Depression - Lee H. Coleman - E-Book

Depression E-Book

Lee H. Coleman

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Beschreibung

Diagnose Depression – und jetzt? Depressionen zählen in den Industrieländern zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Deutschlandweit leiden etwa 4 Millionen Menschen daran, und die Medien sind voll von Berichten über und von Betroffenen. Wir scheinen in dieser Hinsicht fast „abgeklärt“ zu sein, doch was tun, wenn es einen plötzlich selbst trifft? Einen hilfreichen Wegweiser für Menschen, die sich zum ersten Mal mit dem Thema auseinandersetzen, bietet Lee H. Coleman. Unabhängig davon, ob man selbst betroffen ist oder jemandem beistehen möchte, der an Depressionen erkrankt ist – in diesem Buch erfährt man alles über Symptome, Begleiterkrankungen, Möglichkeiten der Therapie sowie Selbsthilfe und Rückfallprävention. Leicht verständlich und praxisnah ist das Buch ein idealer Einstieg und Ratgeber auf dem Weg aus der Depression.

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Seitenzahl: 192

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Lee H. ColemanDepressionEin Wegweiser für BetroffeneWas Sie nach der Diagnose tun können

Über dieses Buch

Volkskrankheit Depression: Jeden zweiten Menschen in unserer Umgebung betrifft diese Krankheit. Deutschlandweit leiden etwa 4 Millionen Menschen daran, und die Medien sind voll von ­Berichten über die Betroffenen. Wir scheinen fast »abgeklärt« zu sein, doch was ist zu tun, wenn es einen plötzlich selbst trifft? Einen hilfreichen Wegweiser für Menschen, die sich zum ersten Mal mit dem Thema auseinandersetzen, bietet Lee H. Coleman. Unabhängig davon, ob man selbst betroffen ist oder jemandem beistehen möchte, der an Depressionen erkrankt ist – in diesem Buch erfährt man alles über Symptome, Begleiterkrankungen, Möglichkeiten der Therapie sowie Selbsthilfe und Rückfallprävention. Leicht verständlich und praxisnah ist das Buch ein idealer Einstieg und Ratgeber auf dem Weg aus der Depression.

Lee H. Coleman ist klinischer Psychologe und ­spezialisiert auf psychotherapeutische Arbeit, ­ambulante Dienste und Supervision. Zurzeit ist er schwerpunktmäßig für die Beratung von Studierenden zuständig.

Copyright: © der deutschen Ausgabe: Junfermann Verlag, Paderborn 2014

Copyright: © der Originalausgabe: Lee H. Coleman, 2012

Die Originalausgabe ist 2012 unter dem Titel „Depression. A Guide for the Newly Diagnosed“ bei New Harbinger Publications erschienen.

Übersetzung: Christoph Trunk

Coverfoto: © Les Cunliffe – Fotolia.com

Covergestaltung / Reihenentwurf: Christian Tschepp

Alle Rechte vorbehalten.

Erscheinungsdatum dieser eBook-Ausgabe: 2014

Satz & Digitalisierung: JUNFERMANN Druck & Service, Paderborn

ISBN der Printausgabe: 978-3-95571-003-3 ISBN dieses eBooks: 978-3-95571-004-0

Anmerkung des Verlags

Die im Buch dargestellten Informationen und Ratschläge wurden sorgfältig geprüft. Autor, Lektorat und Verlag sind jedoch nicht haftbar zu machen für Irrtümer, für das Fehlen von Informationen oder für irgendwelche Folgen, die sich aus der Anwendung der in diesem Buch enthaltenen Angaben ergeben, und übernehmen weder ausdrücklich noch implizit eine Gewähr im Hinblick auf den Inhalt des Buches.

