungsmethoden der neuropsychologischen Diagnostik (vgl. Petermann & Daseking, 2015)

Anamnese (Eigen- und Fremdanamnese) und Exploration

Standardisierte psychometrische Tests

Fragebögen und Ratingverfahren bzw. Beurteilungsskalen

Orientierende Untersuchung wichtiger Basisfunktionen (Gedächtnis, Orientierung zur Person, Zeit, Ort, Bewusstseinsstörungen)

Verhaltensbeobachtung (standardisiert und nicht standardisiert)

psychophysiologische Verfahren

Die für die Demenzdiagnostik wichtigsten Regeln der Kunst können in den S3-Leitlinien „Demenzen“ der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) entnommen werden (Stand: |16|Januar 2016; Deuschl & Maier, 2016). In den ersten drei Empfehlungen werden die Versorgung von Menschen mit Demenz, die Voraussetzung zur Durchführung von Maßnahmen und der Umgang mit der Diagnose zusammengefasst (siehe auch Petermann & Daseking, 2015). Im Rahmen der Versorgung stellt die frühzeitige Diagnostik eine Grundlage der Behandlung und Versorgung von Patienten mit Demenzerkrankungen dar, die deshalb allen zu ermöglichen sei (Empfehlung 1). Eine wichtige Voraussetzung für die Durchführung diagnostischer Maßnahmen ist die Einwilligungsfähigkeit des Patienten. Diese gilt es zu prüfen und zu berücksichtigen, denn die Einwilligungsfähigkeit geht dem Patienten ab einem bestimmten Krankheitsstadium verloren. Falls die Einwilligungsfähigkeit nicht gegeben ist, muss man prüfen, ob eine Vorsorgevollmacht oder Generalvollmacht vorliegt oder gar eine gesetzliche Betreuung für die Gesundheitsfürsorge (Empfehlung 2). Die dritte Empfehlung betrifft die Aufklärung und Beratung und damit den Umgang mit der Demenzdiagnose; sie soll damit auf anerkannten Kriterien fußen, beispielsweise den ICD-Kriterien (International Classification of Diseases). Die Aufklärung soll neben der Benennung der Diagnose auch Informationen zu Hilfe- und Unterstützungsangeboten, über Leistungen der Kranken- und Pflegeversicherung und zur Sozialhilfe umfassen. Dazu gehören auch Informationen zu Betroffenen- und Angehörigenverbänden, z. B. Deutsche Alzheimer Gesellschaft (Empfehlung 3).

Die neuropsychologische Befunderhebung beinhaltet die qualitative und quantitative Erfassung und objektive Beschreibung aktueller kognitiver und affektiver Funktionen mithilfe geeigneter psychologischer und spezieller neuropsychologischer Diagnoseverfahren (Jank, 2011). Die in der neuropsychologischen Untersuchung eingesetzten standardisierten psychometrischen Tests erlauben eine Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Patienten relativ zur (ggf. alters-, geschlechts- und bildungsspezifischen) Normpopulation (Theml & Jahn, 2011). Neben der Objektivierung von Funktionsbeeinträchtigungen sind auch Verlaufsuntersuchungen notwendig, um die Progression der Demenzerkrankung zu dokumentieren oder um mögliche Interventionsmaßnahmen zu evaluieren (Gauggel & Sturm, 2005). Auch sollen die Auswirkungen der Defizite in den kognitiven und affektiven Bereichen in Bezug auf den Alltag und die Teilhabe an der Gesellschaft (z. B. durch Einschränkungen am beruflichen und sozialen Leben) dokumentiert werden. Eine Orientierung zur Bewertung der wichtigen Dimensionen dieser Funktionsfähigkeit gibt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihrer Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF; www.who.int/classifications/icf/en). Im folgenden Kasten werden die Ziele der neuropsychologischen Diagnostik zusammengefasst:

|17|Ziele der neuropsychologischen Diagnostik (Jank, 2011; Petermann & Daseking, 2015)

Beschreibung: Hierzu gehört die Qualifizierung und Quantifizierung von kognitiven, emotionalen, motivationalen und verhaltensbezogenen Störungen.

Klassifikation: Das Ergebnis einer Differenzialdiagnose funktioneller und organischer Defizite wird entsprechend diagnostischer Klassifikationskriterien (z. B. ICD-10 oder DSM-5) einer Kategorie zugeordnet.

Erklärung: Die Ergebnisse der neuropsychologischen Diagnostik geben Auskunft über die Entstehung und Aufrechterhaltung der Störung.

Prognose: Die Ergebnisse geben Hinweise auf den weiteren Verlauf der Störung (reversibel oder irreversibel).

Evaluation: Hierbei geht es um die Bewertung von möglichen therapeutischen Interventionsmaßnahmen. Dafür sollen möglichst psychometrische Testverfahren, die in mehreren Paralleltestformen vorliegen, zum Einsatz kommen.

