Den Titel hab ich leider vergessen - Monika Reitprecht - E-Book

Den Titel hab ich leider vergessen E-Book

Monika Reitprecht

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Beschreibung

Mit knapp 70.000 Followern auf Facebook und 22.000 auf Twitter sind die Büchereien Wien eine der erfolgreichsten öffentlichen Institutionen in den sozialen Medien. Verantwortlich für den großen Erfolg sind die höchst komisch geschilderten und gewitzt kommentierten Alltagssituationen einer Wiener Bibliothekarin. Wie humorvoll es in den Büchereien der Stadt Wien zugeht, beweisen die in diesem Buch gesammelten Postings und Tweets der Bibliothekarin Monika Reitprecht. Nach ihrem erfolgreichen ersten Band "Wo stehen hier die E-Books?" folgt nun die Fortsetzung. Auch der zweite Band erlaubt wieder tiefe Einblicke hinter die Kulissen der Buchwelt. Denn die letzten Jahre haben natürlich auch die Büchereien vor neue Herausforderungen gestellt; es galt Dresscodes (FFP2) einzuhalten und neben dem Katalogisieren musste auch desinfiziert werden. Unterhaltsam war der bibliothekarische Alltag aber selbst im härtesten Lockdown. Heftiger Hustenanfall während eines Telefonats: "Omikron?" "Leibniz." "Ich kann die E-Books nicht laden." "Welche Titel haben Sie derzeit?" "Einen Magister." Das sollte eigentlich reichen. "Wie wird eigentlich das Genre des Buchs festgelegt?" Alle skandinavischen Autoren Krimi, alles über 800 Seiten Fantasy. Den Rest stellen wir zu den veganen Kochbüchern. Die Bücherei des 21. Jahrhunderts ist keine stille Gruft. Kinder lachen. Teenies kreischen. Eltern plaudern. Bibliothekar*innen schreien. Alle telefonieren. Sie ist ein Inferno. Laut einer Studie leben Menschen, die lesen, im Durchschnitt zwei Jahre länger. Man hat dann einfach weniger Zeit für Sportunfälle. "Meine Tochter war letzte Woche bei ihren Großeltern in Wien und die haben sie bei den Büchereien angemeldet. Kann ich das stornieren?" Natürlich, es kann ja nicht sein, dass unsere Kinder nach Wien fahren und mit einer Büchereikarte zurückkommen.

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Seitenzahl: 42

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© Peter Hörschelmann

Monika Reitprecht

Geb. 1973 in Wien, Studium der Geschichte und Politikwissenschaft, in Ermangelung eines Führerscheins kam Taxifahren nicht in Frage, daher seit 1999 Bibliothekarin bei den Büchereien Wien. Letzte Veröffentlichung: Wo stehen hier die E-Books? (Milena, 2015)

Monika Reitprecht

DEN TITEL HAB ICH LEIDER VERGESSEN

… ABER ES IST BLAU

Milena

INHALT

Einleitung

Über unseren Berufsstand

Corona

Homeoffice

Videokonferenz

Kundenanfragen

E-Book-Support

Bibliothekarischer Alltag

Allgemeine Betrachtungen

Einleitung

Irgendwann wacht man auf und merkt, es ist zu spät, um jung zu sterben. Jetzt gibt es im Wesentlichen zwei Möglichkeiten: Man postet auf TikTok, kauft sich weiße Turnschuhe und ein Rennrad – oder man entschließt sich, vielleicht nicht gerade in Würde, aber jedenfalls ganz offiziell zu altern. Und machen wir uns nichts vor, irgendwann kommen wir alle an den Punkt, uns eine NÖ-Card und einen Facebook-Account zuzulegen.

Als die Stadt-Wien-Büchereien 2009 ihren Facebook-Auftritt lancierten, war das richtig hip und wir dachten uns, hey, wir wollen dorthin, wo die jungen Leute sind! Die wollten aber verständlicherweise nicht dort sein, wo nun auch wir weniger jungen Leute waren, und zogen weiter. Wir sind geblieben und generationentechnisch ziemlich unter uns; wenn ich von Videokassetten, Fax und Zettelkatalog schreibe, ernte ich nicht verständnisloses Schweigen, sondern sentimentalen Enthusiasmus. Beklage ich, dass ich mittlerweile bei meiner Altersangabe im Internet so lang scrollen muss, dass ich bis dahin wieder vergessen habe, warum ich das ausfülle: Zustimmung und Mitgefühl. Ich will aber nicht nur erzählen, dass ich 15 Kilometer barfuß durch hüfthohen Schnee in die Schule gehen musste, insofern besteht mein Arbeitsalltag als Ü40-Social-Media-Managerin zu dreißig Prozent aus Content Creation und zu siebzig Prozent aus Emojis googeln und im Urban Dictionary nachschauen (was wiederum dazu führt, dass die Follower Emojis googlen und im Urban Dictionary nachschauen müssen, um den Post zu verstehen).

