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Die Diagnose Demenz verändert das Leben des Betroffenen und seiner Angehörigen massiv. Und auch Pflegekräfte müssen sich plötzlich fragen: Wo beginnt, wo endet die Selbstbestimmung? Im Verlauf der Erkrankung braucht der demenziell Erkrankte andere Menschen, die für ihn entscheiden und handeln. Was aber dürfen Bevollmächtigte? Welche rechtlichen Entscheidungen kann der Erkrankte noch rechtswirksam treffen – und welche eher nicht? Was darf der Betroffene noch wie lange? Wann darf in seine Rechte eingegriffen werden? Dieses Buch informiert kompakt und leicht verständlich zu (fast) allen Rechtsfragen rund um das Thema Demenz. Ein Praxisratgeber für Betroffene, Angehörige und Pflegekräfte. Auf den Punkt gebracht: Mehr Rechtssicherheit für Menschen mit Demenz Kompakter Ratgeber für Betroffene, Angehörige, Betreuer und Pflegekräfte Ideal für den Einsatz in der Pflegeberatung
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Seitenzahl: 94
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Thorsten Ohlmann
Demenzkrank –welche Rechte bleiben
Das müssen Sie tun – so sichern Sie sich ab
schlütersche
Thorsten Ohlmann ist selbstständiger Anwalt und seit beinahe 20 Jahren Dozent an verschiedenen Altenpflegeschulen. Hier unterrichtet er schwerpunktmäßig Themen, wie sie auch in diesem Buch behandelt werden.
»Die Würde des Menschen ist unantastbar.«
ARTIKEL 1 DES GRUNDGESETZES
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet
über http://dnb.ddb.de abrufbar.
ISBN 978-3-89993-369-7 (Print)
ISBN 978-3-8426-8802-5 (PDF)
ISBN 978-3-8426-8803-2 (EPUB)
© 2017 Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG,Hans-Böckler-Allee 7, 30173 Hannover
Alle Angaben erfolgen ohne jegliche Verpflichtung oder Garantie des Autoren und des Verlages. Für Änderungen und Fehler, die trotz der sorgfältigen Überprüfung aller Angaben nicht völlig auszuschließen sind, kann keinerlei Verantwortung oder Haftung übernommen werden. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden. Die im Folgenden verwendeten Personen- und Berufsbezeichnungen stehen immer gleichwertig für beide Geschlechter, auch wenn sie nur in einer Form benannt sind. Ein Markenzeichen kann warenrechtlich geschützt sein, ohne dass dieses besonders gekennzeichnet wurde.
Reihengestaltung:
Groothuis, Lohfert, Consorten, Hamburg
Umschlaggestaltung:
Kerker + Baum, Büro für Gestaltung GbR, Hannover
Titelfoto:
© freshidea – fotolia.com
Vorwort
1Krankheit und Recht
1.1Diagnose »Demenz« – was heißt das für die Geschäftsfähigkeit?
1.2Die Geschäftsfähigkeit
1.2.1Rechtliche Grundlagen
1.2.2Fehlen der Geschäftsfähigkeit – die Auswirkungen
1.3Wenn die Geschäftsfähigkeit fehlt: gesetzliche Vorgaben
1.3.1Die gesetzliche Betreuung
1.3.2Die Vorsorgevollmacht
1.3.3Die Unterbringung
1.4Rechtsstellung der Angehörige – Was dürfen Sie und was nicht?
1.4.1Mitbestimmung und Antragsbefugnis
1.4.2Anspruch auf rechtliches Gehör – Dürfen Angehörige Eingaben vor Gericht machen?
1.4.3Einflussnahme und Informationsrecht für Angehörige
2Die demenzielle Erkrankung und ihre rechtlichen Folgen
2.1Die Diagnose »demenzielle Erkrankung«
2.3Rechtlich bedingte Entscheidungen und ihre Konsequenzen
3Konkrete rechtliche Probleme
3.1Demenzielle Erkrankung und die rechtliche Selbstständigkeit
3.2Demenzielle Erkrankung und die tatsächliche Selbstständigkeit
3.3Demenzielle Erkrankung und wirksame rechtliche Beziehungen
3.4Demenzielle Erkrankung und die Teilnahme am Straßenverkehr
3.5Demenzielle Erkrankung und medizinisch notwendige Entscheidungen
3.5.1Vorsorgevollmacht
3.5.2Patientenverfügung
3.5.3Testament
4Was tun, wenn …? – Juristischer Rat für den Alltag
4.1Was tun, wenn es um Heimunterbringung geht?
