Glück im Doppelpack - Toni Waidacher - E-Book

Glück im Doppelpack E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer Sebastian Trenker hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Sein größtes Lebenswerk ist die Romanserie, die er geschaffen hat. Seit Jahrzehnten entwickelt er die Romanfigur, die ihm ans Herz gewachsen ist, kontinuierlich weiter. "Der Bergpfarrer" wurde nicht von ungefähr in zwei erfolgreichen TV-Spielfilmen im ZDF zur Hauptsendezeit ausgestrahlt mit jeweils 6 Millionen erreichten Zuschauern. Wundervolle, Familienromane die die Herzen aller höherschlagen lassen. Es war Dezember. Während in den vergangenen Tagen Tauwetter geherrscht hatte, war in der vergangenen Nacht die Temperatur wieder unter den Gefrierpunkt gefallen. Der Tag war klar, der Himmel blau, das Wachnertal lag im Sonnenschein. In dem hellen Licht funkelten die Schnee- und Eiskristalle wie winzige Edelsteine. Lange stand Petra gedankenversunken vor dem Grab ihres Mannes auf dem Friedhof von St. Johann. Wenn sie ausatmete, hing eine weiße Dunstwolke vor ihrem Gesicht. Schließlich begann sie die Kälte, die vom Boden aus in ihre Füße zu kriechen schien, zu spüren, und sie wandte sich ab. Unter ihren Schritten krachte der gefrorene Schnee. Der Gehweg war zwar mit Splitt bestreut, dennoch musste sie Obacht geben, um nicht auszurutschen und zu stürzen. Im selben Moment, als sie durch das Portal hinaus auf den Kirchplatz trat, verließ Pfarrer Trenker das Pfarrhaus. Er war mit einem dunklen Mantel bekleidet und seine Füße steckten in gefütterten, knöchelhohen Schuhen. Eine schwarze Pudelmütze hatte er sich über die Ohren gezogen. Er sah Petra und ging auf sie zu. »Habe die Ehre, Petra«, grüßte er, als er bei ihr anhielt. »Hast das Grab deines Mannes besucht?« »Grüaß Ihnen Gott, Hochwürden«, erwiderte Petra seinen Gruß. »Ja, den Adam hab' ich besucht.

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Der Bergpfarrer Extra – 42 –

Glück im Doppelpack

Am Ende wird doch alles gut ...

Toni Waidacher

Es war Dezember. Während in den vergangenen Tagen Tauwetter geherrscht hatte, war in der vergangenen Nacht die Temperatur wieder unter den Gefrierpunkt gefallen. Der Tag war klar, der Himmel blau, das Wachnertal lag im Sonnenschein. In dem hellen Licht funkelten die Schnee- und Eiskristalle wie winzige Edelsteine.

Lange stand Petra gedankenversunken vor dem Grab ihres Mannes auf dem Friedhof von St. Johann. Wenn sie ausatmete, hing eine weiße Dunstwolke vor ihrem Gesicht. Schließlich begann sie die Kälte, die vom Boden aus in ihre Füße zu kriechen schien, zu spüren, und sie wandte sich ab. Unter ihren Schritten krachte der gefrorene Schnee. Der Gehweg war zwar mit Splitt bestreut, dennoch musste sie Obacht geben, um nicht auszurutschen und zu stürzen.

Im selben Moment, als sie durch das Portal hinaus auf den Kirchplatz trat, verließ Pfarrer Trenker das Pfarrhaus. Er war mit einem dunklen Mantel bekleidet und seine Füße steckten in gefütterten, knöchelhohen Schuhen. Eine schwarze Pudelmütze hatte er sich über die Ohren gezogen. Er sah Petra und ging auf sie zu. »Habe die Ehre, Petra«, grüßte er, als er bei ihr anhielt. »Hast das Grab deines Mannes besucht?«

»Grüaß Ihnen Gott, Hochwürden«, erwiderte Petra seinen Gruß. »Ja, den Adam hab’ ich besucht. Drei Jahre waren’s jetzt, dass er verunglückt und gestorben ist. Er fehlt mir einfach an allen Ecken und Enden. Aber ich will net mit dem Schicksal hadern, Hochwürden. Mann muss es eben nehmen, wie’s kommt.«

»Das ist nun einmal so, Petra. Aber der Adam lebt in deinem Herzen fort, und so lang das der Fall ist, ist er net wirklich tot. Wie geht’s dir denn allweil so? Ich seh’ dich am Sonntag immer in der Messe, und oft begleitet dich die Leitermann-Sybille mit ihrer kleinen Tochter. Ihr drei wirkt auf mich immer wie eine kleine glückliche Familie.«

Petra nickte. »Mit der Sibylle versteh’ ich mich hervorragend, und die kleine Anna lieb’ ich, als wär’s mein eigenes Kind. Es ist halt net immer einfach für die Sibylle als alleinerziehende Mutter. Aber ich helf’ ihr, wo’s nötig ist. Wenn ich was brauch’, ist sie ja auch für mich da.«

»So wäscht eine Hand die andere, net wahr?«, sagte Sebastian lachend. »Die Kleine ist ja ein aufgewecktes Kind. Ich erinner’ mich an die Sibylle, als sie selber noch so klein war. Das Madel gerät ganz nach ihr. Es wird mal genauso hübsch wie die Mama.« Sebastian lachte. »Eigentlich müsst’ die Sibylle doch ein ganzes Rudel von Verehrern haben. Sie ist ja net nur ausgesprochen hübsch, sondern hat auch ein sympathisches, einnehmendes Wesen und ist bodenständig. Um eine Frau wie sie reißen sich doch die Mannsbilder.«

»Die Sibylle hat kein Interesse«, erwiderte Petra. »Seit der Sach’ mit dem Rodler-Gerd hat sie keinen Mann mehr angeschaut. Ihr Leben, hat sie mir mal anvertraut, widmet sie ihrer Tochter. Da müsst’s schon gewaltig funken bei ihr, damit sie sich wieder einem Mann anvertraut. Sie wissen ja, Hochwürden: Gebranntes Kind scheut das Feuer.«

»Das ist doch fünf Jahre her«, versetzte Sebastian nach kurzer Überlegung. »Irgendwann muss sie mit der Enttäuschung doch fertig werden und die Angelegenheit für sich zu einem Abschluss bringen. Hat sie eigentlich je wieder was gehört vom Rodler-Gerhard?«

»Nix, kein Lebenszeichen, in all den fünf Jahren net«, antwortete Petra. »Es ist auch net so, dass sie die Sach’ net längst abgehakt hätt’, Hochwürden. Dem Rodler trauert sie nimmer hinterher. Aber die Angst, ein weiteres Mal enttäuscht zu werden, hat sich tief in ihr festgesetzt, und drum fängt sie erst gar nix mehr an.«

»Und wie schaut’s bei dir aus, Petra? Du bist Mitte dreißig, und irgendwann musst du dich auch wieder in die Zukunft orientieren. Dass du um den Adam trauerst, ist ja in Ordnung. Trauer bedeutet aber net, nimmer am Leben teilzunehmen. Du musst loslassen, Petra. Sein Heimgang ist drei Jahre her, und er würd’ ganz gewiss nix dagegen haben, wenn du dich neu verliebst.«

»Sie reden ja fast genauso wie die Sibylle, Hochwürden«, erklärte Petra lächelnd. »Die versucht mir auch ständig einzureden, dass ich genug getrauert hab’.« Sie lachte fast amüsiert auf. »Gerade sie, die nix mehr von den Männern wissen will, versucht mir einzureden, dass es für mich an der Zeit wär’, mich wieder nach einem Partner umzusehen.«

»Sie meint’s halt gut mit dir«, erwiderte der Bergpfarrer. »Es ist ja auch so. Du machst den Adam nämlich nimmer lebendig, selbst wenn du noch dreißig, vierzig oder fünfzig Jahre trauerst. Es wär’ aber ein Fehler, den Toten über dein Leben bestimmen zu lassen. Kein Mensch verlangt von dir, dass du ihn aus deinem Herzen verbannst. Du kannst ihm ein Leben lang ein ehrendes Gedenken bewahren, was aber net heißt, dass du nimmer glücklich werden darfst.«

»Ich versteh’ Sie schon, Hochwürden. Ich selber hab’ ja auch schon öfter mal drüber nachgedacht. Irgendwie aber hab’ ich immer das Gefühl, dem Adam untreu zu sein, wenn ich mich neu verlieben würd’. Ich seh’ dann regelrecht sein Gesicht mit einem Ausdruck von Trauer und Enttäuschung vor mir.«

»Du redest dir selber ein schlechtes Gewissen ein, Petra«, gab Sebastian zu verstehen. »Jeder würd’ dich verstehen, auch der Adam.«

»Ein Problem wär’s auch, Hochwürden, wo ich nach einem Mann Ausschau halten sollt’«, murmelte Petra. »Bei mir im Garten begegne ich kaum einem, der in Frage käm’, und dort, wo ich vielleicht einen treffen könnt’, komm ich net hin.«

