Depressiv? - David Althaus - E-Book

Depressiv? E-Book

David Althaus

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  • Herausgeber: Kösel
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2009
Beschreibung

Ein Betroffener macht Mut – Glückliches Leben nach der Depression

Noch immer werden Depressionen häufig unterschätzt und irgendwo zwischen Schnupfen und Einbildung eingeordnet. Dabei handelt es sich um eine ernsthafte Erkrankung. Wird die Depression nicht erkannt, führt sie zu unnötigem Leiden und zur Gefährdung des Patienten, im schlimmsten Fall zum Selbstmord.

Dieses Buch will aufklären und informieren:
• Wo enden schlechte Stimmung und Trauer, wann beginnt Depression?
• Kann man herausfinden, warum ein Mensch Depressiv? wird?
• Welche Risiken und Nebenwirkungen haben Antidepressiva?
• Sind Depressionen heilbar?

Auf diese und viele weitere Fragen, die für Patienten und Angehörige ebenso wie für Freunde entscheidend sind, geben zwei ausgewiesene Fachleute und ein Betroffener kompetente Antworten.

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Seitenzahl: 255

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Inhaltsverzeichnis
 
DIE 111 FRAGEN AUF EINEN BLICK
Vorwort
 
KRANKHEITSBILD DEPRESSION
1 - Wie fühlen sich Menschen mit der Diagnose Depression verstanden?
2 - Welches sind die typischen Symptome?
3 - Was sind die häufigsten Erscheinungsformen?
4 - Wann spricht man von unipolarer Depression?
5 - Gibt es das eindeutige Gefühl »Ich habe eine Depression«?
 
