Der Anti-Koch (Die Gesellenjahre - Teil 1) - Ralf Real Shock - E-Book

Der Anti-Koch (Die Gesellenjahre - Teil 1) E-Book

Ralf Real Shock

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Beschreibung

Nachdem Ralf im Januar 1982 mit Mühe und Not seine Gesellenprüfung im zweiten Anlauf bestanden hat, stehen ihm nun Tür und Tor weit offen, um in die wundersame Welt des Kochens weiter abzutauchen. Bei seinen Stịppvisiten in ferne Länder und fremde Küchen lernt er äußerst eigenwillige Küchencharaktere kennen, die ihre Exzentrik nicht nur im Bereich der Zubereitungsmethoden voll und ganz ausleben.

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Ralf Real Shock

Der Anti-Koch (Die Gesellenjahre - Teil 1)

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Du bist nicht allein

Willkommen, Geselle Paarfett!

Bei Tchibo

Deo

Mit Döpke allein

Die Aussprache

Fröschl

Die geplatzte Bockwurst und Eis auf der Hand

Das Fußballspiel

Spieglein, Spieglein an der Wand

Frühschicht

Lehrlinge unter dem Zimtdach

Wir sind im Krieg!

Die letzten Tage

Vorbereitungen

Willkommen?

Zimmer 10

Personalhaus

Im wilden Westen

Bye Bye London

Berlin, Berlin, ich fahre nach Berlin!

Impressum neobooks

Du bist nicht allein

„Mit wem sprichst du da, Ralfchen?“

„Mit einer Gewürzgurke?“

„Du sprichst mit einer Gewürzgurke? Das glaub ich dir nicht.“

„Aber Mama, wenn ich es dir doch sage. Komm doch rein und überzeuge dich selbst.“

„Deine Tür ist abgeschlossen, Ralfchen. Warum schließt du deine Tür ab?“

„Ich hab die Tür nicht abgeschlossen. Freddie, hast du die Tür abgeschlossen?“

„Freddie? Wer ist Freddie?“

„Na, die Gewürzgurke, um genauer zu sein das ist ein richtiger Turm aus Gewürzgurken, der es sich auf meinem Kopfkissen gemütlich gemacht hat.“

„Ralfchen, verkohlen kann ich mich selbst. Ich hol jetzt deinen Vater. Dann werden wir ja sehen. Das gibt es doch nicht. Eine Gewürzgurke.“

„Freddie, was machst du eigentlich wieder hier? Du versaust mein ganzes Kissen.“

„Geselle Paarfett, morgen ist doch dein großer Tag. Und da dachte ich, ich leiste dir noch ein wenig Gesellschaft, bevor bei dir so richtig schön der Rambazamba losgeht.“

„Ralf!!! Mach sofort diese verdammte Tür auf!!!“

„Die Tür ist auf, Papa! Wie oft soll ich das denn noch sagen.“

„Ralf!!! Treib mich nicht zur Weißglut. Du machst auf der Stelle die Tür auf!!! Wer lacht da? Lachst du mich etwa aus??? Na warte Bürschchen!!!!“

„Ich lach doch gar nicht!!! Das ist Freddie, der lacht!!!“

„Freddie??? Wer in Gottesnamen ist Freddie?“

„Hab ich doch schon zur Mama eben gesagt.“

„Horst, hab ich es dir nicht gesagt? Das Ralfchen spinnt!“

„;Mama, nenn mich nicht immer Ralfchen!!!!“

„Wieso nicht?“

„Ich bin volljährig. Und ich spinne auch nicht.“

„Aber du bist doch mein Junge, mein kleiner Junge. Und du wirst immer mein kleiner Junge bleiben. Mein kleines Ralfchen.“

„Mutter!!!“

„Jaaaa?“

„Das seh ich genauso.“

„Freddie, halt du jetzt endlich dein verdammtes Maul. Ich unterhalte mich gerade mit meiner Mutter.“

„Mir wird es zu bunt! Ich trete jetzt die Tür ein!!! Weg da, Mutter!“

„Untersteh dich, Horst!!!“

„Aber Lieschen…..“

„Nix Lieschen, der Spätfilm fängt gleich an, Horst. Komm, wenn das Ralfchen so bockig ist und nicht aufmachen will, dann lassen wir ihn doch versauern.“

„Stimmt auch wieder, Lieschen.“

Schnell verhallten ihre Schritte im Flur.

„Jetzt haben wir Ruhe, Geselle Paarfett. Wir können uns noch ein wenig unterhalten. Über was möchtest du dich unterhalten?“

„Ich möchte mich überhaupt mit niemanden unterhalten. Hörst du? Du störst. Hau jetzt endlich ab.“

„Da komme ich den weiten Weg zu dir hierhin und dann so eine Begrüßung.“

„Ich hab dich nicht eingeladen, Freddie! Also, verschwinde jetzt. Geh. Mach die Fliege.“

„Nee, so nicht. Wir müssen noch einiges aufarbeiten.“

„Was müssen wir bitteschön aufarbeiten?“

„Deine Lehrjahre?“

„Meine Lehrjahre?“

„Ja, natürlich, sonst weiß der Leser doch gar nicht, wo er hier dran ist und erklärt uns alle für bekloppt.“

„Also Freddie, du willst also allen Ernstes, dass ich jetzt hier erzähle, wie es mir in der Lehrzeit ergangen ist?“

„Ja, in wenigen Worten. Das würde schon helfen.“

„Bist du bescheuert?“

„Aber….“

„Ja?“

„Warum nicht?“

„Weil ich das doch alles schon in meinem ersten Buch ausführlich aufgeschrieben habe. Freddie, aufwachen, du Idiot!!! Wir sind jetzt in der Fortsetzung, den Gesellenjahren, die morgen anfangen. Und da brauche ich jetzt noch ein wenig Schlaf. Eine Mütze oder auch zwei.“

„Ja gut, hast ja irgendwie recht, Geselle Paarfett! Dann schlaf gut.“

„Danke Freddie!“

„Darf ich dich denn noch mal besuchen kommen?“

„Kann ich es verhindern, Freddie?“

„Nö!“

„Also…..“

Ich drehte mich um. Zufrieden kuschelte sich Freddie in meinen Arm. Da lag er also, ein schnarchender Gewürzgurkenturm, der mir während meiner Lehrzeit irgendwann, als ich von Albträumen heimgesucht wurde, zugelaufen war. Als ich am Morgen erwachte, roch mein Kopfkissen nach Essig.

Willkommen, Geselle Paarfett!

Bei meinem ersten Arbeitstag als Geselle wollte ich auf Nummer sicher gehen und fuhr mit dem Rad rechtzeitig von zuhause los. Somit war ich zehn Minuten zu früh da und wartete nervös an diesem verregneten und äußerst stürmischen Morgen vor dem verschlossenen Personaleingang. Ich blieb nicht lange ohne Gesellschaft.

„Ah, guten Morgen Herr Heinemann. Schön, Sie zu sehen.“

Ich drehte mich ruckartig um, und sah in das freudestrahlende rundliche Sommersprossengesicht meines neuen Küchenchefs, Herrn Pätzold.

„Und? Alles fit?“

„Ja?“

„Na, dann wollen wir mal.“

Er kramte aus seiner linken Hosentasche einen riesigen Bund mit Schlüsseln hervor. Ohne hinzuschauen, fand er auf Anhieb sofort den Richtigen, steckte ihn in die Tür und schloss auf. Wie ein Zirkusdirektor, der am Eingang seines Zelts vor der Vorstellung höchstpersönlich seine Gäste begrüßte, hielt er mir die Tür auf und rief vergnügt: „Hereinspaziert. Immer hereinspaziert in die Manege.“

Zaghaft lächelnd huschte ich an ihm vorbei.

„Herr Flöck müsste eigentlich auch jede Minute kommen. Wir gehen schon mal nach unten zum Umziehen. Ach, Sie haben ja noch keine Klamotten. Das macht der Herr Flöck gleich mit Ihnen. Einen kleinen Rundgang durch die Gemeinde. Sie wissen schon. Er zeigt Ihnen hier alles. Und? Wie haben Sie denn geschlafen?“

„Eigentlich ganz gut.“

„Keine Albträume gehabt vor dem ersten Tag als Geselle?“

„Äh, nein?“

„Was da alles auf Sie zukommt. Ob der Küchenchef Sie fressen will, ins Gefrierhaus einschließt oder in die Pfanne haut. Ach, ich mach nur Spaß, Herr Heinemann. Sie sind hier herzlich willkommen. Wir freuen uns auf Sie.“

„Danke.“

Unsicher stand ich in der Mitte des Umkleideraums, während Herr Pätzold sich an seinem Spind umständlich aus seiner Jeans schälte.

„Wir haben Ihnen natürlich auch schon einen Spind freigemacht. Sehen Sie. Den da.“

„Echt??? Wo???“

„Na, da müssen Sie sich schon ein wenig umdrehen. Der ist es!“

Ich neigte meinen Kopf ganz leicht nach rechts und dann war er auch schon in meinem Blickfeld. Mein erster eigener Spind! Nur für mich! Ganz allein! Und sogar zum Abschließen! „Da steht ja mein Name drauf!“, sprudelte es aufgeregt aus meinem Mund.

„Ja klar, was denken Sie denn? Sieht doch gut aus, oder?“

„Jaja, alles bestens“, beeilte ich mich zu sagen.

„Jaja? Sie wissen, was das bedeutet?“

„Nein?“

„Das heißt bei uns in der Küche „Leck mich am Arsch“. Werden Sie noch früh genug mitbekommen. Wir nehmen nicht alles so ernst. Also Herr Heinemann, immer schön locker bleiben.“

Verlegen schaute ich auf den Boden.

„Herr Flöck, immer hereinspaziert in die gute Stube. Wie ist das werte Befinden? Ich hoffe gut, weil schlecht, wäre nicht so gut, was?“

„Guten Morgen, Herr Pätzold. Alles gut.“

„Schön. Freut mich zu hören. Sie gehen jetzt, wenn Sie sich umgezogen haben, direkt mit Herrn Heinemann in die Kleiderkammer und besorgen ihm einen Schwung anständiger Wäsche. Ja? Machen Sie das?“

„Jaja.“

„Sehen Sie, Herr Heinemann, bisschen Spaß, muss sein. Nicht wahr Herr Flöck? Ich gehe schon mal in die Küche und koche Kaffee.“

„Jaja.“

Ohne zu zögern, lief Herr Pätzold zu Micha rüber, nahm ihn mit einem geübten Griff in den Schwitzkisten und verpasste ihm ein paar Kopfnüsse.

Irritiert schaute ich dem Treiben zu. Dann fing er an, ihn zu kitzeln. Am ganzen Körper. Nach einiger Zeit ließ er von Micha ab und stiefelte mit breiten Grinsen an mir vorbei: „Sie kommen auch noch dran. Warten Sie es nur ab. Ich hoffe, Sie sind kitzelig.“ Mit offenem Mund schaute ich dem fröhlich pfeifenden Rotschopf hinterher. Micha lag noch auf dem Boden und kringelte sich vor Lachen.

„Passiert das öfters, Micha?“

Mit einem Satz war Micha auf den Beinen: „Wie? Michaaa??? Was hab ich Dir gesagt? Ich hab Dir gesagt, wir sprechen uns auf der Arbeit nur mit Nachnamen an. Schon wieder vergessen, oder was?“

„Nee, Entschuldigung. Äh Flöck. Also macht er das öfter?“

„Kommt drauf an Heinemann.“

„Wo drauf?“

„Wirst Du schon sehen.“

„Wenn Du meinst.“

„Ja, das mein ich! So! Und jetzt ab zur Wäschekammer. Wir sind schon spät dran.“

„Welche Schuhgröße hast Du?“, fragte mich Micha, als wir auf dem Weg zur Kleiderkammer waren.

„Schuhgröße? Wieso Schuhgröße?“

„Du bekommst natürlich auch Arbeitsschuhe. Clogs. Die hinten offen sind. Kennst Du doch? Mit rutschfester Sohle.“

„Echt? Das wusste ich ja gar nicht.“

„Ja. Und?“

„Und was?“

„Deine Schuhgröße!“

„Ach so, äh, also ich glaub 43 oder 44, aber eher 44.“

Meine Mutter konnte ihr Glück kaum fassen und hätte wohl am liebsten einen dreifachen Salto geschlagen, als ich ihr davon berichtete, dass die komplette Kochgarnitur vom Hause aus gestellt wurde. Ein für alle Mal war es vorbei mit dem mühsamen und lästigen Einweichen der verdreckten Kochgarnituren am späten Abend und der anschließenden Wäsche am Morgen. Und nun bekam ich auch noch das Schuhwerk gratis dazu.

An der Kammer angekommen konnte ich mir jeweils drei Hosen und drei Jacken in meiner Größe aussuchen. Micha warf auf meinen Wäscheberg noch als Zugabe Vorbinder, Touchons, Kochmützen, Dreieckstücher und zum Schluss ein Paar Clogs.

„Was sind das denn für Tücher?“

„Du meinst die Dreieckstücher?“

„Ja?“

„Das sind Deine Halstücher?“

„Halstücher?“

„Ja. Hast Du vorher keine getragen?“

„Nein?“

„Aber eine Krawatte hast Du schon mal gebunden?“

Ich sinnierte. Wenn ich mich recht erinnerte, hatte ich bisher noch nie eine Krawatte getragen, außer bei meiner Erstkommunion. Das würde im Nachhinein auch vielleicht erklären, warum mein Hals nach den Feierlichkeiten so rot und angeschwollen war. Mein Vater hatte die Krawatte am frühen Morgen mit den Worten „Stell Dich nicht so an“ zu eng geschnürt, sodass ich erst am Nachmittag an der Kaffeetafel zum Erstaunen der angereisten Verwandtschaft bemerkte, erhebliche Schwierigkeiten beim Kauen und Schlucken zu haben und deswegen mich zum Flennen unter den Tisch verzog. Als Neunjähriger hatte ich in der Erwachsenenwelt natürlich keine Chance, dass mein verzweifeltes Rumgeheule ernst genommen wird. In der gemütlich beisammensitzenden Runde wurde es achtlos als Trotzigkeit abgetan.

„Und? Was ist? Hast Du?“

„Nein!“, kam meine störrische Antwort.

„Macht doch nichts. Ich zeig Dir das gleich“, erwiderte Micha gönnerhaft.

Vollbepackt wie ein kleiner neugieriger Wanderesel mit unbestimmtem Ziel kehrte ich mit Micha wieder in den Umkleideraum zurück. Nach wenigen Momenten hatte ich mich, mit der Hilfe von Michas geschickten Händen beim Halstuch binden, in einen blitzsauberen Gesellendebütanten verwandelt.

„Die Umkleide und die Kleiderkammer kennst Du ja jetzt. Ich führe Dich jetzt noch ein wenig rum.“

„Ah. Gut.“

„Hier hinter der Tür sind die sanitären Anlagen, Toiletten. Und Dusche.“

„Nur für uns?“

„Ja! Für wen denn sonst?“

„Keine Ahnung.“

„Also! Jetzt zeig ich Dir noch unseren Personalraum.“

Wir gingen eine Etage höher. Micha stieß direkt die erste Türe auf und ich blickte in einen großen hellen Raum, in dem in der Mitte ein runder Tisch mit allerhand Stühlen ringsherum stand. Aus dem Fenster hatte man zudem einen wunderschönen Blick auf den angrenzenden Park! Meine Augen wurden immer größer. So sieht also ein Personalraum mit allen Schikanen aus.

Micha brabbelte unverdrossen weiter: „Die Frühschicht geht von 8:30 Uhr bis 16:30 Uhr. Pause ist eine halbe Stunde. Spätschicht ist von 15:00 Uhr bis 23:00 Uhr. Zigarettenpause können wir zwischendurch machen. Dann einfach vorne beim Service abmelden. Damit die Bescheid wissen, wo wir stecken. Rauchst Du?“

„Nein.“

„Spielst Du gerne?“

„Geht so.“

„Also, wir spielen gerne.“ Dabei deutete er geheimnisvoll auf eine Ecke im Raum, wo alle erdenklichen Brettspiele dieser Welt schön sorgfältig aufgetürmt in ihren Verpackungen lagen.

„Kennst Du Denk Fix?“

„Ja?“

„Das spielen wir im Moment. Wir machen auch Strichlisten. Also, wer gewinnt, wer verliert. Im Moment liegt Döpke ganz knapp vor Breuer. Man sollte es nicht meinen.“

„Wieso?“

„Ach, das ist eine lange Geschichte. Heute Nachmittag beim Schichtwechsel lernst Du unsere anderen beiden Köche ja kennen. So! Mineralwasser gibt es umsonst. Eine große Limo oder Cola, also die 0,4-Gläser, kosten 50 Pfennig. Alkohol ist natürlich verboten. Personalessen ist frei.“

Ich nickte eifrig. Hier würde ich bestimmt nicht vor gaffenden Kunden aus der Frittenbude, wie bei den Heinrichs, unter Beoachtung stehen, wenn ich mein Essen einnehme.

„Hast Du schon Deinen Vertrag unterschrieben?“

„Nee, der Herr Nienhaus wollte das mit mir heute Vormittag machen.“

„Alles klar. So! Hier die Tür, da geht es zum Restaurant. Aber ich zeig Dir schnell noch die Zentralküche. Die ist ein Stock höher. Vergessen hab ich jetzt unser Kühlhaus und Gefrierhaus, unten im Keller. Ist nur ein paar Schritte von der Umkleide entfernt. Da müssen wir gleich sowieso noch hin. So! Dienstpläne werden Anfang der Woche geschrieben. Wir Köche haben eineinhalb Tage frei. Der Küchenchef ist eigentlich immer da. Wenn mal überhaupt nichts los ist unter der Woche, dann macht er auch schon mal einen Tag frei. Wenn Du Wünsche hast, wann Du freihaben willst, musst Du das rechtzeitig sagen. Am besten ein, zwei Wochen vorher. Dann kann man am besten planen. So! Das ist hier die Zentralküche.“

Dieser Ort war für einen wie mich, der gerade seiner Lehre bis auf wenige Blessuren unversehrt entkommen war und dreieinhalb Jahre nur die provinzielle Pusemuckelküche von den Heinrichs vor Augen hatte, unglaublich beeindruckend. Alles war so gigantisch. Angefangen von den Herdplatten über die Pfannen bis hin zu den Kochtöpfen. Hier müssen Riesen kochen!

„Die Küche wird nur benutzt, wenn in der Halle Veranstaltungen mit Verzehr laufen.“

„Verzehr?“

„Mit Essen mein ich damit natürlich. Das kann alles sein, ob Gulaschkanone oder richtig festlich angelegte Menüs. Haben wir alle schon gehabt. Aber normalerweise läuft das Haupt unten im Restaurant ab. Wettest Du gerne?“

„Wetten? Nee, eigentlich nicht.“

„Geht immer nur um Kleckerbeträge. Nichts Großes, Heinemann.“

Spielen? Wetten? Wo war ich hier eigentlich gelandet? In einer Küche oder in einem Kasino?

„Was haben Sie denn so alles Schönes gelernt, in Ihrer Lehre?“, wollte Herr Pätzold direkt von mir wissen, als ich mit Micha die Küche betrat, wo es nach frisch aufgebrühten Kaffee duftete. Micha ging bei der Frage sofort in Lauerstellung. Er schaute mich mit verschränkten Armen und verkniffenen Augen fordernd an. Darauf war ich jetzt nicht vorbereitet und so stammelte ich unbeholfen: „Was, was meinen Sie jetzt genau?“

„Na, ob Sie in den drei Jahren nur Zwiebeln und Kartoffeln geschält haben oder auch mal einen Herd aus nächster Nähe gesehen haben.“

„Ja, aber es waren ja nicht drei Jahre, ich musste ja noch ein halbes Jahr dranhängen……“

„…..Stimmt, die Ehrenrunde. Hab ich ganz vergessen. Entschuldigung. Reden Sie weiter, Herr Heinemann, ich bin ganz Ohr.“

„Also, mein Chef….“

„….Sie meinen Ihren Küchenchef jetzt?“

„Ja?“

„Gut. Ja, weiter.“

„Ich war für die Beilagen während der Ausgabe zuständig. Suppen, Soßen, ich hab jeden Morgen die Hollandaise aufgeschlagen.“

„Auf einem Wasserbad oder auf dem Herd?“

„Auf dem Herd.“

„Ah, die harte Schule. Das können Sie, Herr Heinemann?“

„Ja?“

„Schön. Gut. Weiter. Halt. Suppen, Soßen, haben Sie auch angesetzt?“

„Nein.“

„Warum nicht?“

„Das hat alles mein Chef gemacht. Ich musste ja morgens immer die Tageskarte tippen.“

„Das müssen Sie hier nicht. Sie stehen in der Küche. Die ganze Zeit. Wir sind Köche. Für alles andere haben wir unsere Leute. Nicht wahr, Herr Flöck?“

Micha nickte zustimmend.

„Und was ist mit Süßspeisen. Tüte auf?“

„Ja. Tüte auf.“

Also Schokopudding und Vanillepudding, was?“

„Ja. Und Quark….“

…..lassen Sie mich Raten. Mit Erdbeeren?“

„Richtig.“

„Und auch mal mit Bananen?“

„Ja, klar.“

„Schon mal ein Frikassee zubereitet? Oder einen einfachen Braten?“

„Nein.“

„Hat Ihr Küchenchef Ihnen nichts weiter übers Kochen beigebracht?“

„Nein.“

„Also, ich fasse zusammen: Ihr Küchenchef hat also alles gekocht und Sie haben während der Ausgabe die Beilagen verwaltet und morgens die Karte geschrieben.“

„Ja?“

Herr Pätzold winkte ab: „Kenn ich alles. Habe ich schon dutzende Male gehört. Mir ist es in meiner Lehre auch nicht anders ergangen. Naja, gut, Karte musste ich nicht schreiben, aber ansonsten kommt mir das alles sehr vertraut vor. Aber keine Sorge, Herr Heinemann. Ich bin ja da und Herr Flöck und unsere beiden anderen Köche auch noch. Und so wie ich Sie einschätze, glaube ich kaum, dass Probleme auftauchen. Sie sind hier genau richtig.“

„Ja?“

„Wir bringen Ihnen noch das Kochen bei. Verlassen Sie sich drauf. Und wenn Sie mal was nicht wissen, fragen. Einfach immer nur fragen. Keine Scheu, Herr Heinemann.“

Micha drehte sich ab, war sichtlich enttäuscht vom Verlauf des Gesprächs und schüttete uns allen eine Tasse Kaffee ein.

„Wir gehen jetzt erst einmal in den Personalraum, schlürfen unseren schönen heißen Kaffee und besprechen den Vormittag. Aber vorher spielen wir noch eine Runde. Herr Flöck, rufen Sie mal den Schönfeld an und sagen Sie ihm, ich bin jetzt im Personalraum. Ich warte auf eine Revanche von gestern Abend.“

„Jaja.“

„Der Herr Flöck, der ist mir vielleicht eine Nummer. Und? Wie gefällt Ihnen unser Personalraum, Herr Heinemann?“

„Schön, sehr schön.“

„Dann gewöhnen Sie sich mal an den Raum. Hier halten wir uns mehr auf als in der Küche.“

Bei Tchibo

„Du hast doch morgen auch frei. Oder?“

„Ja?“

„Hast Du nicht Lust, dass wir uns in der Stadt treffen?“

„Klar, warum nicht. Wie viel Uhr denn?“

So gegen zehn? Bei Tchibo? Ich bin immer bei Tchibo um die Zeit.“

„In Ordnung.“

Als ich vor acht Tagen das erste Mal Breuer beim Schichtwechsel durch die Tür habe marschieren sehen, war er mir auf Anhieb sympathisch. Anscheinend konnte er mich auch von Anfang an gut leiden, denn sonst würden wir jetzt nicht an unserem freien Tag bei Tchibo gemeinsam an einem Tisch stehen, frisch gemahlenen Kaffee schlürfen und uns so unterhalten, als wenn wir uns schon das ganze zuvor gelebte Leben kennen würden.

„Der Pätzi, der mag Dich. Da hast Du ein Stein bei ihm im Brett. Der hat seine soziale Ader an Dir entdeckt oder wiederentdeckt.“

„Wieso? Wie meinst Du das?“

„Na, er hat auch in so einer Schleiferküche früher seine Lehre gemacht. So richtige Schweinemaloche. Hat er mir mal erzählt. Der ist fast jeden Abend heulend nach Hause gerannt. Der Küchenbulle da muss die Sau gewesen sein. Der hat regelmäßig bei seinen Lehrlingen Backpfeifen verteilt. Die hatten alle Schiss vor dem. Und einer ging immer nach Feierabend mit einer roten Wange nach Hause. Garantiert! Er hat aber durchgehalten. Weil er das Kochen so gut fand. Nur aus dem Grund. Vielleicht erzählt er ja noch mal davon.“

„Aber ganz so schlimm war es bei mir ja nicht. Geschlagen hat mich niemand.“

„Ja sicher, aber ich weiß auch nicht, der guckt immer so, als wenn er genau wüsste, was bei Dir so abgegangen ist. Hab ich in den paar Tagen, wo Du jetzt da bist, mehrmals zufällig beobachtet. Der sieht Dich als seine ganz persönliche Herausforderung an, Dir so einiges über das Kochen beizubringen. Hab ich so im Gefühl. Garantiert! Direkt am ersten Tag hat der mit Dir extra außer der Reihe eine klare Suppe angesetzt. Mit allem Pipapo. Das hat er bisher noch nie gemacht! Auch nicht beim Flöcki, ganz zu Anfang seiner Lehre! Nee, da haben wir echt schon Schwein gehabt mit unserem Küchenchef. Wenn ich so andere Betriebe höre, was da manchmal abgeht. Möchtest Du auch noch einen Kaffee? Ich gib einen aus. Oder einen Kakao?“

„Danke, nee, dann lieber Kakao.“

Kurz darauf stand Breuer mit der zweiten Fuhre an Heißgetränken am Tisch. „Ich glaub, der Flöcki findet das gar nicht gut, dass der Pätzi Dir mit dem Kochen auf die Sprünge hilft. Der sieht in Dir eine echte Konkurrenz. Der versuchte, seit er bei uns angefangen hatte, sich immer lieb Kind beim Pätzi zu machen.“

„Gestern in der Umkleide zischte Flöck plötzlich zu mir rüber; „Wenn Du meinst, Du kannst hier Schönwetter machen beim Chef, dann hast Du Dich aber geschnitten, Heinemann.“ Der war total wütend. Ich bin im ersten Moment zusammengezuckt, stand da, war völlig verdutzt, konnte nichts erwidern, war einfach nur noch sprachlos.“

„Ach, beim Flöcki ist das alles halb so wild. Musste gar nicht viel drum geben. Der ist an sich harmlos. Der macht schon nichts. Der ist einfach nur ganz furchtbar neidisch auf Dich, weil Du jetzt den Platz einnimmst, auf den er die ganzen Jahre verzweifelt spekuliert hatte. Wahrscheinlich verflucht er schon den Tag, an dem er Dich hier angeschleppt hat. War doch so, oder?“