Autor, Lektorat und Verlag haben alle Anstrengungen unternommen, um sicherzustellen, dass im Text genannte Medikamente und Dosierungsanweisungen den zum Zeitpunkt der Veröffentlichung gültigen Empfehlungen und anerkannten Vorgehensweisen entsprechen. Da aber Forschungsstand, gesetzliche Regelungen und Erkenntnisse zu medikamentöser Therapie und zu den Wirkungen einzelner Medikamente in stetem Wandel begriffen sind, wird Leserinnen und Lesern eindringlich nahegelegt, den Beipackzettel jedes verordneten Medikaments zu prüfen und mit ihrem behandelnden Arzt oder Therapeuten zu sprechen, damit sie bei jeder Veränderung von Indikation oder Dosierung über die betreffenden Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen informiert sind. Besonders wichtig ist dies, wenn es sich bei der empfohlenen Substanz um ein neues oder selten eingesetztes Medikament handelt.

Manche der in diesem Buch erwähnten Medikamente und medizinischen Maßnahmen sind möglicherweise von Arzneimittelbehörden ausschließlich für den Einsatz in der Forschung zugelassen. Jeder Arzt und Therapeut ist gehalten, sich über den Zulassungsstatus der Medikamente und Maßnahmen, die er in der klinischen Praxis einzusetzen gedenkt, entsprechend zu informieren.

Danksagung

Ich möchte meinem geschätzten Freund und Kollegen Jon Kaplan dafür danken, dass er mich auf die Gelegenheit hingewiesen hat, dieses Buch für den Verlag New Harbinger zu schreiben. Hey, ohne dich wär das nie passiert! Melissa Kirk und Nicola Skidmore von New Harbinger, Sie haben als Redakteurinnen großartige Arbeit geleistet, und ich bin Ihnen für Ihre Rückmeldungen und Ihre Geduld höchst dankbar – ganz zu schweigen von Ihrer Bereitschaft, das Ganze mit mir zu wagen. Herzlichen Dank an Will DeRooy für das ausgezeichnete Lektorat.

Mom und Dad, ich wünschte, ihr hättet das Erscheinen des Buchs noch erleben können. Ich liebe euch, und ihr fehlt mir sehr. Grant, Katie, Thomas, James, Caroline, Kaye, Adam, Hunter, David und Kellye – danke, dass ihr meine Familie seid. Ich liebe euch sehr.

Ein besonderer Dank geht an meine Freunde und Kollegen am Beratungszentrum des California Institute of Technology für all die Unterstützung und Ermutigung, die ich durch sie erfahren habe, während ich an diesem Buch schrieb. Ich möchte auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an den psychologischen Fakultäten der University of Alabama und der Miami University sowie an den Studierendenberatungsstellen der Miami University, der University of Virginia, des Boston College und der Ohio University für die beste Ausbildung danken, die ich mir je hätte wünschen können. Karen Maitland Schilling bin ich zu besonderem Dank verpflichtet, weil Sie mich für die interpersonelle Therapie begeistert hat.

Dan und Karen, auf eure Unterstützung und euer Verständnis konnte ich auch dann zählen, wenn ich manchmal zu sehr mit Schreiben beschäftigt war, um mich auf ein Gespräch einzulassen. Bridget, du bist mir eine gute Freundin, bei der ich Ermutigung und Rückhalt finde. Bill Gianesello, Debbie Dunphy, David Loy, Leslie Johnson und John Garske, Ihnen danke ich dafür, dass Sie für mich da sind. Einen großen Dank auch den tollen Leuten von der buddhistischen Meditationsgruppe Against the Stream dafür, dass ich Teil eurer wunderbar eigenwilligen Familie sein darf.

Mein innigster Dank aber gilt Lani, William und David. Ich weiß, dass all die Abende, an denen ich mich in mein Arbeitszimmer verzog, nicht schön für euch waren, aber irgendwie hattet ihr immer Verständnis für mich. Ich liebe euch mehr als alles andere auf der Welt.

Einführung

Ich schätze mich glücklich, dass ich meinen Lebensunterhalt damit bestreiten kann, angehende Psychologinnen und Psychologen auszubilden und zu supervidieren. Die Arbeit macht mir Freude, und ich nehme die damit verbundene Verantwortung sehr ernst. Ich mache mir oft Gedanken darüber, was ich denen, die zu mir in Supervision kommen, für ihre Arbeit mitgeben möchte. Da sind zum einen die üblichen Ratschläge, bei der Begegnung mit Klienten ganz präsent zu sein, gut für sich selbst zu sorgen, einem Burnout vorzubeugen und so weiter. Was die therapeutische Arbeit angeht, scheint mir aber ein Appell wichtiger zu sein als jeder andere: Hüten Sie sich davor, die Macht einer Depression zu unterschätzen.

Gegen eine Depression anzukommen ist, auch wenn die oder der Betroffene eine ausgezeichnete Behandlung erhält, sehr schwer. Die traurige Realität ist indes, dass die überwiegende Mehrzahl der Menschen, die unter einer Depression leiden, weder eine fachgerechte Diagnose noch eine angemessene Therapie bekommt. Und auch unter denen, die therapiert werden, sind viele nicht hinreichend auf ein mögliches Wiederauftreten der Erkrankung vorbereitet. Setzt dann eine neue depressive Episode ein, sind sie völlig entmutigt und versinken in Hoffnungslosigkeit. Es handelt sich hier um ein weltweites Problem des Gesundheitswesens, das zu vielen Tragödien führt.

Dieses Buch ist mein Versuch, etwas zu verändern und dazu beizutragen, dass mit der Zeit immer weniger Menschen mit derartigen Problemen alleingelassen werden. Wenn bei Ihnen vor kurzem eine Depression diagnostiziert worden ist oder wenn Sie denken, dass Sie depressiv sein könnten, hoffe ich für Sie, dass Sie die bestmögliche Unterstützung und Behandlung bekommen. Ich werde erläutern, wie Sie sicherstellen können, dass eine fachgerechte Diagnose gestellt wird. Dazu ist auch eine ärztliche Untersuchung erforderlich, um andere mögliche Ursachen für die Symptome auszuschließen. Ich werde Ihnen Hinweise geben, wie Sie Klarheit darüber gewinnen, welche Art von Behandlung Sie am besten anstreben sollten, und wie Sie den richtigen Arzt oder Therapeuten finden. Ein Thema wird auch sein, wie Sie besser mit den Symptomen zurechtkommen können, die den Alltag für Sie so schwierig machen. Vor allem aber werde ich darauf eingehen, wie Sie der Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung begegnen können, die bei Ihnen womöglich den Gedanken an Suizid aufkommen lassen.

Über den Höllensumpf der Depression nur zu lesen ist die eine Sache, ihn selbst zu durchschreiten eine ganz andere. Ich war selbst schon dort. Deshalb ist mir klar, dass Sie, wenn Sie in einer Depression stecken, ein Buch wie dieses mit großer Skepsis betrachten, weil Sie daran zweifeln, dass Ihre Lage sich je wieder bessern könnte. Da ich nie erwarten würde, dass Sie mir etwas, das ich behaupte, einfach glauben, stütze ich mich auf Ergebnisse der umfangreichen Forschung zum Thema Depression, um die eine zentrale Botschaft zu untermauern: Ja, es gibt tatsächlich Hoffnung, denn in den meisten Fällen ist eine Depression sehr gut behandelbar. Ihr Beitrag besteht darin, Zeit zu investieren, sich anzustrengen und Geduld aufzubringen. Ich möchte Ihnen eine in der Realität verwurzelte Hoffnung vermitteln und Ihnen deutlich machen, dass sich die Reise, die aus der Depression herausführt, stets lohnt.

