Der Aufbruch zu den Sternen - Isaac Asimov - E-Book

Der Aufbruch zu den Sternen E-Book

Isaac Asimov

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Beschreibung

Die ferne Zukunft: Eine gewaltige Großstadt überzieht nahezu die gesamte Erde, die Menschen leben dicht an dicht. Mithilfe der Spacer, Menschen, die vor Generationen die Erde verlassen und sich auf fremden Planeten angesiedelt haben, wollen die Bewohner der Erde nun ebenfalls ins All aufbrechen. Das sorgt bei den Spacern für Konflikte, denn während einige es für unmöglich halten, dass sie noch weitere Welten kolonisieren, wollen andere ihre Vorherrschaft im All nicht aufgeben. Als das „Gehirn“ eines hochentwickelten humanoiden Roboters durchbrennt, bittet der Roboter R. Daneel Olivaw seinen Freund, Detective Elijah Baley von der Erde, um Hilfe. Denn der Einzige, der in der Lage wäre, das Durchbrennen herbeizuführen, ist Han Fastolfe – der Erfinder der humanoiden Roboter und der größte Unterstützer der Menschen von der Erde …

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Seitenzahl: 753

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Das Buch

Die ferne Zukunft: Die Menschen wollen die überbevölkerte Erde verlassen und Kolonien auf anderen Planeten errichten. Doch die Spacer, Menschen, die schon vor Generationen die Erde verlassen haben, wollen ihre Vorherrschaft im All nicht aufgeben. Als das »Gehirn« eines hoch entwickelten humanoiden Roboters durchbrennt, bittet R. Daneel Olivaw seinen Freund Detective Elijah Baley um Hilfe. Denn der Einzige, der zu so etwas in der Lage wäre, ist Han Fastolfe – der größte Unterstützer der Menschen von der Erde …

Mit dem Foundation-Zyklus schuf Isaac Asimov die wohl bekannteste Future History des 20. Jahrhunderts. Mit seinen Romanen Der Aufbruch zu den Sternen und Das galaktische Imperium verbindet er die Foundation- mit den Roboter-Romanen zu einer epischen Zukunftsgeschichte.

Der Autor

Isaac Asimov zählt gemeinsam mit Arthur C. Clarke und Robert A. Heinlein zu den bedeutendsten Science-Fiction-Autoren unserer Zeit. Er wurde 1920 in Petrowitsch, einem Vorort von Smolensk, geboren. 1923 wanderten seine Eltern in die USA aus und ließen sich in New York nieder. Während seines Chemiestudiums an der Columbia University begann er, Geschichten zu schreiben. Seine erste Story erschien im Juli 1939, und in den folgenden Jahren veröffentlichte er in rascher Folge die Erzählungen und Romane, die ihn weltberühmt machten. Neben der Science-Fiction schrieb Asimov auch zahlreiche populärwissenschaftliche Sachbücher. Er starb im April 1992.

Mehr über Isaac Asimov und seine Werke erfahren Sie auf:

diezukunft.de

ISAAC ASIMOV

ROMAN

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

THE ROBOTS OF DAWN

Deutsche Übersetzung von Heinz Nagel

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Deutsche Ausgabe 04/2022

Copyright © 1983 by Nightfall Inc.

Copyright © 2022 dieser Ausgabe und der Übersetzungby Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München,unter Verwendung von Motiven von Shutterstock.com / Denis Beletsky

Satz: Schaber Datentechnik, Austria

ISBN 978-3-641-28515-9V001

www.diezukunft.de

INHALT

ERSTER TEILBALEY

ZWEITER TEILDANEEL

DRITTER TEILGISKARD

VIERTER TEILFASTOLFE

FÜNFTER TEILDANEEL UND GISKARD

SECHSTER TEILGLADIA

SIEBTER TEILNOCH EINMAL FASTOLFE

ACHTER TEILFASTOLFE UND VASILIA

NEUNTER TEILVASILIA

ZEHNTER TEILNOCH EINMAL VASILIA

ELFTER TEILGREMIONIS

ZWÖLFTER TEILNOCH EINMAL GREMIONIS

DREIZEHNTER TEILAMADIRO

VIERZEHNTER TEILNOCH EINMAL AMADIRO

FÜNFZEHNTER TEILNOCH EINMAL DANEEL UND GISKARD

SECHZEHNTER TEILNOCH EINMAL GLADIA

SIEBZEHNTER TEILDER VORSITZENDE

ACHTZEHNTER TEILNOCH EINMAL DER VORSITZENDE

NEUNZEHNTER TEILNOCH EINMAL BALEY

DIE GRUNDREGELN DER ROBOTIK

DAS NULLTE GESETZ

Ein Roboter darf der Menschheit keinen Schaden zufügen oder durch Untätigkeit zulassen, dass der Menschheit Schaden zugefügt wird.

DAS ERSTE GESETZ

Ein Roboter darf einem menschlichen Wesen keinen Schaden zufügen oder durch Untätigkeit zulassen, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird, es sei denn, dies würde das nullte Gesetz der Robotik verletzen.

DAS ZWEITE GESETZ

Ein Roboter muss dem ihm von einem menschlichen Wesen gegebenen Befehl gehorchen, es sei denn, dies würde das nullte oder das erste Gesetz der Robotik verletzen.

DAS DRITTE GESETZ

Ein Roboter muss seine Existenz beschützen, es sei denn, dies würde das nullte, das erste oder das zweite Gesetz der Robotik verletzen.

ERSTER TEIL

BALEY

1

Elijah Baley saß im Schatten eines Baumes und murmelte: »Ich habe es gewusst. Ich schwitze.«

Er hielt inne, richtete sich auf, wischte sich den Schweiß mit dem Handrücken von der Stirn und sah dann streng auf die Feuchtigkeit an seiner Hand hinab.

»Ich hasse Schwitzen«, sagte er zu sich selbst und warf den Satz hin, als wäre er ein kosmisches Gesetz. Und wieder empfand er Unzufriedenheit mit dem Universum, weil es etwas gemacht hatte, das gleichzeitig essenziell und unangenehm war.

In der City transpirierte man nie (es sei denn, natürlich, man wünschte es), denn dort wurden Temperatur und Feuchtigkeit absolut unter Kontrolle gehalten, und es ergab sich für den Körper nie die Notwendigkeit, in einer Art und Weise zu funktionieren, die zu einer Wärmeproduktion führte, die größer war als die Wärmeableitung.

Das war Zivilisation.

Er blickte auf das Feld hinaus, wo eine Anzahl Männer und Frauen mehr oder weniger unter seiner Aufsicht waren. Hauptsächlich waren es junge Leute unter zwanzig, aber auch ein paar Leute in mittleren Jahren wie er waren darunter. Sie waren damit beschäftigt, den Boden recht ungeschickt zu hacken und eine Vielfalt anderer Dinge zu tun, für die eigentlich Roboter gedacht waren – und die Roboter auch viel effizienter erledigen konnten, wenn man ihnen nicht die Anweisung gegeben hätte, danebenzustehen und zu warten, während die menschlichen Geschöpfe hartnäckig übten.

Über den Himmel zogen Wolken, und die Sonne war im Augenblick gerade dabei, hinter einer davon zu verschwinden. Er blickte unsicher auf. Einerseits bedeutete das, dass die direkte Sonneneinstrahlung und ihre Hitze (und damit auch das Schwitzen) geringer werden würden. Andererseits – würde es möglicherweise regnen? Das war das Ärgerliche, wenn man draußen war. Man schwankte die ganze Zeit zwischen unangenehmen Alternativen hin und her.

Es überraschte Baley stets aufs Neue, dass eine relativ kleine Wolke die Sonne völlig verdecken konnte und die Erde von einem Horizont bis zum anderen verdunkeln und doch den größten Teil des Himmels blau lassen.

Er stand unter dem Blätterdach des Baumes (eine Art primitiver Wand und Decke, wobei die Solidität der Baumrinde, wenn man sie berührte, ein Gefühl des Behagens vermittelte) und blickte wieder auf die Gruppe, studierte sie. Sie kamen einmal in der Woche hier heraus, ganz gleich, wie das Wetter war. Und Neuzugänge hatten sie auch. Ihre Zahl war ganz entschieden gewachsen; sie waren jetzt weit mehr als die paar Beherzten, die einst angefangen hatten. Die Regierung der City war wohlwollend genug, keine Schwierigkeiten zu machen, wenn sie schon nicht an dem Vorhaben beteiligt war.

An dem Horizont auf Baleys rechter Seite – im Osten, wie man aus der Stellung der späten Nachmittagssonne erkennen konnte – sah man die stumpfen, vielfingrigen Kuppeln der City, die alles umschlossen, was das Leben lebenswert machte. Und außerdem sah er noch einen kleinen, sich bewegenden Punkt, der noch zu weit entfernt war, als dass man ihn deutlich hätte erkennen können.

Der Art seiner Bewegung nach und aus Hinweisen, die zu subtil waren, als dass man sie hätte beschreiben können, war Baley ganz sicher, dass es sich um einen Roboter handelte, aber das überraschte ihn nicht. Die Oberfläche der Erde außerhalb der Citys gehörte den Robotern, nicht den menschlichen Geschöpfen – abgesehen von ein paar wenigen wie ihm, die von den Sternen träumten.

Automatisch wandten sich seine Augen wieder den hackenden Sternträumern zu und wanderten von einem zum anderen. Er konnte jeden einzelnen identifizieren und nennen. Und alle arbeiteten, lernten, wie man das Leben draußen erträgt und …

Er runzelte die Stirn und murmelte halblaut: »Wo ist Bentley?«

Und eine andere Stimme hinter ihm, ein wenig atemlos und erregt klingend, sagte: »Hier bin ich, Dad.«

Baley fuhr herum. »Tu das nicht, Ben.«

»Was soll ich nicht tun?«

»Dich so an mich heranschleichen. Lass solche Überraschungen, ja! Es ist schon anstrengend genug, draußen mein seelisches Gleichgewicht zu halten, dass ich mich nicht auch noch aufregen möchte.«

»Ich wollte dich nicht überraschen. Es ist gar nicht leicht, Lärm zu machen, wenn man auf dem Gras geht. Das geht gar nicht anders. Aber findest du nicht, dass du hineingehen solltest, Dad? Du bist jetzt schon seit zwei Stunden draußen, und ich glaube, das reicht für dich.«

»Warum? Weil ich fünfundvierzig bin und du bloß neunzehn bist? Du meinst wohl, du musst dich um deinen gebrechlichen Vater kümmern, wie?«

»Ja, das ist es wohl«, meinte Ben. »Und gute Detektivarbeit von deiner Seite auch. Du bist gleich zum Kern gekommen.«

Ben lächelte breit. Sein Gesicht war rund, seine Augen blitzten. Er hatte eine ganze Menge von Jessie an sich, dachte Baley, eine ganze Menge von seiner Mutter. Von Baleys langem, ernsthaftem Gesicht war da sehr wenig.

Und doch hatte Ben die Denkweise von seinem Vater. Manchmal hatte er eine fast schwerfällige Ernsthaftigkeit an sich, dass an einer Legitimität wirklich keinerlei Zweifel sein konnte.

»Ich fühle mich sehr wohl«, sagte Baley.

»Das merkt man, Dad. Du bist der Beste von uns, wenn man bedenkt …«

»Wenn man was bedenkt?«

»Nun, dein Alter natürlich. Und ich vergesse keineswegs, dass du derjenige bist, der das hier angefangen hat. Obwohl, als ich sah, dass du unter dem Baum Schutz gesucht hast, da dachte ich … nun, ich dachte, der Alte hat vielleicht genug.«

»Ich geb dir gleich einen ›Alten‹«, sagte Baley. Der Roboter, der sich aus Richtung Stadt auf sie zubewegte, war inzwischen nahe genug herangekommen, dass man ihn deutlich erkennen konnte, aber Baley tat ihn als unwichtig ab. Er sagte: »Es ist vernünftig, gelegentlich unter einen Baum zu gehen, wenn die Sonne zu heiß ist. Wir müssen lernen, die Vorteile des Draußen zu nutzen und gleichzeitig die Nachteile zu ertragen. Und nun kommt die Sonne gleich wieder hinter der Wolke hervor.«

»Ja, das wird sie. Also, wie steht’s, willst du nicht hineingehen?«

»Ich halte es schon noch aus. Einmal die Woche habe ich einen Nachmittag frei, und den verbringe ich hier. Das ist mein Privileg. Das bekommt man, wenn man als C-7 eingestuft ist.«

»Es geht hier nicht um Privilegien, Dad. Es geht hier um Übermüdung.«

»Ich fühle mich ganz wohl, das sage ich dir doch.«

»Sicher. Und wenn du nach Hause kommst, gehst du sofort ins Bett und liegst im Dunkeln.«

»Ein natürliches Gegenmittel gegen übertriebene Helligkeit.«

»Und Mutter macht sich Sorgen.«

»Nun, soll sie doch. Das tut ihr gut. Außerdem, was schadet es denn, hier draußen zu sein? Das Schlimmste daran ist, dass ich schwitze, aber daran muss ich mich einfach gewöhnen. Davor kann ich nicht weglaufen. Als ich anfing, konnte ich nicht einmal den Weg von der City hierher zu Fuß gehen, ohne mich umdrehen zu müssen – und du warst der Einzige, der mitgekommen ist. Und jetzt sieh doch, wie viele wir sind und wie weit ich ohne Schwierigkeiten gehen kann. Und eine Menge Arbeit schaffe ich auch. Ich halte noch eine Stunde durch. Spielend. – Ich sage es dir, Ben, es würde deiner Mutter guttun, wenn sie selbst hierherkäme.«

»Wer? Mom? Du machst wohl Witze?«

»Was ist denn witzig daran? Wenn die Zeit für die Abreise kommt, werde ich nicht mitkommen können – weil sie nicht mitwill.«

»Und du wirst froh darüber sein. Mach dir nichts vor, Dad! Das dauert noch eine ganze Weile – und wenn du jetzt nicht zu alt bist, wirst du es zumindest dann sein. Das wird etwas für junge Leute sein.«

»Weißt du«, sagte Baley und ballte dabei leicht die Faust, »mit deinen ewigen ›jungen Leuten‹ gehst du mir ganz schön auf den Nerv. Hast du denn die Erde schon jemals verlassen? Sind irgendwelche von diesen Leuten draußen auf dem Feld schon mal auf einem anderen Planeten gewesen? Ich war das schon. Vor zwei Jahren. Das war, bevor ich diese Akklimatisierung mitgemacht habe – und ich habe es überlebt.«

»Ich weiß, Dad, aber das war nur kurze Zeit und auf einer Dienstreise, und man hat sich in einer funktionierenden Gesellschaft um dich gekümmert. Es ist nicht dasselbe.«

»Das war dasselbe«, sagte Baley hartnäckig und wusste doch tief in seinem Herzen, dass es das nicht war. »Und es wird gar nicht so lange dauern, bis wir hier weggehen können. Wenn ich die Genehmigung bekommen könnte, nach Aurora zu gehen, könnten wir die Sache in Schwung bringen.«

»Vergiss es! So einfach wird das nicht laufen.«

»Wir müssen es versuchen. Die Regierung wird uns nicht ziehen lassen, ohne dass Aurora sich einverstanden erklärt. Das ist die größte und stärkste der Spacerwelten, und was man dort sagt …«

»Das läuft! Ich weiß. Schließlich haben wir eine Million Male darüber geredet. Aber man braucht nicht dorthin zu reisen, um die Erlaubnis zu bekommen. Schließlich gibt es auch Hyperraum-Relais. Man kann von hier aus mit denen reden. Das hab ich auch schon einige Male gesagt.«

»Das ist nicht dasselbe. Wir brauchen den Kontakt von Angesicht zu Angesicht – und das habe ich auch schon mehrmals erklärt.«

»Jedenfalls«, meinte Ben, »sind wir noch nicht so weit.«

»Wir sind nicht so weit, weil die Erde uns die Schiffe nicht geben will. Die Spacer würden das tun und würden uns auch die notwendige technische Unterstützung geben.«

»Welch ein Vertrauen! Warum sollten die Spacer das tun? Seit wann haben sie denn freundliche Gefühle gegenüber uns kurzlebigen Erdenleuten entwickelt?«

»Wenn ich mit ihnen reden könnte …«

Ben lachte. »Komm schon, Dad! Du willst doch bloß nach Aurora, um diese Frau wiederzusehen.«

Baley runzelte die Stirn, und seine Augenbrauen bildeten über seinen tief liegenden Augen eine Art Dach. »Frau? Jehoshaphat, Ben, wovon redest du denn?«

»Aber, Dad, nur zwischen dir und mir – und Mom erfährt kein Wort –, was ist denn nun wirklich mit dieser Frau aus Solaria gewesen? Ich bin alt genug. Mir kannst du es doch sagen.«

»Welcher Frau auf Solaria?«

»Kannst du mir denn wirklich in die Augen sehen und sagen, du wüsstest nichts von dieser Frau, die jeder auf der Erde in dem Hyperwellendrama gesehen hat? Gladia Delmarre. Die Frau!«

»Gar nichts ist geschehen. Dieses Hyperwellending war schierer Unsinn. Das habe ich dir tausendmal gesagt. Sie hat völlig anders ausgesehen. Ich habe völlig anders ausgesehen. Das alles ist erfunden, und du weißt, dass diese melodramatische Schnulze gegen meinen Protest produziert worden ist, nur weil die Regierung dachte, dass es die Erde bei den Spacern in besseres Licht rücken würde. Und dass du mir ja deiner Mutter nichts anderes sagst.«

»Würde ich mir nicht im Traum einfallen lassen. Trotzdem, diese Gladia ist nach Aurora gegangen, und du willst die ganze Zeit auch dorthin.«

»Willst du mir sagen, du meinst ernsthaft, dass ich deshalb nach Aurora … o Jehoshaphat!«

Die Brauen seines Sohnes hoben sich. »Was ist denn?«

»Der Roboter. Das ist R. Geronimo.«

»Wer?«

»Einer der Botenroboter unserer Abteilung. Und er ist hier draußen! Ich habe frei und habe bewusst meinen Empfänger zu Hause gelassen, weil ich nicht wollte, dass die mich erreichen können. Das ist mein Recht als C-7, und trotzdem schicken die einen Roboter nach mir.«

»Woher weißt du denn, dass er zu dir kommt, Dad?«

»Durch schlaue Kombination. Erstens: Hier ist sonst keiner, der in irgendeiner Verbindung mit der Polizei steht; zweitens: Dieses jämmerliche Ding kommt geradewegs auf mich zu. Daraus schließe ich, dass es mich sucht.«

»Master Baley«, rief der Roboter. »Ich habe eine Nachricht für Sie. Man will Sie im Präsidium sprechen.«

Der Roboter blieb stehen, wartete und sagte dann noch einmal: »Master Baley, ich habe eine Nachricht für Sie. Man will Sie im Präsidium sprechen.«

»Ich höre und verstehe«, sagte Baley. Er musste das sagen, sonst hätte der Roboter es noch ein paar Mal wiederholt. Baley runzelte die Stirn, während er den Roboter studierte. Er war ein neues Modell, etwas menschenähnlicher, als die älteren Modelle es gewesen waren. Man hatte ihn erst vor einem Monat mit ziemlichem Aufhebens aus der Verpackung geholt und aktiviert. Die Regierung ließ nichts unversucht, mehr Akzeptanz für Roboter herzustellen.