Generationenübergreifenden Konsens gibt es beim Thema Buch – Bücher sind wichtig, Bücher mag man, Bücher sind toll, Bücher darf man keinesfalls wegwerfen (sondern allenfalls uns spenden, vor allem die Windows-95-Ratgeber).

Allen kulturpessimistischen Unkenrufen zum Trotz: Junge Menschen lesen gern und viel – und wir müssen es ja wissen. Was liegt also näher, als unsere Facebook-Postings in Buchform zu publizieren – weil so erreichen wir auch die Zielgruppe U40.

Monika Reitprecht

Es gibt kaum einen Berufsstand, bei dem Binnen- und Fremdwahrnehmung so sehr auseinanderklaffen wie bei unserem. Je nachdem, welche FSK-Freigabe die Filme aufweisen, sind die Bibliothekarinnen (ja, in den allermeisten Fällen Frauen – zumindest das entspricht der Realität) verschrobene alte Jungfern oder attraktive, leicht bekleidete Vamps, deren primäres Interesse nicht der Literatur gilt. Die Wahrheit liegt im konkreten Fall nicht in der Mitte, sondern ganz woanders.

Über unseren Berufsstand

"Was machen Sie beruflich?"

"Ich bin Bibliothekarin."

Die weitere Unterhaltung erfolgt dann im Flüsterton.

"Sind Sie aus Liebe zu Büchern Bibliothekarin geworden?"

Lol! Nein, natürlich wegen des Geldes, des Ruhms und der Macht.

Grippeimpfung, Arzt fragt: "Was machen Sie beruflich?"

"Bibliothekarin."

"Ich weiß, es ist leichter gesagt, als getan, aber bitte heute keine schweren körperlichen Tätigkeiten mehr verrichten."

Gut, kleb ich das Post-it halt morgen drauf.

Kleiner Bub, telefonierend auf der Straße: "Aber dann wird mein Buch zerknittert." – "Das geht nicht, mein Buch!" – "DANN WIRD MEIN BUCH ZERKNITTERT! MEIN BUCH!! ZERKNITTERT!!!"

Sicher das Kind von Bibliothekar:innen.

"Sagen Bibliothekarinnen heute eigentlich noch Pssst?"

Nein, meistens sagen wir: "Gusch."

"Ist das Ihr richtiger Job?"

Himmel nein, nachts arbeite ich im Straßenbau – das hier mache ich nur zur Entspannung.

Es gibt ganze TV-Sendungen über "Spielerfrauen". Hingegen noch ein Desiderat: Beiträge über Bibliothekarinnenmänner.

Es ist allen sehr wichtig, dass ich zu den Klassentreffen komme – sie können dann befriedigt feststellen, dass man auch mit guten Noten keinen Erfolg haben kann.

Eine Bibliothek ist wie das Paradies; sobald man in einen Apfel beißt, fliegt man raus.

Die Bücherei des 21. Jahrhunderts ist keine stille Gruft. Kinder lachen. Teenies kreischen. Eltern plaudern. Bibliothekar:innen schreien. Alle telefonieren. Sie ist ein Inferno.

Mittlerweile tragen deutlich mehr männliche als weibliche Bibliothekare Dutt.

"Müssen Sie so mürrisch schauen?"

Ja, mürrische Bibliothekarinnen zählen zum immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe.

Apotheker: "Sie schon wieder! Ist wohl berufsbedingt, dass Sie sich so oft verletzen!"

Ja, aber wir Dachdeckerinnen, Hochseefischerinnen, Stuntfrauen und Bibliothekarinnen wussten ja, worauf wir uns da einlassen.

Glückwunsch an die Ex-Kollegin, die gestern bei der Millionenshow immerhin 300.000 Euro gewonnen hat; als Bibliothekarin muss man dafür schon fast einen Monat lang arbeiten.

Ich bin jetzt in einem Alter, in dem mich zufällig in der Bücherei vorbeikommende Schulkolleg:innen nicht mehr fragen, ob das mein Job zur Finanzierung des Studiums ist, sondern ob ich da ehrenamtlich arbeite.

"Warum wurden Sie Bibliothekarin?"

Ich war jung und brauchte die Bücher.

Eigentlich wollte ich Rockstar werden. Mittlerweile bin ich aber froh, Bibliothekarin zu sein, die Groupies sind einfach intelligenter.

Verkäuferin in der Bäckerei: "Sie arbeiten da in der Bücherei, stimmt’s?"

"Ja."

"Ich beneide Sie – den ganzen Tag lesen!"

Und ich Sie erst – den ganzen Tag Schoko-Croissants essen.

"Bibliothekar:innen können nicht durch Roboter ersetzt werden."

Durch Roboter vielleicht nicht: