Das Wunder von Wendelstein - Toni Waidacher - E-Book

Das Wunder von Wendelstein E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. »Lisa, bist' mit dem Zimmer soweit? Die Frau Dressler kann jeden Moment eintreffen.« Florian Sonninger stand im Eingang des Gesindehauses und schaute ungeduldig durch die Tür. »Alles bereit«, antwortete seine Schwester und warf einen letzten, prüfenden Blick durch das Zimmer. Zufrieden räumte sie die Putzsachen zusammen und schloß ab. »Sie kann kommen«, meinte die Achtzehnjährige. Ihr Bruder sah auf die Uhr. »Tut mir leid, aber ich kann net länger warten«, erklärte er. »Wenn ich jetzt net losfahr, bekommen wir den neuen Filter für den Traktor erst am Nachmittag. Dann wird's heut' nix mehr mit dem Pflügen. Also, ich fahr' jetzt in die Stadt. Karl kümmert sich derweil um das Scheunendach.« »Ist gut, Flori«, sagte das hübsche Madel. »Was willst denn zum Mittag essen?« »Ach, das ist mir gleich«, zuckte der junge Bauer die Schulter.

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Der Bergpfarrer – 415 –

Das Wunder von Wendelstein

Toni Waidacher

»Lisa, bist’ mit dem Zimmer soweit? Die Frau Dressler kann jeden Moment eintreffen.«

Florian Sonninger stand im Eingang des Gesindehauses und schaute ungeduldig durch die Tür.

»Alles bereit«, antwortete seine Schwester und warf einen letzten, prüfenden Blick durch das Zimmer.

Zufrieden räumte sie die Putzsachen zusammen und schloß ab.

»Sie kann kommen«, meinte die Achtzehnjährige.

Ihr Bruder sah auf die Uhr.

»Tut mir leid, aber ich kann net länger warten«, erklärte er. »Wenn ich jetzt net losfahr, bekommen wir den neuen Filter für den Traktor erst am Nachmittag. Dann wird’s heut’ nix mehr mit dem Pflügen. Also, ich fahr’ jetzt in die Stadt. Karl kümmert sich derweil um das Scheunendach.«

»Ist gut, Flori«, sagte das hübsche Madel. »Was willst denn zum Mittag essen?«

»Ach, das ist mir gleich«, zuckte der junge Bauer die Schulter. »Irgend etwas, wenn’s nur schnellgeht. Wir haben net viel Zeit heut’. Morgen müssen wir zum Wald hinauf und uns um den Sturmschaden kümmern.«

Vor zwei Tagen war der schwerste Sturm über das Wachnertal hereingebrochen, den die Leute je erlebt hatten. Hagelkörner, groß wie Hühnereier, waren vom Himmel gefallen, und der Wind brach sich mit einer Geschwindigkeit von mehr als hundertzwanzig Stundenkilometern eine Schneise der Verwüstung und Zerstörung durch Berg und Tal.

Während droben im Bergwald zahlreiche Bäume dem verheerenden Unwetter zum Opfer fielen, hatten Hagel und Sturm auch das Scheunendach auf dem Sonningerhof beschädigt. Gestern war das Loch provisorisch abgedeckt worden, heute mußten die neuen Schindeln aufgelegt werden. Am nächsten Tag wollten der Bauer und sein Knecht Karl Wittler dann den Bruch aus dem Bergwald holen.

Zu allem Übel war auch noch der Traktor ausgefallen. Florian vermutete, daß es am verschmutzten Ölfilter lag, der dringend ausgetauscht werden mußte.

Während er in den Wagen stieg, um einen neuen Filter zu besorgen, machte Lisa sich an die Vorbereitungen für das Mittagessen. Ein Blick in die Speisekammer zeigte ihr, daß am einfachsten wäre, heute eine kräftige Suppe zu kochen. Am besten einen Bohneneintopf, den aßen Florian und der Knecht gleichermaßen gerne.

Das Madel nahm ein Schinkenstück und setzte es zusammen mit Suppengemüse schon mal als Grundlage an. Nebenher schälte Lisa Kartoffeln und ging anschließend hinaus in den Garten und pflückte Bohnen. Sie war gerade mit ihrer Arbeit fertig und schloß die kleine Holzpforte hinter sich, als ein Auto auf den Hof fuhr.

Die Schwester des Bauern wischte sich die Hände an der Schürze ab, stellte die Bohnenschüssel auf die Bank vor dem Haus und begrüßte die Frau, die aus dem Wagen stieg.

»Herzlich willkommen auf dem Sonningerhof«, sagte sie. »Sie sind gewiß die Frau Dressler, net wahr?«

Katharina Dressler nickte.

»Ja, Grüß Gott, dank’ schön für die freundliche Begrüßung.«

Die Frau sah sich um.

»Schön haben Sie’s hier«, meinte sie und deutete dann auf das Scheunendach, wo inzwischen Karl Wittler hinaufgeklettert war. »Sturmschaden?«

»Das Unwetter vorgestern«, erklärte Lisa.

Sie schaute Katharina Dressler fragend an.

»Darf ich Ihnen mit dem Gepäck behilflich sein?«

»Das ist lieb«, winkte die Frau ab. »Aber es ist net soviel. Nur eine Reisetasche.«

»Dann zeig’ ich Ihnen Ihr Zimmer.«

»Gern«, nickte die Ältere und folgte dem Madel.

Sechs Zimmer gab es in dem Gesindehaus. Lisa öffnete gleich die erste Tür rechts und ließ den Gast eintreten.

»Ach, das ist ja hübsch«, freute sich Katharina.

Viel gab es eigentlich nicht. Ein Bett, ein Schrank, Tisch und Stuhl, ein Bild an der Wand. Dazu ein kleines Nebenzimmer, das als Bad fungierte.

»Freut mich, daß es Ihnen gefällt«, sagte Lisa. »Frühstücken können S’ ab sechs Uhr in der Früh’, und wenn S’ mal lang’ schlafen sollten, dann bekommen S’ natürlich auch um elf noch was.«

»Eine Langschläferin bin ich eigentlich net«, meinte Katharina schmunzelnd.

»Dann wünsch’ ich Ihnen einen schönen Aufenthalt bei uns«, verabschiedete sich das Madel. »Und wenn S’ Fragen haben sollten – ich bin drüben im Haus.«

»Ist recht«, nickte die junge Frau.

Nachdem Lisa gegangen war, schaute sie sich noch einmal um. Das Zimmer war wirklich gemütlich eingerichtet und gar nicht teuer. Gerade mal zehn Euro verlangte der Bauer dafür, das Frühstück eingerechnet.

»Ach ja«, sagte Katharina zu sich selbst, während sie ihre Sachen auspackte. »Hier werd’ ich mich wohl fühlen.«

*

Sie hatte sich in dem kleinen Bad erfrischt und umgezogen. Jetzt saß Katharina in der Küche des Bauernhauses und trank Kaffee. Lisa hatte sie dazu eingeladen, nachdem die junge Frau hereingekommen war. Katharina Dressler hatte sich eigentlich nach Ausflugszielen und Wandermöglichkeiten erkundigen wollen, und die beiden Frauen waren darüber ins Gespräch gekommen. Auf dem Herd simmerte derweil die Bohnensuppe vor sich hin.

»Ich weiß gar net, ob ich mich allein lostrauen soll«, meinte Ka­tharina.

Sie war Mitte zwanzig, hatte dunkle Haare und ebensolche Augen. Das feingeschnittene Gesicht und die vorteilhafte Figur konnten so manches Männerherz höherschlagen lassen.

»Also, wenn Sie’s möchten, Frau Dressler, dann könnt’ ich Sie ja mal begleiten«, schlug Lisa Sonninger vor. »Allerdings muß ich erst schau’n, wann ich Zeit hätt’.«

»Ach, das wär’ schön«, freute sich der Gast. »Sag’ doch einfach Katharina oder Kathie. So nennen s’ mich im Kinderheim auch.«

»Ich bin die Lisa«, erwiderte das Madel mit einem erfreuten Nicken und schaute sie neugierig an. »Du arbeitest in einem Kinderheim?«

»Ja, ich bin dort Hauswirtschafterin«, erklärte Kathie.

Sie erzählte von dem Heim in Ingolstadt, und Lisa fing langsam an, die junge Frau zu bewundern. Kathie war so ganz anders, als die Madel, die sie kannte. Jung und selbstbewußt, modern und chic gekleidet.

»Lohnt sich’s denn überhaupt, Zimmer zu vermieten?« fragte ihre neue Freundin.

»Na ja, es ist halt ein Zubrot«, antwortete die Schwester des Bauern. »Es kommen jedes Jahr mehr Gäste ins Wachnertal, und es gibt net viele Möglichkeiten, zu übernachten. In Sankt Johann gibt’s ein großes Hotel, und dann sind da noch ein paar Pensionen. Im Tal selbst finden sich nur ein Reiterhof, auf dem man wohnen kann, und dann ein Ponygestüt. Das ist schon alles. Weil die Nachfrage so groß ist, sind einige Bauern auf die Idee gekommen, die Gesindehäuser zu Gästezimmern umzubauen. Das hat sich ganz gut bewährt. Wir selbst haben nur noch einen Knecht, der hier im Haus oben unterm Dach wohnt. Letztes Jahr haben wir zum ersten Mal vermietet, und es war ganz erfolgreich. Mein Bruder ist jedenfalls sehr zufrieden gewesen.«

»Gehört ihm der Hof?«

Lisa nickte.

»Ja. Bis vor drei Jahren lebte unser Vater noch«, erzählte sie. »Mutter ist schon lang’ tot. Jetzt ist Florian der Bauer, und ich bin als Magd geblieben – bis ich vielleicht eines Tages heirate.«

Den letzten Satz hatte sie mit einem verlegenen Lächeln gesagt. Kathie sah sie an und schmunzelte ebenfalls.

»Gibt’s denn schon einen Bewerber?« wollte sie wissen.

Das junge Madel schüttelte den Kopf.

»Wie denn?« fragte es achselzuckend. »Ich hab’ ja fast keine Zeit, jemanden kennenzulernen.«

Kathie Dressler war erstaunt.

»Ja, gehst’ denn net mal zum Tanzen aus?«

Lisa trank gedankenverloren ihren Kaffee.

»Im Gasthaus in Sankt Johann ist jeden Samstagabend Tanz«, antwortete sie. »Aber ich war noch nie dort, der Florian sieht’s net gern.«

Kathie runzelte die Stirn.

»Sag’ mal, wie alt bist’ eigentlich?«

»Achtzehn. Warum?«

»Na, da bist’ doch volljährig und brauchst dir von niemandem vorschreiben lassen, was du tun darfst und was net. Warum gehst net einfach hin, wenn dir zum Tanzen zumute ist?«

»Ach, ich weiß net. Florian macht immer so einen Aufstand, wenn ich ihn frag’.«

Die junge Frau schüttelte den Kopf.

Na, den möchte ich ja mal kennenlernen, dachte sie. Was das wohl für einer ist.

Sie betrachtete das Madel. Lisa war aufgestanden, um nach der Suppe zu sehen. Trotz der einfachen Arbeitskleidung, die sie trug, war sie eine attraktive Erscheinung, und Kathie konnte den Bruder beinahe verstehen. Wahrscheinlich standen die Burschen Schlange, wenn Lisa auftauchte, oder sie rauften sich gar um sie.

Trotzdem – es konnte doch wohl nicht angehen, daß so ein hübsches Madel hier auf dem Berghof versauerte.

Kathie nahm sich vor, Abhilfe zu schaffen, sagte vorerst aber nichts.

»Also, ich würd’ mich freuen, wenn wir zusammen eine Tour unternehmen könnten«, meinte sie. »Ich kann mich da ganz nach dir richten.«

»Prima«, nickte Lisa. »Vielleicht klappt’s ja schon übermorgen. Im Moment ist ein bissel viel zu tun auf dem Hof, und du wirst dich ja auch erst einmal ein bissel eingewöhnen müssen.«

Kathie nickte.

»Da hast recht«, antwortete sie. »Ich denk’, heut’ nachmittag fahr’ ich erst einmal ins Dorf hinunter und schau mich ein bissel um. Schließlich will man ja auch etwas von allem seh’n.«

»Dann solltest’ dir die Kirche anschauen«, meinte Lisa. »Eine schönere findest’ kaum anderswo.«

»Das mach’ ich«, bedankte sich die junge Frau für den Tip.

Sie trank ihren Kaffee aus und wollte aufstehen, als die Kü­chentür geöffnet wurde und Lisas Bruder eintrat.

*

»Grüß Gott«, nickte der Bauer ihr zu. »Frau Dressler? Ich bin der Florian Sonninger.«

Kathie stand auf und reichte ihm die Hand.

»Ja, die bin ich. Grüß Sie, Herr Sonninger.«

Florian ließ seinen Blick über ihre Figur gleiten und hielt kurz den Atem an.

Was für ein Prachtmadel, schoß es ihm durch den Kopf, während er unverbindlich lächelte.