Er hatte eine graue Oberfläche und fühlte sich weich an, fast wie Leder. Der Gesichtsausdruck war zwar im Großen und Ganzen starr, aber nicht ganz so idiotisch wie der der meisten Roboter. Freilich war er in geistiger Hinsicht genauso idiotisch wie all die anderen.

Für einen Moment musste Baley an R. Daneel Olivaw, den Spacerroboter, denken, der zwei Einsätze mit ihm durchgeführt hatte, einen auf der Erde und einen auf Solaria, und dem er zuletzt begegnet war, als Daneel ihn in dem Spiegelbild-Fall konsultiert hatte. Daneel war ein Roboter, der so menschlich war, dass Baley ihn wie einen Freund behandeln konnte und ihn immer noch vermisste, selbst jetzt noch. Wenn nur alle Roboter so wären …

Baley sagte: »Ich habe heute meinen freien Tag, mein Junge. Es gibt keinen Anlass für mich, ins Präsidium zu gehen.«

R. Geronimo machte eine Pause. Seine Hände zitterten ein wenig. Baley registrierte das und zog daraus den Schluss, dass nun in den Positronenbahnen des Roboters ein Konflikt auftrat. Sie mussten menschlichen Geschöpfen gehorchen, aber es war ganz normal, dass zwei menschliche Geschöpfe zwei verschiedene Arten von Gehorsam von ihm wünschten.

Der Roboter traf seine Wahl. Er sagte: »Sie haben Ihren freien Tag, Master. Man will Sie im Präsidium sprechen.«

Ben meinte ein wenig verlegen: »Wenn die dich sprechen wollen, Dad …«

Baley zuckte die Achseln. »Lass dich nicht täuschen, Ben. Wenn die mich wirklich so dringend brauchen würden, dann hätten die einen geschlossenen Wagen geschickt und wahrscheinlich einen menschlichen Freiwilligen, anstatt einem Roboter den Befehl zu geben, zu Fuß herzukommen und mich mit dieser Nachricht zu ärgern.«

Ben schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht, Dad. Die können ja schließlich nicht wissen, wo du bist oder wie lange es dauern würde, dich zu finden. Ich glaube nicht, dass die ein menschliches Wesen auf eine unsichere Suche schicken würden.«

»So? Nun, wir wollen sehen, wie stark der Befehl ist. R. Geronimo, geh ins Präsidium zurück und sag denen, dass ich um neun Uhr zur Arbeit komme.« Und dann scharf: »Geh zurück! Das ist ein Befehl!«

Der Roboter zögerte merklich, drehte sich dann um, ging ein paar Schritte, drehte sich wieder um, machte den Versuch, zu Baley zurückzukommen, und blieb schließlich, am ganzen Körper vibrierend, stehen.

Baley erkannte, was das bedeutete, und murmelte, zu Ben gewandt: »Vielleicht muss ich doch gehen. Jehoshaphat!«

Was den Roboter plagte, war etwas, was die Robotiker als einen Potenzialausgleich des Widerspruchs im zweiten Niveau bezeichneten. Das zweite Gesetz verlangte Gehorsam, und R. Geronimo litt jetzt an zwei etwa gleich starken, widersprüchlichen Befehlen. Im Sprachgebrauch bezeichnete man dies als Robotblock, oder kurz als Roblock.

Langsam drehte der Roboter sich um. Die ursprüngliche Anweisung war die stärkere, aber um nicht sehr viel, und so klang die Stimme jetzt unsicher, etwa so wie bei einem Menschen, der ein Glas zu viel getrunken hat. »Master, man hat mir gesagt, dass Sie das möglicherweise sagen würden. In dem Fall sollte ich sagen …« Er machte eine Pause und fügte dann heiser hinzu: »In dem Fall sollte ich sagen … wenn Sie alleine sind.«

Baley machte eine kurze Kopfbewegung zu seinem Sohn hin, und Ben wartete nicht. Er wusste, wann sein Vater einfach Dad war und wann Polizist. Ben zog sich hastig zurück.

Einen Augenblick lang spielte Baley gereizt mit dem Gedanken, seinen eigenen Befehl zu verstärken und den Roblock damit vollständig zu machen. Aber das würde ganz sicherlich Schaden anrichten, der positronische Analyse und Neuprogrammierung erforderlich machen könnte. Die Kosten dafür würde man ihm vom Gehalt abziehen, und es könnte leicht auf ein Jahreseinkommen hinauslaufen.

So sagte er: »Ich ziehe meinen Befehl zurück. Was solltest du mir sagen?«

R. Geronimos Stimme wurde sofort wieder klar und deutlich. »Ich sollte sagen, dass man Sie im Zusammenhang mit Aurora sprechen möchte.«

Baley wandte sich zu Ben um und rief: »Gib ihnen noch eine halbe Stunde, und sag ihnen dann, dass sie wieder reinkommen sollen. Ich muss jetzt weg.«

Und während er mit langen Schritten davoneilte, sagte er verdrießlich zu dem Roboter: »Hätten die dir nicht auftragen können, das gleich zu sagen? Und warum können die dich nicht darauf programmieren, dass du einen Wagen benutzt? Dann hätte ich nicht zu Fuß gehen brauchen.«

Er wusste sehr wohl, warum man das nicht tat. Jeder Unfall, in den ein von einem Roboter gesteuerter Wagen verwickelt war, würde wieder zu Roboterunruhen führen.

Er verlangsamte seine Schritte nicht. Bis zur Mauer der City waren es zwei Kilometer, und anschließend würden sie dichten Verkehr vor sich haben, bis sie die Zentrale erreichten.

Aurora? Was braute sich da für eine Krise zusammen?

2

Baley brauchte eine halbe Stunde, um den Eingang zur City zu erreichen, wobei er sich die ganze Zeit innerlich auf das vorbereitete, was ihn dort wahrscheinlich erwartete. Vielleicht – vielleicht – würde es diesmal nicht dazu kommen.

Er erreichte die Trennfläche zwischen Draußen und der City, die Wand, die das Chaos von der Zivilisation trennte. Er legte die Hand auf die Signalplatte, und eine Öffnung erschien. Wie gewöhnlich wartete er nicht darauf, bis die Öffnung sich ganz aufgetan hatte, sondern drängte sich durch, als sie breit genug war. R. Geronimo folgte ihm.

Der wachhabende Polizist blickte verblüfft, wie er das immer tat, wenn jemand von draußen hereinkam. Jedes Mal war das der gleiche ungläubige Blick, die Hand, die nach dem Blaster griff, das gleiche verunsicherte Stirnrunzeln.

Baley zeigte finster den Ausweis, und der Posten salutierte. Die Tür schloss sich hinter ihm – und es geschah.

Baley war in der City. Die Wände schlossen sich um ihn, und die City wurde zum Universum. Er war wieder eingetaucht in das endlose, ewige Summen und den Geruch von Menschen und Maschinen, die jedoch bald unter die Wahrnehmbarkeitsgrenze absinken würden; war von dem weichen, indirekten, künstlichen Licht umgeben, das ganz anders war als das grelle, unterschiedliche, ungleichmäßige Licht draußen, mit seinem Grün und Braun und Blau und Weiß und dem Rot und Gelb dazwischen. Hier gab es keinen plötzlichen Windstoß, keine Hitze, keine Kälte und auch nicht die Drohung kommenden Regens; hier regierte die Dauerhaftigkeit von Luftströmungen, die man nicht spürte und die alles frisch hielten. Hier war eine konstruierte Kombination aus Temperatur und Feuchtigkeit, die dem Menschen so perfekt angepasst war, dass sie überhaupt nicht wahrgenommen wurde.

Baley spürte, wie er etwas nervös Luft holte, und dann machte ihn die Erkenntnis froh, dass er zu Hause war, sicher von Bekanntem und Kennbarem umgeben.

So war es immer. Wieder hatte er die City als den Mutterleib angenommen und war mit froher Erleichterung wieder in ihn zurückgekehrt. Er wusste, dass ein solcher Mutterleib etwas war, aus dem die Menschheit heraustreten musste, aus dem sie geboren werden musste. Warum war es nur, dass er immer wieder auf diese Weise zurücksank?

Und würde das immer so sein? Würde es wirklich so sein, wo er doch vielleicht zahllose Menschen aus der City heraus und weg von der Erde und hinaus zu den Sternen führen würde?

Und würde er am Ende wirklich selbst nicht mitgehen können? Würde er sich immer nur in der City zu Hause fühlen?

Er biss die Zähne zusammen – aber es hatte keinen Sinn, darüber nachzugrübeln. Zu dem Roboter sagte er: »Hat man dich mit dem Wagen hierhergebracht?«

»Ja, Master.«

»Wo ist er jetzt?«

»Ich weiß nicht, Master.«

Baley wandte sich an den Posten. »Officer, dieser Roboter ist vor zwei Stunden hierhergebracht worden. Wo ist der Wagen, der ihn hergebracht hat?«

»Sir, ich habe meinen Dienst vor einer knappen Stunde angetreten.«

Baley war einen Augenblick lang versucht, die Zentrale anzurufen, aber die würde ihm sagen, dass er den Expressway nehmen solle; das würde schneller gehen.

Eigentlich zögerte er ja nur wegen der Anwesenheit von R. Geronimo. Er wollte nicht mit ihm auf dem Expressway zusammen sein, und doch durfte er nicht erwarten, dass der Roboter allein durch feindliche Menschenmassen zum Präsidium zurückkehrte. Nicht dass er eine Wahl gehabt hätte. Der Commissioner hatte nicht das geringste Interesse, es ihm leicht zu machen. Er würde verstimmt sein, dass er ihn nicht erreicht hatte, ob er nun Freizeit gehabt hatte oder nicht.

»Hier entlang, Boy«, sagte Baley zu Geronimo.

Die City bedeckte über fünftausend Quadratkilometer und enthielt mehr als vierhundert Kilometer Expressway und Hunderte von Kilometern von Zubringern für die mehr als zwanzig Millionen Bewohner. Das komplizierte Verkehrsnetz war auf acht Etagen angeordnet, und es gab Hunderte von Knotenpunkten von unterschiedlicher Kompliziertheit.

Von Baley erwartete man von Berufs wegen, dass er sie alle kannte – und das tat er auch. Man konnte ihn mit einer Binde um die Augen in jedem Winkel der Stadt absetzen, ihm die Binde abnehmen, und er würde mühelos seinen Weg zu jedem vorgeschriebenen Ziel finden.

Es gab also keinen Zweifel, dass er den Weg zum Präsidium finden würde. Aber es gab acht mögliche Routen, die er nehmen konnte, und einen Augenblick lang zögerte er und überlegte, welche davon um diese Zeit am wenigsten überfüllt sein würde.

Aber nur einen Augenblick lang. Dann traf er seine Entscheidung und sagte: »Komm mit, Boy!« Der Roboter folgte ihm.

Sie schwangen sich auf ein vorübergleitendes Zubringerband, und Baley packte eine der senkrechten Stangen: weich, warm und mit einer Oberflächenstruktur, die es einem bequem machte, sich festzuhalten. Baley wollte sich nicht setzen; sie würden nicht lange auf dem Band sein. Der Roboter hatte auf Baleys einladende Handbewegung gewartet, ehe er die Hand auf dieselbe Stange gelegt hatte. Ebenso gut hätte er stehen bleiben können, ohne sich festzuhalten – es wäre ihm nicht schwergefallen, das Gleichgewicht zu halten –, aber Baley wollte nicht das Risiko eingehen, dass sie getrennt wurden. Er war für den Roboter verantwortlich und wollte unbedingt vermeiden, am Ende der City den Schaden ersetzen zu müssen, falls R. Geronimo etwas zustieß. Auf dem Zubringerband waren ein paar Leute, und deren Augen wandten sich jetzt neugierig – wie es unvermeidbar war – dem Roboter zu. Baley fing die Blicke auf. Baley sah wie ein Mann aus, von dem Autorität ausging, und die Gesichter, in die er sah, wandten sich verlegen ab.

Baley machte wieder eine Handbewegung, als er sich vom Zubringerband schwang. Das hatte jetzt die Streifen erreicht und bewegte sich mit derselben Geschwindigkeit wie der nächste, brauchte also nicht abzubremsen. Baley trat auf den nächsten Streifen und spürte den Luftzug, weil sie nicht mehr von der Plastikhaube geschützt waren.

Er lehnte sich mit der Selbstverständlichkeit langjähriger Übung gegen den Wind und hob einen Arm, um den Luftzug in Augenhöhe abzulenken. Er eilte die Streifen zu der Kreuzung mit dem Expressway hinunter und dann zu dem Schnellstreifen hinauf, der an den Expressway grenzte.

Er hörte den Schrei »Roboter!« aus dem Mund eines Jugendlichen und wusste genau, was jetzt geschehen würde. Eine Gruppe von ihnen – zwei oder drei oder ein halbes Dutzend – würde die Streifen hinauf- oder hinunterrennen, und irgendwie würde einer den Roboter zu Fall bringen, und der würde klirrend zu Boden gehen. Und später, wenn der Fall je vor Gericht kam, würde jener Jugendliche – wenn man ihn überhaupt erwischte – behaupten, der Roboter sei mit ihm zusammengestoßen, und sich beschweren, dass diese Maschinen eine Gefahr für andere Passanten darstellten – und dann würde man ihn ohne Zweifel laufen lassen.

Der Roboter konnte sich weder gegen den ersten Vorwurf verteidigen noch in Bezug auf den zweiten eine Aussage machen.

Baley beeilte sich und schob sich zwischen den ersten Jugendlichen und den Roboter. Er wich auf einen schnelleren Streifen aus, hob den Arm etwas höher, als wollte er seine Haltung an die höhere Windgeschwindigkeit anpassen – und irgendwie wurde der junge Mann dabei vom Kurs abgedrängt und geriet auf einen langsameren Streifen, auf den er nicht vorbereitet war. Er schrie erschreckt »He!«, während er taumelte. Die anderen blieben stehen, bildeten sich schnell das richtige Urteil über die Lage und bogen ab.

»Auf den Expressway, Boy«, sagte Baley.

Der Roboter zögerte kurz. Roboter ohne Begleitung durften den Expressway nicht benutzen. Aber Baleys Befehl war unzweideutig gewesen, und so wechselte er auf das Band über. Baley folgte, was den Druck milderte, der auf dem Roboter lastete.

Baley schob sich ziemlich rücksichtslos durch die Scharen von Stehenden, drängte R. Geronimo vor sich her und arbeitete sich auf die weniger überfüllte obere Etage zu. Er hielt sich an einer Stange fest und stellte einen Fuß auf den des Roboters und wehrte wieder mit gebieterischem Blick alle feindseligen Blicke von sich ab.

Fünfzehneinhalb Kilometer später befanden sie sich in der Nähe des Polizeipräsidiums, und er verließ den Expressway. R. Geronimo kam mit ihm. Niemand hatte ihn berührt, nicht die geringste Schramme gab es. Baley lieferte ihn an der Tür ab und ließ sich eine Quittung geben. Er überprüfte sorgfältig Datum, Zeit und Seriennummer des Roboters und steckte die Quittung ein. Später würde er sich vergewissern, dass die Transaktion auch im Computer registriert worden war.

Gleich würde er den Commissioner aufsuchen – und er kannte den Commissioner. Der geringste Fehler würde dazu führen, dass man Baley im Rang zurückstufte. Der Commissioner war ein harter Mann. Er betrachtete die Triumphe, die Baley in der Vergangenheit errungen hatte, als persönliche Beleidigung.

3

Der Commissioner hieß Wilson Roth. Er hatte diesen Posten jetzt zweieinhalb Jahre inne, seit Julius Enderby zurückgetreten war, als sich die Unruhe wegen der Ermordung eines Spacers gelegt hatte und er seinen Rücktritt hatte einreichen können, ohne dass dies zu Verwicklungen führte.

Baley hatte sich mit dem Wechsel nie ganz abfinden können. Julius war trotz all seiner Fehler nicht nur ein Vorgesetzter, sondern auch ein Freund gewesen; Roth war nur ein Vorgesetzter. Er kam nicht einmal aus der City. Nicht aus dieser City. Man hatte ihn von draußen hereingebracht.

Roth war weder ungewöhnlich groß noch ungewöhnlich dick. Aber er hatte einen großen Kopf, und der schien auf einem Hals zu sitzen, der von seinem Rumpf leicht nach vorne geneigt war. Dadurch wirkte er schwerfällig, als hätte er einen schweren Körper und einen schweren Kopf. Er hatte auch schwere Lider, die seine Augen halb verdeckten. Das führte dazu, dass man ihn für schläfrig hielt, aber ihm entging so leicht nichts. Baley hatte das sehr schnell herausgefunden, kurz nachdem Roth das Amt übernommen hatte. Er machte sich keine Illusionen, dass Roth ihn mochte. Und noch weniger Illusionen machte er sich darüber, dass er seinerseits Roth mochte.

Roths Stimme klang nicht gerade verdrießlich – das tat sie nie –, aber Freude verbreiteten seine Worte auch nicht. »Baley, warum ist es so schwierig, Sie ausfindig zu machen?«, fragte er.

Baley antwortete darauf mit vorsichtig respektvoller Stimme: »Heute ist mein freier Nachmittag, Commissioner.«

»Ja, C-7-Privileg, nicht wahr? Sie wissen doch, was ein Piepser ist, oder? Etwas, womit man dienstliche Mitteilungen empfängt. Es ist zulässig, Sie auch in Ihrer Freizeit zurückzurufen.«

»Das weiß ich sehr wohl, Commissioner. Aber die Vorschrift bezüglich des Tragens eines Piepsers ist gestrichen worden. Man kann uns ohne Piepser erreichen.«

»Innerhalb der City, ja, aber Sie waren draußen – oder täusche ich mich?«

»Sie täuschen sich nicht, Commissioner. Ich war draußen. Aber in der Vorschrift steht nicht, dass ich in dem Fall einen Piepser tragen muss.«

»Sie verstecken sich wohl hinter den Vorschriften, wie?«

»Ja, Commissioner«, sagte Baley ruhig.

Der Commissioner stand auf – ein mächtiger und auf unbestimmte Weise drohender Mann – und setzte sich auf die Schreibtischkante. Das Fenster nach draußen, das Enderby sich hatte einbauen lassen, war schon lange wieder verschlossen und übermalt worden. In dem geschlossenen Raum (der deshalb wärmer und behaglicher war) wirkte der Commissioner noch größer. Nun sagte er, ohne die Stimme dabei zu heben: »Sie verlassen sich wohl auf die Dankbarkeit der Erde, Baley.«

»Ich verlasse mich darauf, meine Arbeit nach besten Kräften zu tun, Commissioner, und in Einklang mit den Vorschriften.«

»Und auf die Dankbarkeit der Erde, wenn Sie den Geist ebendieser Vorschriften ein wenig verbiegen.«

Darauf sagte Baley nichts.

»Man ist der Ansicht, dass Sie in dem Mordfall Sarton vor drei Jahren gute Arbeit geleistet haben«, sagte der Commissioner.

»Danke, Commissioner«, erwiderte Baley. »Ich glaube, die Folge war, dass man Spacetown abgebaut hat.«

»Ja, so ist es – und das hat den Beifall der ganzen Erde ausgelöst. Es heißt auch, dass Sie vor zwei Jahren auf Solaria gute Arbeit getan haben. Und, ehe Sie mich daran erinnern, die Folge war, dass die Bedingungen in den Handelsverträgen mit den Spacerwelten revidiert wurden, was der Erde beträchtlichen Vorteil brachte.«

»Ich glaube, so steht es in den Akten, Sir.«

»Und als Folge davon sind Sie so etwas wie ein Held.«

»Das behaupte ich nicht.«

»Sie sind zweimal befördert worden, nach jeder der beiden Affären. Es gibt sogar ein Hyperwellendrama, das auf den Ereignissen auf Solaria basiert.«

»Das ohne meine Erlaubnis und gegen meinen Willen produziert wurde, Commissioner.«

»Was Sie aber trotzdem als eine Art Held hinstellt.«

Baley zuckte die Achseln.

Der Commissioner wartete ein paar Sekunden lang auf eine Bemerkung und fuhr dann fort: »Aber in den letzten zwei Jahren haben Sie nichts Wichtiges getan.«

»Die Erde hat natürlich das Recht, die Frage zu stellen, was ich in letzter Zeit für sie getan habe.«

»Genau. Wahrscheinlich tut sie das auch. Sie weiß, dass Sie eine führende Rolle in dieser neumodischen Bewegung spielen, nach draußen zu gehen, im Boden herumzuwühlen und so zu tun, als wäre man ein Roboter.«

»Das ist erlaubt.«

»Nicht alles, was erlaubt ist, wird bewundert. Möglicherweise wirken Sie jetzt auf mehr Leute eher komisch als heldenhaft.«

»Das steht vielleicht in Einklang mit der Meinung, die ich selbst von mir habe«, sagte Baley.

»Die Öffentlichkeit hat bekanntermaßen ein sehr schlechtes Erinnerungsvermögen. In Ihrem Fall verschwindet das Heldenhafte schnell hinter dem Komischen, und deshalb werden Sie ernsthaft Schwierigkeiten haben, falls Sie einen Fehler machen. Der Ruf, auf den Sie bauen …«

»Sie gestatten, Commissioner, ich baue nicht darauf.«

»Der Ruf, auf den Sie nach Ansicht der Polizeibehörden bauen, wird Sie nicht retten. Und ich werde Sie nicht retten können.«

Einen Augenblick lang schien der Schatten eines Lächelns über Baleys strenge Züge zu huschen. »Ich möchte ganz bestimmt nicht, Commissioner, dass Sie Ihren Posten etwa bei dem Versuch aufs Spiel setzen, mich zu retten.«

Der Commissioner zuckte die Achseln und produzierte ein Lächeln, das genauso schattenhaft und flüchtig war. »Darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.«

»Warum sagen Sie mir dann alles das, Commissioner?«

»Um Sie zu warnen. Ich versuche nicht, Ihnen Schaden zuzufügen, verstehen Sie, und deshalb warne ich Sie ein Mal. Sie werden mit einer sehr delikaten Angelegenheit betraut werden, in der Ihnen leicht ein Fehler unterlaufen kann, und ich warne Sie jetzt, dass Sie diesen Fehler nicht machen dürfen.« An diesem Punkt entspannte sich sein Gesicht zu einem unübersehbaren Lächeln.

Baley reagierte nicht auf das Lächeln, sondern fragte: »Können Sie mir sagen, was das für eine sehr delikate Angelegenheit ist?«

»Das weiß ich nicht.«

»Hat sie mit Aurora zu tun?«

»R. Geronimo hatte Anweisung, Ihnen das zu sagen, falls nötig, aber ich weiß nichts davon.«

»Wie können Sie dann sagen, dass es eine sehr delikate Angelegenheit ist, Commissioner?«

»Kommen Sie, Baley, Sie sind Ermittler. Was führt schon einen Beamten des terrestrischen Justizministeriums in die City, wo man Sie doch ebenso gut hätte auffordern können, nach Washington zu gehen, so wie Sie es vor zwei Jahren in Verbindung mit dem Solaria-Zwischenfall tun mussten? Und was bringt die Person aus dem Justizministerium dazu, die Stirn zu runzeln, ungeduldig zu werden und übellaunig, wenn man Sie nicht sofort erreichen kann? Ihre Entscheidung, sich unerreichbar zu machen, war ein Fehler, ein Fehler, für den ich in keiner Weise verantwortlich bin. Für sich alleine betrachtet, ist das vielleicht nicht schlimm, aber ich glaube, Sie werden einen schlechten Start haben.«

»Und Sie halten mich jetzt noch länger auf«, sagte Baley und runzelte die Stirn.

»Nein, eigentlich nicht. Der Beamte aus dem Justizministerium nimmt gerade eine kleine Erfrischung ein – Sie wissen ja, dass die Terries sich immer für etwas Besseres halten. Anschließend wird er zu uns kommen. Man hat ihn informiert, dass Sie eingetroffen sind, warten Sie also weiter, so wie ich das tue.«

Baley wartete. Er hatte die ganze Zeit gewusst, dass das Hyperwellendrama, das man ihm gegen seinen Willen aufgezwungen hatte, sosehr es auch die Position der Erde verbessert haben mochte, ihn in seiner Behörde ruiniert hatte. Es hatte ihn im dreidimensionalen Relief über die zweidimensionale Flachheit der Organisation gestellt und ihn zum Gezeichneten gemacht.

Man hatte ihn befördert, und das hatte ihm zusätzliche Privilegien eingebracht, aber auch das hatte die feindselige Stimmung gegen ihn gesteigert. Und je höher er stieg, desto leichter würde er, falls er stürzte, in tausend Stücke zerspringen.

Falls er einen Fehler machte …

4

Der Beamte aus dem Justizministerium trat ein, sah sich beiläufig um, ging auf die andere Seite von Roths Schreibtisch und setzte sich. Als höchstrangiges Individuum im Raum verhielt der Beamte sich durchaus korrekt. Roth nahm ruhig einen zweitrangigen Sitz ein.

Baley blieb stehen und gab sich Mühe, seinem Gesicht keine Überraschung anmerken zu lassen.

Roth hätte ihn warnen können, aber das hatte er nicht getan. Er hatte seine Worte so gewählt, dass er keinen Hinweis erhielt.

Der Beamte war eine Frau.

Es gab keinen Grund, weshalb es nicht so hätte sein sollen. Jeder Beamte konnte auch eine Frau sein. Der Secretary General konnte eine Frau sein. Es gab Frauen in der Polizeibehörde, selbst eine Frau, die den Rang eines Captain innehatte.

Es war nur eben so, dass man, wenn man nicht gewarnt wurde, nicht mit so etwas rechnete. Es gab Zeiten in der Geschichte, wo Frauen in beträchtlicher Zahl Positionen in der Verwaltung eingenommen hatten. Baley wusste das; er kannte sich in der Geschichte gut aus. Aber dies war keine jener Zeiten.

Die Frau war ziemlich groß und saß steif und aufrecht im Sessel. Ihre Uniform unterschied sich nicht sehr von der eines Mannes, auch ihre Frisur nicht oder die Art, wie sie ihr Gesicht schminkte. Was ihr Geschlecht sofort verriet, waren ihre Brüste, deren Volumen sie in keiner Weise zu verbergen suchte.

Sie war um die vierzig. Ihre Gesichtszüge waren regelmäßig und gut geschnitten. Sie war auf attraktive Art in die mittleren Jahre gekommen, bis jetzt noch ohne sichtbare Spuren von Grau im Haar.

Sie sagte: »Sie sind Detective Elijah Baley, Rangstufe C-7.« Das war eine Feststellung, keine Frage.

»Ja, Ma’am«, antwortete Baley nichtsdestoweniger.

»Ich bin Undersecretary Lavinia Demachek. Sie sehen ganz anders aus als in dem Hyperwellendrama, das sich mit Ihnen befasst.«

Baley hatte das schon oft gehört. »Die konnten mich ja nicht so zeigen, wie ich bin, und besonderen Erfolg damit haben, Ma’am«, sagte Baley trocken.

»Da bin ich nicht so sicher. Sie wirken stärker als der babygesichtige Schauspieler, den die eingesetzt haben.«

Baley zögerte einen Augenblick lang und entschied sich dann dafür, das Risiko einzugehen – vielleicht hatte er auch das Gefühl, dass er dem einfach nicht widerstehen konnte. So meinte er würdevoll: »Sie haben einen kultivierten Geschmack, Ma’am.«

Sie lachte, und Baley atmete vorsichtig aus. »Hoffentlich habe ich den«, meinte sie. »Und was haben Sie sich dabei gedacht, als Sie mich warten ließen?«

»Man hatte mich nicht darüber informiert, dass Sie kommen würden, Ma’am, und ich hatte Freizeit.«

»Die Sie draußen verbracht haben, wie man mir sagt.«

»Ja, Ma’am.«

»Sie sind einer von diesen Spinnern, wie ich sagen würde, wenn ich keinen so kultivierten Geschmack hätte. Lassen Sie mich daher stattdessen fragen, ob Sie einer jener … oh … Enthusiasten sind.«

»Ja, Ma’am.«

»Sie planen also, eines Tages auszuwandern und in der Wildnis der Galaxis neue Welten zu begründen?«

»Vielleicht nicht ich persönlich, Ma’am. Ich bin möglicherweise zu alt, aber …«

»Wie alt sind Sie?«

»Fünfundvierzig, Ma’am.«

»So sehen Sie aus. Ich bin übrigens auch fünfundvierzig.«

»Sie sehen nicht so aus, Ma’am.«

»Älter oder jünger?« Sie lachte wieder, fuhr dann jedoch fort: »Aber wir wollen hier keine Spielchen treiben. Wollen Sie damit andeuten, dass ich zu alt bin, um Pionier zu sein?«

»In unserer Gesellschaft kann keiner ein Pionier sein, nicht ohne Ausbildung draußen. An jungen Leuten hat die Ausbildung die beste Wirkung. Mein Sohn, so hoffe ich, wird eines Tages auf einer anderen Welt stehen.«

»Tatsächlich? Sie wissen natürlich, dass die Galaxis den Spacerwelten gehört.«

»Davon gibt es nur fünfzig, Ma’am. Es gibt Millionen Welten in der Galaxis, die bewohnbar sind – oder die man bewohnbar machen kann – und auf denen es wahrscheinlich kein eigenes intelligentes Leben gibt.«

»Ja, aber ohne Erlaubnis der Spacer darf kein einziges Schiff die Erde verlassen.«

»Diese Erlaubnis lässt sich vielleicht erwirken, Ma’am.«

»Ich teile Ihren Optimismus nicht, Mr. Baley.«

»Ich habe mit Spacern gesprochen, die …«

»Das weiß ich«, sagte Demachek. »Mein Vorgesetzter ist Albert Minnim, der Sie vor zwei Jahren nach Solaria geschickt hat.« Sie lächelte. »Ein Schauspieler hat ihn in einer Nebenrolle dieses Hyperwellenstücks gespielt, einer, der ihm sehr ähnelte, wie ich mich erinnere. Er war nicht sehr erfreut darüber, wie ich mich ebenfalls erinnere.«

Baley wechselte das Thema. »Ich habe Untersekretär Minnim gefragt …«

»Man hat ihn befördert, wissen Sie.«

Baley kannte sich sehr gut mit unterschiedlichen Rangstufen aus. »Welchen Titel hat er jetzt, Ma’am?«

»Vizesekretär.«

»Danke. Ich habe Vizesekretär Minnim gebeten, für mich die Erlaubnis zu erbitten, Aurora zu besuchen, um dieses Thema dort zu besprechen.«

»Wann?«

»Nicht lange nach meiner Rückkehr von Solaria. Ich habe die Bitte inzwischen zweimal wiederholt.«

»Haben aber keine positive Antwort erhalten?«

»Nein, Ma’am.«

»Sind Sie überrascht?«

»Ich bin enttäuscht, Ma’am.«

»Das bringt nichts.« Sie lehnte sich ein wenig im Sessel zurück. »Unsere Beziehungen zu den Spacerwelten sind sehr diffizil. Sie sind vielleicht der Ansicht, dass Ihre beiden detektivischen Leistungen die Lage entspannt haben – und das haben sie auch. Dieses schreckliche Hyperwellendrama hat auch mitgeholfen. Aber insgesamt war die Entspannung so viel …« – sie legte Daumen und Zeigefinger dicht aneinander – »in so viel«, und hielt die beiden Hände weit auseinander. »Unter diesen Umständen«, fuhr sie fort, »können wir nur schwer das Risiko eingehen, Sie nach Aurora, der führenden Spacerwelt, zu schicken, wo Sie vielleicht etwas tun, das interstellare Spannungen erzeugen könnte.«

Baleys Blick begegnete dem ihren. »Ich war auf Solaria und habe keinen Schaden angerichtet, im Gegenteil …«

»Ja, ich weiß, aber Sie waren auf Bitten der Spacer dort, und das ist Parsecs weit davon entfernt, auf unsere Bitte dort zu sein. Das müssen Sie doch begreifen.«

Baley blieb stumm.

Sie gab ein leise schnaubendes Geräusch von sich, das wohl andeuten sollte, dass sie nicht überrascht war, und sagte: »Die Situation hat sich verschlechtert, seit Sie Ihre Anträge bei dem Vizesekretär eingereicht haben, der sie ganz korrekt ignoriert hat. Im letzten Monat ist die Lage ganz besonders schlimm geworden.«

»Ist das der Grund für dieses Gespräch, Ma’am?«

»Sie werden wohl ungeduldig, Sir?«, meinte sie sarkastisch, in einem Tonfall, wie man ihn Vorgesetzten gegenüber gebraucht. »Wollen Sie mich anweisen, zur Sache zu kommen?«

»Nein, Ma’am.«

»Sicher tun Sie das. Und warum auch nicht? Ich beginne, weitschweifig zu werden. Lassen Sie mich der Sache näherkommen, indem ich Sie frage, ob Sie Dr. Han Fastolfe kennen.«

Baley antwortete vorsichtig: »Ich bin ihm einmal begegnet, das liegt jetzt drei Jahre zurück. An dem Ort, der damals Spacetown hieß.«

»Ich nehme an, dass er Ihnen sympathisch war.«

»Er war freundlich – für einen Spacer.«

Wieder das leise schnaubende Geräusch. »Das kann ich mir denken. Ist Ihnen bewusst, dass er in den letzten zwei Jahren auf Aurora eine wichtige politische Persönlichkeit war?«

»Ich hatte von einem … einem Partner, den ich einmal hatte, gehört, dass er der Regierung angehörte.«

»Von R. Daneel Olivaw, Ihrem Freund, dem Spacerroboter?«

»Meinem Ex-Partner, Ma’am.«

»War das bei der Gelegenheit, als Sie ein kleines Problem bezüglich zweier Mathematiker an Bord eines Spacerschiffs lösten?«

Baley nickte. »Ja, Ma’am.«

»Sie sehen, dass wir uns darum bemühen, informiert zu bleiben. Dr. Han Fastolfe ist zwei Jahre lang mehr oder weniger der führende Kopf in der Regierung von Aurora gewesen, eine wichtige Figur, von dem sogar die Rede geht, dass er Vorsitzender werden könnte. Der Vorsitzende, müssen Sie wissen, ist auf Aurora so etwas Ähnliches wie bei uns der Präsident.«

»Ja, Ma’am«, sagte Baley und fragte sich, wann sie wohl endlich auf die delikate Angelegenheit zu sprechen kommen würde, die der Commissioner erwähnt hatte.

Demachek schien es nicht eilig zu haben. Sie sagte: »Fastolfe ist ein … Gemäßigter. So bezeichnet er sich selbst. Nach seinem Gefühl ist Aurora – und die Spacerwelten im Allgemeinen – in ihrer Richtung zu weit gegangen, so wie Sie vielleicht das Gefühl haben, dass wir auf der Erde in unserer Richtung zu weit gegangen sind. Er möchte einen Schritt zurücktun, zu weniger Robotik und einem schnelleren Generationenwechsel und zu einer Allianz mit der Erde, vielleicht sogar Freundschaft. Natürlich unterstützen wir ihn – aber nur ganz im Stillen. Wenn wir unsere Zuneigung zu demonstrativ zeigten, könnte das für ihn leicht der Kuss des Todes sein.«

Baley meinte dazu: »Ich glaube, er würde es unterstützen, dass die Erde andere Welten erforscht und besiedelt.«

»Das glaube ich auch. Ich bin der Meinung, dass er das Ihnen gegenüber sogar gesagt hat.«

»Ja, Ma’am, damals, als wir uns trafen.«

Demachek legte die Hände im spitzen Winkel zusammen und stützte das Kinn auf die Fingerspitzen. »Glauben Sie, dass er die öffentliche Meinung auf den Spacerwelten vertritt?«

»Das weiß ich nicht, Ma’am.«

»Ich fürchte, er tut das nicht. Diejenigen, die auf seiner Seite stehen, sind eher lauwarm. Aber die, die gegen ihn sind, sind in der Überzahl und äußerst hitzig. Es ist nur seinem politischen Geschick zuzuschreiben – und der Sympathie, die seiner Person entgegengebracht wird –, dass er so nahe am Zentrum der Macht bleiben konnte, wie er das ohne Zweifel ist. Seine größte Schwäche ist natürlich seine Sympathie für die Erde. Die wird dauernd gegen ihn ins Feld geführt und beeinflusst viele, die seine Ansichten in jeder anderen Hinsicht teilen würden. Wenn man Sie nach Aurora schickte, würde jeder Fehler, den Sie dort begehen, mithelfen, die anti-irdischen Gefühle zu verstärken. Und demzufolge ihn zu schwächen, vielleicht sogar auf fatale Weise. Die Erde kann dieses Risiko einfach nicht eingehen.«

»Ich verstehe«, murmelte Baley.