Copyright
DIE 111 FRAGEN AUF EINEN BLICK
1. Wie fühlen sich Menschen mit der Diagnose Depression verstanden?
2. Welches sind die typischen Symptome?
3. Was sind die häufigsten Erscheinungsformen?
4. Wann spricht man von unipolarer Depression?
5. Gibt es das eindeutige Gefühl »Ich habe eine Depression«?
6. Wo endet Normalität, wann beginnt Depression?
7. Ist Depression das Gegenteil von Glück?
8. Warum weinen Depressive so wenig?
9. Wäre es sinnvoll, dem Krankheitsbild Depression einen schärfer konturierten Namen zu geben, so wie den Begriff Karzinom für unterschiedliche Krebserkrankungen?
10. Kann man herausfinden, warum ein Mensch depressiv wird?
11. Ist die Depression eine körperliche oder seelische Erkrankung?
12. Welche Rolle spielt die Vererbung?
13. Ist es denkbar, dass die Depression eine »richtige« Reaktion des Organismus ist?
14. Ist es hilfreich für die Patienten, über die Ursachen der eigenen Krankheit Bescheid zu wissen?
15. Wie erkenne ich Depression - bei mir und bei anderen?
16. Was ist eine Winterdepression?
17. Mit welcher Symptomatik sollte ich selbst einen Arzt oder Psychotherapeuten aufsuchen?
18. Ist Depression zurzeit in Mode?
19. Können wir einfach nichts mehr aushalten?
20. Sind Depressionen heute tatsächlich häufiger als früher?
21. Woran liegt es, dass Depressionen zunehmen?
22. Ist Depression eine Zivilisationskrankheit?
23. Ist Depression die Kehrseite von Wohlstand?
24. Unterscheidet sich die Depression bei Frauen und Männern?
25. Ist die Depression ein ausgeprägt deutsches Phänomen?
26. Ist die Weltsicht von depressiven Menschen nicht im Grunde ganz realistisch?
27. Bedeutet depressiv sein, die tägliche Verdrängung von Sinnlosigkeit, Schmerz und Hoffnungslosigkeit zu durchbrechen und der Wahrheit ins Gesicht zu blicken?
28. Sind depressive Menschen sensibler, aufmerksamer und kreativer?
29. Sind depressive Menschen kränkbarer als andere?
30. Gibt es den »typischen« Depressiven?
31. Ist der Depressive ein Perfektionist, der sich ständig überfordert?
32. Depression - Flucht aus dem Leben und Drückebergerei?
33. Materieller Überfluss als Krankheitsauslöser?
34. Sind Menschen in der Depression egozentrisch?
35. Stimmt es, dass ein Mensch in der Depression gar nichts mehr tun kann?
36. Warum fehlt dem Depressiven der Mut, Fehler zu machen?
37. Kann der Depressive noch für sich verantwortlich zeichnen?
38. Will der Depressive seine Umgebung manipulieren?
39. Sind antiautoritär erzogene Kinder in ihrer »Grenzenlosigkeit« prädestiniert, depressiv zu werden?
40. Welche Medikamente gibt es?
41. Was sind die wichtigsten Substanzen?
42. Über welchen Mechanismus wirken die Antidepressiva?
43. Sind die Wirkungen von Antidepressiva inhaltlich und zeitlich vorhersagbar?
44. Gibt es Standards der Behandlung - wie in der Chirurgie?
45. Welches Antidepressivum ist für mich das beste?
46. Risiken und Nebenwirkungen der Medikamente?
47. Führen Antidepressiva bei lang andauernder Einnahme zu einer chronischen Vergiftung des Körpers?
48. Warum fügen sich Depressive nicht einfach in die Therapie, nehmen regelmäßig Medikamente, folgen den Anweisungen des Arztes etc.?
49. Können Medikamente glücklich machen?
50. Nur ein Drittel der Patienten erfährt durch eine Pharmakotherapie eine vollständige Besserung. Kann da noch von einem erfolgreichen Behandlungsverfahren gesprochen werden?
51. Kritiker wenden ein, dass der größere Teil der therapeutischen Wirkung ausschließlich auf dem Placeboeffekt beruht.
52. Warum erleben mehr als die Hälfte der Patienten erneut depressive Phasen?
53. Woran merkt der Patient, dass er erneut in den Strudel der Depression gerät?
54. Wie kann man Rückfällen vorbeugen?
55. Wie geht man mit Patienten um, denen Medikamente gar nicht helfen?
56. Werden wir schon bald in der Lage sein, unser Wohlbefinden gezielt medikamentös zu steuern?
57. Wäre eine solche Entwicklung wünschenswert?
58. Was ist Psychotherapie?
59. Wie sieht eine Psychotherapie für depressive Patienten konkret aus?
60. Stimmt es, dass eine Psychotherapie Jahre dauert?
61. Kann Psychotherapie auch zusätzlichen Schmerz verursachen?
62. Wird der Patient in der Therapie dressiert?
63. Hilft Psychotherapie überhaupt?
64. Kann man »schlechte Gewohnheiten« wirklich verändern?
65. Welche Therapie sollte man machen?
66. Ist jeder Psychotherapeut gleich gut?
67. Wie kann man Hoffnung und Freude vermitteln?
68. Wann macht Psychotherapie abhängig?
69. Warum hilft Psychotherapie manchen nicht?
70. Was erwartet der Kranke von seinem Arzt oder Therapeuten?
71. Was macht die Begegnung mit dem Therapeuten und dem Psychiater häufig so frustrierend?
72. Weiß der Behandler wirklich um den Seelenzustand des depressiv Erkrankten?
73. Wie findet man für sich den richtigen Therapeuten?
74. Warum reden Therapeuten so »anders«?
75. Warum empfindet der Patient den Therapeuten häufig als manipulativ?
76. Will der Therapeut überhaupt, dass der Kranke gesund wird?
77. Gibt es noch andere Strategien zur Eigentherapie?
78. Schützt Religion vor Depression?
79. Wurde die Wirkung von Religion auf Krankheiten auch wissenschaftlich untersucht?
80. Wie helfen Homöopathie und Naturheilverfahren?
81. Welche Erfahrungen gibt es mit »Stimmungsaufhellern« wie Alkohol oder Haschisch?
82. Sind Sport, Lachen oder positives Denken nahe liegende Rezepte gegen Depression?
83. Gibt es Depression schon bei Kindern?
84. Wie unterscheide ich »normales« Verhalten eines Teenagers von depressiven Symptomen?
85. Wie hilft man depressiven Jugendlichen am besten?
86. Warum gibt es häufig Depressionen während und nach der Schwangerschaft?
87. Dürfen Schwangere und stillende Mütter Medikamente nehmen?
88. Warum leiden so viele alte Menschen unter Depressionen?
89. Wie kann man erkennen, ob ein älterer Mensch depressiv erkrankt ist oder lediglich traurig und missgestimmt?
90. Sind arbeitslose Menschen häufiger depressiv?
91. Warum nagt gerade Arbeitslosigkeit so sehr am Selbstwert?
92. Ist es nicht verständlich, dass Männer und Frauen mit Anfang fünfzig, die keine Arbeit mehr finden, depressiv werden?
93. Gibt es Arbeitssituationen, die zwangsläufig depressiv machen?
94. Führt Mobbing zur Depression?
95. Umgang mit der Depression am Arbeitsplatz - Darf ich mich outen?
96. Hilft eine Krankschreibung?
97. Welche Möglichkeiten der beruflichen Reintegration gibt es?
98. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Depression und Suizid?
99. Hat nicht jeder das Recht, über seinen eigenen Tod in der Krankheit zu entscheiden?
100. Woran erkenne ich, dass das Gegenüber suizidal ist?
101. Wie gehe ich damit um, wenn jemand von Suizid spricht?
102. Hilft es, suizidale Menschen wegzusperren?
103. Gibt es ein Gen für den Suizid?
104. Warum empfinden wir bei depressiven Menschen häufig Gereiztheit und Ärger statt Mitleid und Mitgefühl?
105. Wie kann man mit Patienten umgehen, die Medikamente grundsätzlich ablehnen?
106. Was muss ich mir von einem Kranken in der Depression gefallen lassen?
107. Welcher Zeitaufwand, welches emotionale Engagement ist sinnvoll?
108. Ist die Depression für immer überwunden?
109. Ist ein Mensch nach erfolgreicher Therapie glücklicher?
110. Bricht er mit seinen Gewohnheiten, bricht er mit »uns«?
111. Bleiben Narben von der Depression zurück?
VORWORT
Depressionen gehören zu den Krankheitsbildern, die erst in jüngerer Vergangenheit verstärkt ins Zentrum öffentlicher Wahrnehmung und Diskussion gerückt sind. Hat sich jahrzehntelang nur die Fachwelt mit depressiven Störungen befasst, so zeigt sich seit wenigen Jahren ein bedeutsamer Anstieg gesellschaftlichen Interesses an dieser Erkrankung. Völlig zu Recht, wie man betonen muss, denn lange Zeit wurden Depressionen und ihre verheerenden Folgen unterschätzt und nicht in angemessener Form gewürdigt.
Auch wenn Depressionen keineswegs ein Phänomen der Moderne sind, sondern in ihrer Schwere und mit all ihrer Zerstörungskraft bereits vor Tausenden Jahren beschrieben wurden, galten sie für viele bis vor kurzem doch nur als minder schwere seelische Verstimmung, der am besten mit Selbstdisziplin und Härte beizukommen wäre. Die allgemeine Bagatellisierung der Krankheit war einer der Gründe, warum die Betroffenen selbst viel zu häufig stumm geblieben sind und sich nicht trauten, fachliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Erst jüngst begann sich durch umfassendere Aufklärung der Medien das öffentliche Bild dieser schweren Erkrankung zu verändern. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die Beeinträchtigung des täglichen Lebens bei Depression dramatischer ist als bei fast allen anderen körperlichen oder psychischen Leiden. Kaum eine Krankheit ist so eng mit vorzeitigem Tod verbunden und verschlechtert den Heilungsverlauf anderer Erkrankungen so deutlich wie Depression.
Auf der anderen Seite steht heute eine Vielfalt erfolgreicher Behandlungsmethoden zur Verfügung. In den meisten Fällen kann depressiv Erkrankten damit gut geholfen werden; vorausgesetzt, sie suchen professionelle Hilfe auf. Leider gibt es noch immer große Ängste und Vorbehalte bei Betroffenen und Angehörigen hinsichtlich psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung. Vor allem die Furcht vor Psychopharmaka ist so ausgeprägt, dass ein erheblicher Teil der Erkrankten aus Angst vor den vermeintlichen Folgen einer Medikation keinerlei ärztliche Unterstützung sucht.
 
David Althaus
KRANKHEITSBILDDEPRESSION

1

Wie fühlen sich Menschen mit der Diagnose Depression verstanden?

HR: Ob sie sich verstanden fühlen, hängt zuerst einmal davon ab, ob ihr Arzt oder Therapeut sie einfühlsam und überzeugend ernst nimmt. Darüber hinaus müssen sie Vertrauen in die Diagnose haben und das Gefühl verspüren, dass alles Notwendige unternommen wurde, diese Diagnose bestmöglich abzusichern. Patient und Therapeut müssen sich also im Wortsinne verstanden haben, ohne dass Fragen unbeantwortet blieben. Einer solchen eindeutigen Diagnose kann dann ein ebenso stringentes Behandlungskonzept folgen - ein unverzichtbares Gefühl der Sicherheit für den Patienten. Außerdem kann er sich jetzt über das diagnostizierte Krankheitsbild informieren, er kann aktiv am Genesungsprozess teilnehmen, er wird zum kompetenten und so gern zitierten mündigen Patienten und ist nicht länger hilfloses Opfer des so fremdartigen Krankheitsgeschehens. In diesem Sinne ist also die Einschätzung, verstanden worden zu sein, im so diffusen Geschehen am Anfang einer Depression eine ganz wichtige Lebensstütze: So erschütternd die Diagnose auch sein mag, sie schafft Klarheit und damit auch wieder Perspektiven für die Zukunft - der Krankheit kann das Dämonische genommen werden.

2

Welches sind die typischen Symptome?

UH: Zunächst möchte ich feststellen: Eine deprimierte Stimmung ist noch keine Depression. Niedergedrücktheit ist zwar ein wichtiges Symptom, reicht jedoch noch keineswegs aus, um von einer depressiven Erkrankung sprechen zu können. Eine Reihe weiterer Symptome muss vorliegen und dies nicht nur kurzfristig, sondern über mindestens zwei Wochen.
So leiden die meisten depressiv Erkrankten an einer tief sitzenden Freud- und Interesselosigkeit. Die Fähigkeit, Freude zu empfinden, ist wie abgeschaltet, Hobbys interessieren nicht mehr. Die depressive Stimmung ist zudem wie eingefroren, d.h. auch gute Nachrichten oder andere erfreuliche Ereignisse führen zu keiner Stimmungsaufhellung, auch nicht kurzfristig.
Die Betroffenen berichten oft, sich innerlich wie abgestorben zu fühlen, nichts mehr fühlen zu können, nicht einmal das Gefühl der Trauer. Für dieses Gefühl der inneren Versteinerung lautet der Fachausdruck »Gefühl der Gefühllosigkeit«. Wie Drogen die Hirnfunktion so verändern, dass die Erlebnis- und Genussfähigkeit extrem gesteigert ist, so wird umgekehrt durch eine schwere Depression die Fähigkeit zu genießen wie mit einem Schalter abgestellt.
Hinzu kommt eine Schwunglosigkeit und Ermüdbarkeit, die dazu führt, dass die Erkrankten kaum aus dem Bett kommen und vor kleinen und alltäglichen Aufgaben, die sie im gesunden Zustand mühelos bewältigt hätten, wie vor einem großen Berg stehen. Es ist als ob sich ein bleischwerer Mantel über den depressiv Erkrankten gelegt hat. Die Betroffenen sehnen sich danach, aus diesem Zustand in den Schlaf zu entfliehen. Doch auch dies gelingt nicht. Fast immer bestehen Schlafstörungen. Die Betroffenen wachen meist in den frühen Morgenstunden auf und liegen dann unter quälendem Grübeln im Bett.
Meist ist auch der Appetit gestört, selbst die Lieblingsspeise schmeckt nicht mehr und viele Erkrankte nehmen während der depressiven Erkrankungsphase mehrere Kilogramm Körpergewicht ab.
Weiterhin typisch für eine depressive Erkrankung ist die Neigung zu Schuld- und Insuffizienzgefühlen sowie Selbstvorwürfen, d.h. der depressiv Erkrankte gibt nicht der Umwelt, sondern sich selbst die Schuld an seinem Zustand. Er erlebt sich als Belastung für die Angehörigen, die Kollegen, das Gesundheitssystem oder die Gesellschaft. All das ist von einer tief sitzenden Hoffnungslosigkeit begleitet. So wird kaum ein depressiv Erkrankter berichten, dass es ihm zwar heute schlecht gehe, jedoch baldige Besserung in Sicht sei.
Auch sind Zukunftsängste häufig und oft ist die Angst ein quälender, allgegenwärtiger Begleiter. Manche Betroffene beschreiben ihren Zustand als schwelende Dauerpanik. Anderen depressiv Erkrankten fällt es schwer, die Umwelt lebhaft wahrzunehmen und sich auf ihre Aufgaben zu konzentrieren. Manche entwickeln sogar die Sorge, an einer Demenz zu leiden.
Alle diese Beschwerden gehen mit einem großen Leiden einher, so dass die Betroffenen oft nur noch den Wunsch haben, diesem schrecklichen Zustand zu entfliehen, am besten einzuschlafen und nicht mehr aufzuwachen, bis hin zu Gedanken, sich selbst etwas anzutun.
Bei sehr schweren Depressionen ist das Denken so stark verändert, dass die Betroffenen völlig übertriebene und für die Mitmenschen nicht mehr nachvollziehbare negative Überzeugungen entwickeln, von denen sie durch nichts abzubringen sind. Derartige Überzeugungen werden als Wahn bezeichnet. Wahnthema kann sein, schwerste und unkorrigierbare Schuld auf sich geladen zu haben (Schuldwahn), sich oder die Familie in den finanziellen Ruin getrieben zu haben (Verarmungswahn) oder an einer unaufhaltsamen tödlichen Erkrankung zu leiden (hypochondrischer Wahn).
Treten mehrere dieser Krankheitszeichen in Kombination und über einen längeren Zeitraum auf, so kann ein erfahrener Arzt oder Psychologe die Diagnose Depression mit großer Zuverlässigkeit stellen.

3

Was sind die häufigsten Erscheinungsformen?

DA: Bei Depression denkt man oft zunächst an zurückgezogene, niedergeschlagene Menschen, denen Antrieb und Motivation verloren gegangen sind. Tatsächlich treffen diese Attribute auf sehr viele depressiv erkrankte Menschen zu. Man spricht dann von einer »gehemmten Depression«, wenn die innere Lähmung, die psychomotorische Verlangsamung und die Abnahme des Aktivitätsniveaus im Vordergrund stehen. Für diesen Menschen wird alles schwer, er kann sich zu nichts mehr aufraffen. Sein Zeiterleben verändert sich und selbst die kleinsten Tätigkeiten bereiten ihm Mühe. Er spricht langsam, bewegt sich wenig, fühlt sich immer müde und kann nachts doch nicht schlafen. Er erlebt nicht Trauer, sondern eher Leere, keine Lebendigkeit.
Bei der »agitierten Depression« dominiert dagegen große innere Unruhe. Die Menschen erleben oft eine diffuse Angst, die sich aber doch nicht wirklich auf bestimmte Dinge eingrenzen lässt. Immer fühlen sie sich am falschen Ort, erleben die Dinge um sie ängstlich beklommen und erleben sich wie auf der Flucht vor diesem quälenden Zustand, der sie aber doch verfolgt wie ihr eigener Schatten. In ihrem äußeren Erscheinungsbild zeigt sich nichts von der vorher beschriebenen Verlangsamung oder der niederdrückenden Schwere. Dagegen wird vor allem die Unruhe spürbar, die Atemlosigkeit und die große Qual, die damit für die Betroffenen verbunden sind.
Bei einer »larvierten Depression« verbirgt sich die Depression hinter körperlichen Symptomen. Der betroffene Mensch fühlt sich nicht primär niedergeschlagen oder verzweifelt. Ihn quälen vielmehr verschiedene körperliche Veränderungen, die ihn beunruhigen. So können Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Schwindel, Magenbeschwerden und Appetitverlust auftreten. Auch der Schlaf ist beeinträchtigt, die Betroffenen leiden unter einer großen Erschöpfung. Wenn sie etwas in Angriff nehmen, fühlen sie sich rasch müde und gehen daher oftmals davon aus, unter einer körperlichen Erkrankung zu leiden. Zeigt sich dann in den ärztlichen Untersuchungen, dass keine organische Ursache für die Beschwerden zu finden ist und eine Depression vorliegt, so sind die Betroffenen oft überrascht und es bedarf der Feinfühligkeit und sorgfältigen Aufklärung durch einen guten Arzt, um beim Patienten die Bereitschaft zu fördern, sich für diese Diagnose zu öffnen.
Die bei Frage 2 beschriebene »wahnhafte Depression« ist glücklicherweise eher selten. Bei wahnhafter Depression ist meist eine stationäre Behandlung erforderlich, weil hier die Suizidgefahr besonders groß ist.

4

Wann spricht man von unipolarer Depression?

UH: Kommt es nur zu depressiven Krankheitsphasen, so spricht man von einer unipolaren Depression. Es gibt jedoch auch Menschen, die an einer so genannten bipolaren affektiven Erkrankung leiden. Hier kommt es nicht nur zu depressiven, sondern auch zu manischen Krankheitsphasen. Die Manie erscheint wie das Gegenteil einer Depression, d.h. die Betroffenen fühlen sich unbesiegbar, kraftstrotzend, werden auch nachts nicht müde, sondern entfalten zahllose Aktivitäten, oft verbunden mit großen Geldausgaben, sind in ihrem Redeschwall nicht zu bremsen, reagieren oft gereizt und genervt, wenn sie von ihren Mitmenschen auf ihr unangemessenes Verhalten hingewiesen werden, und haben typischerweise keine Krankheitseinsicht. Es kann innerhalb eines Jahres zu mehreren depressiven und manischen Episoden kommen und manchmal erfolgt der Umschwung von einer Phase in die andere innerhalb weniger, manchmal auch nur eines Tages.

5

Gibt es das eindeutige Gefühl »Ich habe eine Depression«?

HR: Leider nein. Die Depression ist eine äußerst fassettenreiche Krankheit mit sehr unscharfen Konturen und Schweregraden. Das macht ihre Diagnose auch so schwierig und erklärt, warum manche Patienten oft jahrelang leiden und von Arzt zu Arzt geschickt werden, ehe sie überhaupt erfahren, was in ihnen vorgeht - seelisch und körperlich. Ist aber irgendwann die Diagnose Depression eindeutig, dann kann man sich als Patient auch der Krankheit stellen und versuchen, therapeutisch Abhilfe zu schaffen. Krankheitseinsicht und Akzeptanz sind Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung. Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass sich Patienten manchmal auch trotz großen Leidensdrucks gegen die Diagnose Depression sträuben, weil sie ganz falsche Vorstellungen von der Krankheit haben: »Ich bin doch nicht verrückt, ich gehe nicht in die Psychiatrie!« Sie wollen sich nicht stigmatisiert und als Versager fühlen, weil eine seelische Erkrankung einfach nicht zu ihrem Selbstverständnis passt. Erst wenn die täglichen Einschränkungen ganz unübersehbar werden und auch körperliche Beschwerden nicht mehr zu leugnen
Verlagsgruppe Random House
 
 
 
Copyright © 2006 Kösel-Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Umschlag: Kaselow Design, München Umschlagmotiv: Steven Puetzer / Getty Images
eISBN : 978-3-641-02291-4
 
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