»Meine Schwester hat Ihnen gewiß schon alles gezeigt. Ich hoffe, daß S’ sich bei uns wohl fühlen. Großen Komfort können wir net bieten, aber ein bequemes Bett und ein gutes Frühstück.«

»Bestimmt wird’s mir gefallen«, antwortete Kathie. »Und großen Komfort erwart’ ich auch net. Es ist schon alles so, wie ich’s mir vorgestellt hab’.«

»Fein«, nickte Florian und wandte sich an seine Schwester. »Lisa, bist’ mit dem Essen soweit?«

Das Madel sah nach der Suppe.

»In fünf Minuten können wir essen.«

»Prima, dann schau ich mal, was der Karl macht.«

Er nickte den beiden Frauen zu und verließ die Küche.

Kathie hatte ihm interessiert hinterher gesehen.

Fesch schaute er aus, der Sonningerbauer. Er mußte wohl ungefähr so alt sein wie sie. Groß und schlank war er und hatte die gleiche Haarfarbe wie seine Schwester. Das markante Gesicht ließ darauf schließen, daß er sehr energisch war und sich durchzusetzen wußte.

Eine Frau gab es wohl nicht.

Jedenfalls hatte Lisa bisher nicht von einer Bäuerin gesprochen…

Warum wohl, war der Bursche denn nicht verheiratet, so wie der aussah?

Kathie ertappte sich bei dem Gedanken, daß Florian Sonninger sie noch mehr zu interessieren begann. Auf jeden Fall war er ein attraktiver Mann, und für solche hatte die hübsche Hauswirtschafterin ein Faible.

»Tja, ich denk’, ich mach mich dann mal auf, das Wachnertal zu erobern«, meinte sie und schnupperte an dem Suppentopf. »Himmel, das riecht aber gut.«

Lisa hielt ihr einen Löffel hin.

»Magst’ probieren?«

Kathie kostete vorsichtig.

»Lecker«, stellte sie fest. »Wo hast’ denn so gut kochen gelernt?«

»Das hat mir die Mutter noch beigebracht«, antwortete das Madel. »Ich stand schon als Achtjährige am Herd und bin ihr zur Hand gegangen. Als sie dann gestorben ist, hab’ ich mir ihre alten Kochbücher genommen und daraus gelernt.«

»Respekt«, sagte Kathie und reichte den Löffel zurück. »Bis später dann.«

Sie verließ das Bauernhaus und ging noch einmal in ihr Zimmer. Auf dem Weg dorthin sah sie Florian und den Knecht auf dem Scheunendach. Als sie dann in der Tür des Gesindehauses stand, glaubte sie den Blick des Bauern in ihrem Rücken zu spüren.

Sie drehte sich um und sah gerade noch, wie er den Kopf wieder abwendete.

Lächelnd trat sie ein und schloß ihr Zimmer auf. Nachdem sie ihre sportliche Handtasche am Schulterriemen umgehängt hatte, ging sie wieder hinaus. Die beiden Männer waren nicht mehr auf dem Dach.

Kathie setzte sich in ihren Wagen und fuhr vom Hof. Im Autoradio spielten sie Volksmusik, und die junge Frau drehte an der Lautstärke. Irgendwie paßte die Melodie zu ihrer guten Laune, und sie sang den Refrain laut mit.

Vom Sonningerhof bis nach St. Johann benötigte sie eine gute halbe Stunde. Die enge Bergstraße beschrieb zahlreiche Kurven, und entsprechend langsam mußte man fahren. Dann sah sie die ersten Häuser des Dorfes, mit ihren typischen Lüftlmalereien an den Giebeln und Fassaden. Schindelgedeckt, die meisten, und schon sehr alt.

Kathie fuhr langsam die Hauptstraße entlang und schaute sich um. Der Probierlöffel Suppe hatte ihren Appetit geweckt, und jetzt war sie auf der Suche nach dem Gasthaus. Sie fand es schnell in der Mitte der Straße und stellte das Auto auf dem Parkplatz ab. Die junge Frau war froh, einen schattigen Platz unter den Bäumen gefunden zu haben, denn die Sonne brannte heiß vom Himmel, und später würde es im Auto genauso heiß sein.

Vor dem Eingang wies ein Schild auf den geöffneten Wirts­hausgarten hin. Kathie ging durch den Seiteneingang, durch den man in den Garten gelangte. Zahlreiche Tische standen unter bunten Sonnenschirmen, und viele Plätze waren bereits mit Touristen besetzt.