4.2Was tun, wenn es um die Vermögenssicherung geht?
4.3Was tun, wenn man Hilfen braucht?
4.4Was tun, wenn es um die Rechte der Angehörigen geht?
4.5Was tun, wenn es um konkrete Ansprüche des demenziell Erkrankten geht?
5Wichtige Fragen und Antworten – für die Pflege zu Hause
5.1Wann ist der richtige Zeitpunkt, um einen Antrag auf eine Pflegestufe/einen Pflegegrad zu stellen?
5.2Gibt es einen Anspruch auf Beratung hinsichtlich der Pflegeeinstufung?
5.3Demenzkrank – besondere Vorkehrungen
5.4Darf man demenziell erkrankte Angehörige am Weglaufen hindern?
5.5Angriff und Gegenwehr
5.6Gefährliche Gegenstände
5.7Was sollte getan werden, wenn ein demenziell Erkrankter wegläuft?
5.8Hat die Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen auch steuerliche Auswirkungen?
5.9Welche Ansprüche habe ich, wenn ich einen pflegebedürftigen Angehörigen zu Hause versorge?
6Wichtige Fragen und Antworten – bei der Pflege im Heim
6.1Kündigung von Heim- oder Mietvertrag
6.2Wechsel des Pflegedienstes
6.3Wechsel des Arztes
6.4Was tun, wenn der Heimträger die Kosten willkürlich erhöht?
6.5Zu hohe Heimkosten
6.6Steuern sparen im Heim?
6.7Verschwundene Gegenstände
6.8Extraleistungen im Heim
6.9Was tun, wenn es im Heim zu Qualitätsmängeln kommt?
6.10Kann ein Heimbetreiber den Vertrag mit einem Bewohner kündigen?
6.11Dürfen Haustiere mit in Pflegeeinrichtungen oder Wohnanlagen mit betreutem Wohnen genommen werden?
6.12Dürfen Heime ihre Bewohner am Verlassen der Einrichtung hindern?
6.13Müssen Angehörige sich finanziell an den Heim- oder Unterbringungskosten beteiligen?
6.14Welche Rechte haben Angehörige, wenn sie mit der Pflege im Heim nicht zufrieden sind?
6.15Welche Versicherungen benötigt ein demenziell erkrankter Mensch bei einer Heimunterbringung?
7Wichtige Fragen für pflegende Angehörige
7.1Darf man Einfluss darauf nehmen, wie der demenziell erkrankter Angehöriger/Partner behandelt wird und welche ärztlichen Maßnahmen erfolgen?
7.2Was ist, wenn der demenziell Erkrankte mit Entscheidungen nicht einverstanden ist und das auch deutlich zu verstehen gibt?
7.3Kann man als Angehöriger oder Partner bestimmen, dass auf lebenserhaltende Maßnahmen für den demenziell Erkrankten verzichtet wird?
7.4Muss ein mittel bis schwer demenziell Erkrankter noch für Schäden aufkommen, die er anrichtet?
8Wichtige Fragen und Antworten für Pflegekräfte
8.1Schadenersatzansprüche gegen demenziell erkrankte Bewohner
8.2Gegenwehr bei Angriffen
8.3Müssen Angestellte einer Einrichtung Schäden, die sie Bewohnern zufügen, selbst bezahlen?
8.4Darf man einen demenziell erkrankten Menschen festhalten, wenn er die Einrichtung verlassen möchte?
8.5Auskunftsrecht
8.6Geschenke vom Bewohner
8.7Was bedeutet eigentlich »gefährliche Pflege«?
Literatur
Register
Warum dieses Buch?
Die demenzielle Erkrankung wird statistisch immer häufiger diagnostiziert. Dies hat sicherlich mit der Entwicklung unserer Gesellschaft zu tun, dass die Menschen nun mal älter werden und die demenzielle Erkrankung sicherlich auch eine solche ist, die zumeist im höheren Alter auftritt. Aus diesem Grunde erkranken immer mehr Menschen hieran.
