Der Aktiengarten - Isolde Kurz - E-Book

Der Aktiengarten E-Book

Isolde Kurz

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Beschreibung

Der Aktiengarten ist eine Erzählung von Isolde Kurz. Auszug: Wir gingen die dunkle Riva degli Schiavoni entlang und sahen dem Vollmond zu, der wie eine Riesenmelone über den Kuppeln und Thürmen von Venedig herausschwebte. Die Fluth war im Steigen und klatschte leise gegen das mächtige am Quai verankerte Frachtschiff, auf dessen höchster Mastspitze ein Stern wie ein Schiffslicht funkelte. Schattenhaft huschten die schwarzen Gondeln vorüber, flüssiges Silber von den Rudern spritzend, der Canal grande flammte mit seinen tausend Lichtern wie in Festbeleuchtung vor uns, und vom Markusplatz wehten vereinzelte Klänge der Militärmusik herüber.

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Seitenzahl: 17

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Der Aktiengarten

Der AktiengartenAnmerkungenImpressum

Der Aktiengarten

Wir gingen die dunkle Riva degli Schiavoni entlang und sahen dem Vollmond zu, der wie eine Riesenmelone über den Kuppeln und Thürmen von Venedig herausschwebte. Die Fluth war im Steigen und klatschte leise gegen das mächtige am Quai verankerte Frachtschiff, auf dessen höchster Mastspitze ein Stern wie ein Schiffslicht funkelte. Schattenhaft huschten die schwarzen Gondeln vorüber, flüssiges Silber von den Rudern spritzend, der Canal grande flammte mit seinen tausend Lichtern wie in Festbeleuchtung vor uns, und vom Markusplatz wehten vereinzelte Klänge der Militärmusik herüber.

Ich war fast betroffen, als ich in der feierlichen Stille plötzlich meine eigene Stimme sagen hörte:

»Wunderbar solch eine venetianische Nacht!«

»Venetianische Nacht,« wiederholte mein Begleiter vor sich hin, und es war seinen Worten anzuhören, daß sie aus einer weiten Ferne, aus einer tiefen Versunkenheit heraustönten. – »Venetianische Nacht,« sagte er noch einmal, jede Silbe betonend, als ob er einen Wohlgeschmack auf der Zunge hätte, und dann, wie durch seine eigene Stimme geweckt, setzte er hinzu:

»Sie glauben nicht, wie wunderbar und heimlich eigen diese Worte für mich klingen, sie rufen mir die seligste Stunde meines Lebens zurück, eine »venetianische Nacht« in meinem armen deutschen Heimathstädtchen, vor deren unbeschreiblichem Glanz auch diese gegenwärtige Schönheit verbleicht. – Wie das möglich ist? – Ich hatte damals fünfjährige Augen und eine fünfjährige Einbildungskraft.

Ich lebte zwischen meinem vierten und meinem sechsten Jahr bei meinen Großeltern in einem kleinen Städtchen, das alt ist ohne alterthümlich zu sein und einem Erwachsenen keinerlei Reize bietet; für mich aber war es der Paradiesgarten, die nie wieder zu findende selige Insel. Die Gestalten, die ich dort sah, leben noch heut' in meinem Gedächtniß als die ewigen Urtypen der Menschheit, und alle Dinge glänzten damals von innen heraus, wie ich nie wieder ein Ding auf Erden werde glänzen sehen. O die unaussprechliche, die entzückend blanke Neuheit aller Dinge! Die Erinnerung daran begleitet uns als ein stummes Trauern und Bedauern, daß diese Herrlichkeit vergehen mußte, ohne daß man dazu kam, sie recht zu begreifen, denn während die Seele noch denkt, das Wunderbare müsse erst kommen, da ist es auch schon vorüber, und der bessere Theil des Lebens liegt hinter uns.