1. Was ist eine Depression?

Depressionen zählen in den Industrieländern zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. In den USA haben Studien ergeben, dass im Verlauf ihres Lebens etwa eine von fünf Frauen und einer von zehn Männern eine depressive Phase durchmachen. [Laut Stiftung Deutsche Depressionshilfe leiden in Deutschland etwa vier Millionen Menschen an einer behandlungsbedürftigen Depression (Stand 2013).] Weil sie so häufig auftritt, wird die Depression manchmal als „Schnupfen“ unter den psychischen Erkrankungen bezeichnet. Doch sie ist eine wesentlich ernstere Sache als ein Schnupfen, denn durch sie verändert sich so ziemlich jeder Aspekt Ihres Lebens, angefangen bei Ihrer Stimmung und Ihrer Wahrnehmungsweise. Das kann so weit gehen, dass die Welt Ihnen trostlos vorkommt, dass Sie das Interesse am Leben und die Freude daran verlieren und es womöglich nicht länger lebenswert finden. Die Depression kann verschiedenste Gestalten annehmen, doch gibt es einige allgemeine Aspekte, die bei den meisten Betroffenen zu finden sind. Ein Überblick über die häufigsten Symptome ist ein guter Ausgangspunkt, um deutlich zu machen, was eine Depression ist und wie sie sich auf Ihr Leben auswirken kann.

1.1 Häufige Symptome

Bei depressiven Menschen liegen meist mehrere der im Folgenden aufgelisteten Symptome gleichzeitig vor. Bei der Diagnosestellung versucht der Arzt oder Therapeut sich ein Bild davon zu machen, wie viele dieser Symptome bei Ihnen vorhanden und wie stark sie ausgeprägt sind. Eine Faustregel lautet, dass von einer Depression auszugehen ist, wenn fünf oder mehr dieser Symptome seit mehr als zwei Wochen anhalten. Beachten Sie aber bitte, dass keines der Symptome für sich genommen notwendigerweise ein Grund zur Sorge ist. Bedenklich wird es erst, wenn mehrere Symptome Sie in Ihrem Leben beeinträchtigen. Sie sollten sich auch bewusst machen, dass nur Fachleute eine verlässliche Depressionsdiagnose stellen können. In Kapitel 2 werde ich erläutern, wie Sie sicherstellen können, dass Sie eine fachgerechte Diagnose erhalten.

Traurige Stimmung

Das nächstliegende Symptom ist natürlich, dass die Stimmung der meisten Menschen, bei denen sich eine Depression entwickelt, gedrückter ist als sonst. Vielleicht haben sie hin und wieder einen guten Tag, kämpfen aber gegen massive Gefühle von Traurigkeit oder innerer Leere an. Selbst wenn sie mit geliebten Menschen zusammen oder mit Dingen beschäftigt sind, die sie bislang gern getan haben, sind sie niedergeschlagen und können sich an dem, was um sie herum geschieht, nicht freuen.

Interessenverlust

Eine Depression führt oft dazu, dass das Interesse an Dingen verloren geht, die bislang als angenehm empfunden wurden, etwa am Gespräch mit Freunden oder am Musikhören, das nun nicht mehr die gewohnte entspannende Wirkung hat, sondern Ihnen nichts mehr zu geben scheint. Die Freude, die Sie bislang aus Ihrer Arbeit, aus Beziehungen zu anderen und aus Freizeitaktivitäten gezogen haben, will sich nicht mehr einstellen. Auch das sexuelle Interesse kann nachlassen.

Antriebslosigkeit

Eine Depression kann sich darin ausdrücken, dass es Sie große Überwindung kostet, Ihre Arbeit zu erledigen und mit Freunden und Familienmitgliedern zu sprechen, oder dass es Ihnen äußerst schwerfällt, morgens aufzustehen. Anderen fällt vielleicht auf, dass Sie müde oder verlangsamt wirken. Häufig ist auch der Schlaf betroffen. Das kann heißen, dass Sie unter Einschlaf- oder Durchschlafstörungen leiden oder dass Sie umgekehrt länger schlafen als gewöhnlich.