Wenn jedoch immer mehr Menschen hieran erkranken, gibt es zwangsläufig auch immer mehr Menschen, wie Angehörige, Freunde, Nachbarn, die direkt oder indirekt mit dieser Krankheit zu tun haben. Bei dem Erkrankten werden Veränderungen wahrgenommen, er kommt sozusagen nicht mehr zurecht.
Diese Arten von Erkrankungen bleiben nicht ohne Einfluss auf die gesamte Teilnahme am Rechtsverkehr.
Handlungen haben (rechtliche) Konsequenzen
Man muss sich darüber klar sein, dass jeder Mensch täglich Entscheidungen trifft, die eine rechtliche Bedeutung haben, sei es der Kauf der Morgenzeitung, die Anmietung eines Pkws, das Buchen des Urlaubes oder die Teilnahme am Straßenverkehr. All diese Handlungen haben eine rechtliche Bedeutung und bewirken auch rechtliche Konsequenzen.
Wenn man sich nun vorstellt, dass all diese Handlungen sozusagen rechtsunwirksam oder sogar untersagt werden, bemerkt man schnell, welch unglaubliche Einschränkung die fehlende Möglichkeit am Rechtsverkehr teilzunehmen, darstellt.
Nach unserem Recht haben Menschen, die nicht mehr in der Lage sind, am Rechtsverkehr teilzunehmen, Anspruch auf Hilfen. Diese Hilfen stellen jedoch häufig auch für die Betroffenen eine Entmündigung dar: Es trifft sozusagen jemand anderes für sie die Entscheidungen und führt diese auch durch.
Auch diese Entscheidungen führen bei Angehörigen und Freunden oft zu Unverständnis, Empörung oder auch einfach auf Unglauben.
Dieses Buch soll helfen, das rechtliche System zu verstehen, in welchem wir uns bewegen und in welchem sich auch ein demenziell Erkrankter und seine ihm Nahestehenden bewegen. Es soll konkret Tipps und Ratschläge geben, in welcher Form rechtlich geholfen werden kann.
Bremerhaven, im Juli 2016
Thorsten Ohlmann
Die Diagnose »demenzielle Erkrankung« bedeutet nicht automatisch, dass die Geschäftsfähigkeit des Betroffenen verlorengeht. Geschäftsunfähig sein heißt, rechtliche Angelegenheiten nicht mehr regeln zu können. Dies bedeutet: Dem Geschäftsunfähigen ist es schlichtweg nicht möglich, wirksame Verträge zu schließen, wirksam Kündigungen auszusprechen oder Vollmachten auszustellen.
Der Zustand der Geschäftsunfähigkeit ist eigentlich bekannt aus dem Bereich der Kinder bis zum siebten Lebensjahr. Diese sind absolut geschäftsunfähig, d. h. kleine Kinder können faktisch überhaupt nicht am Rechtsverkehr teilnehmen.
Selbst Kleinsteinkäufe sind rechtlich gesehen nichtig, wenn sie von Kindern unter sieben Jahren besorgt werden.
Für Volljährige bestimmt das Gesetz Folgendes: Geschäftsunfähig ist zum einen derjenige, der das siebte Lebensjahr nicht beendet hat und zum anderen derjenige, welcher sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet (§ 104 Abs. 2 BGB).
Für diese Menschen hat das BGB noch eine Ausnahme parat: § 105 a BGB bestimmt, dass ein volljähriger Geschäftsunfähiger zumindest noch Geschäfte des täglichen Lebens wirksam schließen kann. Anderenfalls wären ja volljährige Geschäftsunfähige gar nicht in der Lage, ihren täglichen Lebensmitteleinkauf zu besorgen.
Geschäftsfähig oder nicht?
Das Gesetz bestimmt nicht genau, wann jemand geschäftsunfähig ist und welche Kriterien hierzu gegeben sein müssen. Vielmehr lässt das Gesetz dieses bewusst offen. Denn: Es soll jeweils im konkreten Einzelfall entschieden werden, ob jemand noch wirksam seine rechtlichen Angelegenheiten ausführen kann oder nicht mehr.
Vor Gericht landen häufig Fälle, weil die – meistens ausgeschlossenen – Erben meinen, dass der Verstorbene zum Zeitpunkt der Errichtung seines Testamentes nicht mehr geschäfts- bzw. testierfähig war. Die bestehende oder nicht bestehende Geschäftsfähigkeit ist dann häufig Gegenstand eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens. So soll geklärt werden, ob der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentsabfassung noch geschäftsfähig war oder nicht.