Aus der Sicht des allgemeinmedizinisch tätigen Arztes hat die neuropsychologische Untersuchung zwei Nachteile: Sie ist sehr zeitaufwendig und nicht ohne spezifisches Fachwissen durchzuführen. Die Handhabung und Durchführung der meisten psychologischen Tests lassen sich aufgrund der hohen Objektivität und Standardisierung und der detaillierten Anleitung in Manualen leicht erlernen, doch die messtechnischen Grundlagen und dahinterstehenden psychologischen Theorien können nur Neuropsychologen ausreichend berücksichtigen (Theml & Jahn, 2011).

Zusammenfassend lässt sich folgende Aussage speziell für die neuropsychologische Diagnostik festhalten: „Eine gelungene und damit aussagekräftige neuropsychologische Untersuchung verlangt vom Diagnostiker über spezielles technisches Können hinaus dieselben Fähigkeiten zu einer positiven, vertrauensvollen und motivierenden Beziehungsgestaltung wie ein Beratungsgespräch oder eine Psychotherapiestunde. Daher sollte sie auch nach den gleichen Prinzipien gestaltet werden“ (Jahn & Werheid, 2015, Einsteckkarte).

|18|2 Demenzielle Erkrankungen und deren diagnostische Kriterien

2.1 Allgemeines Demenzsyndrom

Ferner muss im DSM-5 angegeben werden, ob eine klinisch relevante Verhaltensstörung vorliegt oder nicht. Falls psychopathologische Symptome bzw. Verhaltensstörungen vorliegen, müssen diese spezifiziert werden (z. B. mit psychotischen Symptomen, affektiven Symptomen, Unruhe, Apathie oder anderen Verhaltenssymptomen). Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen |19|ICD-10 und DSM-5 besteht darin, dass an dieser Stelle keine Aussage über Ätiologie oder Prognose gemacht werden muss. Die demenzielle Erkrankung muss lediglich chronisch oder fortschreitend sein; es können aber auch reversible oder sekundär bedingte Demenzsyndrome darunter gefasst werden. Die Ätiologie sollte erst erfolgen, wenn die Demenzursache identifizierbar bzw. wenigstens wahrscheinlich ist. Ferner erfolgt immer die Schweregradeinteilung (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1: Schweregradeinteilung der Schweren Neurokognitiven Störung im DSM-5 (APA, 2015; S. 829)

Schwergrad

Definition

leicht

Einschränkungen bei instrumentellen Alltagsaktivitäten (z. B. Hausarbeit, Umgang mit Geld)

mittel

Einschränkungen bei grundlegenden Alltagsaktivitäten (z. B. Nahrungsaufnahme, Ankleiden)

schwer

vollständig abhängig

Während ICD-10 und DSM-5 rein syndromale Definitionen der klinischen Erkrankungen liefern (siehe Tabelle 2), gibt es bei den gängigen Forschungskriterien auch Hinweise auf Bio- und Bildgebungsmarker. Zu den gängigsten Forschungskriterien gehören die NIA-AA-Kriterien des National Institute on Aging und der Alzheimer’s Association (McKhann et al., 2011). Diese haben die Kriterien zur Diagnose der Alzheimer-Erkrankung von NINCDS-ADRDA (National Institute of Neurological and Communicative Disorders and Stroke und der Alzheimer’s Disease and Related Disorders Association) von 1984 abgelöst (Jahn & Werheid, 2015; McKhann et al., 1984). Als Biomarker werden die Verringerung von Amyloid (Aβ42) bzw. eine Erhöhung von phosphoryliertem Tau im Liquor als Marker für eine Wahrscheinliche (probable) und Mögliche (possible) Alzheimer-Krankheit aufgeführt. Die Diagnose einer Wahrscheinlichen Alzheimer-Erkrankung gilt als gesicherter als eine mögliche Diagnose (hat man z. B. auch schon Hinweise aufgrund der Bildgebung, dann trägt dieser Befund zusätzlich zu einer erhöhten Sicherheit bei). Im Bereich der Bildgebung soll eine Atrophie des medialen Temporallappens mittels Magnetresonanz-Tomografie (MRT) und ein erhöhter Amyloid-Nachweis mittels Positronen-Emissions-Tomografie (PET) sowie ein parietotemporaler Hypometabolismus mittels Flurodeoxyglukose-Positronen-Emissions-Tomografie (FDG-PET) nachgewiesen werden (McKhann et al., 2011).

|20|Tabelle 2: Diagnosekriterien für ein Demenzsyndrom nach ICD-10 bzw. eine Schwere Neurokognitive Störung nach DSM-5 (Abdruck erfolgt mit Genehmigung vom Hogrefe Verlag Göttingen aus dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Fifth Edition, © 2013 American Psychiatric Association, dt. Version © 2015 Hogrefe Verlag.)