»Du musst dich halt mehr unter die Leut’ begeben, Petra«, schlug Sebastian vor. »Ich bin überzeugt, dass genug Mannsbilder rumlaufen, die nach einer Frau Ausschau halten und für dich in Frage kämen. Wenn die Saison wieder anfängt und jeden Samstag im Löwen Tanz ist, musst du einfach dein bestes Dirndl anziehen und hingehen. Da hast du wahrscheinlich die freie Auswahl an Burschen, die auf Brautschau sind.«

»Wenn’s so einfach wär’, Hochwürden«, versetzte Petra lachend. »Die Männer wollen auch net die Nächstbeste, ebenso wenig wie ich den Nächstbesten haben möcht’.«

»Jeder Topf findet seinen Deckel, Petra. So, jetzt muss ich aber zusehen, dass ich weiterkomm’. Ich muss nach Waldeck ins Altenheim. Dort bin jeden Mittwochnachmittag und unterhalt mich ein bissel mit den alten Leuten. Die haben auch noch ihre Problemchen und Probleme.«

»Das kann ich mir vorstellen, Hochwürden«, erklärte Petra. »Fahren S’ nur vorsichtig, die Straßen sind vielleicht glatt. Gestern war alles noch Schneematsch, heut’ ist alles beinhart gefroren. Und der klare Tag verspricht, dass es kalt bleibt.«

»Eine trockene Kälte ist mir zehnmal lieber als so ein nasskaltes Tauwetter«, erwiderte Sebastian. »Außerdem hebt’s die Stimmung, wenn die Sonne scheint. Schau nur hinauf zu den Gipfeln unserer Berge, Petra, wie scharf und klar sie sich gegen den Himmel abheben. Das ist doch was anderes, als wenn sie hinter grauen Regenwolken verschwunden sind.«

»Mir ist’s so auch lieber«, gestand Petra.

»Also, dann pack’ ich’s jetzt«, sagte der Pfarrer. »Servus, ich wünsch’ dir einen angenehmen Tag. Und grüß’ mir die Sibylle.«

»Auch Ihnen einen schönen Tag, Hochwürden«, wünschte Petra. »Pfüat Ihnen.«

Sie gingen auseinander. Während Petra ihre Schritte zur Hauptstraße lenkte, strebte Sebastian der Garage zu. Er hatte sich vorgenommen, das Auto zu nehmen, denn es war zu kalt, um mit dem Fahrrad nach Waldeck zu radeln.

*

Eine Viertelstunde später betrat Petra ihre Wohnung. Sie zog Mütze, Handschuhe, Mantel und Stiefel aus, schlüpfte in ihre pelzgefütterten Hausschuhe und begab sich ins Wohnzimmer. Hier war es kuschelig warm. Petra überlege kurz, ob sie den Fernseher einschalten oder ihre Freundin Sibylle anrufen sollte, entschied sich für die Freundin und holte das Telefon. Gleich darauf hatte sie Sibylle am Apparat. »Grüaß di, Sibylle. Alles gut bei dir und der Kleinen?«

»Ja. Wir spielen ‚Mensch ärgere dich nicht’. Nachher werden wir ein bissel frische Luft schnappen. Es ist zwar kalt, aber so einen wunderbaren Wintertag muss man ausnützen. Ich hab’ der Kleinen versprochen, den Schlitten mitzunehmen.«

»Hast du was dagegen, wenn ich euch begleite?«, fragte Petra.

»Nein, warum sollt’ ich. Im Gegenteil. Ich freu’ mich über deine Gesellschaft. Und die Anna auch.«

»Ich war auf dem Friedhof und hab’ den Pfarrer getroffen«, erzählte Petra. »Er hat mir einen schönen Gruß an dich ausgerichtet.«

»Danke. – Bis wann kommst du? Die Kleine ist schon ziemlich ungeduldig. Sie kann’s net erwarten, rauszukommen.«

»In fünf Minuten bin ich bei euch«, versicherte Petra, beendete das Gespräch und zog die warmen Sachen wieder an. Tatsächlich läutete sie wenig später an der Tür des Nachbarhauses, in dem Sibylle Leitermann mit ihrer Tochter lebte. Im Flur hörte sie Stimmen, und zwar eine helle Kinderstimme sowie die dunklere Sibylles.

Im nächsten Moment ging die Tür auf und die beiden kamen nach draußen. Sie waren fix und fertig angezogen. Die Kleine war mit einem dicken Anorak, einer wattierten Hose, Winterstiefeln, einer Pudelmütze, einem Schal und Fäustlingen bekleidet. Sibylle hatte sich einen Skianzug – schwarze Hose, weiße Jacke – angezogen. Auch bei ihr fehlten Mütze, Handschuhe und warmes Schuhwerk nicht. Sie trug einen leichten Schlitten aus rotem Kunststoff.

»Servus, Petra«, grüßte Sibylle und lachte. Ihre blauen Augen strahlten. Das Lachen verzauberte ihr schönes, gleichmäßiges Gesicht auf besondere Weise. »Freut uns, dass du dich uns anschließt.«

»Grüaß euch.« Petra umarmte erst die um fast zehn Jahre jüngere Freundin, dann nahm sie die kleine Anna auf den Arm und herzte sie. »Na, du kleiner Spatz!«

Das Mädchen schlang seine Arme um Petras Nacken und drückte sein Gesicht an das der Frau. »Zieht du mich mit dem Schlitten, Tante Petra?«, fragte Anna.

»Das ist doch selbstverständlich, mein kleiner Engel«, erklärte sich die Sechsunddreißigjährige bereit. »Vorher aber musst du noch ein Stück laufen. Die Gehsteige sind gestreut, und der Schlitten lässt sich auf dem Split net ziehen.«

Sie setzten sich in Bewegung. Anna ging an Petras Hand, Sibylle trug den Schlitten. »Was spricht er denn, unser Pfarrer?«, erkundigte sie sich.

»Er hat mich gefragt, wie’s mir geht, außerdem haben wir über dich geredet. Dass dir die Kleine wie aus dem Gesicht geschnitten ist, hat er gemeint, und dass du eigentlich ein ganzes Rudel Verehrer haben müsstest, weil du so hübsch bist. Die Kerle müssten sich um dich reißen, hat er gesagt.«

»Hat er das wirklich?«, fragte Sibylle leicht errötend. »Darf er denn als Pfarrer überhaupt auf so was schauen?«

»Warum sollt’ das Auge eines Geistlichen für das Schöne auf dieser Welt net empfänglich sein dürfen?« Petra seufzte ergeben. »Wenn irgendein Mannsbild solche Komplimente macht, dann meist net ohne Hintergedanken. Beim Trenker aber – davon bin ich überzeugt – ist es ehrlich und kommt von Herzen, und darum kannst du auch sicher sein, dass er’s genauso meint, wie er’s sagt. Er hat dich überdies als sympathisch, einnehmend und bodenständig bezeichnet. Der mag dich, Sibylle – dich als Mensch, unabhängig davon, dass du eine Frau bist.«

»Ich mag ihn auch«, gestand Sibylle. »Er ist ein herzensguter, ehrlicher Mensch, bei dem nix aufgesetzt oder schönheilig rüberkommt. Er sagt, was er denkt, und er behandelt jeden – ob reich oder arm, ob schön oder hässlich, ob dick oder dünn – gleich.«

»Mir hat er empfohlen, mich endlich von dem Gedanken zu lösen, dass ich Verrat am Adam begeh’, wenn ich mich auf einen anderen Mann einlass’. Getrauert, meint er, hab’ ich genug, und nun wär’s an der Zeit, den Blick wieder in die Zukunft zu richten. Ich hätt’ ein Recht drauf, wieder glücklich zu sein.«

»Das ist genau das, was ich dir schon seit längerer Zeit immer wieder predige, Petra«, stieß Sibylle hervor. »Du kannst dich net für den Rest deines Lebens in deinen vier Wänden verkriechen und mit deinen Erinnerungen verkümmern. Du hast den Adam geliebt, und du wirst ihn immer in deinem Herzen tragen, aber er ist seit mehr als drei Jahren tot, und es ist wohl tatsächlich an der Zeit, dass du aufhörst, in der Vergangenheit zu leben. Du hast dem Adam die Treue geschworen, bis dass der Tod euch scheidet. Er hat euch geschieden. Einem Toten musst du net treu sein. Das Gedenken an ihn zu bewahren ist ausreichend.«

»Ich bin ja selber manchmal fast so weit, dass ich dran denk’, mir wieder einen Partner zu suchen«, gab Petra zu. »Das Alleinsein drückt manchmal schon sehr aufs Gemüt. Aber es ist halt net so einfach, jemand zu finden, der zu einem passt.«

»Tja«, machte Sibylle, »wenn du drauf aus bist, einen Mann zu finden, dann ist Aktivität gefordert. Zu dir heim kommt keiner.«

»Das ist mir schon klar. Wenn du mir jetzt noch verrätst, was du unter Aktivität verstehst? Soll ich durch den Ort laufen und Flugblätter verteilen? ‚Ich, Petra Rögner, bin des Alleinseins überdrüssig und suche einen Mann. Interessierte können sich entweder telefonisch melden oder eine schriftliche Bewerbung abgeben’. – Natürlich könnt’ ich auch im Kurier eine entsprechende Annonce veröffentlichen …«

Sibylle lachte. »So ganz von der Hand zu weisen ist das gar net, Petra. Ich bin überzeugt, dass sich einige Bewerber fänden. Ich aber denk’ an was anderes.«

»So, woran denn?«

»An eine Partnervermittlung. Im Internet findet man etliche Dating-Plattformen, die seriös sind und tatsächlich nur Leute zusammenführen, die auch zusammenpassen.«

»Internet … Dating-Plattform … Das ist alles doch nur Geldbeutelschneiderei.« Petra winkte geringschätzig ab. »Du zahlst einen Haufen Geld, und die Partnervermittlung schickt dir den Nächstbesten. Damit hat sie ihren Vertrag erfüllt und du schaust in die Röhre. Sei mir net bös’, Sibylle, aber mit so einem Ansinnen darfst du net an mich herantreten. Auf so was lass’ ich mich nämlich net ein. Auf einmal hätt’ ich möglicherweise einen Kerl an der Backe, den ich gar net will, der sich aber nimmer abwimmeln lässt. Nein, danke!«

»Du täuscht dich, Petra. Es gibt ausgesprochen seriöse Dating-Portale. Die schicken dir net einfach einen Mann, ob er passt oder net, nur um ihrer Pflicht Genüge zu tun. Die testen ihre Mitglieder, ehe sie sie jemand vorschlagen. Und wenn’s net passt, dann hat’s sein Bewenden, und sie schauen weiter, bis sie deinen Mister Right gefunden haben.«

»Die Partnervermittlungen können ja seriös sein, aber sind’s auch die Leut’, die sie betreuen? Woher wollen sie denn wissen, dass sie vielleicht einen Hallodri in ihre Kartei aufgenommen haben, der unlautere Absichten verfolgt?«

Sibylle zuckte mit den Schultern und erwiderte: »So genau weiß ich auch net Bescheid. Irgendein Verfahren werden sie bei den Portalen schon benutzen, um die Spreu vom Weizen zu trennen. So etwas musst du auf dich zukommen lassen. Sicher wird das eine oder andere schwarze Schaf dabei sein. Doch die dürften sich in der Minderzahl befinden. Denn das würd’ sich herumsprechen und dem Dating-Portal würden die Mitglieder weglaufen.«

Der Ort endete und ein Feldweg, der zwischen verschneiten Äckern, Feldern und Wiesen entlangführte, nahm seinen Anfang. Hier lag der Schnee hoch und die kleine Anna rief: »Darf ich mich jetzt auf den Schlitten setzen? Ziehst du mich, Tante Petra?«

»Natürlich«, erwiderte Sibylle und warf den Schlitten auf den Schnee. Schwups, saß die Kleine drauf. Petra nahm die Schnur, die vorne am Schlitten befestigt war, und zog an. Die beiden Frauen gingen weiter, hinter Petra glitt der rote Schlitten mit dem Mädchen über den harschigen Schnee.

»Würdest du mir helfen, mich bei einer solchen Partnerver­mittlung anzumelden?«, fragte Petra, nachdem sie eine ganze Weile nebeneinanderher geschritten waren.

»Gern«, antwortete Sibylle.

*

Weihnachten und Neujahr waren vorüber. In St. Johann herrschte die alljährliche Winterruhe. Abends gingen an den Häusern die Weihnachtsbeleuchtungen an und der ganze Ort erstrahlte in den gelben, weißen und oftmals auch farbigen Lichtern, die Balkone, Dachvorsprünge, Fenster und Gärten schmückten.

Petra Rögner hatte schon fast vergessen, dass sie sich einige Wochen vorher bei einem Dating-Portal für eine Partnersuche angemeldet hatte. So ganz ernst nahm sie die ganze Sache nämlich nicht, denn sie war immer noch skeptisch hinsichtlich der Seriosität solcher Einrichtungen. Was ihr die Zweifel ein klein wenig genommen hatte, war die Tatsache, dass das Unternehmen zunächst kein Geld von ihr haben wollte, was aber andererseits dazu geführt hatte, dass sie gar keinen Erfolg erwartete. Denn was umsonst war, konnte ihrer Meinung nach nichts taugen.

Petra war ein ausgesprochen pragmatischer Mensch, der mit beiden Beinen im Leben stand.