Denkstörungen

Bei einer Depression sinkt häufig nicht nur das Energieniveau, sondern auch die Geschwindigkeit der geistigen Abläufe. Sie fühlen sich dann rasch überfordert, wenn Sie Entscheidungen zu treffen haben, und seien es auch ganz einfache wie die, was Sie anziehen oder essen sollen. Entscheidungssituationen, die bislang nie ein Problem waren, sind für Sie nun derart quälend, dass Sie am liebsten den ganzen Tag im Bett bleiben würden.

Veränderungen des Appetits

Oft dämpft eine Depression den Appetit. Das Interesse am Essen geht einfach verloren. Bei manchen Menschen hingegen steigert eine Depression den Appetit, und sie essen viel mehr als vorher, weil ihnen das Trost gibt. Veränderungen des Appetits in die eine oder andere Richtung können sich natürlich im Körpergewicht niederschlagen. In Kapitel 5 wird es darum gehen, wie Sie gut für sich sorgen können, wenn Sie entweder kaum Hunger verspüren oder aber zu viel essen, um sich Trost zu verschaffen.

Schuldgefühle und Selbstabwertung

Depressive Menschen haben oft ein sehr schlechtes Bild von sich selbst, das in keinem Verhältnis zu ihrem tatsächlichen Verhalten steht. Es ist allerdings auch nicht weiter verwunderlich, wenn Sie es nur noch mit Mühe schaffen, Ihre gewohnten Aufgaben zu erledigen, und sich dann über sich selbst ärgern oder enttäuscht von sich sind. Bei extremeren Formen der Depression macht sich der Betroffene für Dinge verantwortlich, für die er überhaupt nichts kann – und unter Umständen auch für die Probleme anderer Menschen. Es ist, als sei er von der eigenen Schlechtigkeit so überzeugt, dass er alles bereitwillig glaubt, was ihn darin bestätigt.

Isolation

Depressive Menschen wollen oft für sich bleiben und verlieren zunehmend den Kontakt zu anderen. Es macht ihnen keinen Spaß mehr, Zeit mit Freunden oder mit der Familie zu verbringen, und sie befürchten möglicherweise, dass sie die anderen mit herunterziehen. Bei depressiven Menschen reißen die Verbindungen zu Freunden nur allzu leicht ab, weil sie die Kontakte zu ihnen nicht pflegen und sich nicht mehr bei ihnen melden. Dies ist ein gravierendes Problem, weil sich durch die Isolation oft andere depressive Symptome verschlimmern, sodass die Energie zum Zusammensein mit anderen noch schwerer zu mobilisieren ist.

Todes- oder Suizidgedanken

Das gravierendste Symptom, das bei vielen depressiven Menschen auftritt, besteht darin, dass sie die Welt mit völlig anderen Augen sehen und sie ihnen äußerst düster und trostlos erscheint. Weil sie sich wertlos vorkommen, denken sie an den Tod oder an Suizid. Schuldgefühle, Selbsthass, Hoffnungslosigkeit und Selbstabwertung können ihnen das Leben derart unerträglich machen, dass ihnen der Suizid als einzig möglicher Ausweg erscheint. In Kapitel 6 werde ich erläutern, wie mit dem Suizidrisiko bei einer Depression umzugehen ist und wie Sie den Grad Ihrer Gefährdung im Auge behalten und sich Hilfe holen können, wenn das Risiko zu groß wird. Natürlich nehmen sich nicht alle Menschen, die depressiv werden, das Leben, doch bei den meisten, die tatsächlich Suizid begehen, ist von einer Depression oder einer anderen psychischen Erkrankung auszugehen.