Das bedeutet bei einer demenziellen Erkrankung, dass die Diagnose an sich noch überhaupt keine Auswirkungen hat auf eine ernstzunehmende fehlende Geschäftsfähigkeit. Vielmehr muss auch nach der Diagnose jeweils im Einzelfall geprüft und entschieden werden, ob eine Geschäftsfähigkeit vorliegt oder nicht.
Hinweis
Gerade im Hinblick auf Geschäfte des täglichen Bedarfes ist in jedem Falle davon auszugehen, dass der demenziell Erkrankte diese stets wirksam tätigen kann.
Eine Geschäftsfähigkeit kann übrigens auch Schwankungen unterliegen, z. B. durch Einnahme von Medikamenten oder Alkoholika.
Sie können hieran gut die Struktur des Gesetzes erkennen: Einem Menschen ist solange wie möglich die Geschäftsfähigkeit zuzubilligen. Es bleibt in der Einzelfallbewertung immer schwierig und kann auch zu falschen Ergebnissen führen.
Es ist auch für Juristen durchaus anspruchsvoll, wenn eine demenziell erkrankte ältere Dame erklärt, sie wolle nun einen neuen Fernseher kaufen. Hier zu argumentieren, die Dame wisse nicht mehr, wovon sie spreche und könne die Folgen eines solchen Rechtsgeschäftes nicht überblicken, fällt schwer.
Wird bei einem Menschen eine demenzielle Erkrankung diagnostiziert, stellt sich für Juristen (und Angehörige, Freunde und Nahestehende) immer die Frage: Welche rechtlichen Angelegenheiten kann der Betroffene noch selbst regeln?
Ich hatte ja bereits klar gestellt, wie das Gesetz solche Fälle beurteilt und dabei deutlich gemacht, dass das Gesetz sich hier ein wenig zurückhält.
Hinweis
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) begreift sich eher als Schutzeinrichtung für Menschen, die ihre rechtlichen Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können. Es erklärt daher sämtliche Rechtshandlungen (außer Besorgungen des täglichen Bedarfes) für rechtsunwirksam.
Die Konsequenz einer Geschäftsunfähigkeit durch Krankheit ist, dass der Betroffene selbst nicht mehr über sein Vermögen, seine Immobilien oder größere Anschaffungen entscheiden kann. Das Gesetz behilft sich hier mit dem Betreuungsrecht. Dieses ist ebenfalls im BGB geregelt (§§ 1896 ff BGB), welches in den 90er Jahren die sogenannte »Entmündigung« abschaffte. Hier muss wohl tatsächlich gesagt werden: »Gott sei Dank abschaffte«. Stattdessen gibt es seither die »gesetzliche Betreuung«.
Das moderne Betreuungsrecht soll demjenigen, der Schwierigkeiten hat, rechtlich relevante Entscheidungen zu treffen oder dies gar nicht mehr kann, zur Seite stehen. Deshalb wurde das Betreuungsrecht so aufgebaut,
• dass der Betroffene weitestgehend mitwirken kann;
• dass viele Entscheidungen unter dem Vorbehalt stehen, dass ein Richter zustimmt, und
• dass die Betreuung zunächst durch nahestehende Personen ausgeübt werden soll.
Außerdem wurde das Recht so strukturiert, dass eine gewisse Abstufung möglich ist. Das Gericht kann für verschiedene »Aufgabenkreise« (Gesundheit, Aufenthalt, Behörden, Finanzen) die Betreuung bestimmen. Der Richter sucht deshalb die geeignete Person aus, die eine Betreuung ausüben sollte. Das Gericht bestimmt auch, in welchem Umfang eine Betreuung stattfinden soll.
Hinweis
Das Betreuungsgericht überwacht die ordnungsgemäße Durchführung der Betreuung. Es kann im Zweifelsfall auch den Betreuer ablösen oder seine Aufgabenkreise beschränken.
So soll sichergestellt werden, dass der Betroffene bestmöglich rechtlich betreut wird und sämtliche Probleme in seinem Sinne gelöst werden. Selbstverständlich ist die Betreuung immer den individuellen Erfordernissen anzupassen.