»Fastolfe ist bereit, das Risiko einzugehen. Er war es, der veranlasste, dass Sie zu einer Zeit nach Solaria geschickt wurden, als sein politischer Einfluss noch gering und seine Position noch sehr verletzlich war. Aber für ihn steht ja nur seine persönliche Macht auf dem Spiel, wohingegen wir uns um das Wohlergehen von mehr als acht Milliarden Erdenmenschen Gedanken machen müssen. Und genau das ist es, was die augenblickliche politische Situation fast unerträglich delikat macht.«

Sie machte eine Pause, und Baley war schließlich gezwungen, die Frage zu stellen: »Auf welche Lage beziehen Sie sich denn, Ma’am?«

»Wie es scheint«, sagte Demachek, »ist Fastolfe in einen ernsthaften Skandal verwickelt, wie es noch nie einen gegeben hat. Wenn er ungeschickt ist, besteht die Gefahr, dass er in wenigen Wochen als Politiker vernichtet wird. Wenn er geradezu übermenschlich raffiniert ist, kann er vielleicht noch ein paar Monate lang überleben. Aber über kurz oder lang könnte er als politischer Faktor auf Aurora vernichtet werden – und das wäre für die Erde eine echte Katastrophe, müssen Sie wissen.«

»Darf ich fragen, was man ihm vorwirft? Korruption? Verrat?«

»Nichts dergleichen. Seine persönliche Integrität wird selbst von seinen Feinden nicht infrage gestellt. Es geht um mehr.«

»Ein Verbrechen der Leidenschaft also? Mord?«

»Nicht ganz Mord.«

»Ich verstehe nicht, Ma’am.«

»Auf Aurora gibt es menschliche Geschöpfe, Mr. Baley. Und Roboter gibt es auch. Die meisten sind so ähnlich wie die unseren, in den meisten Fällen nicht sehr viel weiter fortgeschritten. Aber es gibt einige wenige Humaniformroboter, Roboter, die so humaniform sind, dass man sie für Menschen halten kann.«

Baley nickte. »Das ist mir sehr wohl bekannt.«

»Ich nehme an, dass die Zerstörung eines Humaniformroboters im strengen Wortsinn wohl nicht als Mord bezeichnet wird.«

Baley beugte sich vor, und seine Augen weiteten sich. »Jehoshaphat, Frau! Hören Sie auf, Ihr Spiel mit mir zu treiben! Wollen Sie damit sagen, dass Dr. Fastolfe R. Daneel getötet hat?«

Roth sprang auf und schien im Begriff zu sein, Baley anzugreifen, aber Untersekretär Demachek winkte ihn zurück. Ihr schien Baleys Ausbruch nichts auszumachen.

»Unter den gegebenen Umständen verzeihe ich Ihnen Ihre Respektlosigkeit, Baley«, sagte sie. »Nein, R. Daneel ist nicht getötet worden. Er ist nicht der einzige humaniforme Roboter auf Aurora. Ein anderer solcher Roboter, nicht R. Daneel, ist getötet worden, wenn Sie den Begriff in diesem Sinne anwenden wollen. Um präziser zu sein: Sein Bewusstsein ist zerstört worden, man hat einen permanenten und irreversiblen Roblock in ihm erzeugt.«

»Und die sagen, dass Dr. Fastolfe das getan hat?«, fragte Baley.

»Seine Feinde sagen das. Die Extremisten, die den Wunsch haben, dass sich nur die Spacer in der Galaxis ausbreiten, und die wünschen, dass die Erdenmenschen aus dem Universum verschwinden, sagen es. Wenn es diesen Extremisten gelingt, innerhalb der nächsten paar Wochen Neuwahlen herbeizuführen, werden sie ganz sicher die totale Kontrolle über die Regierung gewinnen, und das kann unvorhersehbare Folgen haben.«

»Warum ist dieser Roblock politisch so wichtig? Das verstehe ich nicht.«

»Ich weiß es selbst nicht genau«, sagte Demachek. »Ich behaupte auch gar nicht, die auroranische Politik zu verstehen. Wahrscheinlich waren die Humaniformen irgendwie in die Pläne der Extremisten verwickelt, und die Zerstörung dieses einen hat sie wütend gemacht.« Sie rümpfte die Nase. »Mir scheint ihre Politik sehr verwirrend, und ich würde Sie nur in die Irre führen, wenn ich versuchte, sie zu interpretieren.«

Baley gab sich Mühe, unter den strengen Blicken des Untersekretärs unter Kontrolle zu bleiben. So sagte er leise: »Warum bin ich hier?«

»Wegen Fastolfe. Sie sind schon einmal in den Weltraum geflogen, um einen Mordfall zu lösen, und hatten Erfolg. Fastolfe will, dass Sie es wieder versuchen. Sie sollen nach Aurora reisen und herausfinden, wer für den Roblock verantwortlich war. Nach seiner Ansicht ist das seine einzige Chance, die Extremisten zurückzudrängen.«

»Ich bin kein Robotiker. Und ich weiß nichts über Aurora …«

»Sie wussten auch nichts über Solaria, und doch haben Sie es geschafft. Worauf es ankommt, Baley, ist, dass wir ebenso daran interessiert sind, Genaueres über die Geschehnisse dort zu erfahren wie Fastolfe selbst. Wir wollen nicht, dass er vernichtet wird. Wenn es dazu kommt, dann wird die Erde einem Maß an Feindseligkeit seitens dieser Extremisten ausgesetzt sein, das wahrscheinlich alles übersteigt, was wir bisher erlebt haben. Wir wollen nicht, dass es dazu kommt.«

»Dieser Verantwortung fühle ich mich nicht gewachsen, Ma’am. Die Aufgabe ist …«

»Nahezu unlösbar. Das wissen wir. Aber wir haben keine Wahl. Fastolfe besteht darauf – und ihm untersteht im Augenblick die Regierung von Aurora. Wenn Sie sich weigern, die Reise zu unternehmen, oder wir Sie nicht gehen lassen, machen wir die Auroraner wütend. Wenn Sie gehen und Erfolg haben, werden wir gerettet, und Sie werden angemessen belohnt werden.«

»Und wenn ich gehe und versage?«

»Dann werden wir uns die größte Mühe geben, dafür zu sorgen, dass die Schuld auf Sie und nicht auf die Erde fällt.«

»Mit anderen Worten, das Gesicht der Bürokratie wird gewahrt bleiben.«

»Man könnte das auch freundlicher so ausdrücken, dass man Sie den Wölfen vorwirft in der Hoffnung, dass die Erde nicht zu sehr zu leiden braucht. Ein Mensch ist kein zu hoher Preis für unseren Planeten.«

»Mir scheint, dass ich ebenso gut hierbleiben könnte, da ich ja doch mit Sicherheit versagen werde.«

»Dafür sind Sie zu intelligent«, sagte Demachek leise. »Aurora hat Sie verlangt, und Sie können nicht ablehnen. Und außerdem, warum sollten Sie ablehnen wollen? Sie versuchen jetzt seit zwei Jahren, nach Aurora zu kommen, und waren verbittert, als man Ihnen die Erlaubnis versagt hat.«

»Ich wollte in Frieden gehen, um uns Hilfe bei der Besiedlung anderer Welten zu beschaffen, nicht um …«

»Sie könnten ja immer noch versuchen, deren Hilfe für Ihren Traum der Besiedlung anderer Welten zu erwirken, Baley. Immerhin, nehmen Sie einmal an, Sie hätten Erfolg. Möglich ist das ja immerhin. In dem Fall wird Fastolfe Ihnen sehr verpflichtet sein und tut vielleicht wesentlich mehr für Sie, als er unter anderen Umständen je tun würde. Und wir selbst werden Ihnen auch hinreichend dankbar sein, um Sie zu unterstützen. Ist dies nicht ein Risiko wert, selbst ein großes? So klein Ihre Chancen auf Erfolg auch sein mögen, falls Sie gehen – wenn Sie nicht gehen, sind diese Chancen gleich null. Denken Sie auch daran, Baley, aber bitte – nicht zu lang.«

Baleys Lippen pressten sich zusammen, und als er am Ende erkannte, dass es keine Alternative gab, sagte er: »Wie viel Zeit habe ich denn, um …«

Und Demachek sagte ruhig: »Kommen Sie. Habe ich Ihnen nicht erklärt, dass wir keine Wahl haben – und auch keine Zeit? Sie reisen«, sie sah auf ihre Uhr, »in knapp sechs Stunden ab.«

5

Der Raumhafen lag am östlichen Rand der City in einem fast verlassenen Sektor, der genau genommen draußen lag. Die Tatsache, dass die Schalter und Warteräume tatsächlich innerhalb der City lagen und der Zugang zum Schiff durch einen Tunnel erfolgte, milderte diese Tatsache etwas. Traditionsgemäß fanden alle Starts nachts statt, sodass auch die Dunkelheit noch dazu beitrug, den Effekt zu dämpfen.

Wenn man die dichte Bevölkerung der Erde bedachte, wirkte der Raumhafen nicht gerade geschäftig. Erdenmenschen verließen den Planeten nur selten, und der Verkehr bestand zur Gänze aus kommerziellen Aktivitäten, die von Robotern und Spacern wahrgenommen wurden.

Elijah Baley, der darauf wartete, dass das Schiff zum Einsteigen bereitgestellt wurde, fühlte sich bereits von der Erde abgeschnitten.