1.2 Woran erkennen Sie, dass Sie nicht einfach nur traurig sind?

Manche Menschen denken, wenn sie von den Symptomen der Depression lesen, Depression sei eigentlich nichts anderes als tiefe Traurigkeit und somit auch keine allzu schlimme Sache. Es ist wahr, dass jeder Mensch manchmal traurig ist. Das ist völlig normal und ein unvermeidlicher Teil unseres Lebens. Die Depression unterscheidet sich aber in einigen wesentlichen Aspekten von bloßer Traurigkeit. Die traurige Stimmung, die mit einer Depression einhergeht, reicht meist viel tiefer und lässt sich durch das, was in Ihrem Leben konkret geschieht, vermutlich nicht erklären. Sie hält auch länger an. Einen Tag oder auch mehrere Tage lang traurig oder niedergeschlagen zu sein ist normal – das haben wir alle schon erlebt. Wenn es Ihnen aber seit über zwei Wochen die meiste Zeit so geht, wird es bedenklich.

1.3 Was ist der Unterschied zur Trauer nach einem Verlust?

Wenn ein geliebter Mensch stirbt oder Sie verlässt, ist Trauer eine natürliche Reaktion, die sich ganz ähnlich wie eine Depression anfühlen kann. Ein wichtiger Unterschied ist aber, dass Trauernde bekümmert sind, weil sie jemanden verloren haben, wohingegen depressive Menschen vor allem darunter leiden, dass sie sich schlecht vorkommen. Darauf wies Sigmund Freud in seinem klassischen Aufsatz Trauer und Melancholie (1917) hin: „Bei der Trauer ist die Welt arm und leer geworden, bei der Melancholie ist es das Ich selbst.“ Um einen Menschen zu trauern, der uns fehlt, ist eine gesunde Reaktion, und der Kummer lässt nach, sobald wir lernen, unser Leben ohne ihn zu leben. Eine Depression aber mündet nicht in das Empfinden, dass eine Lebensphase abgeschlossen ist, und klingt auch nicht unbedingt von allein ab.

Ich möchte noch einmal betonen, dass sich eine Depression nicht auf die Ebene der Stimmung beschränkt. Hätten Sie einfach nur einen schlechten Tag, wären Sie vermutlich immer noch in der Lage, zu arbeiten, Freizeitaktivitäten nachzugehen und auch andere Dinge so wie immer zu tun. Eine Depression hingegen hat gravierende und weitreichende Einschränkungen zur Folge. Wie im Abschnitt über depressive Symptome geschildert hat eine Depression massive Auswirkungen auf Ihren Schlaf, Ihren Appetit, Ihr Konzentrationsvermögen sowie auf Ihre Fähigkeit und sogar Ihre Art zu denken. Eine Depression geht über bloße Traurigkeit stets hinaus.

1.4 Warum ist eine Depression eine ernste Erkrankung?

Eine Depression ist nach allen denkbaren Kriterien ein äußerst gravierendes Problem, weil sie zahlreiche Aspekte Ihres Lebens in Mitleidenschaft zieht. Laut der Weltgesundheitsorganisation ist Depression weltweit die Hauptursache von Behinderung, wenn man als Kriterium die mit einer Behinderung verbrachten Lebensjahre heranzieht (Moussavi et al., 2007). Eine Depression hat massive Auswirkungen auf Ihren Gesundheitszustand, Ihre Arbeitsfähigkeit, Ihre Denkmuster und Ihre Beziehungen. Schauen wir uns die häufigsten Effekte an, die eine Depression auf unser Leben haben kann.

Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit

Bei depressiven Menschen treten viele ernste körperliche Probleme wie koronare Herzkrankheit (Kwahaja, Westermeyer, Gajwani & Feinstein, 2009) und Diabetes (Pan et al., 2010) häufiger auf als bei anderen. Hinzu kommt, dass es bei verschiedenen körperlichen Erkrankungen vermehrt zu Komplikationen kommt, sodass die Behandlung schwieriger wird. Infolgedessen kann eine Depression dazu führen, dass bei einer Krankheit das Risiko einer Behinderung oder eines vorzeitigen Todes ansteigt, dass die finanziellen Aufwendungen für die medizinische Versorgung höher ausfallen, dass es mehr Fehltage am Arbeitsplatz gibt und auch weniger Zeit für andere Aktivitäten verfügbar ist.

Auswirkungen auf zwischenmenschliche Beziehungen

Es scheint einen Zusammenhang zwischen der Depression und bestimmten Formen zwischenmenschlicher Probleme zu geben. So machen viele depressive Menschen sich in zu starkem Maße abhängig von anderen und suchen ständig nach Bestätigung (Joiner, 2002). Eine Paarbeziehung leidet unweigerlich darunter, wenn der eine Partner depressiv ist. Der nichtdepressive Partner kann einer erheblichen Belastung ausgesetzt sein. Zwischenmenschliche Probleme können auch im Entstehungsprozess einer Depression eine Rolle spielen und sich dann natürlich auch verschlimmern, wenn die Depression ausbricht.

Psychische Auswirkungen

Einer der am schwersten auszuhaltenden Aspekte einer Depression ist die Art von Schwäche, die sie in Ihnen erzeugt: Es mangelt Ihnen nicht nur an Energie, sondern Sie haben zugleich das Gefühl, Sie müssten doch fähig sein, „sich zusammenzureißen“ und diesen Zustand einfach hinter sich zu lassen. Viele Menschen denken, eine Depression sei nicht real, weil sie nicht im Röntgenbild zu sehen oder zum Beispiel per Bluttest nachzuweisen ist. Diese Sichtweise richtet Schaden an, nicht nur, weil sie falsch ist, sondern auch, weil nicht wenige Menschen deshalb denken, sie würden sich ihre Depression nur „einbilden“, und sich deshalb weigern, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Manche versinken dann derart tief in ihrer Depression, dass sie nicht glauben, es könne je wieder aufwärts mit ihnen gehen, und schließlich Hand an sich legen.

1.5 Sie sind nicht allein, und es gibt Grund zur Hoffnung!

Nachdem Sie nun gelesen haben, wie ernst eine Depression zu nehmen ist, fragen Sie sich wahrscheinlich, ob es nicht auch gute Nachrichten gibt. Die Antwort ist: Ja. Eine Depression lässt sich in den meisten Fällen sehr gut behandeln. Wenn Sie aus der Lektüre dieses Buches nur eine einzige Erkenntnis ziehen können, dann sollte es die sein, dass eine Depression behandelt werden kann und behandelt werden sollte. Im Mittelpunkt dieses Buch steht, was Sie Tag für Tag für sich selbst tun können. Dazu gehört, dass Sie für die eigenen Interessen eintreten und alles unternehmen, um eine fachgerechte Diagnose und Behandlung zu erhalten.

Den meisten Menschen, die sich in Behandlung begeben, geht es bald besser, und die Besserung setzt viel schneller ein als bei denen, die keine Behandlung erhalten. Wer zum ersten Mal eine Depression erlebt, muss damit rechnen, dass sie ohne Behandlung im Durchschnitt acht bis zwölf Monate unvermindert anhalten wird. Bei einer Behandlung dagegen werden deutliche Fortschritte meistens innerhalb von acht Wochen sichtbar (Boland & Keller, 2002). Sich in Behandlung zu begeben ist auch wichtig, um die Wahrscheinlichkeit zukünftiger depressiver Episoden zu verringern. Traurige Tatsache ist, dass es in der Regel nicht bei einer einzigen depressiven Episode bleibt. Darauf werde ich später noch zurückkommen. Jedenfalls können Sie durch eine fachgerechte, früh einsetzende Behandlung das Risiko künftiger depressiver Phasen mindern.

Möglicherweise sind Sie skeptisch, ob Ihnen überhaupt irgendetwas helfen kann. Vielleicht haben Sie schon mehrere Dinge ausprobiert, die einfach nichts gebracht haben. Oder Sie sind ganz generell sehr pessimistisch und mutlos. Wenn Ihnen aber alles derart aussichtslos vorkommt, wäre es denkbar, dass es eben die depressive Erkrankung ist, die Sie pessimistisch macht. Dann wäre es zunächst einmal notwendig, die Erkrankung anzugehen, damit Ihre Denkweise sich ändern kann. Diese Idee mag für Sie wenig attraktiv wirken, vor allem wenn Sie die Dinge gern sorgfältig abwägen, ehe Sie eine Entscheidung treffen. Von allein verändern sich pessimistische Vorstellungen aber nur sehr langsam, wenn Sie in einer Depression stecken.

Falls Sie es schon mit einer Therapie gegen Depression versucht haben, die aber nicht die erhoffte Wirkung erzielte, ist zu überlegen, ob die Behandlung fachgerecht erfolgt ist. Eine qualifizierte Diagnose und Behandlung erhält weniger als die Hälfte der depressiven Menschen (González et al., 2010). Ich werde in Kapitel 2 darauf eingehen, wie Sie sicherstellen können, dass Sie eine fachkundige Diagnose bekommen, die entscheidend für die Auswahl eines geeigneten Behandlungsverfahrens ist.

Verzweifeln Sie nicht, wenn Ihre Depression anhält, obwohl Diagnose und Behandlung nach allen Regeln der Kunst erfolgt sind! Eine Depression kann sehr hartnäckig sein, und was dem einen Menschen hilft, wirkt nicht unbedingt beim anderen. Die Optionen sind für Sie sicherlich noch nicht ausgeschöpft, denn wie ich in Kapitel 3 zeigen werde, gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, die für Sie in Frage kommen.

1.6 Warum geht es Ihnen jetzt so?

Wenn Sie über die Frage nachgrübeln, wie sich bei Ihnen eine Depression entwickeln konnte, ist das nur allzu verständlich. Bevor ich auf die Frage eingehe, möchte ich betonen: Die Depression kommt nicht daher, dass Sie etwas falsch gemacht hätten. Die Frage zu stellen ist nur insofern von Nutzen, als Sie Ihnen hilft, sich selbst besser zu verstehen. Sie sollte kein Anlass zu Selbstvorwürfen sein. Die Depression rührt nicht daher, dass Sie schwach oder faul wären, und sie offenbart auch nicht Ihr innerstes Wesen. Es ist keineswegs so, dass Sie etwas falsch gemacht und sich so in diese Lage gebracht hätten. Doch können Sie durchaus etwas tun, damit es Ihnen besser geht.

Vergessen Sie nicht, dass Depression eine Krankheit ist. Weil sie nicht beispielsweise mit einer Blut- oder Röntgenuntersuchung nachweisbar zu machen ist, versuchen manche depressiven Menschen die eigenen Symptome auszublenden – oder machen sich, was noch schlimmer ist, heftige Vorwürfe, weil es ihnen nicht gelingen will, „sich zusammenzureißen“. Vielleicht denken Sie oder haben schon zu hören bekommen, Depression sei doch „reine Kopfsache“, und Sie müssten sich eben Mühe geben, um sich wieder aufzurappeln. Ich möchte Sie dazu anhalten, gegen diese Vorstellungen anzugehen. Zu meinen Klienten sage ich oft: Wenn es so einfach wäre, hätten Sie es doch schon längst geschafft!

Vermutlich haben Sie schon vom „Anlage-Umwelt-Streit“ gehört, der seit langem um die Entstehung bestimmter Krankheiten geführt wird. Wie die meisten psychischen Erkrankungen, so entsteht auch die Depression in einem Wechselspiel von Genetik (Erbanlagen) und Umwelteinflüssen, und es sind dabei sowohl biologische als auch psychische Faktoren im Spiel.

Biologische Faktoren der Depressionsentstehung

Es gibt bei der Depression offenbar eine erbliche Komponente, die durch verschiedenste körperliche Faktoren mobilisiert werden kann. Im Folgenden gehe ich auf einige der grundlegenden medizinischen und biologischen Phänomene ein, die bei der Entstehung einer Depression eine Rolle spielen.

Familiäre Vorbelastung