Demenzsyndrom (nach ICD-10)

Schwere Neurokognitive Störung (nach DSM-5)

G1.1

Abnahme des Gedächtnisses, am deutlichsten beim Lernen neuer Informationen und in besonders schweren Fällen bei der Erinnerung früher erlernter Informationen. Die Beeinträchtigung betrifft verbales und nonverbales Material. Die Abnahme sollte objektiv verifiziert werden.

A.

Nachweis einer erheblichen Abnahme kognitiver Leistung, relativ zum vorherigen Leistungsniveau in einem oder mehreren kognitiven Bereichen (komplexe Aufmerksamkeit, exekutive Funktionen, Lernvermögen und Gedächtnis, Sprache, perzeptiv-motorische Kognition oder soziale Kognition) auf Basis von:

Besorgtheit des Patienten oder eines sachkundigen Informanten oder des Klinikers, dass eine erhebliche Abnahme der kognitiven Leistungsfähigkeiten stattgefunden hat, und

eine erhebliche Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit, vorzugsweise durch eine standardisierte neuropsychologische Testung bzw. bei deren Fehlen durch eine sonstige quantifizierte klinische Bewertung dokumentiert.

G1.2

Abnahme anderer kognitiver Fähigkeiten, charakterisiert durch eine Verminderung der Urteilsfähigkeit und des Denkvermögens. Dies sollte, wenn möglich, durch eine Fremdanamnese und eine neuropsychologische Untersuchung oder quantifizierte objektive Verfahren nachgewiesen werden. Die Verminderung der früher höheren Leistungsfähigkeit sollte nachgewiesen werden.

G2.

Die Wahrnehmung der Umgebung muss ausreichend lange erhalten geblieben sein (d. h. Fehlen einer Bewusstseinstrübung in F05, Kriterium A, definiert). Bestehen gleichzeitig delirante Episoden, sollte die Diagnose „Demenz“ aufgeschoben werden.

B.

Die kognitiven Einschränkungen beeinträchtigen die Unabhängigkeit in der Verrichtung alltäglicher Aktivitäten (d. h. zumindest ist Hilfe bei komplexen instrumentellen Alltagsaktivitäten wie Bezahlen von Rechnungen oder Einnahme von Medikamenten notwendig).

G3.

Die Verminderung der Affektkontrolle und des Antriebs oder des Sozialverhaltens manifestiert sich in mindestens 1 der folgenden Merkmale:

– Emotionale Labilität

– Reizbarkeit

– Apathie

– Vergröberung des Sozialverhaltens

C.

Die kognitiven Einschränkungen treten nicht ausschließlich im Zusammenhang mit einem Delir auf.

G4.

Für eine sichere klinische Diagnose sollte G1 mindestens sechs Monate vorhanden sein.

D.

Die kognitiven Einschränkungen können nicht besser durch eine andere psychische Störung erklärt werden (z. B. Major Depression, Schizophrenie).

|21|2.2 Spezifische Demenzformen

Ist die Ätiologie eines demenziellen Syndroms bekannt oder höchstwahrscheinlich, dann kann die Art der Demenz genau spezifiziert werden. Wobei im ICD-10 die Kriterien A bis D sowie bestimmte Ausschlusskriterien für die Diagnose Demenz vom Alzheimer-Typ erfüllt sein müssen. So darf es in der Anamnese, bei der körperlichen Untersuchung oder aufgrund spezieller Untersuchungen keinen Hinweis auf eine andere Ursache der Demenz (z. B. zerebrovaskuläre Erkrankungen, HIV-Krankheit, Normaldruckhydrozephalus, Parkinson- oder Huntington-Krankheit), eine Systemerkrankung (z. B. Hypothyreose, Vitamin-B12- oder Folsäuremangel, Hyperkalzämie) oder auf Alkohol- oder Substanzmissbrauch geben. In Kasten 1 werden die Kriterien für eine Schwere Neurokognitive Störung aufgrund einer Wahrscheinlichen Alzheimer-Erkrankung aufgeführt.

Kasten 1:Auszug aus den Kriterien für eine Schwere Neurokognitive Störung aufgrund einer Wahrscheinlichen Alzheimer-Erkrankung nach DSM-5 (Abdruck erfolgt mit Genehmigung vom Hogrefe Verlag Göttingen aus dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Fifth Edition, © 2013 American Psychiatric Association, dt. Version © 2015 Hogrefe Verlag.)

Eine Wahrscheinliche Alzheimer-Erkrankung wird diagnostiziert, wenn eines der folgenden Kriterien erfüllt ist; andernfalls sollte eine Mögliche AlzheimerErkrankung diagnostiziert werden:

Nachweis einer ursächlich zur Alzheimer-Erkrankung führenden genetischen Mutation aufgrund der Familienanamnese oder durch genetische Testung belegt.

Alle drei folgenden Kriterien liegen vor: