Die vom Berge Latmos - Isolde Kurz - E-Book

Die vom Berge Latmos E-Book

Isolde Kurz

0,0
0,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die vom Berge Latmos ist eine kurze Erzählung von Isolde Kurz. Auszug: Der Ingenieur Fritz Westerland, namhaft als Erbauer wichtiger Bahnstrecken in Kleinasien, wollte vor Antritt einer leitenden Stellung in China seine Jugendstadt wiedersehen, die er fast zwei Jahrzehnte grollend gemieden hatte. Um die Vergangenheit mächtiger zu seiner Seele reden zu lassen, verschmähte er es, das Städtchen vom Bahnhof aus zu betreten, wo er gewiß war, auf stimmungsraubende Neuerungen zu stoßen, sondern stieg an einer früheren Haltestelle aus, um über wohlbekannte Bergpfade den Rest der Entfernung zurückzulegen und durch das alte Tor seinen Einzug zu halten. Nach mehrstündigem Steigen spaltete sich der Weg in zwei zu Anfang fast gleichlaufende Wege, die sich später in weitem Bogen voneinander trennten. Der Wanderer erinnerte sich genau der Stelle, wo es leicht war, sich zu verirren, und wählte mit Bedacht den seinigen. Auf sein Gedächtnis glaubte er sich verlassen zu dürfen, und sein Ortssinn war vorzüglich. Wenn er in der eingeschlagenen Richtung über einen waldigen Bergrücken weg einen flachen, mit Heide bewachsenen Vorsprung erreichte, mußte er die Stadt im Tale mit Kirchturm und mittelalterlichen Mauerresten gerade unter sich sehen. Und eben dies war die Stelle, wohin es ihn am meisten zog, das Stück Heideland mit dem ansteigenden Buchenwald dahinter, war der Schauplatz unvergeßlicher Jugendstunden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 23

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die vom Berge Latmos

Die vom Berge LatmosAnmerkungenImpressum

Die vom Berge Latmos

Der Ingenieur Fritz Westerland, namhaft als Erbauer wichtiger Bahnstrecken in Kleinasien, wollte vor Antritt einer leitenden Stellung in China seine Jugendstadt wiedersehen, die er fast zwei Jahrzehnte grollend gemieden hatte. Um die Vergangenheit mächtiger zu seiner Seele reden zu lassen, verschmähte er es, das Städtchen vom Bahnhof aus zu betreten, wo er gewiß war, auf stimmungsraubende Neuerungen zu stoßen, sondern stieg an einer früheren Haltestelle aus, um über wohlbekannte Bergpfade den Rest der Entfernung zurückzulegen und durch das alte Tor seinen Einzug zu halten.

Nach mehrstündigem Steigen spaltete sich der Weg in zwei zu Anfang fast gleichlaufende Wege, die sich später in weitem Bogen voneinander trennten. Der Wanderer erinnerte sich genau der Stelle, wo es leicht war, sich zu verirren, und wählte mit Bedacht den seinigen. Auf sein Gedächtnis glaubte er sich verlassen zu dürfen, und sein Ortssinn war vorzüglich. Wenn er in der eingeschlagenen Richtung über einen waldigen Bergrücken weg einen flachen, mit Heide bewachsenen Vorsprung erreichte, mußte er die Stadt im Tale mit Kirchturm und mittelalterlichen Mauerresten gerade unter sich sehen. Und eben dies war die Stelle, wohin es ihn am meisten zog, das Stück Heideland mit dem ansteigenden Buchenwald dahinter, war der Schauplatz unvergeßlicher Jugendstunden.

›Unter der Linden an der Heide, wo ich mit meiner Trauten saß‹ – unbewußt sang er es vor sich hin, vom Zauber jener Tage wieder erfaßt. – Aber eine Linde war es nicht, es war ein mächtiger Ulmenbaum, ein strenger alter Baumkönig, sagte er zu sich selbst, und nun sah er ihn so deutlich vor sich mit der Aussichtsbank darunter, daß er ihn hätte mit allen seinen Ästen zeichnen können. Auf wieviel Feste hatte der Alte herabgeschaut, stillverschwiegene Liebesfeste und tobenden Übermut, – zuletzt auf jenes Johannisfeuer – hier schlug die Erinnerung dem Wanderer eine Kralle ins Herz, daß er rascher ausschritt wie um den ätzenden Gedanken zu entgehen.

Der steinige Weg hob und senkte sich, mehr als einmal äffte ihn eine aufleuchtende Strecke von rotblühendem Heidekraut, aber der Ort, den er suchte, wollte nicht kommen. Hatte er sich in der Entfernung getäuscht oder wurde ihm das Steigen so viel schwerer als in den flügelleichten Tagen der Jugend? Neunzehn Jahre lagen zwischen dem Damals und dem Heut, neunzehn Jahre mit ihren Kämpfen und Erfolgen, auch mit mancher harten Schlappe, vor allem mit dem furchtbaren grundstürzenden Erleben des Krieges, dennoch hatte er sie nie als eine Last auf seinen Schultern gespürt. Er war fast schlanker und gestählter aus dem furchtbaren Ringen gekommen, und die grauenvollen Bilder waren ihm in den wenigen Friedensjahren schon zu einem wirren, von der Erinnerung gemiedenen Traum verblaßt, über dem die Jugendgestalten wie liebe alte Sternbilder aufs neue emporstiegen. Er begriff nicht, woher ihm an diesem Abend die bleierne Müdigkeit kam, die allmählich das Weitersteigen als eine hoffnungslose Sache erscheinen ließ.