Bentley saß bei ihm, und zwischen den beiden herrschte ein bedrücktes Schweigen. Schließlich sagte Ben: »Ich habe mir gedacht, dass Mom nicht gerne mitkommen würde.«

Baley nickte. »Das dachte ich mir auch. Ich erinnere mich noch gut, wie sie war, als ich nach Solaria fuhr. Das ist nicht anders.«

»Hast du sie beruhigen können?«

»Ich habe getan, was ich konnte. Sie ist überzeugt, dass das Schiff abstürzen wird oder dass die Spacer mich umbringen, sobald ich auf Aurora ankomme.«

»Von Solaria bist du ja auch heil zurückgekommen.«

»Das führt bei ihr nur dazu, dass sie das Risiko beim zweiten Mal noch mehr scheut. Sie nimmt an, dass man nicht immer Glück haben kann. Aber sie wird es schon schaffen. Halt dich in ihrer Nähe, Ben! Verbring gelegentlich einige Zeit bei ihr, und was auch immer du tust, rede nicht davon, dass du neue Planeten besiedeln willst! Das ist es, was sie wirklich unruhig macht, weißt du? Sie hat das Gefühl, dass du sie in den nächsten Jahren verlassen wirst. Und da sie nicht mitkommen kann, weiß sie, dass sie dich nie wiedersehen wird.«

»Ja«, sagte Ben. »Dazu könnte es kommen.«

»Du kannst das vielleicht ganz gut ertragen, aber sie kann es nicht. Also sprich nicht darüber, während ich nicht da bin. Einverstanden?«

»Einverstanden. Ich glaube, sie ist auch wegen Gladia etwas verstimmt.«

Baley blickte auf. »Hast du …?«

»Ich habe kein Wort gesagt. Aber sie hat dieses Hyperwellending auch gesehen, weißt du, und sie weiß, dass Gladia auf Aurora ist.«

»Na und? Das ist ein riesengroßer Planet. Glaubst du, dass Gladia Delmarre mich am Raumhafen erwarten wird? Jehoshaphat, Ben, weiß deine Mutter denn nicht, dass dieser Hyperwellenquatsch zu neun Zehntel völlig frei erfunden war?«

Ben wechselte das Thema, was ihn sichtlich Mühe kostete. »Mir kommt das komisch vor. Du hast überhaupt kein Gepäck mit.«

»Viel zu viel habe ich mit. Ich habe schließlich die Kleider, die ich am Leibe trage, oder? Die werden sie beseitigen, sobald ich an Bord bin. Weg damit – die werden zuerst chemisch behandelt und dann in den Weltraum geworfen. Anschließend verpassen die mir eine völlig neue Garderobe, nachdem man mich persönlich besprüht und gesäubert und poliert hat, innen und außen. Ich habe das schon einmal mitgemacht.«

Wieder Schweigen, und dann sagte Ben: »Weißt du, Dad …« Und dann hielt er plötzlich inne. Er versuchte es noch einmal. »Weißt du, Dad …«, schaffte es aber diesmal auch nicht.

Baley sah ihn an. »Was willst du mir sagen, Ben?«

»Dad, ich komme mir furchtbar blöd vor, wie ich das sage, aber ich glaube, ich sollte es doch tun. Du bist einfach nicht der Typ für einen Helden. Selbst ich habe dich nie dafür gehalten. Du bist nett und der beste Vater, den ich mir vorstellen kann, aber nicht der Typ für einen Helden.«

Baley brummte etwas Unverständliches.

»Trotzdem«, sagte Ben, »wenn man es sich einmal überlegt, warst du es ja, der dafür gesorgt hat, dass Spacetown hier wegkam; du hast es fertiggebracht, dass Aurora sich auf unsere Seite geschlagen hat; du hast dieses ganze Projekt der Besiedlung anderer Welten in Gang gebracht. Dad, du hast mehr für die Erde getan als alle zusammen in der Regierung. Warum schätzt man dich also nicht mehr?«

Darauf sagte Baley: »Weil ich nicht der Typ für einen Helden bin und weil man mir dieses blöde Hyperwellendrama angehängt hat. Das hat mir jeden einzelnen meiner Kollegen zum Feind gemacht; das hat deine Mutter aus dem Gleichgewicht gebracht und mir einen Ruf verpasst, dem ich einfach nicht gerecht werden kann.« Das Licht an seinem Armbandgerät leuchtete auf, und er stand auf. »Ich muss jetzt gehen, Ben.«

»Ich weiß. Ich wollte nur noch sagen, Dad, ich weiß dich zu schätzen. Und diesmal, wenn du zurückkommst, werden alle so denken, nicht bloß ich.«

Baley hatte das Gefühl, im Boden versinken zu müssen. Er nickte schnell, legte seinem Sohn die Hand auf die Schulter und murmelte: »Danke. Pass gut auf dich auf – und auf deine Mutter –, während ich weg bin.«

Er ging davon, ohne sich umzusehen. Er hatte Ben gesagt, er werde nach Aurora reisen, um dort das Siedlungsprojekt zu besprechen. Wenn dem so wäre, könnte er vielleicht im Triumph zurückkehren. So wie die Dinge lagen …

Er dachte: Ich werde in Ungnaden zurückkommen – wenn ich überhaupt zurückkomme.

ZWEITER TEIL

DANEEL

6

Dies war Baleys dritte Reise auf einem Raumschiff, und die zwei Jahre, die inzwischen verstrichen waren, hatten seine Erinnerung an die früheren beiden Reisen nicht getrübt. Er wusste genau, was ihn erwartete.

Zunächst kam die Isolierung: Niemand, mit Ausnahme vielleicht eines Roboters, würde ihn sehen oder etwas mit ihm zu tun haben. Und die andauernde ärztliche Behandlung – das Besprühen und die Sterilisierungsmaßnahmen. Kurz, der Versuch, ihn geeignet zu machen, sich den krankheitsbewussten Spacern zu nähern, die in Erdenmenschen wandelnde Infektionsherde sahen.

Aber einiges würde auch anders sein. Diesmal würde er vor dem Vorgang keine solche Angst haben. Sicherlich würde auch das Gefühl, etwas zu verlieren, weil er den Heimatplaneten verließ, diesmal weniger schrecklich sein.

Er würde auf die geräumigere Umgebung vorbereitet sein. Diesmal, sagte er sich kühn, aber trotz allem mit einem kleinen Kloß in der Kehle, würde er es vielleicht sogar fertigbringen, darauf zu bestehen, dass man ihn in den Weltraum hinaussehen ließ.

Ob er wohl anders aussehen würde als Fotos des Nachthimmels, so wie man ihn von draußen sah?, fragte er sich.

Er erinnerte sich daran, wie er das erste Mal in einem Planetarium gewesen war (sicher und innerhalb der City natürlich). Dabei war in ihm keineswegs das Gefühl entstanden, draußen zu sein, und es war keinerlei Unbehagen in ihm aufgekommen.

Zweimal … nein, dreimal war es gewesen, dass er nachts im Freien gewesen war und die echten Sterne und die echte Himmelskuppel gesehen hatte. Das war bei Weitem weniger beeindruckend gewesen als im Planetarium; er hatte den kühlen Wind gespürt, und ein seltsames Gefühl der Entfernung war über ihn gekommen, was das Ganze viel beängstigender gemacht hatte als die Kuppel – aber weniger beängstigend als am Tag, denn die Dunkelheit war eine Sicherheit vermittelnde Mauer, die ihn umgab.

Würde wohl der Anblick der Sterne durch das Sichtfenster eines Raumschiffs mehr wie ein Planetarium oder mehr wie der Nachthimmel der Erde wirken? Oder würde es ein völlig anderes Gefühl sein?

Darauf konzentrierte er sich, als könnte er damit den Gedanken, Jessie, Ben und die City zu verlassen, von sich drängen.

Mit etwas, das an Tollkühnheit grenzte, lehnte er den Wagen ab und bestand darauf, die kurze Strecke vom Flughafengebäude bis zum Schiff zu Fuß in Gesellschaft des Roboters zu gehen, der gekommen war, um ihn abzuholen. Schließlich war das Ganze eine überdachte Arkade.

Der Gang beschrieb einen leichten Bogen, und er blickte zurück, solange er Ben noch am anderen Ende sehen konnte. Er hob beiläufig die Hand, als nähme er nur den Expressway nach Trenton, und Ben fuchtelte wild mit beiden Armen und hielt zwei Finger jeder Hand gespreizt, uraltes Symbol des Sieges.

Sieg? Eine nutzlose Geste, dessen war Baley sicher.

Er schaltete auf einen anderen Gedanken um, der geeignet war, ihn zu beschäftigen: Wie es wohl sein mochte, untertags an Bord eines Raumschiffes zu gehen, wenn die Sonne hell auf seine Metallhaut herunterschien und er und all die anderen, die an Bord gingen, dem Draußen ausgesetzt waren. Wie man sich wohl fühlen mochte, wenn man sich ganz dieser winzigen zylindrischen Welt bewusst war, einer Welt, die sich von der unendlich größeren lösen würde, mit der sie auf kurze Zeit verbunden gewesen war, und die sich dann selbst in einem Draußen verlieren würde, das unendlich viel größer war als jedes Draußen auf der Erde, bis sie schließlich nach einer endlosen Strecke des Nichts eine andere Welt fand?

Er zwang sich, mit gleichmäßigen Schritten zu gehen, und achtete darauf, dass man ihm keine Veränderung seines Gesichtsausdrucks anmerkte – das glaubte er zumindest. Aber der Roboter, der ihn begleitete, brachte ihn dazu, stehen zu bleiben.